Geoutet und gemieden oder verstanden und respektiert ?

  • Hallo Miteinander,

    heute Vormittag habe ich wieder einmal eine junge, kurvenreiche, ulltrablonde :wink: und total unaufgeklärte Person kennen gelernt.

    Ich war beim Großhandel um für meinen Laden einzukaufen und direkt inmitten in der Eingangszone, so dass ja kein Weg daran vorbeiführt und man fast darüber hinwegsteigen musste, präsentierten o. g. junge Dame und ein gut gekleideter älterer Herr an zwei Ständen jeweils, eine ohnehin schon allbekannte Kräutermarke und verschiedene Weinsorten.
    Die junge Dame kam freudestrahlend auf mich zu, stellte sich mir in den Weg, fing sofort wortgewaltig an mir die Kräutermarke, mit all ihren "Vorzügen", zu präsentieren und wollte mich partu dazu animieren sie zu verkosten. Dass ich, ohne ihren Redeschwall bremsen zu können, mittlerweile schon zweimal dankend abgelehnt hatte, schien sie überhaupt nicht hören zu können, wollte sie mir doch unbedingt etwas Gutes tun. Zwischenzeitlich hatte ich mich an ihr vorbei bewegt, doch sie schien irgend eine Strafe zu erwarten, sollte ausgerechnet ich nicht probieren und sie heftete sich an meine Fersen. Ich wendete mich ihr also noch einmal zu, sagte: "Mädel, ich hab jetzt schon zweimal nein gesagt, ich bin Alkoholiker und wenn das Zeug so gut ist dann trink es doch selbst."
    Ihr schönes Gesicht knitterte zur geballten Ablehnung zusammen, sie drehte sich apruppt auf dem Absatz um, ging zu ihrem Stand und dort hörte ich sie zu dem älteren Herrn mit dem Wein sagen: "So ein Idiot, na wer nicht will der hat schon."

    Damit hatte sie garnicht so unrecht. Ja, ich hatte genug Alkohol bisher in meinem Leben und ich hatte auch genug von solchem Gebaren, deshalb nahm ich mir dann 5 Minuten Zeit für den Marktleiter. Dieser schien jedoch nicht zu wissen, was in seinem Markt passiert und nachdem ich ihn aufgeklärt habe, versprach er mir auf der Stelle Abhilfe zu schaffen.

    Nun, die Zukunft wird zeigen, ob ich diesen Markt (gibt es doch mehrere davon bei uns) auch weiterhin mit meinen Einkäufen beehre.

    Bei der jungen Dame jedoch werde ich höchstwahrscheinlich niemals landen können :cry::lol: , habe ich mich doch geoutet und werde deshalb sicherlich gemieden. Verstanden und respektiert hat sie mich jedenfalls nicht.

    Ich dachte den ganzen Tag daran und fragte mich ernsthaft ob, ordentlicher Präventionsunterricht (nicht gleich ein ganzes Fach, aber mindestens eine ordentliche Anzahl Stunden) in der Schule (so lange war sie dort noch nicht raus), oder Aufklärung durch/bei ihren/m Arbeitgeber, hier hätten Miß-/ Unverständnisse und negative Reaktionen vermeiden helfen können. Ich denke schon, obwohl ich sie dabei im Klassenraum sitzen sah, einen kleinen runden Spiegel in der linken Hand und den Lippenstift in der Rechten zum Mund führend.
    Aber ich staune heute auch manchmal, was mein Unterbewusstsein so alles von damals noch hervorkramt. So zum Beispiel heute ein sehr gutes Russisch, obwohl mir der Abschluss in diesem Fach damals der Statistik zuliebe :wink: geschenkt wurde. Rein theoretisch hätte ich es, aus damaliger "unergründlicher" Abneigung dagegen, vergeigt und meinen Schulabschluss deshalb fast auch.

    Ob andere Statistiken, ordentlich vermittelt, auch solche kleinen Wunder bewirken können, im Zusammenspiel mit dem Unterbewusstsein :?:

    LG, Andy

  • Hallo !

    Es wurden Infos von den "Neuen" gewünscht, deshalb hier mein Beitrag.
    Mich interessiert das Thema zudem brennend, da Outing hochaktuell für mich ist. Deshalb hier meine bisherigen, sehr wenigen Erfahrungen und die Hoffnung auf Ratschläge:

    Dieses Wochenende habe ich meinem Vater am Telefon (er wohnt weiter weg) erzählt, dass ich alkoholkrank bin und entsprechende Hilfe in Anspruch nehmen muss und werde. Seine Reaktion: " Ich hätte ja gedacht, dass Du DAS alleine schaffst" Er hat mich damit unheimlich verletzt. Ich hätte mehr Verständnis erwartet. Seitdem herrscht Funkstille. Ich habe nichts mehr von ihm gehört und selber auch nicht mehr angerufen.

    Mein Mann und eine sehr, sehr gute Freundin dagegen waren froh, dass ich endlich selber drauf gekommen bin und etwas unternehmen will.

    Das Gespräch im Büro steht mir noch bevor und ist sicher unabwendbar: Mein direkter Kollege hatte heute seinen ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub und ich melde mich krank. Üblicherweise rufen wir uns in solchen Fällen zumindest kurz an, klären das wichtigste ab und erzählen uns auch WARUM WIR NICHT KOMMEN KÖNNEN. Ich habe nicht angerufen, denn ich wollte ihn nicht anlügen, war aber auch noch nicht in der Lage, ihm die Wahrheit (die er vermutlich eh schon lange kennt) zu erzählen.

    Wichtig ist dabei sicher zu wissen, dass ich erst ganz am Anfang stehe, seit gerademal 3 Tagen keinen Alkohol mehr trinke und vom Arzt vor allem wg. meiner derzeitigen katastrophalen psychischen Verfassung in der Entgiftung krank geschrieben wurde.

    Liebe Grüße
    Biene

  • Hallo Biene2904

    vor nicht allzu langer Zeit habe ich mich sehr intensiv mit dem Thema "Väter & Söhne bzw. Väter & Töchter" befasst und schlußendlich eine Magisterarbeit dazu geschrieben, auf die meine Freundin dann eine 2 bekam :lol:. Ich habe dabei sehr viel Einblick in diese Thematik bekommen und auch bei mir selbst ging ein Licht auf, warum in meinem Leben manches so und manches anders verlief, worauf ich vorher keine Antworten hatte. Die Reaktion Deines Vaters, hätte auch die Meines sein können. Manche Väter haben die Eigenart sich selbst in ihre Kinder hinein zu projezieren und diese mit enormen Druck, ob sie wollen oder nicht, ihr eigenes Lebenswerk-/Ziel, alles was sie selbst nicht vollendet bekommen haben oder werden wollten, unbedingt realisieren zu lassen. Kinder die diesem Druck nicht folgen können oder wollen, brechen entweder aus oder verzweifeln daran, aber in jedem Fall steht am Ende fast immer ein Bruch. Lies dazu mal Kafkas "Urteil" oder Storms "Hans und Heinz Kirch", als Paradebeispiele, sowie Kritiken zu beiden Werken um Hintergründe zu erfahren und zu verstehen. Vielleicht kannst Du Dir dann die Reaktion Deines Vaters besser erklären und vor allem darauf basierend das Gespräch mit ihm suchen. Hast ja jetzt in der Entgiftung etwas Zeit dazu :wink: .

    Die Reaktionen Deines Mannes und Deiner Freundin sind dagegen sehr gut. Hoffentlich unterstützen sie Dich auch dementsprechend, denn es wird ein sehr langer Weg.

    Was Deine Arbeit betrifft, würde ich Dir raten, kümmere Dich wirklich erst mal um Dich selbst und ziehe die Entgiftung in aller Ruhe durch, ohne Gewissensbisse. Du bist krank - basta! Wenn Du tot wärst, müsste es auch ohne Dich gehen.
    Alles andere ergibt sich und kann geregelt werden, wenn Du wieder einigermaßen fit bist. Und dann kann ich Dir nur empfehlen - keine falsche Scheu.

    LG, Andy

  • Hallo Miteinander,

    Warum nur immer dieses ungläubige Erstaunen ?

    Ich hatte am Samstag Abend noch eine Rechnung für eine Baustelle fertig zu machen, in deren Aufwand und Ergebnis ich mich mit einem anderen
    Unternehmen hineinteile. Da ich noch Fragen zu den Aufmassen hatte, rief ich den anderen Unternehmer an. Dieser war gerade Gast bei einer Einzugsfete von seinem Bekannten. Er gab mir die gewünschten Auskünfte und sagte zum Abschluss, dass er jetzt gerade dabei wäre ein frisches Bier zu zapfen und dass er dies mir widmen wolle. Ich sagte spassig, dass er sich nun wohl ein Wasser nehmen müsse, da ich keinen Alkohol trinke.

    Und dann kam es wieder: "Wie, niemals ? Lebst du überhaupt ? Dann kannst du ja gleich in die Kiste springen !"

    Ich kenne ihn nun schon eine Weile (ca. 1 Jahr) und ich könnte nicht sagen, dass ich glaube er hätte ein Alkoholproblem. Warum aber diese dummen Sprüche, dieses ungläubige Erstaunen ?
    Hätte ich gesagt, ich trinke kein Wasser, dass würde er bestimmt noch nicht einmal annähernd registrierend zu Kenntnis nehmen.

    Nun ja, Samstag Abend war ich jedoch zu Müde um ihm am Telefon Näheres zu erklären. Heute habe ich es jedoch auf der Baustelle nachgeholt und er hat es ebenso ungläubig staunend aufgenommen. Auf seine Sprüche angesprochen beteuerte er, dass er nur selten Alkohol und dann in vernünftigem Maß zu sich nähme, aber so ganz ohne Alkohol wären ihm die Welt und vor allem das Feiern etwas zu öde, aber er respektiere meinen Standpunkt. Ich sagt nur noch zu ihm, wenn er wüsste wie öde die Welt mit Alkohol werden kann, würde er nicht so reden. Dann ließ uns aber die Arbeit keine weitere Zeit, das Gespräch zu vertiefen.

    Ich bin gespannt, ob er irgendwann darauf zurück kommt und vor allem, ob ich in Zukunft eine Veränderung in seinem Verhalten, egal in welcher Richtung, feststellen kann.

    LG, Andy

  • Servus ottonv!

    Dein Erlebnis kann ich gut verstehen und nachvollziehen.
    Es passiert mir auch immer wieder, dass mir über meine Situation uninformierte Personen geistig zuprosten wollen. Ich lehne dann ebenso ab, wie du es getan hast mit dem Hinweis keinen Alkohol zu trinken.
    Vordergründig genügt dies den meisten als Begründung;näher bekannten Personen erläutere ich gerne wieso und warum ich keinen Alkohol trinke.

    Ganz allgemein kann aber gesagt werden, dass der Alkohol in unserer Gesellschaft derart tief verwurzelt ist, dass eben viele das Trinken mit einem ganz besonderen Lebensgefühl verbinden, was auch in der Werbung schamlos ausgenützt wird. Für viele ist es unverständlich gewisse Lebenssituationen ohne Alkohol durchleben zu wollen.
    Wir alle hier wissen jedoch warum und alle anderen sollen es gefälligst akzeptieren - wir wollen ein trockenes, zufriedenes Leben führen und da gehört das Trinken nicht dazu.

    LG
    Andreas

    carpe diem

  • Hallo Cats,

    ich möchte nur mal nebenbei auf diesen einen Satz eingehen:

    Zitat

    Diese ist bedeutend jünger als ich, im Partyalter halt

    Hey, hallo ! Wann hört das Partyalter denn auf ??? :wink: Nur damit ich mich schon drauf einstellen kann :lol:

    Liebe Grüße
    Biene (39 und ein paar Tage alt)

  • Hallo Miteinander,

    Zitat von andreas57

    Ganz allgemein kann aber gesagt werden, dass der Alkohol in unserer Gesellschaft derart tief verwurzelt ist, dass eben viele das Trinken mit einem ganz besonderen Lebensgefühl verbinden, was auch in der Werbung schamlos ausgenützt wird.

    Ja, Andreas und unsere Politiker fördern das auch noch, denn wer ständig auf Party oder down ist, der hat keinen Blick für das Wesentliche. Mich macht es momentan ganz verrückt, dass die die Fußball-EM (bin eigentlich kein Fan davon) schon wieder so (s. 2006) als Volksdeutsches-Party-Sommermärchen vergewaltigen. Wer mal genau hinschaut wird sehen, was für Pressions-Gesetze die in dieser Taumelzeit der Deutschen beschliessen (so geschehen s. 2006). Das Erwachen kommt erst viel später, wenn es für alle kein Zurück mehr gibt. Und nicht nur die Politiker werden diese Zeit für sich ausnutzen :!: .

    @cats: Tob Dich nur ruhig aus, hab kein Problem damit :lol: .

    Was Deine Kolleginnen betrifft denke ich, dass das wirklich aus Naivität und Unbewußtheit passiert. Wie so vieles Anderes, was aus fehlender bzw. ungenügender oder wissentlich verhinderter Prävention resultiert. Auch hier wird es irgendwann ein Erwachen geben, spätestens wenn das Maß endgültig verloren geht :? .

    LG, Andy

  • Hallo Andreas und Andy,

    ich verstehe nicht ganz den Sinn eurer angesetzten Kritik am Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft, bzw. dessen folgerichtiger Instrumentalisierung durch die Werbeindustrie?

    Irgendwie scheint euch das ziemlich zu schaffen zu machen. Warum eigentlich? Für mich klingt da eine ganze Menge Selbstmittleid - und dadurch schwingen letztendlich auch noch (was viel gefährlicher ist) Verzichtgedanken mit. Andy, wer dein letztes Posting liest (zumindest geht es mir so), den beschleicht das unbestimmte Gefühl, dass du den vielen Fussballfans da draußen ihre EM-Party nicht gönnst, v.a. jetzt, wo du nicht mehr mitsaufen kannst. Ist das so?

    Da draußen sind Millionen Deutsche, die mit Alkohol umgehen können und die sich auf Ihre alkoholschwangere EM freuen (mit hoffentlich viel deutschen Siegen). So what? Warum bleibst du nicht einfach bei dir und überlegst dir, was DU für DEINE Trockenheit tun kannst und gleichzeitig die EM ohne Rückfallrisiko überstehst?

    Herzlichst,

    Blizzard

    Erst unter den Hammerschlägen des Schicksals, in der Weißglut des Leidens an ihm, gewinnt das Leben Form und Gestalt. (V.E. Frankl)

  • Servus Blizzard!

    Wenn du meinen Post genau liest, wirst du feststellen, dass ich am Umgang mit Alkohol in unserer Gesellschaft keine "Kritik" geübt habe, sondern nur festgestellt habe, dass die sog. Alkoholkultur ( in Österreich "Weinkultur") eben fest verankert ist - und ein besonderes Lebensgefühl damit in der Werbung vorgegaukelt werden soll !

    Ich persönlich habe damit kein Problem und es schwingen auch keine Verzichtsgedanken mit - mir ist der Alkohol inzwischen gleichgültig geworden. Wer damit umgehen kann, dem vergönne ich von Herzen sein Trinken. Ich kann es nicht - das war so - das ist so- und das bleibt auch so.

    Was den Rummel um die EM angeht. Auch der ist mir gleichgültig.
    Wenn man aber sieht und hört was hier in Österreich an Vorkehrungen vor randalierenden betrunkenen Fans alles getroffen wird sieht man aber schon das selbst die Verantwortlichen einen erhöhten EM-Alkoholpegel erwarten.

    Bin selbst kein Fußballfan, würde jedoch der deutschen Mannschaft den Titel gönnen!

    Lg
    Andreas

    carpe diem

  • Hallo Miteinander,

    Blizzard : Bitte lies Dir nochmal genauer durch, was ich geschrieben habe. Denn wenn ich hier auf Deine Interpretation antworte, dann kommen wir ganz von Thema des Threads weg. Auf jeden Fall hab ich weder Selbstmitleid noch Verzichtsgedanken. Ein Rückfallrisiko wegen Fußball sehe ich bei mir genauso nicht, kann man mich mit diesem Sport doch aus dem Lande treiben. Und wer es gerne mag 44 Sportlern zuzuschauen die hinter zwei Bällen herlaufen :wink: , dem neide ich das auch nicht.

    Gestern war ich wieder mal in einer Eisdiele. Ich frage die Verkäuferin ob sie denn kein Eis mit Rosinen hat. Sie antwortet prompt: "Nein, aber in dem hier (irgendsoein Cremeeis) ist Alkohol drin." Ich sage, na dann nehme ich genau das nicht, ich bin nämlich Alkoholiker. Da grinst sie mich breit an und fängt dann auch noch an gackernd zu lachen. Mir wurde es ehrlich gesagt etwas unheimlich und ich war froh, als ich wieder auf der Straße stand. Was muss die wohl unter Alkoholiker verstanden haben ?

    LG, Andy

  • Hallo Miteinander,

    sollte denn hier keiner mehr seine Erfahrungen mit Outing niederschreiben wollen, damit andere aus dieser Situationspolemik lehrreiche Schlussfolgerungen für sich ziehen können,

    oder outet sich am Ende keiner mehr :?:

    LG, Andy

  • Hallo Miteinander,

    da es mir selbst momentan an Erlebnissen mit Outing fehlt und kein anderer Interesse zu haben scheint seine Erlebnisse hier nieder zu schreiben, werde ich diesen Thread vorerst nicht mehr weiter führen.

    LG, Andy

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