Trockenheit und Arbeitsplatz

  • Liebes Forum,

    wie einige von Euch vielleicht wissen, bin ich (52 J.) seit längerer Zeit erwerbslos. Seit einigen Jahren habe ich alles Mögliche (Fortbildungen, Bewerbungen, Coaching, etc.) unternommen um einen Wiedereinstieg ins Berufsleben zu finden. Bisher leider ohne Erfolg.

    Z.Zt. „arbeite“ ich in einem so genannten 1 Euro-Job. Es gibt dort außer ein paar einfachen Aufgaben nichts zu tun, was mich in irgendeiner Weise ausfüllt. Ich hatte in meiner letzten Anstellung eine verantwortungsvolle Aufgabe mit Leitungsfunktion. Ich habe dort sehr gerne gearbeitet, auch wenn es häufig sehr stressig zuging.

    Ich würde in Zukunft auch gerne eine Aufgabe übernehmen, die weniger anspruchsvoll ist und habe mich auch schon häufig auf Stellen beworben, die vom Anforderungsprofil einfacher waren und bei denen ich auch nur die Hälfte verdienen würde. Da ich nie einen anspruchsvollen Lebensstil gepflegt habe, macht es mir nichts aus auch für weniger Geld zu arbeiten. Ich würde nur gerne von dem Geld auch leben können.

    Am Schlimmsten ist für mich, dass ich im Moment keine Perspektive sehe, aus dieser Situation wieder heraus zu kommen.

    Ich traue mich kaum noch unter Menschen, da ich mich ungern als „Hartz IV-Empfänger“ vorstelle. Mich als trockener Alkoholiker „vorzustellen“ macht mir dagegen nichts aus.

    Eine Kombination aus Beidem würde ich mich auch nicht trauen, da ich dann mitten im Klischee wäre, nach dem Motto: „Ah ja, Alkoholiker und arbeitslos. Alles klar.“

    Ich habe folgende Frage an Euch:

    Welchen Einfluss hat ein Arbeitsplatz auf Eure Trockenheit?

    Ich freue mich auf Eure Antworten.

    Liebe Grüße
    Manfred

  • Hallo Manfred,


    Wenn es um Arbeit geht, habe ich mich noch nirgendwo als trockene Alkoholikerin vorgestellt, ich hatte kein Grund das zu sagen, muss ich das jedem auf die Nase binden?
    Außer dass das eine Arbeit ist wo auch Alkohol vorhanden ist, aber so eine Arbeit käme auch nicht in Frage.
    Normalerweise gilt auch Alkoholverbot am Arbeitsplatz.

    Zitat

    Welchen Einfluss hat ein Arbeitsplatz auf Eure Trockenheit?

    Also für mich persönlich keinen.
    Oder ich verstehe die Frage vielleicht falsch?

    Zitat

    Am Schlimmsten ist für mich, dass ich im Moment keine Perspektive sehe, aus dieser Situation wieder heraus zu kommen.

    Ich habe einige Zeit in eine Zeitarbeitsfirma gearbeitet, nicht einfach aber es ging und war nicht auf Harz IV angewiesen.
    Ich habe dadurch auch eine Arbeit finden können, die zwar erstmal auf ein Jahr befristet ist, aber immerhin keine Zeitarbeitsfirma mehr, wie es weiter dann geht, weiß ich nicht.

    Zitat

    Ich würde nur gerne von dem Geld auch leben können.

    Ja das würde ich auch gerne, weil ich hab zwar jetzt die Arbeit aber, bei bis zu 48 Stunden die Woche, verdiene ich gerade so viel um nicht vom Hartz IV leben zu müssen, hätte mein Sohn kein Unterhalt würde ich ihn nicht einmal von dem Geld ernähren können. Müsste trotz Arbeit noch Hartz IV beantragen und es gibt viele Menschen die das machen müssen.

    Kommt eine Zeitarbeitsfirma für dich nicht in Frage?

    Gruß
    Maria

  • Hallo Maria,
    vielen Dank für Deine Antwort.

    Stichwort Zeitarbeit:
    Habe es schon bei diversen Firmen probiert. Häufigstes feedback: zu alt. Profil passt nicht.

    Das mit dem „vorstellen“ bezog sich auch auf private Situationen.

    Auf die Bewerbungssituation bezogen sage ich es grundsätzlich in jedem Bewerbungsgespräch (wenn es denn dazu überhaupt mal kommt). Das ergibt sich schon automatisch aus dem Lebenslauf, da ich auch schon im suchttherapeutischen Bereich (themenzentriert) gearbeitet habe.

    Im Übrigen werte ich es als persönliche Kompetenz, dass ich nun schon seit 21 Jahren trocken lebe.

    Ich will meine Frage noch mal genauer stellen:

    Welche Bedeutung hat ein Arbeitsplatz für Eure zufriedene Trockenheit?

    Oder anders:

    Würde es Eure Zufriedenheit beeinträchtigen, wenn Ihr keine Arbeit hättet und keine berufliche Perspektive?

    Liebe Grüße
    Manfred

  • glück auf manfred

    ich war10 jahre arbeitslos - auf meine zufriedene trockenheit hatte das keinen einfluss - hab mich mehr im selbsthilfebereich beschäftigen können

    für meine persönliche zufriedenheit ist meine arbeitsstelle allerdings sehr wichtig (gebraucht weden + was sinnvolles/nützliches leisten)


    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo Manfred,

    Unzufriedenheit am Arbeitsplatz oder im Leben bedeutet für mich noch keine Unzufriedenheit in der Trockenheit /Abstinenz .

    Was kann denn die Trockenheit für mein Lebenswandel oder den Arbeitsplatz? Wenn ich das in einen Topf schmeiße, hätte ich ja auch eine Grund zum Saufen, wenn es Außenrum nicht mehr stimmt.

    Verstehst du was ich meine?

    Ich weiß nun nicht was du beruflich gemacht hast aber besteht denn da eine Möglichkeit dich selbständig zu machen?

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Manfred,

    Zitat

    Würde es Eure Zufriedenheit beeinträchtigen, wenn Ihr keine Arbeit hättet und keine berufliche Perspektive?

    also ich mache da einen Unterschied zwischen zufrieden im leben und zufrieden trocken.

    Ich habe zwar eine Arbeit aber zufrieden kann mich das gar nicht machen, im Gegenteil
    es belastet mich, tut weh und macht mich traurig.
    Ob ich das irgendwann ändern kann oder wie lange ich diese Arbeit habe steht auch in den Sternen.
    Das ist die Zufriedenheit im leben.

    Die andere Sache für mich persönlich, ist zufrieden trocken ich habe Jahre lang und am Ende extrem gesoffen, ich musste saufen und da ist nichts übertrieben, Krankenwagen, Intensivstation, war alles dabei.
    Ich muss heute nicht mehr saufen, der Druck/Zwang ist weg und die innere Ruhe und der Frieden sind in mir drin.
    Das kann mir keiner wegnehmen(außer dass ich das selbst tue), auch wenn ich vom Harz IV leben muss und nicht will.


    Meine Gedanken dazu

    Gruß
    Maria

  • Hallo Matthias, hallo Hartmut, hallo Maria,
    danke für Eure Antworten.

    Das ist interessant, dass Ihr zwischen zufrieden im Leben und zufriedener Trockenheit einen Unterschied macht.

    Für mich gehörte das bisher zusammen.

    Ich verstehe und übersetze das für mich so:

    Zufriedene Trockenheit ist eher nach Innen gerichtet und hat mit äußeren Umständen nichts zu tun?!

    Zufriedenes Leben ist dann eher nach Außen gerichtet?!

    Hm, ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass die äußeren Umstände (Wohnort, Wohnung, Arbeitsplatz, soziales Umfeld, etc.) auch etwas mit meiner zufriedenen Trockenheit zu tun haben.

    Wobei ich nicht auf den Gedanken gekommen bin, diese als Gründe zum Saufen einzusetzen. Dann hätte ich schon längst wieder saufen „müssen“.

    Ich saufe nicht, weil mir ein klarer Kopf und ein halbwegs klarer Verstand wichtiger sind, als ein sicherer Arbeitsplatz oder Ähnliches.

    Trotzdem würde ich mich schon besser fühlen, wenn ich wieder in einem verbindlichen, sozialen Umfeld integriert wäre. Ich wäre dann insgesamt zufriedener. Wir Menschen sind doch auch soziale Wesen, die gern ein Gefühl von Zugehörigkeit haben.

    Ja, das ist es eigentlich, worum es geht. Ich vermisse die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, in der ich mich wohl fühlen kann und darf.

    Zum Thema Selbständigkeit:
    Ich habe auch hierüber immer wieder nachgedacht. Selbst wenn ich eine Geschäftsidee hätte (habe ich z.Zt. nicht), dann würde ich sie nicht alleine umsetzen wollen. Dieses Einzelkämpferdasein passt nicht zu meinem starken Bedürfnis nach Gruppe oder zumindest 2er-Team.

    Noch Mal danke für Eure Anregungen.

    Liebe Grüße
    Manfred

  • Hallo Manfred,

    Bevor ich süchtig wurde habe ich ja gesoffen um die Probleme und Gefühle zu verdrängen, Kindheit, Trennung, keine Zukunftsperspektiven in dem Land aus dem ich komme, Tod von geliebtem Menschen und noch vieles mehr, ich habe Alkohol benutzt.
    Irgendwann wurde ich ja Suchtkrank und ab da war mir jeder Grund recht um zu saufen oder schließlich brauchte ich ja gar kein Grund mehr weil ich saufen musste.
    Das ich mit Alkohol keine Probleme lösen kann im Gegenteil es kommen immer welche dazu das weiß ich jetzt.
    Die Äußere Probleme versuche ich zu lösen so gut wie ich kann was nicht geht, geht halt nicht und ich muss ja weiter gucken. Gefühle wie Traurigkeit, Wut lasse ich zu und ertränke die nicht weil sie ja nicht verschwinden spätestens sind sie wieder da wenn ich nüchtern bin.
    Deswegen mache ich persönlich da diesen Unterschied.

    Gruß
    Maria

  • Lieber Manfred,
    das ist ja ein Zufall - zu genau dem Thema habe ich gestern ein paar Gedanken bei Isbeau dagelassen.

    Zitat von Manfred

    Das ist interessant, dass Ihr zwischen zufrieden im Leben und zufriedener Trockenheit einen Unterschied macht.
    Für mich gehörte das bisher zusammen.


    Ich darf mich mal selber zitieren...

    Zitat

    Was bedeutet denn "zufriedene Abstinenz"?
    Zunächst einmal doch nur, dass ich mein Leben ohne Alkohol lebe und mir dabei nichts fehlt, ich also keine Verzichtsgedanken im Hinblick auf Alkohol habe. Ich bin zufrieden ohne Alkohol. Soweit, so gut.

    Ich z.B. bin definitiv "zufrieden abstinent", ich mag mein Leben ohne Alkohol bzw. mit meiner zurückgewonnenen Freiheit, ich bin im Moment aber nicht zufrieden. Und das hat nichts, aber auch gar nichts mit Alkohol zu tun. Ich bin unzufrieden im Job (wobei das weniger meine Tätigkeit an sich ist, sondern die Menschen, mit denen ich zu tun habe), unzufrieden in meiner Ehe, unzufrieden mit mir selbst. Das sind also keinen alkoholbedingten Probleme, sondern Probleme, wie sie jeder einmal hat. Die will ich angehen, manches geht kurzfristig, anderes nur mittel- oder langfristig.
    [...]
    Wenn jemand also zufrieden abstinent ist, muss er noch lange nicht grundsätzlich zufrieden sein.

    Soviel zum Thema "zufriedene Abstinenz".
    Was nun dein dein eigentliches Anliegen angeht, kann ich mich nur Matthias anschließen: Das Gefühl gebraucht zu werden, ist meiner Meinung nach ganz wichtig für ein vollständiges Selbstbild. Ich möchte quasi wissen, wofür ich jeden Morgen aufstehe. Das muss nun nicht unbedingt von einer bezahlten Tätigkeit abhängig sein, denn wie viele Frauen mit Kindern sind zu Hause und leisten da multi tasking, mal eben so. Ich sehe also mehr den Sinn in der Tätigkeit denn die Bezahlung. (Ein gewissen Grundeinkommen natürlich vorausgesetzt, versteht sich, irgendwovon muss ja schließlich jeder leben.)
    Wenn du schreibst, dass eine Selbständigkeit zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht in Frage kommt, gibt es denn etwas anderes, Pläne z.B. in Richtung Ehrenamt, die du entwickeln bzw. weiterverfolgen könntest?
    Du hast die Arbeit im suchttherapeutischen Bereich erwähnt.
    Bieten sich denn auf dem Gebiet keine weiteren Optionen? Ich denke dabei gerade an die Ausbildung zum Suchtkrankenhelfer, aber vielleicht ist das ja schon genau das, was du gemacht hast?
    Mehr weiß ich leider auch nicht zu deinem Thema. :(

    Trotzdem wünsche ich dir noch einen schönen Sonntagabend!
    Liebe Grüße
    espoir

  • Hallo Manfred!

    Bei mir ist die Zufriedenheit,aber auch die Dankbarkeit trocken sein zu dürfen wie eine wärmende Sonne,die alles überstrahlt und Wärmt.

    Das tönt fast kitschig,aber irgendwie muss ich es ja sagen.
    Trotzdem habe ich auch meine Ups ubd Downs.

    Aber wann immer ich mich auf mich besinne,bei mir bin wird mir wieder warm ums Herz.

    Als Rentnerin bin ich auchnicht mehr im Arbeitsprozess integriert.
    Das Singen habe ich aufgegeben weil ich im Moment nicht stark genug (physisch) bin.
    Aber ich will es glaub ich wieder ein mal probieren.Denn gerade das gemeinsame Erlernen der Musik, das Erleben in den Aufführungen verbindet die Sänger recht untereinander.

    Gute Woche!
    Yvonne

    ichbinda123

  • Liebe espoir, liebe teetrinkerin, liebe Yvonne,
    vielen Dank für Eure Antworten.

    @ Teetrinkerin

    Zitat

    Das zufriedene Leben finden wir nur, in dem wir uns mit uns versöhnen.

    Ein gleichermaßen einfacher wie weiser Satz. Vielen Dank.
    Habe ich mir ausgedruckt und in mein Portmonee gesteckt, weil der Satz so wertvoll ist ;)
    Das Wort „versöhnen“ fühlt sich irgendwie so schön weich und warm an. :D

    @ espoir

    Zitat

    das ist ja ein Zufall - zu genau dem Thema habe ich gestern ein paar Gedanken bei Isbeau dagelassen.

    Schön, dass wir ähnliche Schwingungen und Gedanken haben.

    Zitat

    gibt es denn etwas anderes, Pläne z.B. in Richtung Ehrenamt, die du entwickeln bzw. weiterverfolgen könntest?

    Ja, ich hatte damit schon begonnen, aber es ist bis jetzt noch zu keiner Zusammenarbeit gekommen. Auch hier muss es ja passen …

    Zitat

    Du hast die Arbeit im suchttherapeutischen Bereich erwähnt.
    Bieten sich denn auf dem Gebiet keine weiteren Optionen?

    Habe ich auch schon drüber nachgedacht, aber noch nicht abschließend entschieden.

    Ich habe zuletzt im Bereich Edutainment gearbeitet, mit dem Schwerpunktthema „Umwelt- und Gesundheitsaufklärung für Kinder“.

    Hier würde ich gern wieder ansetzen und am liebsten eine (interaktive) Ausstellung zum Thema „Suchtprävention“ entwickeln. Genaueres möchte ich hier nicht schreiben …

    Die Herausforderung besteht darin - wie bei allen spannenden, gesellschaftspolitischen Themen – wie ich eine Finanzierung organisiere …

    @ Yvonne

    Das mit Singen ist ne tolle Anregung. Ich hatte dieses Erlebnis des gemeinsamen Singens auch schon einmal in einem Theaterworkshop. Ein wirklich unvergessliches Erlebnis.

    Zitat

    Bei mir ist die Zufriedenheit,aber auch die Dankbarkeit trocken sein zu dürfen wie eine wärmende Sonne,die alles überstrahlt und Wärmt.

    Ich wünsche Euch allen eine möglichst durchgehend „warme“ Woche! :D

    Liebe Grüße
    Manfred

  • Hi Matthias,
    danke für die Nachfrage. :D

    Ich schreibe demnächst mal etwas ausführlicher zum Status quo und wie es weitergeht in meinem "Hauptthread".

    Liebe Grüße
    Manfred

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