Kann man als Alkoholiker die Co-Alkoholiker verstehen?

  • Guten Morgen,

    habe mich gestern mit einem trocknen Alkoholiker unterhalten. Er hat eine ganze Menge für sich getan und tut es immer noch.

    Was mich echt vom Sockel gehauen hat war seine Aussage:

    Ich verstehe Euch Co-Alkoholiker nicht. Ihr seid klar in der Birne, wenn wir so einen Scheiß im vollen Kopf bauen, kann ich das noch verstehen, aber Ihr seid in der Birne doch klar. Wie kann Euch so was passieren, dass Ihr so was mit euch machen lasst?

    Geht es Euch genauso? Könnt Ihr das auch nicht nachvollziehen?

    Gibt es da tatsächlich ein Verständisproblem?

    Wäre Euch dankbar für euer Feedback.

    Liebe Grüße
    Gigi

  • Ach Gigi, das ist so eine Frage um des Kaiser's Bart...selbst wenn ich/wir die Antwort daauf hätten, was würde es daran ändern, dass manche Menschen Co-Abhängig werden? Nichts.

    Genausowenig wie das Wissen um Alkoholsucht jemand davon abhält, abhängig zu werden, würde das Wissen um Co-Abhängigkeit den Betreffenden davon abhalten. Das ist also weniger ein Verständnisproblem, sondern eine Frage der Akzeptanz. Ja, ich akzeptiere, dass es Menschen gibt, die Co-Abhängig sind. Sie sind genau so krank wie Alkoholiker, nur halt nicht stoffgebunden.

    Wobei ich immer wieder einschränke:

      - nicht jede(r) Angehörige wird/ist Co-Abhängig
      - Viele Menschen verstecken ihre Lebens- bzw Bindungsunfähigkeit oder sonstige (Partnerschafts-)Probleme unter dem Deckmantel der Co-Abhängigkeit, weil das recht bequem ist. Sie haben damit einen "Schuldigen" identifiziert und können nun von sich ablenken und trotzdem eine Opferrolle einnehmen, die ihnen eine gewisse Portion Aufmerksamkeit/Mitleid sichert.


    Es "lohnt" sich also, eine Co-Abhängigkeit etwas tiefer zu hinterfragen. Manchmal kommen da ganz andere "Hämmer" zum Vorschein.

    LG
    Spedi

  • Hallo Gigi,

    ich persönlich habe in meiner Alkoholikerkarriere nie das ‚Vergnügen’ gehabt, eine Partnerin mit einer ausgeprägten Co-Abhängigkeit an der Seite zu haben, von daher fehlt mir tatsächlich die Erfahrung, was ein Co so alles anstellen kann, um eine Partnerschaft mit einem Trinker aufrecht zu erhalten. Letzteres wird mir insbesondere dann immer recht deutlich, wenn ich hier im Co-Bereich lese, welche Strapazen und Demütigungen so manch einer von Euch so über sich hat ergehen lassen :cry:.

    Auf der anderen Seite frage ich mich auch, ob das überhaupt so wichtig ist, mit dem gegenseitigen Verständnis? Damit meine ich natürlich nicht, dass man das ‚Problem’ des Gegenübers als nicht existent klassifizieren sollte, sondern eben nur, dass man die entsprechenden Handlungsweisen einfach nicht nachvollziehen können muss. Ich denke doch, dass auch ein Co sich sehr häufig fragt, ob der trinkende Partner nicht irgendwann mal merkt, wie ‚balla-balla’ sein ganzes Verhalten ist und entsprechende Kurskorrekturen vornimmt.

    Ich kann die Co-Abhängigkeit respektieren, aber leider nicht verstehen.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Servus Gigi!

    Ich kann mir gut vorstellen, daß ein Alkoholiker einen Co-Abhängigen nicht verstehen kann und umgekehrt. Verstehen und nachvollziehen kann man eine Sucht nur dann, wenn man selber darunter leidet.
    Es soll - zumindest habe ich dies hier schon in Beiträgen gelesen- auch Menschen geben, die sowohl Alkoholiker als auch Co-Abhängige sind.

    Darum bin ich sehr froh, dass es dieses Forum gibt, denn hier konnte ich sehr viel über die Gedankengänge, Probleme und Gegenmassnahmen lesen die Co-Abhängige mit uns Alkoholikern haben bzw. ergreifen müssen um sich selbst zu schützen.

    Jetzt im trockenen Zustand mache ich mir auch viel mehr Gedanken darüber was auch meine Frau alles erleiden musste und wir reden oft von den gegenseitigen Gefühlen, die wir dabei hatten.

    LG
    Andreas

    carpe diem

  • Hallio und vielen Dank für Eure Antworten.

    Ich glaube, ich habe die Frage irgendwie falsch formuliert. Es geht mir hier nicht darum, dass der Betroffene permanent Asche auf sein Haupt zu werfen meint. Damit es der Partnerin besser geht und sie wieder Macht ausüben oder Rache üben kann. Das machen wir nämlich ganz gerne, denn irgendwo muss der Druck ja hin :( . Bescheuert. das macht es nämlich noch schlimmer.

    Ich wollte eigentlich wissen, ob ihr Menschen, die nicht zugeballert sind, verstehen könnt, wenn sie soetwas lange Zeit mitmachen. und jetzt beim Schreiben merke ich, dass ich noch eine Frage habe.

    Wie ist es möglich, dass Alkoholiker so geniale Manipulatoren sind? Haben sie einfach Partner, die das mitmachen, oder entwickelt man durch die Alkoholsucht bestimmte Strategien. Wenn ja, wäre es für die Co-Abhängigen sicher toll, wenn sie es von Betroffenen erklärt bekämen (ich auch :D .

    Liebe Grüße
    Gigi

  • Hallo Gigi,

    Zitat

    Ich wollte eigentlich wissen, ob ihr Menschen, die nicht zugeballert sind, verstehen könnt, wenn sie soetwas lange Zeit mitmachen.


    Wie ich schon schrieb: Nein, kann ich nicht verstehen! :wink:.

    Zur zweiten Frage: Bin ich ein genialer Manipulator gewesen? Nun ja, ich habe mich natürlich immer für einen genau solchen gehalten, ABER: Umso erstaunter war ich dann doch immer, wenn sich Menschen von mir abgewandt haben und mich in meinem Tun allein ließen.

    Was ich damit sagen möchte: Für die erfolgreiche Manipulation braucht man zwei Personen: Einen Manipulator, und eben einen, der sich manipulieren lässt.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Tja Gigi,
    könnte es einfach daran liegen, dass wir trotz aller Aufklärung doch nicht aufgeklärt sind über das Thema Alkoholsucht? Ich war der Meinung ein Heroinabhängiger wäre anders als ein Alkoholiker - im Sucht-/Entzungsverhalten wohl sicher nicht, im Bauen von Lügen auch nicht.

    So ... Alkohol ist eine Krankheit (also bitte Nachsicht liebe Gesellschaft, und nun beginnen die schwimmenden Grenzen).

    Ich dachte immer mein Ex blickte noch durch, habe es unter Kontrolle - und sei es dadurch, dass er jeden Tag pünktlich zur Arbeit kommt. Es war ein Trinken ohne mich näher zu belästigen, weil ich ihm aus dem Wege ging. Keine Belästigungen, keine großen Streits - kein nichts....

    Den Abstieg - den klaren Alk-Verbraucher lieferte er mir erst nach Beendigung der Beziehung, dafür aber umso deutlicher. Was mich belastete und zum Ende führte war die Tatsache, dass ich mich mit ihm blamiert fühlte und nicht zusehen wollte wie er sich kaputt säuft.
    Es gab in den 8 Jahren weder Gewalt noch Beschimpfungen oder sonst irgend was. Aber einfach mein Gefühl ich fühle mich so nicht wohl.

    Nun und jetzt ist das Gefühl natürlich übel: denn nun fällt er unter den Tisch, hat den Spiegel von 6 Bieren, pflegt sich nicht mehr und und und - aber das erst nach dem "fallenlassen"....

    Ich denke so einfach ist es nicht zu sagen "warum gibt es Co's oder warum lässt man das mit klarem Kopf mit sich machen". Die Grenze zwischen Alkoholgenuß, Missbrauch und Sucht dürfte sehr schwimmend sein. Oder hat sich Dein Gesprächspartner im Gegenzug mal gefragt, wie er in die Situation der Abhängigkeit kam - vermutlich ebenso schleichend.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • hallo gigi

    sucht hat für mich nun schon mal gar nichts mit verstand zu tun. ich kann von mir behaupten nicht dumm zu sein, bin krankenschwester, hatte also auch beruflich mit den folgen der sucht zu tun, all das hat mich nicht davor bewahrt zu saufen. wieso sollte das in der co-abhängigkeit anders sein. hinzu kommt noch das liebe sprichwörtlich blind macht, und wir ja auch nicht von heute auf morgen süchtig geworden sind.
    wie sich die sucht des anderen wirklich anfühlt kann sich keiner wirklich vorstellen, man kann es einfach nur akzeptieren und respektieren.

    des weitern denke ich das jeder süchtige ein meister darin wird durch lügen und manipulation sein suchtmittel zu bekommen, zur not wird dann auch geklaut. sucht ist eben stärker als verstand, schuldgefühl und auch liebe.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hi Dororthea,

    das kam wohl irgendwie falsch rüber, ich bin ebenso wie Du der Meinung, das abhängigen Menschen nicht der Verstand fehtlt, sondern dass er einfach durch den Alk benebelt ist und man viele Dinge um sich herum dann nicht merh richtig realisieren kann.

    Gruss Gigi

  • Ich vermute mal, es ist immer schwierig die "andere" Seite zu verstehen. Wobei mir Eure Erklärungen aus Sicht eines Ex-Nassen sehr geholfen haben vieles nicht (mehr) persönlich zu sehen.

    Das was ich - verbunden mit Eurem Wissen - derzeit erlebe scheint eine gewisse Art an Hilflosigkeit zu sein sich am besten als nasser Trinker mit seiner Sucht zu arrangieren um als Rahmenbedingung zu versuchen alles so reibungslos wie möglich laufen zu lassen.

    Als Co ist es eventuell ähnlich - nicht erkennen können oder wollen wie weit es ist - wie ich die Nähe des Partners meiden, bis die kleine Erklärung "Das will ich nicht mehr" bei ihm ausreicht ganz schnell die Beziehung zu ändern. Was ihn natürlich nicht hindert seit dem Ende immer wieder auf Kontakt gehen zu wollen. Auch er bemüht sich wohl den "leichtesten" Weg zu gehen.

    Ich als Co habe mich für den schweren Lernweg entschlossen, der sicherlich meine richtige Lösung und Loslösung sein dürfte.

    Ja Dorothea Sucht, Zuneigung und Gefühle sind so weit vom Verstand entfernt wie es überhaupt nur denkbar ist. Ich für mich kann das auch nur so bewältigen, dass ich sage ich bin Co und arbeite an mir und er ist abhängig, das entzieht sich meinem Wirkungskreis. Aus - basta - Schluß.

    Denn genau dieses angesprochene Lügen, Verhandlungsweisen, Spielen und auch erbärmliche Ansichtsmomente des Verfalls zeigen was Sucht wirklich ist und dass ein Co versuchen sollte die Füße in die Hand zu nehmen - falls er/sie es noch kann.

    Lieben Gruß von Dagmar

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