Ich wünsche einen wunderschönen Abend. Wie alle hier habe ich ein Problem mit Alkohol. Nicht ich direkt, aber mein Partner.
Ich bin noch nicht so lange mit ihm zusammen (1,5 Jahre). Wir haben auch keine gemeinsame Wohnung und führen bisher eine Fernbeziehung, was daran liegt, dass ich sehr erfolgreich in meinem Job bin und ich die Möglichkeit hätte, zum Ende des Jahres genau das, was ich jetzt tue, in seiner Stadt weiterzuführen.
Allerdings habe ich vor ein paar Monaten gemerkt, dass er trinkt. Anfänglich konnte er das gut vertuschen, oder ich hab es nicht so gesehen. Aufgrund dessen, dass wir uns meist nur am Wochenende sahen bzw. sehen und er sich diese 2-3 Tage völlig normal verhielt, brauchte ich eine Weile um zu verstehen, was wirklich in der Woche bei ihm so passiert.
Es ging los damit, dass sich die Anrufe im angesäuselten Zustand häuften. Er war dann nie aggressiv, sondern eher noch mehr "Wolke 7".
Dann kam es mal vor, dass er mitten in der Nacht anrief. Weiter ging es mit Vergesslichkeit, Unzuverlässigkeit bis hin zu ständiger Jammerei.
Als ich ihn ansprach und ihm klar sagte, dass ich denke, er hätte ein Problem, da nannte er mir folgende Gründe dafür, dass er trinken würde :
- Einsamkeit
- Selbstzweifel (Stichwort : was hab ich erreicht in meinem Leben ?)
- fehlende Motivation / Antrieb
Klang ein wenig nach Depressionen und das er sich mit dem Alkohol den Alltag erträglich säuft.
Er meinte, wenn er nicht mehr allein wäre und wieder Schwung in sein Leben käme, dann käme er ganz leicht wieder vom Alkohol weg.
Ich fing an, mich durch Foren zu lesen, mit Freunden zu sprechen und mir klar zu werden, dass ich hier ernsthaft schauen muss, wo meine Grenzen sind (was will ich ? was tut mir gut, was nicht?)
Einfach aufgeben wollte ich nicht. Ich musste sehen, was dahintersteckt. Ich nahm mir frei und schlug ihm vor, dass ich zu ihm fahre und wir diese Zeit für uns nutzen. Mein erster längerer Urlaub nach langer Zeit.
Die ersten 3 Tage waren schön. Er musste zwar arbeiten- aber es blieb viel Zeit übrig für uns. Am 4. Tag wurde er launischer, hektisch und zunehmend unruhiger. Er verschwand dann abends kurz und kam mit einer Fahne wieder. Die nächsten Tage waren ähnlich. Morgens war er dann völlig kaputt und müde, mittags kamen SMS mit " hab Magenprobleme und Schlafstörungen" usw.
Da wurde mir klar : Egal was er sagt- es ist eine Sucht und die geht nicht einfach wieder weg, wenn ich zu ihm ziehe. Er trinkt mittlerweile nicht mehr aus Einsamkeit, Selbstzweifel oder Langeweile, sondern weil er es braucht- inakzeptabel für mich. GRENZE gefunden
Genau SO sagte ich es ihm auch, als er nüchtern war. Ich glaube, er war selber erschrocken, denn ihm wurde da auch erst richtig bewusst, dass er sich widersprach- denn er war nicht allein, ich zeigte ihm meine Liebe und gab ihm Bestätigung und ich sorgte für Schwung, Ideen, Spaß.
Und dennoch war der Drang nach Alkohol da.
Ich sagte ihm deutlich, dass ich auf dieser Basis mein gewohntes Umfeld nicht verlasse. Ich ziehe nicht zu ihm und lasse Freunde, Familie und Kollegen zurück, für einen Partner, der trinkt. Das würde uns beide kaputt machen. --> Grenze definiert (dem Partner gegenüber).
Nun "kämpfe" ich mit der Reaktion. Ich kann Gefühle nicht abstellen. Ich weiß aber, was ich will und was ich NICHT will. Ausgesprochen habe ich es.
Die Reaktion von ihm war, dass er was tun möchte. Er sagt, er wäre bereit dazu. Ich lasse ihn also machen und versuche derweil, 350 Kilometer entfernt, meine Woche nach meinen Vorstellungen zu gestalten.
Er war bisher nicht beim Arzt oder bei einer SHG. Er sagt, er will auf Alkohol verzichten. Ich sagte ihm, dass er da riskiert, dass was passiert- aber der Mann ist mit seinen fast 40 Lenzen einfach nicht zu belehren.
Er distanziert sich gerade bzw. kommt es mir so vor. Wir telefonieren kaum noch und wenn, dann sehr früh am Tag. SMS und sonstige Kommunikation ist sehr beschränkt.
Entweder braucht er Zeit für sich oder - im schlimmen Falle- möchte er einfach nicht ertappt werden, wenn er schwach geworden ist ?
Ich kann also grad nur mein Leben leben und warten, was passiert. Notfalls bleibt nur die Trennung- das ist mir bewusst, aber so "nüchtern und abgeklärt" das ganze klingt - es tut mächtig weh, sonst wär ich nicht hier.
Ich hoffe, ich kann durch den Austausch hier Bestärkung in meinem Handeln finden.