• Hallo zusammen

    Ich habe da eine prvokante Frage die mir gerade nicht aus dem Kopf geht und ich sie mal für euch zur Diskussion hier reinstelle, um es für mich besser verstehn zu können.

    Wenn die Scham noch größer ist als der Leidensdruck und ich deswegen z.b nicht eingestehen kann das ich als Alkoholiker bin oder mich nicht zum Arzt traue, kann ich da meinen persönlichen Tiefpunkt schon erreicht haben ?

    Wann ist die Schamgrenze erreicht?

    Wie seht ihr das und welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?

    Es ist eine allgemeine Frage die nicht personenbezogen ist , dewegen braucht sich auch keiner angeriffen fühlen :wink:


    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut,

    das ist wirklich eine interessante Frage !!

    Ich kann nur persönlich für mich sagen, dass mein Tiefpunkt noch nicht erreicht war, als ich mich noch zu sehr für meine Krankheit schämte.

    Ich formuliere es mal drastisch ...
    Als ich wirklich für mich persönlich down war, hättest Du mich nackisch auf nen Esel binden und durch´s Dorf treiben können - es wäre mir egal gewesen. :oops:
    Ich wollte leben! Und da ist die natürlich gegebene Scham irgendwann nicht mehr erstrangig.

    LG,
    Minihexe

  • Servus Hartmut,

    nachdem der individuelle Tiefpunkt wohl das einzig individuelle an unserer Krankheit ist, kann ich mir da keinen gemeinsamen Nenner vorstellen.

    Meine persönliche Meinung: jemand, der sich Scham noch "leisten" kann, hat noch nicht recht viel verloren und ist noch nicht sehr weit "unten" angelangt. Schön für denjenigen.

    Meine Schamgrenze hat sich nach und nach mit dem Fortschreiten der Sucht "angepasst", und zwar nach "unten". Mir ist da leider nichts menschliches mehr fremd...

    Im Laufe der Trockenheit hat sich die Schamgrenze jedoch auch wieder "erholt" und ist heute in einem Bereich, den ich als gemeinhin "gesellschaftstauglich" bezeichne.

    Aber ich habe noch gut in Erinnerung, wo ich "herkomme" und wohin ich nicht mehr zurück möchte... :shock::?

    LG
    Spedi

  • Hi Hartmut,

    eine interessante Frage. Ich kann mich erinnern, dass Scham für mich der Auslöser war etwas zu ändern. Also: Scham war mein Leidensdruck. Ich habe mich dafür geschämt, was ich im betrunkenen Zustand gemacht oder gesagt habe. Die Person, in die ich mich im Rausch verwandelte, verstieß gegen meine nüchternen Prinzipien, war vulgär, rückichtslos und gemein. Da ich diese Person in ihrem Charakter offensichtlich nicht beeinflussen konnte, entschloss ich mich dazu, sie am Entstehen zu hindern. Es ist für mich die einzige Möglichkeit der Verantwortung für mein Handeln gerecht zu werden.

    Mit Hilfe zu holen war für mich zwar auch mit einer gewissen Überwindung verbunden, aber eigentlich nicht mit Scham. Ich vermmute, dass ich zu den Leuten gehöre, die Spedi meint. Das gefährliche an diesem Tiefpunkt auf recht hohem Niveau ist natürlich, dass ich dazu neige, meine unerfreulichen Erfahrungen zu bagatellisieren.


    Grüße vom Nachwuchsoptimist

    Our greatest fear is not that we are inadequate,
    but that we are powerful beyond measure. It is our light, not our darkness, that frightens us most.

  • Zitat

    Wenn die Scham noch größer ist als der Leidensdruck

    Hm… ich sehe es auch so wie Nachwuchsoptimist. Scham war mein Leidensdruck. Unter Alkoholeinfluss immer wieder Dinge zu tun, die ich nüchtern nie getan, sogar verurteilt habe. Dieses zweite ICH, welches mir fremd war, was ich verachtete und nicht unter Kontrolle hatte.

    Zitat

    deswegen z.b nicht eingestehen kann das ich als Alkoholiker bin

    Ich schäme mich nicht Alkoholiker zu sein. Ich schämte mich, wenn man mich auf mein Verhalten hinwies, was schließlich dazu führte, dass ich mir eingestand dem Alkohol machtlos gegenüber zu stehen. Warum brachte ich mich ständig in unmögliche, auch gefährliche Situationen, obwohl ich das gar nicht wollte? Warum konnte ich nicht einfach aufhören zu trinken? Dies führte zum Handeln und darauf bin ich stolz.

    Niemand muss sich schämen Alkoholiker zu sein, es kann jeden treffen. Schäme sollte sich die, die darüber abfällig urteilen und keine Ahnung haben worum es geht.

    LG Rasko

  • Hallo,

    als ich mich hier anmeldete stand nicht der Scham auf der erster Stelle, sondern Angst eine panische Angst, ich war nass wie ein Schwamm laufen konnte ich nicht mehr und war alleine mit meinem Kind ein logisches Denken war bei mir nicht möglich, ich war in einem Zustand der an Aufgabe grenzte und doch wurde mir noch irgendwie ja bewusst dass das nicht das Ende ist und dass ich noch leben will und da noch jemand ist der mich braucht.
    Scham kam bei mir später als ich klar im Kopf wurde, als mir bewusst wurde was ich tue als ich in den Augen meines Sohnes lesen konnte ohne das er etwas sagte „Du wolltest mich alleine lassen, du hast nicht nur dich aufgegeben sondern auch mich warum??“ Das war nicht nur Scham zum Arzt zu gehen, das war Hass auf mich selber, Eckel, Machtlosigkeit, das war alles zusammen, und ich befürchte dass ich diesen Zustand kaum beschreiben kann. Es hat lange gedauert bis ich in diesem Leben angekommen bin vor allem hat es lange gedauert bis ich Alkoholismus für mich als Krankheit akzeptiert habe, die erste Zeit waren meine Gedanken“ du bist ja nicht krank, du bist schwach, du bist Feige, du läufst vor dem Leben weg, du bis einfach nichts Wert, du bist einfach nur Sch….“

    Ob ich den Tiefpunkt erreicht habe?

    Ich habe in dieser Kurzen Zeit meiner Trockenheit unterschiedliche Stadien durchlebt über Euphorie und tiefster Traurigkeit über Freude dass ich den Absprung geschafft habe, bis zu fast wieder Selbstaufgabe, bis zu dem Gedanken du hast dein Tiefpunkt erreicht und vielleicht doch wieder nicht.
    Ich habe den Sinn meines Lebens wieder gefunden, wenn ich den verliere ist auch mein Tiefpunkt nicht mehr wichtig.
    Für mich ist jeder einzelner Tag ohne Alkohol ob mit dem Tiefpunkt oder auch ohne ein guter Tag.

    LG Maria

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