Rückfall gehört zu uns - ist das nicht ein Alibi?

  • Guten Morgen Clare,

    es tut mir leid, wen Du Dich angegriffen fühlst, ein wenig.

    Jeder kann doch schreiben was er empfindet – nur so können doch andere Sichtweisen angegangen und überdacht werden.

    Ich habe mich in Dir wieder erkannt und hatte Angst dass Du die gleichen Fehler machst wie ich. O.k. vielleicht musst Du die gleichen Fehler machen.
    Ich wollte versuchen Dich in eine andere Richtung zu lenken, nimm einfach Abstand – es gehört dazu, weiß es, aber versuche keinen zu bauen.

    Ich habe zu lange gebraucht – 3 Jahre – mir einzugestehen, ich bin süchtig, ich muss anders Leben. Es gibt keinen Strohhalm.
    Ich weiß dass ich mitunter sehr radikal bin, was meinem Wunsch nach einem weiteren trocknen Dasein geschuldet ist.


    Guten Morgen Andreas,

    ich weiß es ich denke wichtig ist es die Gefahrenmomente für die Trockenheit zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

    Wir Alkoholiker sind alle und das zu jeder Zeit immer nur eine Armlänge vom ersten Glas entfernt

    Ja das ist mir sehr wohl bewusst.

    Für mich haben Rückfälle so lange zum Krankheitsbild gehört bis ich meinen persönlichen Tiefpunkt erreicht hatte. Ab diesem Zeitpunkt durfte und konnte ich kapitulieren und mir ein trockenes und zufriedenes Leben aufbauen. Und ich bin dankbar, dass ich alle Rückfälle überlebt habe, denn das ist nicht immer so. Jeder Rückfall kann der letzte sein, dass sollte man sich immer vor Augen halten.

    Das ist auch meine Erfahrung.


    Guten Morgen Rose2,

    warum gibt es denn die hohen Rückfallquoten?

    Ich will nicht auch nicht über Rückfälle richten, da ist es eh zu spät – wichtig ist die Arbeit vorher. Wir dürfen zu keinem Zeitpunkt aufhören daran zu arbeiten.

    Schon wieder das Wort zu keinem oder auch nie.
    Nein in diesem Punkt – meinem Leben, meiner Sucht ist es mir wichtig überheblich und auch arrogant zu sein. Für mich gibt es nur die eine Alternative – nie.


    Guten Morgen Spedi, danke.
    Ich wünsche Euch einen schönen Tag.

    Liebe Grüsse kawi

  • Hallo kawi,

    nun hast Du meinen Beitrag zwar nicht konkret mit einer Antwort bedacht, in der Bestätigung von Andreas’ Aussagen aber schon eine indirekte Erklärung gegeben. Ohne den wirklichen Wunsch nach Trockenheit sind Rückfälle (oder wie auch immer man diese Vorgänge nennen mag) eben tatsächlich ein Teil dieser, unserer Erkrankung. So manch ein Rückfall mag sogar der letzte sein … aber auch das ist Teil unserer Erkrankung. Ich kann für mich, so wie Du eben für Dich, dafür Sorge tragen, dass ich mein Leben, wie Du eben das Deine, zufrieden und abstinent gestalte, aber wer bin ich, dass ich über das Verhalten anderer urteile oder richte? Sehen kann ich es, daraus lernen tue ich, aber meinem eigenen Weg als allgemein gültig und unfehlbar einschätzen, dass würde ich mich niemals wagen.

    Daher würde ich mich auch nicht nach zehn Jahren ohne Alkohol mit Attributen wie überheblich oder arrogant betitulieren. Denn diese implizieren ausdrücklich die eigene Unfehlbarkeit und weisen jegliche Kritik (auch die berechtigte) von vornherein zurück.

    Deinen Weg mag ich gar nicht kritisieren, nur würden mir Worte wie konsequent und kompromisslos besser gefallen.

    In diesem Sinne.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Hallo joe,
    sorry, hole ich nun nach.

    Ich möchte nicht richten – das steht mir nicht zu – ich bin selbst Alkoholikerin.
    Es gibt verschiedene Umstände die uns zu Alkoholikern machen – jeder hat da sein eigenes Säcklein tragen.
    Ich möchte gern wachrütteln – lese ……

    Zitat

    Was will die Gute mir damit sagen? 3 Jahre rückfallfrei weitergesoffen?

    Im Grunde genommen ist Deine Aussage richtig. Ich habe die ganze Zeit nach einer „Lösung“ gesucht. Weil ich es für mich nicht wahrhaben wollte. Klar bin ich zur SHG gegangen und habe mich auch immer artig vorgestellt: Ich bin Alkoholikerin – ich hatte einen schönen Tag.

    Dann hatte ein Therapeut zu mir gesagt: Sie sind noch zu jung um süchtig zu sein, da muss man länger trinken. M.E. sind Sie gefährdet, aber nicht süchtig. Sie lernen das. Ich war 23.
    Daran habe ich mich festgehalten.
    Heute bin ich stinksauer, dass ich nicht auf die anderen gehört habe. In diesen 3 Jahren habe ich so viel Mist gebaut, getreten und um mich geschlagen, verletzt….
    Ich bin nicht sauer auf den Therapeuten, sondern auf mich. Mir fehlt ein Stück von meinem Leben. Mein erster Vollrausch war mit 13 oder 14 - selbst das weiß ich nicht mehr genau.

    Ich habe mir selbst eingeredet ein Rückfall gehört dazu, ist ja nisch so schlimm – gehört ja dazu, sagen alle, machen alle.
    In der LZT – sind Viele auf „Freigängen“ rückfällig geworden, – davor hatte ich Angst, wie wird es mir ergehen.
    Da war da ein Mitpatient – ich habe zu ihm hochgeschaut, die Einstellung – schon eine paar Jahre geschafft, er kam nicht zurück…


    Dieses Erlebnis gehört mit dazu das ich mir sagte - nein. Ich nicht.

    So wie Andreas schreibt – glück gehabt noch zu leben. Ja auch ich könnte heute tot sein.

    Joe es ist nicht mehr mein Wunsch, sondern mein Wille.

    Was mich …. Sind diese Aussagen – kann passieren, nicht so schlimm, gehört dazu.
    Wegen meinem Erlebnissen.

    Zitat

    Daher würde ich mich auch nicht nach zehn Jahren ohne Alkohol mit Attributen wie überheblich oder arrogant betitulieren. Denn diese implizieren ausdrücklich die eigene Unfehlbarkeit und weisen jegliche Kritik (auch die berechtigte) von vornherein zurück.

    Deinen Weg mag ich gar nicht kritisieren, nur würden mir Worte wie konsequent und kompromisslos besser gefallen.


    Danke nehme ich gern an.

    Liebe Grüsse kawi

  • Hallo kawi,

    vielen Dank für Deine weiteren Erläuterungen. Haben diese mir doch ganz wesentlich geholfen, Deine Position zu verstehen. Da ich selbst ohne Rückfall in Abstinenz lebe, verbleibt mir in dieser Thematik natürlich nur die Spekulation bzw. die Reflexion der vielen Rückfallgeschehen und der daran anknüpfenden Gespräche.

    Dabei habe ich die Ansicht gewonnen, das ein Rückfall zwar möglich ist, aber eben nicht allein mit der Begründung ‚Das gehört halt dazu’ zu den Akten gelegt werden kann. Vielmehr verstehe ich es als ein fehlerhaftes Verhalten oder Denken in der Trockenheitsarbeit. Hier gilt es dann zu analysieren und nachzubessern. Sachlichkeit halte ich an dieser Stelle für angebracht und vielleicht auch ein Wort des Trostes.

    Anders hingegen sieht es jedoch z.B. bei den berühmten Drehtürpatienten aus, die in schöner Regelmäßigkeit die Kliniken und Beratungsstellen anlaufen. Ohne den wirklichen Wunsch nach abstinenter Lebensführung werden Alibi-Entgiftungen durchgeführt oder (jetzt mal ganz hart) die Zeit überbrückt, bis das nächste Geld zum Saufen auf dem Konto ist. Sicher gehören diese Menschen auch in gewisser Weise zu unserem Krankheitsbild, aber Verständnis im Sinne von ‚Das gehört halt dazu’ habe ich da auch keines.

    Hierzu aber noch ein paar Gedanken von mir:

    Zitat

    Heute bin ich stinksauer, dass ich nicht auf die anderen gehört habe. […] Ich bin nicht sauer auf den Therapeuten, sondern auf mich. Mir fehlt ein Stück von meinem Leben.


    Ich habe die Einstellung gewonnen, keinen Groll gegen mich zu hegen. Sofern ich mit meinem Trinken niemandem Schaden zugefügt habe, habe ich auch keine wieder gutzumachende Schuld auf mich geladen. Meine Entscheidung für das Trinken habe ich allein für mich getroffen. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass mein Handeln immer meinem eigenen Besten dienen soll. Daraus folgt für mich, dass ich in Ermangelung alternativer Strategien mit dem Trinken tatsächlich das zu jener Zeit Beste für mich getan habe. Das mag etwas merkwürdig klingen, aber ich betrachte es eben so.

    Natürlich wird mir niemand die verlorene Zeit wiederschenken können. Auch meine Entwicklung hätte völlig anders verlaufen können. Ich hätte mein Studium vielleicht nicht abgebrochen. Ich hätte mich vielleicht viel mehr im Leben getraut. Ich hätte mich zu einem viel glücklicheren und ausgeglichenen Menschen entwickeln können. Ich hätte, ich hätte, ich hätte … Nun, das habe ich aber nicht. Diese ‚was wäre, wenn’-Geschichte bringt mich nicht weiter, hilft mir nicht, den Weg in die zufriedene Trockenheit erfolgreich zu beschreiten. Von daher bewerte ich meine früheren Entscheidungen nicht, sondern akzeptiere sie einfach als getroffen und versuche daraus für meine Zukunft zu lernen :wink:.

    Soweit.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Hallo Joe,

    Ich habe keinen Groll gegen mich, was wäre wenn, nur stinkig das ich 3 Jahre verschenkt habe.
    Eigentlich hatte ich die Geschichte von damals ab gehakt – aber beim lesen im Forum kam es wieder hoch.
    Ja damals war es für mich ein Alibi.
    Ich denke auch nicht darüber nach was wäre wenn………..
    Es ist halt so und ich rundum glücklich – heute. Aber deswegen vergesse ich nicht, was für mich gut ist. :D
    Und ich finde gut, dass ich dieses Forum gefunden habe. :D
    Liebe Grüsse
    kawi

  • Servus kawi !

    Ich habe ebenfalls so manche Chancen und Gelegenheiten in meinem Leben an die Alkoholsucht verschenkt. Das ist zwar bitter aber nicht mehr zu ändern. Ich hege deswegen keinen Groll mehr sondern habe mir erlaubt mir selbst zu verzeihen und mit der Vergangenheit abgeschlossen.

    Das jetzige Leben in zufriedener Nüchternheit hat mir ganz andere Gelegenheiten eröffnet die ich vorher so nie erreicht hätte.
    Und sollten wieder einmal Gedanken an eine verschwendete Gelegenheit wiederkommen so denke ich mir:

    Das Vergangene ist vergessen, das Zukünftige ist noch ungewiss - das Heutige zählt. Das Heute kann ich leben und beeinflussen und das in Trockenheit und nur so.

    LG
    Andreas

    carpe diem

  • Hallo kawi,

    Zitat

    Ich habe keinen Groll gegen mich …


    Das ist gut. Es klang für mich oben nur so ein klein wenig bitter, deshalb auch mein kleiner Kommentar.

    Zitat

    Es ist halt so und ich rundum glücklich – heute. Aber deswegen vergesse ich nicht, was für mich gut ist.


    Na, dann wird ich mich mal bemühen, in neun Jahren gleiches über mich schreiben zu können :D.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Hallo !
    Ich bin noch ganz frisch, aber für mich wäre ein Rückfall der direkte Weg in die Hölle. :evil: Er darf auf keinen Fall zu mir gehören - niemals.

    Falls es doch passiert - schließlich kann ich schlecht in die Zukunft sehen - wird es einen Grund dafür geben und ich kann dann nur hoffen, dass ich die Kraft finde, schnell wieder aufzustehen. Aber mich dann nur mit meiner Krankheit als Alibi rausreden ? Vielleicht liege ich falsch, aber das erscheint mir zu einfach.

    Gruß
    Biene

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!