Hallo zusammen,
ich möchte gern zu euch stossen, nachdem ich schon einige Tage hier sehr aktiv lese und mich kaum noch vom Laptop weg bewege.
Bin völlig begeistert, mit wieviel Liebe und Feingefühl ihr das Forum führt.
Das Thema Alkohol ist auch für mich schon seit Kindertagen ein sehr belastender Punkt.
Mein Vater war Alkoholiker und ein Monster, wenn er nach 4 Tagen Dauersaufen nach Haus kam. Er tyrannisierte meine Mutter und uns Kinder. Mehrmals erlebten mein Bruder und ich mit, meist Nachts, dass meine Mutter schrie, weil er sie mit dem Kissen ersticken wollte, versuchte ,sie die Treppe runter zu stossen und und und.......
Mein Bruder fing an zu stottern, ich reagierte mit Asthmaanfällen.
Aber dazu bestimmt irgendwann mehr an anderer Stelle.
Ja, und heute mit 47 Jahren bin ich selbst Alkoholikerin.
Aber vielleicht erst einmal noch ein paar Infos .
Ich bin Tina, wohne im schönen Schleswig-Holstein , bin seit 9 Jahren verheiratet und 4 Monaten getrennt lebend. Ich habe 2 Söhne im Alter von 20 und 13 Jahren , die ich mit in die Ehe brachte.
Zu meiner Entscheidung, dem Teufelszeug Alkohol den Rücken zu kehren kam es durch die Trennung von meinem Mann und meiner Angst und Panikstörung, die ich seit Kindertagen habe.
Schon mit 17 Jahren merkte ich ,dass ich den Alkohol einsetzen konnte ,um damit meine Panik nicht so aushalten zu müssen. Wenn meine soziale Phobie Überwasser hatte, dann trank ich mir vor gewissen Situationen Mut an. Dann war ich entspannt und die taffe Frau, die bloss keine Schwächen zeigen darf. Das zog sich wie ein Band durch mein Leben und obwohl ich schon zwei stationäre Therapien wegen der Angststörung hinter mir habe gab es immer wieder Situationen ,in denen der Alk vieles betäubte, was ich nicht aushalten wollte.
Die Vermutung, zu der Angstgeschichte auch ein Alkoholproblem zu haben äusserte ich schon 1997 in der Klinik. Mir wurde dort gesagt........ wenn sie sich der Angst stellen dann werden sie auch nicht mehr das Bedürfnis haben zu trinken.
Na, wunderbar...... somit war doch klar ....... ich habe keine Alkoholprobleme. Arzt und Therapeut werden es ja wissen.
Also fein weiter getrunken und Ausreden gehabt, warum ich allein ne Flasche Wein trank wenn ich am PC sass.
Ich müsse mich belohnen, weil es mir wegen der Angst heute gut geht. Aus einer Flasche Wein wurden später auch zwei.
Was für ein Trugschluss, aber das ist mir erst heute klar, nach meinem großen Zusammenbruch.
Mein Mann ist selbst Alkoholiker, und bevor es vor 4 Monaten zu meinem endgültigen Auszug kam , flehte ich über Jahre, bitte, lass uns aufhören zu trinken. Es zerstört uns, unsere Ehe,und verändert unser Wesen immer mehr.
Ich hatte Angst vor dem Abgrund ,und in meinem Hinterkopf arbeitete es heftig. Wie soll ich es schaffen? Wie denkt die Familie und der Freundeskreis darüber, wenn ich mich oute?
Wieder ging ich los und kaufte Wein. Waren die Geschäfte zu dann eben zur Tanke.
Meine Kinder erlebten mich immer öfter zugeballert und lallend. Mein Jüngster weinte und sagte....... Mama, bitte hör doch auf zu trinken, ich hab Angst um dich. Mein Großer zog sich kopfschüttelnd zurück und war auf eine andere Art verzweifelt.
Pause.......
Es ist noch immer ein großes Problem für mich das ich ihnen so viel Leid angetan habe.
Um es etwas abzukürzen , ich trennte mich unter großen seelischen Schmerzen von meinem Mann und brach dann völlig zusammen. Am 30. Juli diesen Jahres trank ich am frühen Nachmittag auf die Schnelle zwei Flaschen Prosecco und in der Nacht bekam ich ganz heftige Entzugssympthome und Panikattacken, wie ich sie zuvor nie so heftig erlebte.
Ich rief die 112 an und sprach das erste mal in meinem Leben den Satz aus…….. Bitte helfen sie mir, ich glaube ich bin Alkoholikerin und es geht mir sehr schlecht. Im Rettungswagen klammerte ich mich hysterisch an den Sanitäter und sagte immer wieder…… Ich will nicht sterben. Dieser versuchte mich immer wieder zu beruhigen, ich solle keine Angst haben, ich habe erkannt das ich ein Alkoholproblem habe und dies ist der erste Schritt raus aus der Sucht in ein schöneres Leben.
Er hat so recht, denn am kommenden Freitag bin ich drei Monate trocken und ich bin stolz auf mich.
Wie alle, die wir betroffen sind war es gerade die ersten Wochen kein Spaziergang . Aber jeder trockene Tag ist ein wunderbarer Tag. Wenngleich die Probleme, die ich habe nun oft schmerzhaft ausgehalten werden müssen, aber ich möchte das frühere Leben nicht zurück haben.
Die ersten 5 Tage war ich zur Entgiftung auf der Akutstation der Psychiatrie und was ich dort erlebte prägte mich sehr. Meine eigene Suchtkurve zeigte merkwürdiger Weise keinen körperlichen Entzug, aber die psychische Abhängigkeit , verstärkt durch die Angsterkrankung ,war um so heftiger.
Die erste Woche bekam ich in geringer Dosis xxx, um den Suchtdruck in Schach zu halten.
Es folgten nahtlos in einer anderen Klinik 4 Wochen Therapie auf einer Station für Sucht,Angst, Depressionenserkrankungen.
Das half mir sehr, mich von der Pieke an mit meiner Alkoholproblematik auseinander zu setzen.
Nun bin ich seit 3 Wochen wieder in meiner Wohnung und traue mich nicht bei uns im Ort zu einer SHG.
Ich weiss aber das es unabdinglich für mich ist , denn drei Monate trocken sein bedeutet noch nicht, ich habs geschafft. Es fängt erst an, denn bisher meide ich jede Konfrontation , wo auch nur ansatzweise getrunken wird. Gern würde ich mal essen gehen, aber wie komme ich damit klar?
Wie wird es sein wenn ich mal in den Urlaub fliege?
Ich befinde mich noch auf dünnem Boden, aber der Wille trocken zu bleiben und mein Leben wieder geniessen zu können ist stark.
Deshalb nehme ich all meinen Mut zusammen und gehe heute Abend zur SHG.
Drückt mir die Daumen das ich nicht wieder diese blöde Panik bekomme und das Gefühl habe ich muss rausrennen. Das blockt mich so tierisch, denn Panik fühlt sich fast gleich an wie Saufdruck. Also das doppelte Paket.
Nun schicke ich aber erstmal ab und danke euch sehr fürs zulesen.
Es ist schön hier sein zu können.
Liebe Grüße von Tina