Wut

Ich glaube ich war in meinem ganzen Leben noch nie so wütend wie jetzt gerade... wütend auf so einige, mich eingeschlossen.

In erster Linie auf meinen Vater, der davon wie immer so überhaupt nichts davon mitbekommt. Schon mein ganzes Leben ist es so. Er ist so übertreibend freundlich... und wenn er seinen Pegel nicht hat, sehr gereizt und launisch (auch wenn er nie gewalttätig war).

Ich bin wütend, wie noch nie und kein Mensch bekommt es mit!!!! Zuhause nicht, auf der Arbeit schon eh gar nicht. Warum kann ich nicht mal in der Gegenwart meines Vaters eine Weinflasche an die Wand schmeissen und ihn anschreien????????? Warum kann ich das nicht?

Guten Morgen Mikesch

Genau so ist es... ich behalte meine Gefühle für mich. Ziehe mich lieber zurück. Wäre es theoretisch nicht mal an der Zeit Gefühle klar zu äussern?!

Ich bin durch äussere Umstände wieder sehr viel näher am Geschehen als mir lieb ist. Ich hatte schon extem viel Abstand davon. Und nun bin ich (warum eigentlich) total überrascht wie sehr ich schon wieder in dieses Netzt verstrickt worden bin.

Mir ist seit ein paar Tagen klar geworden, dass ich wieder weit weg davon muss. Auch wenn ich Jahre schon daran gearbeitet habe, rutscht man viel zu schnell wieder rein, wenn man auch denkt, man hätte damit abgeschlossen. Aber zuschauen, wie sich der Vater zu Tode säuft und findet alles ist in bester Ordnung... na ja, wer will das schon.

Vielen Dank für deine Antwort.

Liebe Grüsse
Mia

Hallo ihr lieben

Ihr glaubt gar nicht wie gut es mir gerade tut eure Zeilen zu lesen. Zu wissen, dass ihr genau nachfühlen könnt wie es sich anfühlt, bringt Erleichterung.

Ich möchte die Zeilen nochmals durchlesen und werde dann etwas mehr posten. Für den Moment sag ich erstmal einfach Dankeschön und dann sind mir noch grad ein zwei Gedanken durch den Kopf gegangen...

Wut ist etwas, dass ich nie gelernt habe auszudrücken. An Wut haftet sehr viel negatives, wahrscheinlich weil mein Vater mit seinen Stimmungsschwankungen oft auch sehr wütend war und sich dass dann logischerweise auch nicht gut angefühlt hat. Es ist etwas, dass ich zuerst lernen muss... dass es gut und ok sind, seiner Wut freien Lauf zu lassen. Und sich auch gut anfühlen kann.

Und dann habe ich mich grad gefragt, ob es denn einen Unterschied machen würde, wenn unsere Eltern begreifen würden, wie es uns ergangen ist oder ergeht durch die Alkoholsucht? Ein ziemlich abstrakter Gedanke, aber würde es Erleichterung verschaffen?

Ich denke mal wieder zuviel... Zeit die Gedanken zur Ruhe zu bringen..
Schlaft gut
Mia

Hallo zusammen

Nochmals vielen Dank für Eure Zeilen.
WUT ist grad ein riesen Thema für mich merke ich. Und es ist irgendwie auch etwas seltsam, weil ich es nicht gewohnt bin über lange Zeit wütend zu sein. Da ich mich so gut in andere hinein versetzen kann, kann ich mein Gegenüber verstehen, warum er/sie so reagiert und schon kriecht die Wut langsam wieder unter. Ich kann auch nicht dauerhaft auf meinen Vater wütend sein, hatte er es ja auch nicht so einfach... etc.

Aber die letzten Tage bin ich sehr wütend. Auf viele Menschen und auf mich auch. Auf mich weil ich so vieles mit mir machen lasse. Zuwenig nein sage und wenn ich mal nein sage, ich mich damit schlecht fühle etc. etc. etc. Es ist neu, dieses Gefühl. Und irgendwie auch OK. So oft bin ich gekappt von meinen Gefühlen, aber dieses Gefühl spüre ich.

Und vielleicht ist es ja wirklich mal an der Zeit das Geschirr fliegen zu lassen wie du es tast Welia oder ihn einfach mal anzusprechen wie du es mit deiner Mutter getan hast @Feenstaub... oder was ich grad am liebsten machen würde... ne volle Rotweinflasche an die Wand knallen. Und zwar nicht um bei ihm etwas zu bewirken oder zu bewegen, sondern meinetwillen... diese ganze angestaute Wut muss raus.

Den Tipp mit dem Auto-Urschrei werde ich auf alle Fälle mal ausprobieren Shirley .
@ Bernd... die Gefühle sind ja nicht wirklich verkehrt, aber wie wir uns dabei verhalten... trotz der Gefühle ist wohl eher verkehrt.

Das lustigste(!) an der ganzen Sache ist es, dass ich schreibe 'ich würde am liebsten'... ich frag mich grad wie lange es noch dauern wird, bis ich mir endlich mal erlaube auszuflippen...

Liebe Grüsse Euch
Mia

Zitat von Vivian1

Liebe Mia,

ich hatte eine zeitlang schlimme Angstzustände und habe daraufhin meine Therapie angefangen. Erst nach einer ganzen Weile, habe ich gemerkt, was für eine grosse Wut in mir steckt.
Ich hatte früher öfters mal den Gedanken, dass ich froh wäre, wenn meine Mum einfach sterben würde. Es war schrecklich, wie konnte ich mir nur den Tot meiner eigenen Mutter wünschen. Heute weiss ich, dass ich ein Recht habe/hatte, mehr als wütend auf Sie zu sein. Das Sie es in Ihrer Kindheit nicht einfach hatte, gab ihr noch lange nicht das Recht es an mich weiter zugeben. Kein Mensch, egal mit was für einem Hintergrund, hat verdammt nochmal das Recht einem anderen Menschen leid zu zufügen. Es ist einfach nicht rechtens.

Nachdem ich all das verstanden hatte, habe ich einen sehr langen Brief an meinen Mum geschrieben (da war sie bereits gestorben). Ich habe all, aber auch wirklich all meine Wut und Entäuschung niedergeschrieben. Ich habe dabei Ausdrücke benützt, die ich so nicht wiederholen würde, aber es tat gut sooo gut.

Wenn Du es deiner Mum nicht persönlich sagen kannst, versuch es mit einem Brief. Mir hat es wirklich geholfen. Ein riessen grosser Stein ist von meinem Herzen fallen und auch meine Familie hat in gewissen Situationen ihr Fett wegbekommen. Sie waren ganz erschrocken darüber. Es war mir egal. Es tat gut und ich glaube ein es hat auch ein Stücken zum gemeinsamen Verständnis beigetragen.

Noch etwas hilft: Sandsack. Einfach mal drauf schlagen. Genial

Wünsche dir viel Spass beim raus lassen deiner Agressionen.

Alles liebe.
Vivian

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Liebe Vivian

Danke für deine Antwort.
Meine Wut hat inzwischen wieder etwas nachgelassen. Aber ich befürchte sie schlummert bloss ein wenig vor sich hin unter der Oberfläche. Habe sie ja nicht wirklich raus gelassen. Das dauert wohl noch bis ich das lerne.

Bei mir ist der Vater der Alkoholiker in der Familie. Und das mit dem Brief habe ich schon vor Jahren mal gemacht. Nun, ich habe damals nicht direkt meine Wut geäussert, aber vielmehr ihm mitgeteilt, dass mich das ganze arg beschäftigt. Es war für mich um einiges einfacher es in einem Brief zu formulieren, als das direkte Gespräch zu suchen.

Eine Antwort darauf ist nie direkt gekommen. Und nun sind einige Jahre vergangen und er erinnert sich wohl gar nicht mehr daran. Ich frage mich grad, ob er den Brief noch irgendwo hat oder ob dieser schon längst vernichtet ist. Aber es ist egal. Es war damals wichtig für mich, dies mitzuteilen, auch wenn nix retour gekommen ist.

Wie auch immer, Wut scheint wohl ein ganz natürlicher Aspekt zu sein, wenn man sich mit seiner ganzen (Kindheits-) Geschichte auseinandersetzt. Und sie auszuleben ist definitiv ein Punkt auf der Liste, was ich lernen möchte.

Liebe Grüsse
Mia