Guten Morgen an alle,
hier noch einmal meine Vorstellung:
Ich lese schon lange mit. Jetzt bin ich an einem Punkt, wo ich allein nicht mehr weiterkomme.
Ich bin 35 Jahre alt und beschäftige mich schon seit ca. 2 Jahren mit dem Thema. In den letzten Jahren habe ich es nicht fertiggebracht, mal länger als eine Woche nix zu trinken. Es ist ein Teufelskreis/eine Gewohnheit geworden, die mir Angst macht.
Die Grundbausteine habe ich gelesen und ich weiß auch genau, welcher "Stein" mir dabei im Weg liegt. Bisher habe ich es nicht geschafft, ihn wegzuräumen.
Meine eigene Wohnung halte ich alkoholfrei ... das ist eigentlich auch kein Problem für mich. Wenn nix da ist, dann ist halt nix da und um mir Wein aus der Stadt zu holen, bin ich zu faul.
Mein Ex-Partner wohnt im selben Haus.
Schon bei unserem Kennenlernen habe ich mich damals über seinen und den Alkoholkonsum seines Freundeskreises gewundert, bin dem aber nicht näher nachgegangen - (leider).
Wie oft war ich angenervt von der Bierfahne und dem lallenden Gelabber. Bevor wir uns trennten, ist er von Bier auf Wein umgestiegen ... und ab da habe ich mich in den Strudel mit reinziehen lassen. Im Nachhinein betrachtet kann ich nur den Kopf schütteln ...
Es war täglich Wein da und er wurde auch täglich getrunken. Das variierte von 0,5 - 2 Liter pro Abend. Ich hatte immer öfter "Blackouts", d.h. ich wusste am frühen Morgen nicht mehr, wann und wie ich ins Bett bin und über was gesprochen wurde. Ich bin früh mit Panik aufgewacht und hab mir geschworen "heute trinkst du mal nix" und es war alle Tage dasselbe ... kaum war ich von der Arbeit zu Hause ... groggy und abgespannt ... kam das Bedürfnis nach "angeblicher" Entspannung ... und es war ja immer etwas da. Und wenn mal nix da war, ist mein Partner sofort gesprungen und hat Nachschub geholt. Ich habe gemerkt, dass da was schief läuft, war aber nicht fähig, mich aus diesem Strudel zu lösen.
Dann kam die Trennung von meinem Partner und ich habe erstmal aufgeatmet. Ich habe keinen Wein geholt und es ging mir richtig gut. Irgendwann wurde diese Trennung wieder aufgeweicht und das Spiel begann von vorn. Es ist ganz merkwürdig, sobald ich in seiner Wohnung bin, kippt ein Schalter bei mir und verlangt nach Wein. Es steht ja auch immer was da und in der Garage stehen bestimmt so ca. 5 Kisten á 12 Flaschen. Er hilft mir und meiner Tochter unheimlich viel - obwohl ich das eigentlich gar nicht will. Es setzt mich unbewusst unter Druck und ich fühle mich verpflichtet "freundlich" zu sein.
Ich habe ihn schon tausendmal gebeten, mir nix mehr zu geben ... aber er hält sich nicht dran. Er wartet regelrecht darauf, dass ich frage ...
Ich weiß, ich kann ihm nicht die Schuld geben - ich bin selbst alt genug, um zu wissen, was ich tue. Aber oft kam es mir so vor, als ob das ganz bewusst so gesteuert wird. Er möchte gar nicht, dass ich aufhöre zu trinken. Wenn ich nämlich nüchtern und glasklar im Kopf bin, dann weiß ich, dass er nicht der richtige Partner für mich ist. Wenn ich aber was getrunken habe ... dann werde ich sentimental und gefühlsdusselig.
Nun ja ... seit 3 Wochen sind wir wieder "nur" noch "Freunde". Auch wenn ich ihn gern als "Freund" behalten würde, weiß ich doch, dass dies nie im Leben funktioniert. All unsere Freizeitaktivitäten hatten fast immer mit Alkohol zu tun - nicht immer viel, aber doch regelmässig. Er selber sieht seinen seit Jahren täglichen Konsum selbstverständlich nicht kritisch.
Seit dem 12. ist er beruflich unterwegs und kommt erst in ca. 2 Wochen wieder und seit dem habe ich nix getrunken. Mit seiner Gegenwart ist auch der Gedanke an Wein veschwunden ... zumindest bis jetzt. Es geht mir gut und als ich gelesen habe was Polly am 13.6. geschrieben hat, dachte ich "das könnte glatt von mir sein".
Meine Auslöser kenne ich eigentlich, es sind hauptsächlich negative Gefühle, die mich zum Glas Wein greifen lassen (Abgespanntheit, Ärger, Traurigkeit) oft auch einfach das "gemeinschaftliche" Glas, wenn man zusammen sitzt und erzählt.
Ich versuche schon geraume Zeit, mich aus diesem komischen Freundschaftsgefüge zu lösen, schaffe es aber - bedingt durch die räumliche Nähe - nicht.
Wenn er dann mal wieder vor mir steht und super nett ist - dann denke ich, ich tue ihm unrecht und er tut mir leid.
Nun ja ... ich habe ja jetzt 14 trockene Tage Zeit, mir darüber "glasklare" Gedanken zu machen.
Beim Arzt war ich schon - er meinte, es ist alles okay, obwohl ich selber das nicht so sehe.
In der nächsten Zeit werde ich mal Ausschau nach einer SHG halten. Ich dachte immer, ich schaff das allein, da rauszukommen - muss aber leider feststellen, dass ich mich nur im Kreis drehe und den Absprung nicht schaffe. Das ärgert mich und macht mich wütend ...
Ich bin dabei, die Auslöser zu erforschen. Oftmals sind es kleine Mini-Depris, die mich zum Wein greifen lassen.
Hinterher ärgere ich mich so maßlos, weil ich eigentlich genau weiß, dass das absolut nix bringt.
Ich muss lernen, diese kleinen Depris auszuhalten - seit 4 Wochen gehe ich regelmässig joggen - das hilft für eine gewisse Zeit.
Karsten hat mich gefragt, ob ich mich selber als alkoholkrank sehe. Hier meine Antwort:
Ja, ich selber sehe mich als alkoholkrank. Inwieweit ich körperlich abhängig bin, weiß ich nicht (Entzugserscheinungen hatte ich noch nicht) - ist aber auch nicht so entscheidend.
Viel wichtiger ist, dass ich weiß, dass ich nicht vernünftig mit Wein umgehen kann. Ist die Flasche offen, gibt es keine halben Sachen. Und es ärgert mich masslos, dass ich nicht fähig bin, nur ein!! Glas zu trinken. Es ist nicht so, dass ich dann völlig betrunken bin. Aber am nächsten Morgen fühle ich mich übersäuert, abgewrackt und ich bin total enttäuscht von mir ...
Ich habe schon oft versucht, mich mit anderen darüber zu unterhalten - aber anscheinend bin ich in diesem Kreis die Einzige, die sich darüber Gedanken macht und ich werde immer belächelt, wenn ich darüber reden will.
Je länger ich mich mit diesem Thema auseinandersetze, desto bewusster wird mir, wie sehr unsere Gesellschaft schon "abhängig" ist.
Nur ein kleines Beispiel. Bei einem Familientreffen über mehrere Tage habe ich nichts getrunken und das auch angekündigt. Die Reaktionen waren für mich unfassbar. Da kamen dann so Rückfragen "bist du schwanger?", "warum denn ausgerechnet jetzt?" - ich war entsetzt, dass ich mich so rechtfertigen musste.
Ich komme allein nicht mehr weiter und suche hier moralische Unterstützung. Vielleicht gibt es hier Frauen/Männer, denen es ähnlich geht. Mich würde interessieren, wie sie es geschafft haben, sich abzugrenzen.
Das wär's erst mal von mir
Gruß an alle
von Triene