Vom Coabhängigen zum militanten Nichtcoabhängigen?

  • Hallo Papi,

    ich denke, jeder wird mal übers Ziel hinausschießen, so sind wir Menschen halt.
    Das kann einem CO ebenso passieren wie einem trockenen Alkie.

    Ich dachte auch manchmal anfangs meiner Trockenheit, das doch viele andere auch trocken werden, und so ein viel schöneres Leben bekommen könnten. Ich begriff aber sehr schnell, das ich nichts dafür tun kann, denn jedermuß für sich selbst eintscheiden.
    Darum spreche ich auch nie nasse Alkies auf ihr Tun an, wenn sie was wissen wollen, müssen sie zu mir kommen. Und auch dann verweise ich auf die örtlichen Hilfsangebote, denn auch ein Alkie kann zum CO werden und zu Selbstbestätigung „helfen“ wollen… also aufpassen, da nicht reinzurutschen. Ich helfe also nur soweit, das ich nicht selbst meine Sucht verlagere.

    Denn süchtig bin und bleibe ich, ich werde wahrscheinlich immer mal wieder in leichtes Suchtverhalten rutschen, hier werden sich einige gleich kaputtlachen, ich wurde mal „Reiswaffelsüchtig“ :shock: und begann, heimlich Reiswaffeln in meinem Kleiderschrank zu horten, weil meinem damaligen Partner schon die ganzen Packungen inner Küche auffen Zeiger gingen. :oops:8)
    Da wurde ich aber HELLWACH :shock: !! War eindeutiges Suchtverhalten, aber die Reiswaffeln hab ich heut im Griff… ich mag sie aber immer noch gern. :oops::lol:

    Und ein CO wird nie ganz un-CO werden, daran glaube ich nicht.
    Ich hoffe nur immer, das er seine Sucht so abmildern kann, das er nicht mehr sich und anderen damit schadet, indem er beispielsweise immer wieder anderen Hilfe aufdrückt, so Schein-Selbstbewußtsein aufbaut, das ist für mich auch selbstschädigendes Verhalten.

    Andererseits, wie wäre es, würde niemand mehr dem anderen helfen ? Nicht schön, dann würden wir ja alle zu puren Egoisten und es wäre auch gesellschaftsschädigend, im sozialen Miteinander… Das wird wohl kaum jemand ablehnen, wenn er gebeten wird, CO`s helfen aber schon, wenn es noch gar nicht erwünscht ist. Sie springen sehr schnell an, wenn sie DENKEN, jemand braucht Hilfe, dabei will der evtl. noch gar keine oder überhaupt keine.

    Und ja, manche Thread steigern sich ins sinnlose :roll: … weil oft nichts einfach mal so stehen gelassen werden kann. In realen Gruppen läuft sowas anders, in meiner zumindest. Das werden Dinge sehr wohl im Raum stehen gelassen, persönliche Meinungsäußerung zur Situation des anderen ist nicht so erwünscht, nur wenn er darum bittet. Dann werden auch persönliche Situationen diskutiert und mal ein Rat gegeben.

    Was einach im Raum stehen zu lassen, fiel mir dort anfangs schwer.
    Aber ich sah auch, das die langjährigen Mitglieder sehr viel Gelassenheit ausstrahlen, ich brachte das dann irgendwann in Zusammenhang. Sie „MUSSTEN“ das nicht mehr und gerade dadurch erlangten sie wohl auch Gelassenheit.
    Also hab ich mir das bei denen so abgeguckt, angefangen, zu schweigen, mal nix zu sagen, es einfach ausprobiert und es ihnen gleich getan.
    Und siehe da, man wird wirklich so viel gelassener :shock: man nimmt alles nicht mehr so wichtig, lässt jeden so, wie er nun mal ist, und ein anderer ist völlig anders wie ich, davon gehe ich heute aus.
    Sicher haben wir aber auch viel Gemeinsamkeiten, unsere Krankheit beispielsweise, da diskutieren wir viel drüber, jeder darf sagen, was er möchte und es entstehen sehr lebhafte Diskussionen diesbezüglich, wobei wir dann auch oft herzlich lachen müssen.

    LG
    Lilly

  • Hallo an alle,

    am Wochenende ging mir zu dem Thema noch einiges durch den Kopf.
    Ich hab ja geschrieben, dass ich es für problematisch halte, wenn Coabhängige jede Verhaltensweise hinterfragen. Es halte hier mehr Gelassenheit für wichtig.

    Nun hab ich mir überlegt, wenn ein trockener Alkoholiker so denken würde, wäre er wahrscheinlich schneller rückfällig als er gucken kann. Er muß bei allem aufpassen, jede Situation analysieren jedes Lebensmittel genau studieren.

    Jetzt frage ich mich, ob hier ein Unterschied zwischen stofflicher Sucht und Coabhängigkeit besteht?

    Besteht kein Unterschied, würde dies nämlich bedeuten, dass meine Ansicht zum toleranten Umgang mit der Analyse des eigenen Verhaltens nur Ausdruck meiner kranken Denkstrukturen ist. Um bei dem Vergleich zu bleiben, quasi wie ein "trockener" Alkoholiker, der sich ein Gläschen am Tag gönnt, quasi kontrolliertes Coverhalten.

    Das würde bedeuten, der Coabhängige muss jede seiner Verhaltensweisen hinterfragen.

    Ich hoffe meine Gedankengänge klar formuliert zu haben, in meinem Kopf dreht sich nämlich gerade alles.

    Helft mir beim entwirren.

    Papi

  • Verstehe was du meinst.

    Wenn dein Suchtmittel weg ist, dann kannst du da deine Co-Verhaltensweisen nicht mehr testen.
    D.h. im Moment sind sie wohl auf "Eis" gelegt.

    Es kommt wohl drauf an, bis wieder was kommt, auf das du anspringst, dass ist ja nicht durchgängig vorhanden.

    Somit finde ich es nicht vergleichbar mit "kontrolliertem Trinken" da bei Co-Verhalten ja erst eine Aktion folgen muss, auf die du reagierst, auf die du ja aber kein Einfluss hast.

    Bei Stoffgebundener Sucht ist es nicht von Handlungen anderer Personen abhängig, die nicht vorhersehbar sind.

    Ich in meinem Fall reagiere nur auf mein Suchtmittel, alle anderen Bereiche sind im Grünen Bereich. Weiss nicht wie es bei dir ist, ob du auch anhand von Verwandten, Eltern, Kinder, Arbeit, deine Co-Abhängigkeit zu Tage kommt oder du Strukturen erkennen kannst?

    Dann wird man ja schnell erkennen, ob man auch da handeln, sich und seine Verhaltensweisen, analysieren bzw. überdenken muss.

    LG
    Verflixt

  • 8) wir dürften am Wochenende die selben Gedanken gehabt haben...
    Ich zitiere mich selbst:

    Zitat

    Verfasst am: 28.11.2008, 21:40 Titel: Gerade heute....

    --------------------------------------------------------------------------------

    ... hasse ich es, dass ich eine Co bin. Co betrifft mich nicht nur in Bezug auf Partner, sondern auch auf meine Kinder.

    Da gibt es nicht: Alkohol verbannen, Leben neu ausrichten, trocken bleiben.
    Meine Co streut aus, wie die Spinne ihr Netz, es geht in alle Richtungen, wie ein schönes Spinnennetz. Meine Co betrifft mich in allen Lebenslagen: Als Mutter, als Frau, als Geliebte, als Arbeitskollegin, als Mitmensch, ....
    (...)
    Ich bin sowas von sauer...auf mich, auf meine Mitmenschen, ... ich verstehe, warum manche Menschen gerne "Einsiedler" werden....am liebsten würde ich mir jetzt einen Dornenbusch suchen und aus dem Leben aller Menschen verschwinden.... Alleine sein, da gehe nur ich mir auf den Wecker. Na und? Heute wäre es passend.....

    verflixt : Ich sehe in jedem Mitmenschen einen potentiellen "Co-Auslöser", ... ob ich derzeit will oder nicht, es ist so. Und schon alleine diese "Misstrauen" (wer könnte Co bei mir auslösen und wer eventuell nicht), das haut mich schon wieder fast aus der Bahn....

    Am besten wäre gar nicht darüber nachzudenken...geht aber nicht, dafür sorgen schon Umstände, dass man permanent daran erinnert wird und vor einer Entscheidung steht: Handle ich Co oder pass` ich jetzt auf? Tappse ich rein oder mach` ich einen Bogen drum, um die Falle....

    Zitat

    Es kommt wohl drauf an, bis wieder was kommt, auf das du anspringst, dass ist ja nicht durchgängig vorhanden.

    Hmmmm...bei mir ist es so, dass permanent etwas daherkommt, wo ich anspringen könnte, oder auch nicht, .... täglich! Ob ich will oder nicht! Und das Ganze erst ganz extrem, seit ich von meiner Co weiß und daran arbeite, ein Leben ohne Co zu leben. Ich kann mir auch vorstellen, warum: Früher fiel mir das nie auf, ich war ja mittendrinnen, es war alles normal für mich, ich musste mir selbst keine Fragen stellen .... aber da war ich noch nicht auf dem Weg....zu mir.

    Viele liebe Grüße,
    Ingrid

  • Lieber Papi,

    nun wollte ich nur mitlesen, aber dieses Thema ist mir wichtig.

    Ich bin seit fruehster Kindheit mit der Co-Abhaengigkeit konfrontiert. Bin gedrillt worden darauf, wie man reagiert, damit man in einer Familie mit Co- und Alkoholstrukturen nicht untergeht. Ich habe mich aber innerlich immer dagegen gewehrt und hatte daher auch schon einige Auseinandersetzungen mit meiner Familie wo ich ganz klar Grenzen schaffen musste, was fuer mich auch gut war, sonst haette man mich nicht nur psychisch, sondern auch finanziell gleich mitruiniert. Was ich persoenlich aus meiner Co-Abhaengigkeit gelernt habe, dass ich mich von keinem Menschen beschraenken lassen bzw. emotionell erpressen lasse. Saetze wie: Aendere das damit es mir besser geht, oder Wenn Du das tust, dann bist Du an meiner Lage, Stimmung etc. Schuld lassen mich da aufhoerchen, egal wie nett oder direkt diese verpackt sind. Ich fuer mich habe gelernt, dass ich nach mir schauen muss und nur etwas annehme oder helfe womit es mir innerlich nicht schlecht geht und ich nicht die Verantwortung uebernehme fuer jemand anderen. Unmuendige Kinder sind davon bitte ausgeschlossen.

    Ja, ich setze meinen Grenzen dort rigoros, denn ich weiss was ich moechte und was ich nicht will mittlerweile und da auch wenn es noch so egoistisch klingt, ist es mir egal wie andere es auffassen, manche koennen halt meine Erkrankung nicht verstehen, genauso wird ein Alkoholiker auch auf Unverstaendnis stossen und als Spassbremse zum Teil bezeichnet, aber einem wirklich trockenem Alkoholiker wird das nicht jucken, er kuemmert sich um sich.

    Die Frage, die ich mir immer stelle wenn ich an einem Grenzweg ankomme, ist, will mir jemand eine Veranwortung aufdruecken oder vielleicht sogar Schuld aufdruecken, die mir nicht gehoert? Wenn ja, dann setz ich meinerseits Grenzen.

    Alles Liebe,

    Jenny

  • Ich glaube, da hat Jenny etwas richtiges gesagt "mit den verpackten Handlungsweisen" die uns zu Taten auffordern.

    Natürlich gilt das für alle Menschen und nicht nur für Süchtige oder Abhängige. Es ist leider so, dass ein gesunder Mensch ganz schnell sagen kann "nöö, will ich nicht" - das gedrille Helferlein ist gezwungen in sich zu hören.

    Papi, Du fragst sinngemäss ob Co anders ist als Alkohol bzw. die Süchte anders oder die Art sie zu bewältigen.

    Ich kann mir vorstellen, etwas anders schon, weil das eine eine stoffabhängige Sucht ist, das andere menschenabhängig. Der Alk springt Dir nicht vom Supermarktregal hinterher, ein Mensch, der Dich einspannen will eventuell schon ;)

    Zwar greift der Trinker aktiv zur Flasche und der Co-Abhängige ergreift jede Möglichkeit (übertrieben gesagt) um Hilfe zu geben. Aber während der Alk "anders" Schmeichelt als ein Mensch denke ich doch, dass beide Süchte sehr ähnlich sind, die Bewältigung aber eine andere.

    Ich sehe es so: wie ein trockener Alkoholiker lernen muss seinen Gefahrenquellen aus dem Weg zu gehen müssen Co's lernen mit den Gefahrenquellen umzugehen, denn Menschen können wir nicht aus dem Weg gehen....

    Lieben Gruß von Dagmar,
    die Deine Fragestellung interessant fand

  • Hi Papi,

    es gibt einen kleinen Unterschied, wenn sich auch die Strukturen und Verpackungen gleichen:

    Ein Nichtsalkoholiker, also jemand dessen Rezeptoren nicht auf jede kleine Alkoholdosis reagieren und einen lebensgefährlichen Schalter umlegen läßt, der muß sich nicht über Pralinen und Esseninhalte Gedanken machen.

    Über viel anderes braucht man auch nicht nachzudenken, weil Deine Steuerzentrale ja nicht immer das macht was Du denkst, die arbeitet ja auch wenn Du schläfst oder eben nicht dran denkst.

    LG kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Ich liebe Kaltblut's Kommentare,
    kann nur manchmal nicht so toll mit Worten spielen :) schade....

    Ja, liebe Leute, wir werden - wenn wir uns unseren Süchten stellen - zum "Anlagenelektroniker" ruckzuck muss ein "Kurzschluss" behoben werden und eine defekte Sicherung ausgestauscht werden.

    Lieben Gruß von Dagmar

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