• Hallo,

    immer wieder lese ich hier davon, wie schlecht trinkende Partner mit ihren Angehörigen umgehen. Von Vergeudung von Zuneigung ist die Rede, von Scheusal, von Beschimpfungen usw.

    NIEMAND ist dazu verurteilt, dies mit sich machen zu lassen. Jedoch hat die Opferrolle den Vorteil, dass wir Mitleid, Aufmerksamkeit und Zuwendung erhalten. Warum also sollten wir sie ändern? Zumal eine Veränderung mit Ungewissheit, Risiken und u. U. mit dem Verlust relativer finanzieller Sicherheit verbunden ist.

    Wie Nora an anderer Stelle schon schreibt, wir selbst begeben uns in diese Opferrolle. Der andere, trinkende Partner agiert so, wie es in seiner Sucht möglich ist. Aber gerne wird genau dieses Verhalten dann angeprangert. Wer prangert denn einen Masernkranken an dafür, dass er rote Flecken hat?

    Der Alkoholabhängige ist krank und wir sind es auch. Aber wir machen ihn für unsere Krankheit verantwortlich und erwarten, dass er sich ändert, damit es uns wieder gut geht. WIR selbst haben es in der Hand, es uns gutgehen zu lassen und gut für uns zu sorgen. Kein noch so mitfühlender Mensch in unserem Umfeld kann das für uns tun. Aber solange wir uns in der Opferrolle gefallen, können wir nichts ändern. Wir müssen einfach handeln, um nicht mehr be-handelt zu werden. Es liegt also in unserer Hand.....

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette

    es stimmt, es liegt in unserer Hand. Das zu erkennen ist aber ein weiter Weg.

    Ich hab das erst erkannt als ich auf dieses Forum gestossen bin.
    Ich war mit meinem Mann bei der Nachsorge und ich war bei meiner Therapie. Immer hieß es ich solle machen was mir gut tut, aber das konnte ich doch nicht. Mein Mann hat gejammert daß es ihm schlecht geht, er hatte dieses oder jenes Wehwechen, wie konnte ich da so egoistisch sein und es mir gut gehen lassen?
    Ich weiß nicht ob ich mir in der Opferrolle gefallen hab, für mich war das ja Normalität.
    Es stimmt , ich hab meinen Mann auch dafür verantwortlich gemacht, daß es mir schlecht geht. Ich hab ihm immer gesagt, er kann was ändern, ich nicht. Daß ich ihn verlassen kann, kam mir nie ernsthaft in den Sinn, ohne mich würde er ja untergehen.

    Wie gesagt, mir wurden erst hie in diesem Forum die Augen geöffnet und dann konnte ich erst handeln.

    Schöne Grüße

    julchen

  • Hallo Ette,

    ein tolles Thema, das immer wieder stark durchdringt ist mit dem Gedanken, daß ich aus dieser Opferrolle auch nihct herauskomme, solange der Alkoholiker sich nicht ändert...etc.

    Wenn man sich die Grundbausteine genau durch liest, kommt man an den Punkt:

    Die Erkenntnis, dass der süchtige Partner/ Elternteil nur ein Auslöser für die eigenen kranken Anteile ist und nicht Schuld daran ist, dass es einem schlecht geht. Jeder Mensch kann selbst entscheiden, wie er mit seinem Leben umgeht und befindet sich nicht in einer Opferrolle. Der Co-Abhängige lässt nur so viel mit sich machen, so viel er zulässt.


    ...Und solange diese Erkenntnis nicht erfolgt ist, werde ich mich als Co-Abhängiger auch nicht bewegen, mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen! Und dann kommen die *Runden und Runden in Selbstmitleid, in Gründen, die nicht dazu führen, mein Leben zu verändern.

    Dazu ist es aber erforderlich, sich den Spiegel vor das Gesicht zu halten und zu*erkennen*, daß ich auch krank bin!!!!

    Danke Ette für diese Gedanken.

    Liebe Grüße

    S.Käferchen

  • Hi,
    ich habe mal einen provokanten Satz gehört:
    Manchmal sind Opfer die wahren Täter.
    Was ist damit gemeint:
    Menschen, die sich jahrelang in eine Opferrolle begeben, leben in einer Art Sicherheit. Die Verantwortung für sich selbst wird abgegeben.
    (Wir sprechen hier nicht von Kindern!!!)
    Sie üben durchaus eine gewisse Macht aus.
    Man kann immer mit dem Finger auf den "bösen" zeigen und sagen:"Er ist schuld, dass es mir schlecht geht."
    Von aussen wird man bemitleidet und es gibt keinen Anlass, aus dieser durchaus bequemen Konstellation auszubrechen.
    Es wird in Kauf genommen, dabei kaputt zu gehen, nur um nicht aktiv zu werden und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, Eigenverantwortung zu übernehmen.
    Manchmal hat mein Mann im Streit zu mir gesagt:"Jetzt machst Du wieder auf Opfer."
    Und wenn ich ehrlcih bin, er hatte ab und zu durchaus recht. Nicht immer.
    Ich fühlte mich dann richtig ertappt.
    Ein Leben mit einem Alkoholiker ist zerstörend, keine Frage.
    Aber wie oft wird er vorgeschoben, um uns selbst nicht anschauen zu müssen?
    Im Grunde bin ich alles andere als ein Opfertyp.
    Liebe Grüße von der nachdenklichen Thelma

  • hallo ette,

    fin dich prima das du es hier ansprichst!
    du hast damit den nagel auf den kopf getroffen.
    mehr dazu kann ich nicht sagen, du sprichst mir sowas aus dem herzen!

    du bekommst für mich ne glatte eins für diese aussage!!!!!!! :D


    danke für diesen denkanstoss melina

  • Zitat

    ... immer wieder lese ich hier davon, wie schlecht trinkende Partner mit ihren Angehörigen umgehen. Von Vergeudung von Zuneigung ist die Rede, von Scheusal, von Beschimpfungen usw.
    ...

    Der Alkoholabhängige ist krank und wir sind es auch. Aber wir machen ihn für unsere Krankheit verantwortlich und erwarten, dass er sich ändert, damit es uns wieder gut geht.
    LG
    Ette

    Hallo Ette,

    bei der letzten Auseinandersetzung mit meinem Exfreund warf er mir vor, ich wollte doch nur alles (nämlich unseren Urlaub nicht abbrechen - er wollte unbedingt heim - wahrscheinlich um sich zu betrinken), damit MEIN Seelenheil in Ordnung ist...

    Ich war wütend, weil er mir auch noch andere Sachen an den Kopf warf, einfach ungerecht war.

    Aber natürlich wollte ich für mich die schönen Tage fortsetzen. Was in ihm wühlte, die Sucht, die ihn nach Hause trieb, wollte ich einfach wegwischen. Die Sucht, die Krankheit... Angenommen er hätte einen Anfall irgendeiner anderen Krankheit bekommen, wieviel milder hätte ich gedacht! Wäre ich gekränkt gewesen, wenn er wegen Herzproblemen oder einer Grippe nach Hause gewollt hätte?
    Allerdings kann man bei Herzproblemen und Grippe dem Partner zur Seite stehen, ob beim Arztbesuch oder mit heißen Getränken usw.
    Noch ein Unterschied: Der Herzkranke oder Grippepatient will wieder gesund werden und tut alles zur Genesung. Der Süchtige will meistens gar nicht, der Kiffer sieht überhaupt keinen Anlass etwas zu ändern.
    Es ist bisweilen sehr schwer, solche Abhängigkeiten als Krankheit zu sehen...

    Es grüßt Dich eine ratlose
    Nora...

  • Zitat von norA50

    Allerdings kann man bei Herzproblemen und Grippe dem Partner zur Seite stehen, ob beim Arztbesuch oder mit heißen Getränken usw.

    Noch ein Unterschied: Der Herzkranke oder Grippepatient will wieder gesund werden und tut alles zur Genesung. Der Süchtige will meistens gar nicht, der Kiffer sieht überhaupt keinen Anlass etwas zu ändern.

    Hallo Ihr Lieben,

    jetzt frage ich mich aber schon, wie das zu verstehen ist. Geht es um die Würdigung der Unterstützung oder um die Gesundung aus einer Krankheit?

    Nehmen wir einmal an, ich bekomme einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, Krebs oder ähnliches, dann habe ich mit größter Wahrscheinlichkeit vorher 10,20 oder mehr Jahren unbewußt Dinge gemacht, die dazu beigetragen haben und ich habe laufend Warnbotschaften Dritter ignoriert. In meinem Fall wären das Saufen, Rauchen, Fressen, falsche Ernährung, Bewegungsmangel, Schlafmangel, Streß und nochmals Streß. Ohne akute Umstände habe ich mich fleißig falsch verhalten und gut gemeinte Hinweise Dritter nicht beachtet. Genauso wie bei Suchtabhängigen eine hohe Rückfallquote normal ist, werden viele akut Betroffene nach der ersten Genesungsphase wieder in alte Muster zurückfallen.

    Irgendwie müßte sich doch jeder, der ein Kind groß zieht, einen Alten pflegt, mit einem Kranken liiert ist, ein kleines bißchen selbst zerstören.

    Wo ist denn jetzt der Unterschied? Erklärt mir das doch bitte einmal.

    LG Kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Zitat

    Wo ist denn jetzt der Unterschied? Erklärt mir das doch bitte einmal.

    LG Kaltblut

    Hallo Kaltblut,

    klar, um zu solchen Erkrankungen zu kommen, bedarf es einiger Unvernunft in den früheren Lebensjahren.
    Aber es besteht ein Unterschied: Kein Herz- oder sonstwie Kranker wird sich derart gegen seine "Pfleger" benehmen wie dies bei einem Abhängigen der Fall ist. Beschimpfungen, Schuldzuweisungen, Lügen, ein vehementes sich gegen jede Therapie stemmen ist doch wohl eher bei Abhängigen der Fall. Die Pflege eines Kranken ist zermürbend und kräftezehrend, die Pflege eines Abhängigen ist aber fast tödlich für die "pflegende" Person. So ist jedenfalls meine Erfahrung. In Glücksfällen mag es so sein, dass der Patient kuriert wird. Aber eben nur in Glücksfällen...

    Meines Erachtens ist auch ein wichtiger Aspekt, dass Abhängige eben seelisch und psychisch kranke Menschen sind, deshalb ist es wesentlich schwieriger für einen Laien, diesen Menschen "pflegend" zur Seite zu stehen, als einem an Grippe oder sonst was erkrankten. Wobei schwere körperliche Erkrankungen ja auch nicht daheim, sondern in einer Klinik behandelt werden!

    Man muss sich wirklich von dem Irrglauben befreien, dass man Abhängige heilen kann, ohne die notwendigen Fachkenntnisse zu besitzen. Und schon gar nicht, wenn der Patient keine Einsicht hat und z. B. die Kifferei als selbstverständlich und lebensbereichernd betrachtet (wie bei meinem Exfreund).

    Liebe Grüße
    Nora

  • Servus Ette,

    leider werden sich viele von denen, die dieser Thread betrifft, wieder einmal nicht daran beteiligen - wie schon so oft in der Vergangenheit.

    Schade, aber wohl nicht zu ändern.

    Es werden immer weniger Menschen im offenen Bereich, die sich ernsthaft mit ihrer Krankheit auseinandersetzen möchten und bereit sind, ihre eigenen Verhaltensweisen ehrlich zu hinterfragen und dann auch zu ändern.

    Statt dessen kommt viel "Küchenpsychologie" und Diskussionen um des Kaisers Bart zum Einsatz.

    Ich würde mir mehr Mitglieder wünschen, die wieder eine gerade Linie hier im offenen Bereich vertreten und die vielen "nur-zum-lamentieren-Threads" durch konstruktives Hinterfragen von den echt Hilfe suchenden trennen...

    Dir jedenfalls vielen Dank für diesen Thread - Du sprichst mir aus der Seele.

    LG
    Spedi

  • Hallo Nora,

    Zitat

    Man muss sich wirklich von dem Irrglauben befreien, dass man Abhängige heilen kann, ohne die notwendigen Fachkenntnisse zu besitzen

    Heilen, kann man einen Abhängigen schon mal gar nicht, denn diese Erkrankungen (Alkoholismus und Co-Abhängigkeit) sind nicht heilbar...Egal, wieviel Fachwissen ich habe.

    Nur ich kann etwas für mich allein tun, nämlich versuchen, meine Krankheit zu verstehen, damit zu leben, alle Hilfen in Anspruch zu nehmen, erkennen, daß ich mich verändern muß, meine Verhaltens-und Denkmuster erneuern muß!

    Spedis Worten ist nichts mehr hinzuzufügen.

    Lieben Gruß

    S.Käferchen

  • Hallo ich nochmal,

    ich möchte Euch nochmal an das Thema dieses Threads erinnern. Es geht hierbei nicht darum, wie und ob man einem Suchterkrankten beistehen sollte, sondern, das wir als Co-ABhängige nicht die Opferrolle einnehmen müssen, sondern etwas für uns tun müssen und können.

    Entschuldige Ette, aber ich möchte mal wieder *richtungsweisend* fragen, welche Möglichkeiten es für einen Co-Abhängigen gibt, sich aus dieser Rolle zu befreien? Was muß ich dafür vorrangig tun? Ohne dabei auf den abhängigen Partner zu schaun, zu zeigen, ihn zu beschuldigen.

    Lieben Gruß


    S.Käferchen

  • Hallo nochmal an alle,
    ich möchte das Thema "Opferrolle" nochmal aufgreifen, weil es mir als Co-Abhängigen sehr wichtig ist.
    Ich habe schon geschrieben, dass ich manchmal in so eine Opferhaltung reingerutscht bin.
    Das ist immer passiert, wenn die Verzweiflung zu groß wurde und ich nicht mehr wußte, was ich noch tun kann, um IHN zu verändern.
    So.
    Es fällt mir zwar nicht leicht, aber um aus dem ganzen Mist rauszukommen, muss ich offen gestehen, dass ich in der schlimmsten Zeit dieses "Opferschema" teilweise bewußt eingesetzt habe, um meinem Mann ein riesen Schuldgefühl aufzudrücken. Er sollte sich richtig besch.. fühlen wegen all der Dinge, dieer uns in seinem Suff angetan hat.
    Kein nobler Zug, ich weiß.
    Ich habe ihn so dafür gehaßt, dass ich zu diesem Mittel gegriffen habe. Ich hatte ihn dann irgendwie in der Hand, ja, Macht, denn er hat sich natürlich sch... gefühlt.
    Die Genugtuung war aber nur von kurzer Dauer, weil mir schnell bewußt geworden ist, wo ich da hinschlittere, wenn ich so weitermache.
    Also hab ich mich auf meine Hinterbeine gestellt und bin in die Offensive gegangen.
    Und hab mich um MICH gekümmert, ihn fallenlassen.
    Ab dem Zeitpunkt kam Bewegung in die ganze Chose.
    Und wie's jetzt weitergeht, werden wir sehen.
    LG Thelma

  • Hallo,

    meine Unfähigkeit die Dinge anzunehmen, zu betrachten und damit umzugehen, hatte mich nur scheinbar zum Täter oder Opfer gemacht, ich hatte mich lediglich selbst auf gut klingende Irrwege geführt.

    Alibis, Rechtfertigungen und Begründungen standen mir in dem Maße zur freien Verfügung, bis ich stehen blieb und anfing meine Flecken zu entfernen und davon hatte ich genug.

    LG Kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Hallo beisammen,

    ich möchte einmal klarstellen, dass ich mich nicht als Opfer sehe, abgesehen von der Situation auf der Heimfahrt vom Urlaub, als mein Exfreund die Reise einfach abgebrochen hat, weil er heim wollte, wo Alkohol und Marihuana auf ihn warteten (wir wohnen nicht zusammen).

    Er war der einzige abhängige Mann, mit dem ich je eine Beziehung hatte. Erfahrung mit Alkoholabhängigkeit habe ich aber auch durch meine Mutter. Als Kind ist man tatsächliches Opfer, kann man sich doch nicht entziehen, man muss es aushalten. Die Erfahrung, die in mir einen starken Widerwillen gegen jegliche Abhängigkeit erzeugte, kam mir aber bei meinem Freund zugute, weil ich, als ich einsah, dass es nichts bringt weiter zu hoffen und sich hinhalten zu lassen, einen Schlußstrich ziehen konnte.
    Er tut mir nach wie vor leid, aber ich möchte nicht meine Jahre an der Seite von jemandem "verplempern", der Kiffen und Alkohol für seine ihm zustehende Lebensqualität hält. Meine Vorstellung von Partnerschaft ist eine andere...

    Ich hatte eine alkoholsüchtige Mutter und einen sehr kranken Vater, der durch meine ganze Kindheit hindurch viel Zeit in Krankenhäusern verbracht hatte. Er war ein Mensch, der sein Leiden und die ganzen notwendigen Behandlungen mit großer GEduld hinnahm. Anders meine Mutter. Sie machte alle, einschließlich uns Kinder, für ihre Sucht verantwortlich. Ohne den Ärger mit uns, so ihre ständige Aussage, wäre sie der glücklichste Mensch gewesen, und nur mit Alkohol und Nikotin ließe sich alles ertragen. Wir seien auch der Grund, wenn sie einmal daran sterben müßte. Sie hat uns alle tyrannisiert. Wäre mein VAter nicht gewesen, wäre das Leben in dieser Familie noch höllischer gewesen.
    Deshalb meine Aussage zum Thema körperliche Krankheit und Abhängigkeit. Das sind meine Erfahrungen. Ich kenne auch heute einige Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung ihr Leben geändert haben, sich gesund ernähren, Sport treiben usw. Viele sind es auch, die bewußt gesund leben, damit sie nicht krank werden (ich auch).

    Die bedauernswerten psychisch und seelisch Kranken, dazu zähle ich auch die Abhängigen, hatten wohl irgendwann in ihrer Vorgeschichte die Erlebnisse, die zu diesen Krankheiten führten. Auch da weiß ich aus Erfahrung, dass man hier als Laie nicht weiterkommt. Hatte eine zweijährige Beziehung zu einem zwanghaften, psychopathischen Mann. Da kommt niemand weiter, nicht einmal ein Therapeut (Patient wurde als therapieresistent entlassen).

    Ich schreibe nur aus meiner Erfahrung - dass andere Menschen möglicherweise andere Erfahrungen haben, ist mir durchaus bewußt.

    Ich möchte mich nicht unbedingt als Co bezeichnen. Habe sicherlich Mitleid mit Kranken und bin auch zu fast jeder Hilfe bereit, schon erst recht, wenn ich zu der Person ein inniges Verhältnis habe. Eine gewisse Zeit lang schau ich mir das an, wenn ich aber erkenne, dass meine Aktion nicht erwünscht ist, ziehe ich mich zurück. Ich bin keine Mutter Theresa.

    Mir haben die 7 Monate mit meinem Exfreund gereicht um zu erkennen, dass ich bei ihm in seinem Leben nichts verloren habe. Dieses ewige auf und ab, um am Ende doch nur zu behaupten, dass es ein Leben ohne das Teufelszeugs nicht geben kann, weil man es eben schon seit 20 Jahren raucht oder einnimmt und es völlig unschädlich sei, ist unerträglich.
    Wie schon gestern in einem Film zu sehen, verursacht der/die Alkoholkranke einen Mordswirbel im Leben der Partnerin/des Partners, diese(r) verliert dabei völlig den Faden in seinem Leben und reagiert am Ende auch vollkommen krankhaft. Vor lauter Hilfsbereitschaft entstehen problematische Situationen. Es war ziemlich gut dargestellt, auch die Besessenheit der Frau, die ihrem Freund auf Teufel komm raus helfen wollte. Ich meine, der Mensch ist einfach überfordert und sollte solche Heilversuche den Fachleuten überlassen. Das Ende war ja auch bezeichnend: Mann geht in Klinik, Frau geht wieder an ihr Studium - und alle sind zufrieden...

    Wer kann, soll sich aus solchen Partnerschaften, die keine wirklichen sind, lösen. Aber sicher ist, dass ein(e) abhängige(r) Partner/Partnerin die latenten psychischen Probleme beim "Gesunden" wecken kann...

    Nora

  • Nachtrag:

    Wenn ich an meinen Exfreund denke tut er mir, wie gesagt, natürlich leid. Ich stelle mir dann vor, dass er zu seinem eigenen Leid, das er sicher gelegentlich spürt (manchmal geht es ihm ja auch ziemlich dreckig nach tagelangem Trinken und Kiffen), dann auch noch mit dem Umstand fertig werden muss, dass seine Beziehung zerstört ist.
    Aber, bitte schön, was kann man da machen? Dableiben? Nein! Weggehen? Man kann es drehen und wenden wie man will, es ist immer eine Katastrophe!

    Nora

  • Hallo Neeonie,

    ja, das ist gut dargestellt. Viele der heute als "Täter" hingestellten sind in der Kindheit Opfer gewesen. Mein psychisch kranker Exfreund hatte in einer bäuerlichen Umwelt eine total krankhafte Erziehung. So wurde er als Schreibaby einfach in den Keller (eines alten Bauernhauses) gestellt, einmal für einen ganzen Tag von den spielenden Geschwistern am Dorfplatz "vergessen". Keinem fiel das schreiende Baby auf bzw. kümmerte sich darum. Vielleicht schrie er ja auch nicht mehr, angeblich werden Babies, wenn sie lange schreien bewußtlos. Die erleichterte Umwelt meint dann, das Kind schliefe endlich...
    Er hatte total krankhafte Vorstellungen wie das Leben sein soll, aber alles klang nach einer doktrinären Erziehung. Ein Abweichen gab es nicht, man tat dies, man tat jenes. Dazwischen gab es nichts. Hab auch gemeint mit viel Liebe und vielen Beispielen ihn "auf den richtigen Weg in ein fröhliches Leben" bringen zu können, ihm Lebensfreude geben zu können, aber weit gefehlt! Je liebevoller alles hingestellt wurde, umso mehr griff er an... Ein kranker Mensch eben.
    Mein letzter Exfreund, der Abhängige hat eine Tante, die ihn anmacht, ihn begrapscht, offen darüber spricht, wie sie für ihn fühlt und ihn regelrecht verfolgt, wenn er nicht zur Verfügung steht und sie besucht. Leider ist die Tante sehr reich und er ihr Erbe. So ist der Arme in einer Zwickmühle ohnegleichen... Er sagt, er gehört seiner Tante so wie sein Bruder seiner Mutter gehört. Die beiden haben auch ein Verhältnis... Es klingt nach Shakespeare bzw. dieser hätte eine Menge Stoff aus dieser Familienkatastrophe ziehen können. Kein Wunder, dass der Mann schon seit seinem 15. bzw. 18. Lebensjahr trinkt und kifft.

    Aus diesem Grunde meine ich, dass für solche Geschichten ein Fachmann/eine Fachfrau her gehört. Mit solchen Seelenschäden kann man als Laie nicht mehr umgehen. Die Sucht ist nur der Rauch, der zu sehen ist vom großen Feuer, das tief drinnen brennt.... Wer würde sich zumuten, einen Großbrand selbst zu löschen?

    Nora

  • @Nora: was mich interessiert, ist, ob du von vorne herein wußtest, dass dein Ex trinkt und kifft?
    Ich wußte es nämlich nicht, denn er machte gerade eine Trinkpause, als wir zusammenkamen.
    Also, ich bin auch weder Mutter Theresa, noch wollte ich ihn retten, noch leide ich unter dem Helfersyndrom und als passiven Menschen bezeichne ich mich schon überhaupt nicht.
    Tja, was ist es dann?
    Wohl irgendeine Art fehlendes Selbstwertgefühl.
    LG Thelma

  • Täter - Opfer, Trauer - Bearbeitung....

    Ich habe so ein bischen das Problem, dass ich es auf der einen Seite richtig finde deutlich und klar zu sagen "Bleib bei Dir" auf der anderen Seite aber dadurch jemandem die Zeit zu nehmen sich langsam durch den Schmerz durchzuarbeiten, den eine Trennung und auch das Bewußtsein dieser tödlichen Krankheit mit sich bringt.

    Eine Trennung - auch unter gesunden Gründen - löst Schmerz aus (zumindest bei mir) und muss bewältigt werden. Der Weg der Klarheit war bei mir ein langer, es geschahen von heute auf morgen Dinge, die unmenschlich und respektlos waren. Um überhaupt wieder meine Beine auf den Boden zu bekommen war für mich sehr wohl wichtig den Alk und seine Wirkung auf den dazugehörigen Menschen zu begreifen - später, viel später, kam dann die Reflektion warum ich geholfen habe diese Sucht aufrecht zu halten.

    Aber bei mir dauerte es sehr lange, bis ich begriff, dass auch das Einlassen des Schornsteinfegers (für mich klar mein Pflicht als Mieter) ihm nicht hätte abnehmen sollen. Alles das war meine Unterstützung der Sucht, aber auch eine Tatsache, mit der ich mich (weil ja immer ich) mich als Opfer fühlen musste. Das aber muss erst erkannt werden .... benötigt Zeit. Trauer, Trotz, kämpfen - mal diese Phase mal jene....

    Ich wage von mir zu behaupten recht klar meinen Weg zu gehen und mir ein neues Leben aufgebaut zu haben - allem voran ging jedoch die Opferrolle - zwangsläufig: es geht mir nicht gut, die Partnerschaft tut mir nicht gut - was ändere ich und wie....

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Dagmar : Sobald du beginnst zu überlegen, was Du ändern kannst, bewegst du dich jaschon raus aus dem Opfer-Dasein.
    Wenn jemand beratungsresistent ist und auf Biegen und Brechen an seinem elenden Dasein festhält mit dem Fingerzeig auf den sog. Bösen Partner, dann verfällt er in eine "Opferrolle", die ihn nie rausbringen wird aus seinem Dilemma.
    Ich stimme dir absolut zu, dass auf dem Weg in die Selbstbestimmung sämtliche Stadien von Trauer, Wut, Verzweiflung durchlebt werden wollen und sollen.
    Aber der Blick auf sich selbst und nach vorne soll nie verloren gehen.
    LG Thelma

  • Zitat

    @Nora: was mich interessiert, ist, ob du von vorne herein wußtest, dass dein Ex trinkt und kifft?
    Ich wußte es nämlich nicht, denn er machte gerade eine Trinkpause, als wir zusammenkamen.
    Also, ich bin auch weder Mutter Theresa, noch wollte ich ihn retten, noch leide ich unter dem Helfersyndrom und als passiven Menschen bezeichne ich mich schon überhaupt nicht.
    Tja, was ist es dann?
    Wohl irgendeine Art fehlendes Selbstwertgefühl.
    LG Thelma

    Liebe Thelma,
    als ich meinen Exfreund kennenlernte, vor ca. einem Jahr, da dachte ich: Endlich ein seelisch gesunder Mann. Er erschien mir so glücklich und frei. Hätte ich damals gewußt, was ich heute weiß, hätte ich wohl von ihm Abstand genommen. Ich bin mir nicht sicher, ob er damals in jenen ersten Wochen gekifft hat, denn bei Kiffern merkt man das nicht gleich (außer einem merkwürdigen Glitzern in den Augen, manchmal - weiß aber nicht, ob das ein Hinweis ist..).
    Ich erlebte es viele Male: Solange die Rauschphase anhält, verbirgt er sich daheim, wenn er dann scheinbar genug hat, wenn die "Lager" im Körper aufgefüllt sind, geht er wieder raus und dann wirkt er sehr stabil, wenn auch irgendwie umgedreht und gefühlsarm.
    Die Begeisterung über die neue Liebe (er hat sich um mich sehr bemüht, richtig Gas gegeben, hat alles ins Feld geführt um mich auf ihn aufmerksam zu machen, um mich zu erobern - das hat mir natürlich geschmeichelt!), hat ihn vielleicht auch dazu gebracht, weniger zu kiffen. Getrunken hat er auch nicht viel, 1 oder 2 Glas Bier wenn wir abends gegessen haben. Hie und da war er dann mit Kollegen unterwegs und am nächsten Tag schien alles in Ordnung zu sein. Wir wohnten nie zusammen, also hab ich seinen Zustand auch nicht immer mitbekommen.

    Das erste Mal verschwand er für 2 Wochen nachdem wir 2 Wochen Urlaub hatten - eine wunderschöne Zeit, wir waren mit dem Boot in den Masuren und insgesamt 3 Flaschen Rotwein, ein paar Dosen Bier dabei. Abends vor dem Zelt ein, zwei Gläschen - nie wurde eine Weinflasche ausgetrunken, und ein Bier zum Essen, alles war völlig im grünen Bereich.
    GEkifft hat er nicht - dafür aber sofort, als wir wieder daheim waren. Ich war so ein Schaf, ich fand es nicht besonders schlimm. Dachte, naja, ein Joint, zur Erholung... Wußte nicht, dass er die harte Linie kifft, also 3 - 4 täglich in der "rauchenden Phase". Nach ein bis zwei Wochen flaut das wieder ab, aber soviel ich im Internet gelesen habe setzt sich das Gift bei starken Kiffern im Körperfett ab und obwohl der Rauschzustand vorbei ist, sind die psychischen Anzeichen wie Teilnahmslosigkeit, Verlust des Zeitgefühls usw. vorhanden.
    Nun weiß ich, warum er so vergesslich war in manchem, auch was unsere gemeinsamen Erlebnisse betrifft. In seinen starken Kiff-Zeiten vergaß und vergißt er mich völlig. Da gibt es mich nicht. Der zusätzliche Alkohol macht alles noch schlimmer. Beim letzten Absturz dachte ich, er wird sicher daran zugrunde gehen. Er dachte das wohl auch, denn da wollte er dann weg von dem Zeug - aber nur vom Alkohol, wie sich später herausstellte, das Kiffen verteidigte er bis zuletzt. Hab nun seit 2 1/2 Wochen nichts mehr von ihm gehört. Hab ihn aber heute von weitem in der Firma gesehen, er lebt also und kann aufrecht gehen.
    Ich dachte auch, dass ich mit meiner Stärke, durch mein Da-Sein ihn stützen könnte, überließ ihm aber die ganze Organisation seines Entzugs, weil er doch Eigenverantwortung hat und dies auch leben soll. Es gab keinen Erfolg, weil die Sucht doch zu stark war - das Kiffen oder der Alkohol, was weiß ich...!?

    Wenn man einen Menschen liebt, ob als Mann oder als Kind oder Freund, dann ist es ein natürliches Gefühl, helfen zu wollen, dazusein. Das soziale, das den Menschen ausmacht und das die Menschheit bis heute am Leben gehalten hat. Leider ist es aber auch so, dass man damit nicht immer weiter kommt. Es ist wie mit Menschen, die unbedingt Selbstmord begehen wollen, die kann man auch nicht retten. Sie werden es tun, sobald keiner aufpaßt. Es kann auch nicht unsere Aufgabe sein, sich über den Willen der Mitmenschen hinwegzusetzen, nur um "Gutes" zu tun.
    In dem Moment, wo der Andere unsere Hilfe zurückweist, müssen wir uns wieder zu uns selbst begegben... Alles Andere wäre krankhaft...

    Liebe Grüße
    Nora

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