Der "Drei-Jahres-Faden"

  • lieber petter,

    richte mal deine dankbarkeit an dich selbst. du warst es doch der kapiert hatte das es so nicht weiter geht! die die dir dann geholfen haben das durch zu ziehen, trocken zu werden, denen kannst du auch dankbarkeit aussprechen. so mach ichs. an eine höhere macht glaub ich nicht mehr. es gibt sicher sowas wie schiksal und es gibt für alles irgendwann die entsprechende zeit, nur bin ich ja gefragt ob ich das für mich wahrnehme oder nicht. da kann sich schlagartig alles änderen. sei dankbar dir selbst gegenüber das du dich wieder wahrnehmen kannst, das du handlungsfähig bist.du für dich in deiner dankbarkeit dir selbst gegenüber.

    gruß
    melanie

  • glück auf peter

    erstmal freu ich mich wieder von dir zu lesen und dafür, dass du endlich angekommen bist, an einem ort, bei eine gruppe und bei dir.

    Zitat von Petter

    An wen richtet sich Eure Dankbarkeit?

    ich bin dem mann dankbar der mir die augen geöffnet hat und mir bin ich dankbar, weil ich s "durchgezogen" hab.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo zusammen!

    Danke für die Antworten! Meine Dankbarkeit richtet sich an mehrere Menschen: an all die Leute, die mir bewusst oder unbewusst die Augen und die Sinne dafür geöffnet haben, daß ich mein Leben ändern kann. Natürlich auch an die Leute, die mir die Hand gaben, als ich anklopfte und Hilfe suchte. Irgendwann hat es "klick" gemacht und mir war klar: "So geht es nicht weiter." Andere haben dieses Glück und/oder Einsicht nicht und machen so weiter wie gewohnt. Das Ergebnis ist immer gleich: Am Ende siegt der Alkohol, wenn wir nicht davon lassen.

    *Schnipp*

    Heute habe ich zwei Arzttermine. Eigentlich nicht der Rede wert: einen Verbandwechsel nach einer OP am Schienbein und die Routine-Untersuchung beim Onkologen. Beides beschäftigt mich nicht mehr sonderlich und ich bin froh darüber, es einfach auf mich zukommen lassen zu können. Ändern kann ich ohnehin nichts - also warum vorher kirre machen.

    Was wäre das zu meiner nassen Zeit für ein Stress gewesen! Allein der Gedanke: "In ein paar Tagen muss ich zu einem Arzt!" hätte mich die Tage zuvor kräftig zur Flasche greifen lassen. Sich beim Doc vorstellen und dann unter Umständen auch noch ausziehen müssen! Meist habe ich die Arzt-Termine auf den frühen Mittag gelegt - da war ich halbwegs intakt und hatte noch kein neues Bier getrunken. Wenn ich in der Praxis war, kam meist die Untersuchung... die Blicke vom Arzt, die natürlich alles sagten, was er gar nicht auszusprechen brauchte: ein Trinker, viel zu dick, Kettenraucher, knallrotes Gesicht, schwitzend, Fettleber, hoher Blutdruck, schlechte Werte... Dann würde der Arzt nüchtern (!) sagen: "Gefahr von Krebs, Diabetes, Elend und Tod." Und ich hätte beschämt leicht genickt und nach unten geschaut... Eine furchtbare Situation, deren Ende ich nicht schnell genug herbeisehnen konnte. Danach dann aber schnell nach Hause - beim Einkaufsladen hinein und Stoff besorgen (schließlich hatte man ja etwas geschafft heute!) und es sich zuhause "gemütlich" machen. Noch schlimmer empfand ich meine Besuche beim Zahnarzt, aber das werde ich nicht mehr hervorkramen - das geht mir zu weit und ich habe schon weiter vorn in meinem Thread ansatzweise berichtet.

    Heute sind die früheren Horror-Dates beim Arzt reine Routine und manchmal sogar mit schönen Nachrichten verbunden, die ich dann frei von Alkohol und unbenebelt geniessen kann. Sind es aber schlechte Nachrichten, kann ich sie ebenfalls frei und unbenebelt von Alkohol angehen, die neuen und ganz normalen Schwierigkeiten des Lebens. Mit klarem Kopf kann ich sogar besser traurig sein, mich fallen lassen und irgendwann die Dinge angehen, die ich angehen muss. Nass wäre das unmöglich, denn ich würde mich weiter betrinken, bedauern und in ein Loch saufen, aus dem ich kaum wieder herauskommen würde.. Und dann wäre die ganze Welt schuld, aber nicht ich :) Ach ja... WIE gut, daß ich diesen Kram hinter mir habe und auch heute mein Leben ohne Suff meistern kann.

    Danke fürs Lesen!
    Peter

  • Hallo Petter,

    ich bin gerade dabei, Deinen Thread nochmal von vorne zu lesen, hatte den damals irgendwann aus den Augen verloren. Von Deinen Beiträgen bin ich sehr beeindruckt und möchte mich nochmal bei Dir für Deine Offenheit bedanken.

    Bei der Dankbarkeitsfrage zögere ich gerade noch, wie ich die Antwort am besten auf den Punkt bringe; lang wird sie nicht ausfallen.

    Liebe Grüße, zerfreila :D

  • Hallo zusammen!

    Mein kleiner "Drei-Jahres-Faden" ist mittlerweile zum "Sechs-Jahres-Faden" geworden. Wir werden alle älter :)

    Im Juni hatte ich mein Sechsjähriges und kann es kaum fassen. Bereits an früherer Stelle hatte ich geschrieben, was ich empfinde und wie ich mich fühle, wenn ich ein weiteres volles Jahr erreicht habe. Nicht, daß ich auf dieses Datum schielen würde, das nicht. Aber ich freue mich selbstverständlich und es tut mir gut. Meine Freude ist sowas von grundtief in mir, daß dann auch schon mal Tränen fliessen.

    Letzte Woche war ich zum ersten Mal in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses. Meine Selbsthilfegruppe hier vor Ort macht dort alle zwei Monate eine kleine Veranstaltung, um sich vorzustellen. Diesmal hat man mich spontan gefragt, ob ich mitmachen wolle. Es war für mich ein gutes Erlebnis: zum einen war mir wichtig, den Leuten dort erzählen zu können, daß es Wege aus der Dunkelheit und der Alkoholabhängigkeit gibt. Zum anderen habe ich aber auch erkannt, wie hoffnungslos und hilfslos man sich fühlt, wenn man noch tief in der Sucht drinsteckt, oder auch vielleicht ganz am Anfang des Weges in die Trockenheit, und am absoluten Tiefpunkt in seinem Leben angekommen ist. Ich war erschrocken über die vielen "toten Augen" derjenigen, die mich und mein Erzählen aus meinem Leben nur schemenhaft wahrnehmen konnten. Diese "toten Augen" hatte ich auch... Sie waren bei mir ein ganz furchtbares Zeichen meiner Abhängigkeit. Wenn ich Bilder aus meiner langen Saufzeit betrachte, erschrecke ich regelmäßig wieder und manchmal habe ich Angst mir diese Bilder wieder anzusehen.

    Eine gute Stunde haben wir zu zweit in der Psychiatrie über unsere Gruppe und uns berichtet und am Ende applaudierten einige und fragten noch nach. Wenn bei jemandem der Teilnehmer hängen geblieben ist, daß es Wege aus der Hölle gibt, dann würde ich mich freuen. Am Ende fragte mich eine Frau, ob ich stolz sei auf meine lange Trockenheit. Da musste ich stutzen - aber dann habe ich "Ja!" gesagt, denn ich bin es wirklich und das ist vollkommen in Ordnung. Ich trage diesen Stolz nicht vor mir her; es ist eher ein "auf die Schulter klopfen".

    Im sechsten Jahr meiner Trockenheit habe ich eine Zufriedenheit erlangt, die mich erstaunt. Weder bin ich so schnell unzufrieden wie früher, noch muss ich die Dinge antreiben, damit mir mal wieder "alles recht" ist. Vieles nehme ich, wie es kommt, schaue mich dann um und denke: "Gut, daß Du nicht schon wieder am Rad gedreht hast, Peter!"...
    Beruflich bin ich momentan sehr zufrieden - und sage mir fast jeden Tag, daß es an ein Wunder grenzt, daß ich genau DIESEN Job habe. Es ist ein klassischer "Kleine-Jungen-Beruf", ich kann jeden Tag neu beginnen und (abgesehen von der enormen Verantwortung) jeden Morgen ein kleiner Junge sein und mich freuen - und das mache ich auch!

    Ab und zu schaue ich mal in dieses feine Forum hinein und lese... Auch wenn meine Anfänge hier sechs Jahre zurückliegen, kommt es mir vor wie gestern. Von jedem der sich vorstellt und der neu beginnt, kann ich lernen. Immer wieder.

    Ich bin gedanklich bei jedem, der den ersten Schritt tut - sei es im Kopf oder am ersten Tag.

    Danke fürs Lesen!
    Peter

  • Hallo Peter,

    vielen dank für deine fesselnde Geschichte, schon nach deinem ersten post konnte ich nicht mehr aufhören weiter zulesen. Du hast ne menge durchgemacht - hut ab für deine stärke! Ich bin ganz am anfang und hab auch nen anderen ausgangspunkt. Solche schicksale zu lesen bestärkt mich auf der einen seite sehr den weg weiter zugehn, auf der anderen gibts da das lachende und weinende auge was deine geschichte betrifft.
    Ich hoffe die Leukämie ist durch und du bleibst dran- bei dir!
    Schön von dir zu lesen.

    LG

    Steffi

  • hallo zusammen,

    gestern sprach ich mit einem freund über dieses forum und dabei fiel mir auf, wie lange ich schon nicht mehr eingeloggt war... asche auf mein haupt. hier weniger präsent zu sein bedeutet aber nicht, daß ich nicht an meiner trockenheit weiter arbeiten würde, im gegenteil. ich bin ja, wie ich schon mal schrieb, in einem anderen onlineforum aktiver und habe ja auch noch meine selbsthilfegruppe hier vor ort, zu der ich einmal in der woche hingehe. natürlich vergesse ich trotzdem nicht, wo ich "herkomme" und wieviel mir dieses forum von anfang an bedeutet und bedeutet hat.

    gestern hatte ich mein letztes meeting in der shg in meinem wohnort, denn ich ziehe wieder mal um. der abschied ging mir nah und ich muss sagen, daß mich die eineinhalb jahre in dieser gruppe ein ganzes stück weitergebracht haben. als ich einstieg, bestand die gruppe nur noch aus zwei, drei leuten und es war manchmal etwas lähmend und deprimierend, immer mit den gleichen leuten zusammenzusitzen und das gefühl zu haben, daß man fast der einzige alkoholiker vor ort ist (was natürlich nicht der fall ist). wir haben ein bisschen die trommel gerührt und unsere gruppe an verschiedenen stellen vorgestellt. jetzt zu meinem ausscheiden sind wir eine stammgruppe von acht bis zehn leuten und die verschiedenartigkeit macht die gruppe richtig gut. ich bin traurig, daß ich nun gehe, aber es lässt sich nicht ändern.

    ich verlasse die stadt, weil ich (wieder mal) beim vorstellungsgespräch auf die bonbons reingefallen bin, die man mir hingelegt hat, die aber in der täglichen arbeit natürlich nicht mehr vorhanden waren, im gegenteil: es wurde mit viel druck gearbeitet, es wurde mit gerüchten und unterstellungen hantiert und das macht mir als oftmals übersensibler arbeitnehmer natürlich schwer zu schaffen ;) ... von den 18 kollegen, die mit mir am 01.12.2012 angefangen haben, sind noch zwei übrig, die anderen wurden gekündigt oder haben selber gekündigt. besonders betroffen hat mich der tod eines kollegen, mit dem ich gut konnte und irgendwie auf einer ebene war. an manchen tagen hatte ich den eindruck, bei diesem freund und kollegen eine alkoholfahne zu riechen, war mir aber nie sicher. am frühen morgen des 9. februar hat ihn sein vater tot im bett gefunden. ihm hat der enorme druck sehr zu schaffen gemacht und er sprach mir gegenüber oft davon, zu kündigen, traute sich aber nicht. ich war ihm ein vorbild (wie ich nach seinem tod vom vater erfuhr) und er hatte sich gewünscht, den mut zu einem neuanfang zu wagen. als ich ihn am freitag vor seinem tod noch zum kaffee traf, redeten wir über meine neue stelle in bonn, von den vertragsbedingungen und den zuständen, denen er sich ausgesetzt sah. er war ortsgebunden und froh, überhaupt eine arbeitsstelle zu haben, und doch war er so frustriert über die zustände. ich hätte ihm so sehr den mut gewünscht, sich nach etwas neuem umzusehen. das kann er nun leider nicht mehr. als ich mit dem vater nach seinem tod telefonierte und er mir sagte, er wolle die todesursache nicht wissen, war mir klarer, was passiert sein musste. diese geschichte hat mir gottseidank nicht die füsse weggezogen, mich aber sehr nachdenklich gemacht. ich bin froh, daß ich auf meinen bauch und mein gefühl gehört und gekündigt habe.

    die neue stelle ist für mich als 50jähriger ein glücksfall. in den letzten jahren habe ich soviel ausprobiert und soviel erlebt, daß ich mich und den job realistischer einschätzen kann. im neuen unternehmen und mit der arbeit wird es besser werden, das weiss ich bereits jetzt. ich habe soviel mist in meiner trockenen zeit erlebt und bewältigt, daß ich um die gefährlichkeit des lebens weiss. genauso weiss ich auch, daß ich all das nur nüchtern bewältigen und verarbeiten konnte, daß ich mit klarem kopf und nüchternem verstand all die steine umgehen konnte, die vor mir lagen. ungerechtigkeiten, neid, missgunst - all diese dinge, die an der seele fressen, lasse ich liegen, wenn ich kann. es geht mir besser ohne all das und ich weiss das und handle danach. meine nüchternheit ist das wichtigste und diesen grundbaustein meines lebens nicht aus den augen zu verlieren, daran arbeite ich jeden tag.

    danke fürs lesen!
    peter

  • Hallo Peter,

    Danke für's Schreiben.

    Zitat

    ...meine nüchternheit ist das wichtigste und diesen grundbaustein meines lebens nicht aus den augen zu verlieren, daran arbeite ich jeden tag.


    Es geht immer weiter, so erlebe ich die Trockenheit auch, was ich positiv bewerte.

    Ich wünsche dir für das Bevorstehende alles Gute.

    Lg Maria

  • Du meine Güte ist das alles aufregend. Ein Umzug im Schneegestöber und am ersten Tag in der Fremde dann Sonne pur.
    Nüchtern und mit klarem Kopf aufzuwachen, ist immer wieder etwas Feines. Die erste Nacht in meiner neuen provisorischen Bleibe habe ich hinter mir, nach einem anstrengenden aber glatt gelaufenen Umzug. Nette Vermieter und ein ganz ruhiges Zimmer, da kann ich überhaupt nicht klagen. Morgen geht tatsächlich der neue Job los und ich bin ganz schön aufgeregt. Ich habe mir das alles ausgesucht, ich wollte die Veränderung und nun habe ich sie :) ... Gerade habe ich mit einem alten Freund aus Berliner Zeiten telefoniert, der im Loch schwimmt und nicht mehr rauskommt: schlecht bezahlte Arbeit, die er mit Leistungen vom Amt aufstocken muss, immer wieder neuen Versuchen, mit dem Alk-Problem "umzugehen", statt loszulassen, immer wieder schlechte Laune und Niedergeschlagenheit. All das habe ich zur Genüge erlebt und wollte irgendwann nicht mehr. Ich bin keinen leichten Weg gegangen, aber den einzig richtigen für mich: WEG mit dem Stoff, der mich ruinierte und fast zerstört hätte und Aufbruch in ein neues und aufregendes trockenes Leben. Immer wieder gabs dicke Steine und Brocken, nichts war einfach. Aber die einzige Voraussetzung, damit fertig zu werden war meine stabile Trockenheit. So soll das auch bleiben und damit sage ich dann mal: auf in den April und ins neue Berufsleben.

    Danke fürs Lesen!
    Peter

  • Hallo zusammen!

    Sechs Wochen bin ich nun im Rheinland. Sechs Wochen, die wie ein "Finger-Schnipp" vorbeigehuscht sind und in denen doch soviel steckt: Alte Wohnung aufgeben, ein Zimmer in der Fremde suchen, Möbel einlagern, der Umzug selber, der Abschied, das Ankommen, sich selber entwurzeln, Neuanfang, Eindrücke der neuen Firma, "wo-ist-was", und so weiter ... Der alles begleitende Gedanke "Mache ich wirklich richtig, was ich mache"? beherrschte mich länger als ich dachte, vor allem vor dem eigentlichen Umzug. Aber das hatte ich schon öfter und wer von Euch mich kennt, weiss das bereits ... Ich bin in den fast sieben Jahren meiner Trockenheit achtmal umgezogen. Ich war nach meinem trockenwerden in einer unglaublichen Aufbruchstimmung und wollte soviel wie möglich "nachholen", was ich durch fast 20 Jahre Trinken vermasselt hatte. Vor allem mir selber wollte ich auf diesem langen Weg zeigen, daß ich mein selbst verursachtes privates, berufliches und finanzielles Desaster wieder auf die Reihe bekomme. Das dieser Weg so lange dauern würde, wusste ich da natürlich nicht und ich glaube, HÄTTE ich es gewusst, dann hätte ich kleinere Schritte gemacht. Von heute aus betrachtet sehe ich mich hüpfend über die Landkarte eilen: Berlin, Bergen in Norwegen, Offenbach, Berlin, Hamburg, Innsbruck, Regensburg, Lüneburger Heide und nun die Eifel :) Wow, was für ein Ritt. Ich habe das Gefühl, ich bin hier Reifen quietschend und krachend gelandet - und sanft aufgenommen worden: man nimmt mich neuen Kollegen an die Hand, sie zeigen mir, was zu tun ist und was nicht, man ist freundlich zu mir und manchmal habe ich das Gefühl, sie wüssten, was ich für eine Vergangenheit habe - wissen sie aber nicht. Es ist momentan genau das, was ich gesucht hab,e und das macht mich sehr glücklich und zufrieden. Auch nach sechs Wochen habe ich noch keinerlei Anzeichen von Irrtum und / oder Enttäuschung. Was für ein Unterschied zu allem, was bisher war. So soll es bitte bleiben, damit ich mich auch endlich mal traue, zu bleiben und ANzukommen. Wenn es aber klappt (wovon ich ausgehe :-)), dann haben sich die Anstrengungen gelohnt und all die Stationen meines alkoholfreien Lebens hatten einen Sinn.

    Danke fürs Lesen!

    Peter

  • glück auf peter

    Zitat von Petter

    Es ist momentan genau das, was ich gesucht hab,e und das macht mich sehr glücklich und zufrieden. Auch nach sechs Wochen habe ich noch keinerlei Anzeichen von Irrtum und / oder Enttäuschung. Was für ein Unterschied zu allem, was bisher war.

    liest sich gut

    Zitat von Petter

    So soll es bitte bleiben ...

    das wünsch ich dir :wink:

    und: alkfreies leben lohnt sich immer - auch (oder erst recht) für n suchenden - aber das weißt du ja.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Alle 14 Tage gehe ich am frühen Samstag in den Waschsalon, denn in meiner provisorischen Bleibe ist keine Waschmaschine. Fast bei jedem Besuch dort treffe ich auf jemanden, der ich in meiner nassen Zeit war bzw. hätte sein können. Es gibt dann einen kleinen Ruck in mir, ich schaue auf und registriere mit einem Mal mein gestern und mein heute. Ein Mann in meinem Alter war es, bei dem ich Unruhe bemerkte. Er kam in den Waschsalon gestürmt, in einem Rucksack Wäsche und in dem anderen Rucksack Leergut von Bierflaschen. Es klirrte mächtig, aber es stank noch viel mehr nach Alkohol und zwar nach jenem, der nicht aus dem Mund kam sondern aus jeder Pore. Er schwitzte stark und ich spürte fast körperlich den Stress, den er aus irgendeinem Grund empfand. Nachdem er seine Waschmaschine gefüllt und geschlossen hatte, funktionierte der Münzautomat nicht mehr: sein Geld war weg und die Maschine lief nicht. Unerfreulich, aber nicht so schlimm, zumal ein Telefon bereit steht für solche Fälle. Mein alkoholischer unbekannter Freund aber war nun am Ende mit seinen Nerven. Er lief schimpfend hin und her, seine Gesichtsröte wurde intensiver und als erstes ging er vor die Tür um zu rauchen. Ich konnte gut nachvollziehen, wie dieser Augenblick für mich gewesen wäre: genau so. Mein erster Stress des Tages wäre schon beim Aufwachen gewesen: Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, belegte Zunge. Ich hätte mich krank gefühlt und gewusst: HEUTE muss ich zum Waschsalon .. Das allein wäre Stress gewesen, weil ich das Haus hätte verlassen müssen - Hilfe! Dann noch Nachschub besorgen und das mit dem letzten Geld, was für das Wochenende zur Verfügung gestanden hätte. Und schliesslich verschwindet im Waschautomat das Geld, ohne das die Wäsche gewaschen worden wäre. Ich wäre wahrscheinlich wutschnaubend und mit gefährlich hohem Blutdruck umher gegangen und wieder einmal wäre das ein Punkt gewesen, an dem ich die ganze Welt für MEIN Unheil verantwortlich gemacht hätte. Mit jedem Gang vor die Tür, mit jedem Einschalten der Nachrichten und mit jedem Gespräch in meiner Stammkneipe wusste ich: "Die Welt ist schlecht und die Menschen taugen nichts. Gut, daß ich wenigstens trinken kann." .. So habe ich wirklich gedacht und gelebt, von der Sucht in Kopf und Körper bestimmt. Genau das fiel mir gestern wieder alles ein, als ich diesen Mann im Waschsalon sah und roch. Ich klappte mein Buch auf und dachte "Gott sei Dank - das ist vorbei." .. Dafür bin ich jeden Morgen und manchmal auch öfter am Tag dankbar. Ich weiss, was ich da für ein Geschenk bekommen habe :)

    Allen schöne Feiertage.
    Peter

  • glück auf peter

    Zitat von Petter

    ... als ich diesen Mann im Waschsalon sah und roch ...

    bist in ne "zeitschleife" geraten und dir selbst begegnet :wink:

    Zitat von Petter

    Dafür bin ich jeden Morgen und manchmal auch öfter am Tag dankbar. Ich weiss, was ich da für ein Geschenk bekommen habe :)

    hhhmm - und du hast dir s geschenkt.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Peter hier. Ich bin ein Alkoholiker und heute trocken. Gott sei Dank, sag ich lieber einmal mehr als zu wenig.

    Gestern früh bin ich mit dem IC rumgefahren und dachte, wenn ich morgens um sechs unterwegs bin, werde ich wohl meine Ruhe haben. Pustekuchen. Um sieben Uhr stieg eine Gruppe Fussballfans mit ihren Frauen dazu, alle so zwischen 50 und 60, die Männer rissen sich ihre Bierflaschen auf, die Frauen riefen "Piccolöööchen!" und dann war es vorbei mit Ruhe am Morgen im IC. Was folgte waren lautstarke, vollkommen sinnfreie Sprechblasen und hätte ich meine Dienstkleidung angehabt, wäre ich dazwischen gegangen. So aber habe ich mir einen Kopfhörer aufgesetzt, mich in meinen Sitz verkrochen und laut Beethoven gehört. Mir kam noch der Gedanke, was diese Leute wohl in nüchternem Zustand über besoffene Jugendliche rumätzen würden, aber dann habe ich sie einfach alle aus meinem Kopf verbannt, die Gitti und Hans und Horst, und die ganze blöde schreiende Baggage erwachsener Menschen :)

    Wahnsinn, ich bin immer noch trocken. Ich gehe ins siebte Jahr bald, glaube ich. Mit den Jahren wird das irgendwie weniger mit dem mitzählen. Am Anfang habe ich jeden Tag als Neugeburt erlebt. Ich wollte, obwohl mir die alten Hasen hier im Forum sagten "Lass das mal sein!", allen beweisen, wie toll ich trocken sein kann und bin leider viel zu schnell wieder in Restaurants und Kneipen gegangen, natürlich in jene, in denen ich in Berlin damals immer schon verkehrte. Dort wollte ich mich wohl bewundern lassen oder sowas, keine Ahnung. Es war dumm und noch dümmer, es war einfach gedankenlos. Es ist nichts passiert aber mit meinem Wissen über meinen Alkoholismus und meinem Zustand von damals muss ich sagen: das war leichtsinnig und gefährlich. Vielleicht war das auch ein Versuch, einen Rückweg zum Alkohol zu ebnen, wenn ich mal rückfällig werden sollte. Aber sicher bin ich mir da nicht. Vielleicht war es auch einfach nur der letzte Versuch, die alten Verbindungen und Freundschaften nicht ganz sterben lassen zu müssen - was ich am Ende aber doch getan habe. Erst als ich langsam neue Freunde gewann, die den Schwerpunkt ihres eigenen Lebens nicht dem Alkohol unterordneten, fühlte ich mich auf einem neuen Weg, auf einem, der für mich immer sicherer wurde. Was hatte ich für eine Angst, alleine zu sein, wenn ich nicht mehr trinke! So etwas verrücktes.. Genau das Gegenteil war es eigentlich. Als ich trank, war ich der einsamste Mensch und hatte dennoch Angst, alleine zu sein, wenn ich nicht mehr trinke? Sowas kann ich aus heutiger Perspektive nur mit einem Wort bezeichnen: krank. So war das bei mir mit der Angst und dem Alkohol.

    Danke fürs Lesen.
    Peter

  • Hey Freunde, Peter hier. Ich bin ein Alkoholiker und heute trocken. Irgendwann im Jahr ist es soweit und heute bei mir: Vor sieben Jahren hatte ich meinen ersten Tag ohne Alkohol. Jedes Jahr wieder bringt mich "mein" Datum zum Nachdenken und Rückblick, beides mit Freude und Schaudern zugleich.

    "Allein, mit meinem Teddy, dem stumm geschalteten Telefon und Mineralwasser bewaffnet lag ich im Flur vor meiner Wohnungstür, damit mich jemand hört, wenn etwas schief läuft." - So in etwa begann ich mein alkoholfreies Leben. Das kann man - wen es interessiert - auch gerne hier bei mir nachlesen

    Dieser eine und ganz besondere Tag hat es in sich. Bei den Anonymen Alkoholikern ist von "Kapitulation" die Rede, und das ist irgendwie das richtige Wort dafür, auch wenn es mir nicht besonders gefällt und spontan vermeintlich bessere Bezeichnungen dafür einfallen. Aber darum geht es nicht, das wäre Haarspalterei. Bei mir waren die Tiefpunkte längst und ständig vorhanden, und nur in einem Augenblick des Mutes und des klaren Verstandes habe ich gelegentlich gedacht, daß es nicht tiefer gehen könnte.

    Mein Tiefpunkt war, wie sicher bei den meisten, das Eingeständnis meines Scheiterns am eigenen Leben. Es war der Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich die Schuld an meinem verkorksten Leben nur noch mir selbst gab. Bis genau zu diesem Tag habe ich allen anderen auf dieser Welt die Schuld gegeben. Das ist für mich der wichtigste Punkt gewesen: die Einsicht: "Ok, ok, ok, ok. Ich selber war´s. Ich ganz allein. Niemand anders." - Mannomann... das hatte Jahre gedauert und erst mit diesem Eingeständnis begann mein Weg in die Freiheit eines selbst bestimmten Lebens abseits von Sucht und Dunkelheit.

    Den Tag und die Nacht des 22. Juni 2006 habe ich mich in meiner Wohnung eingebunkert, bin nicht ans Telefon gegangen, habe kein Fernsehen geschaut und niemandem die Tür geöffnet. Zu tief waren die Wunden, die ich plötzlich bereit war, blosszulegen und anzusehen. Ich stand ein klein wenig neben mir, wie ein Schatten, und fühlte mich wie ein Voyeur, der behutsam und ängstlich sein Innerstes auf den Tisch gepackt hat: "So, nun schau´Dir das mal an."
    Die Bereitschaft, mich selbst aus einem ganz anderen Winkel zu betrachten, war mir neu, und das ich genau im richtigen Moment die Fähigkeit dazu hatte, empfinde ich auch heute noch als ein Wunder.

    Ohne den guten Satz "Das Wichtigste zuerst." zu kennen, machte ich genau das: ich beschränkte mich darauf, nicht zu trinken und mir Hilfe zu suchen. Natürlich träumte ich ein wenig in die Zukunft, aber das war so dermaßen vage und schwammig, daß ich es heute nicht mehr weiss. Ich denke, es waren so "Watte-Träume": an schöne Dinge denken, sich Gutes tun. An diesem 22. Juni 2006 habe ich fast alles richtig gemacht und ich wurde die kommenden Jahre meines Lebens dafür reichlich belohnt. Es ist ein nicht endendes Geschenk: die Freiheit, nicht mehr Trinken zu müssen.

    Falsch gemacht habe ich an jenem Tag, daß ich den gefährlichen Weg des kalten Entzugs gegangen bin. Das war leichtsinnig und überflüssig, ich kann das niemandem raten sondern stattdessen nur empfehlen, den Weg über den ärztlichen Beistand zu gehen, der sicher und besser ist. Das Eingeständnis des eigenen Scheiterns sollte diesen Weg doch auch möglich machen, denke ich. Leider habe ich das damals nicht richtig eingeschätzt.

    Ganz prima hingegen war, daß ich mich kurze Zeit danach in diesem Forum anmeldete. Alles war Neuland für mich: trocken werden und trocken denken, die Unterschiede zwischen nüchtern und trocken begreifen, die ersten Handlungen und Wege ganz vorsichtig ins neue Leben mit all seinen Stolpersteinen und Hindernissen. Ihr alle hier, Ihr habt mir sehr geholfen dabei, meinen trockenen Weg gehen zu können. Schön, daß es Euch noch gibt und daß wir alle gemeinsam jedem der hier anklopft die Hand reichen können.

    In diesem Sinne: lasst uns weiter trocken durchs Leben segeln!

    Ahoi: Peter :D

  • Hallo Petter,

    Danke für Deinen Bericht und herzlichen Glückwunsch zu Deinen sieben Jahren ohne Alkohol. - Alles Gute auf Deinem weiteren Weg und liebe Grüße, zerfreila :)

  • Hallo Petter,

    da komm ich doch auch mal schnell vorbei und wünsche dir alles Gute zum "Geburtstag"

    Melde dich doch mal öfter, wir beißen doch nicht :lol:

    LG Martin

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