4 Jahre trocken und doch am Anfang!

  • Hallo,
    seit dem 8.11. dieses Jahres bin ich nun 4 Jahre trocken.
    Aber ich fühle mich wie am Anfang. Ich mache sehr viel, leite eine reale Shg.
    zusätzlich mache ich noch eine Gruppe in einer Psychiatrie, wo viele aus meiner Gegend Entgiften. Ich leite noch eine Shg. für Menschen mit einer Psychischenerkrankung. Bei all den Sachen die ich mache, glaube ich das ich nur von mir selber ablenke. Eine zufriedene Nüchternheit habe ich noch lange nicht erreicht. Ich fühle mich wohler ohne Alkohol, ich habe Alkohol als Obtion gestrichen. Doch wünsche ich mir öffters mal wieder breit zu sein, nichts mehr spüren oder fühlen müßen. Ich will mich nicht zu saufen, ganz bestimmt nicht, aber ich nehme viel Psychopharmarka ein, habe den Drang mehr als erlaubt einzunehmen.
    Wenn ich mich in den Gruppen befinde fühle ich mich wohl und bin Selbstsicher. Zu Hause oder unter sogenannten Gesunden Menschen, bin ich Scheu und sehr Unsicher. Das Nüchterneleben hat mehr Vor- als Nachteile, aber das Leben ist halt oft schwer auszuhalten.
    Doch bin ich stolz, dass ich schon 4 Jahre trocken und clean überstanden habe.

    LG
    Wolfgang

  • Ich kenne mich Nüchtern nicht, habe doch die längste Zeit meines Lebens konsumiert. Der Mensch der ich jetzt bin ist mir Unbekannt, ich komme mit mir nicht zurecht.
    Ich habe nie gelernt Probleme und Krisen Nüchtern zu lösen und auszuhalten.
    Seit ich trocken bin, bin ich in Psychologischerbehandlung, lande regelmäßig in der Akutpsychiatrie und doch in den Gruppen funktioniere ich,
    in der Normalen Gesellschaft nicht.
    Solange ich getrunken habe, habe ich Funktioniert, jetzt bin ich Rentner. Ich weiß der Alk. ist schuld an meinen Zustand, aber wenn ich ganz unten bin blende ich diese Gedanken aus.

    LG
    Wolfgang

  • Hallo Wolfgang,

    Zitat

    ...doch in den Gruppen funktioniere ich, in der Normalen Gesellschaft nicht.

    Ich denke, wenn man eine Rolle spielt, dann funktioniert man einwandfrei. Ist ja fast so wie in der Schauspielerei. Denkst Du, dass der Kluftinger im realen Leben auch Fälle löst? Da ist er Schauspieler XY, der vielleicht im normalen Leben Angst vor Spinnen hat und Käsespätzle haßt. Auch sind es ja in den Gruppen nicht Deine eigenen Probleme, die dort gewälzt werden, sondern die Probleme von anderen.

    Konfliktsituationen lösen lernen ist langwierig, finde ich. Heißt ja nicht, jetzt bin ich trocken und jetzt kann ich auf einmal alles, was ich nass nicht konnte. Ganz im Gegenteil: weil ich es nicht konnte habe ich getrunken. Ich lerne z. B., heute anders mit Situationen umzugehen oder mich zumindest wohl mit meinen eigenen Entscheidungen zu fühlen. Das war für mich erst einmal der allererste Schritt. Bei Problemen Entscheidungen für mich ganz alleine zu treffen, mit den Konsequenzen meiner Entscheidung leben zu lernen und mich irgendwann vielleicht einmal damit wohl zu fühlen. Und glaube mir, es ist ein immer wieder kehrerender Kampf, der aber längst nicht mehr so schlimm ist, wie er zu Anfang schien. Man bekommt Routine und mit der Routine auch Selbstsicherheit und Selbstvertrauen.


    Gruß

    BC

  • Gestern hat mir der wichtigste Mensch ausserhalb meiner Famile mitgeteilt, dass er Lungenkrebs hat und das nächste Weihnachten nicht mehr Erlebt. Warum sterben die Menschen die mir am wichtigsten sind? Er hat mir geholfen sei ich trocken bin, er war immer für mich da.
    Jetzt muß ich diese Krise, diesen Verlust auch noch Nüchtern aushalten. Bei den ganzen wichtigen Menschen die ich verloren habe, hatte ich meinen Freund den Alkohol und jetzt? Ich werde nicht trinken, das werde ich mir und meinen Freund nicht antun. Aber wie soll ich das aushalten? Er hat mich überredet Gruppenleiter zu werden, er hat mich unterstützt.
    Wir haben uns gegenseitig bei Krisen geholfen. Ich habe ihm Dinge über mich erzählt, die weiß meine Frau nicht. Er ist wie ein großer Bruder zu mir und jetzt soll ich ihn verlieren.
    Am Dienstag gehe ich in eine Klinik für Psychosomatik,
    was soll ich noch dort, er braucht mich, seine Lebensgefährtin braucht mich, was soll ich dann in der Klinik?
    Wo soll ich die Kraft aufbringen diese Krise zu überstehen? Ich will weinen meinen ganzen Frust rausschreien, aber ich kann es nicht.

    Wolfgang

  • Hallo Kossi,

    Zitat

    Jetzt muß ich diese Krise, diesen Verlust auch noch Nüchtern aushalten.


    Ich habe nur eine Frage an Dich:

    Was machen denn Menschen, die nicht süchtig sind, wohl in so einer Situation?


    Gruß

    BC

  • Hallo Kossi!

    Wie traurig!

    Zum "Glück" bleibt dir genug Zeit um alle Angelegenheiten regeln zu können - das ist für mein Empfinden besser als bei einem plötzlichen Todesfall wo das nicht möglich ist.
    Du kannst deinen Freund begleiten und du wirst ihn auch nicht ganz verlieren!
    Niemand kann dir nehmen, was du an ihm hast.

    Das mit dem Schreien ist einfach: Man macht zuerst den Mund auf und dann muss man es tun. Auch wenn es nur ganz leise rauskommt.

    Du hast sie in dir, die Kraft die du brauchst. Sie muss aber raus dürfen.

  • Hallo Kossi
    Ich Kann es gut nachenpfinden wenn man diese Zeilen Liest,vor allen dingen sieht man wenn die Krankheit weiter Fortschreitet, und es gibt kein zurück.
    Ich wünsche dir viel viel Kraft, aber erst einmal
    ein Gutes Weihnachtsfest.
    LG hans

  • Hallo Kossi
    Ich lese mit etwas Wehmut, dass sich mit dir in der letzten Zeit nicht wirklich viel verändert hat.
    Am 18. Januar werden es bei mir auch vier Jahre Alkohol-UN-Abhängigkeit. Ein gutes Gefühl, darauf baue ich auf. Ich funktioniere deswegen aber nicht – ich lebe ein Leben nach meinen Vorstellungen. Ich warte nicht mehr darauf dass jemand mein Leben in eine Richtung weist – und wer definiert dabei „Normal“?
    Ich nehme mir nunmehr die Freiheit manchmal „durch den Wind“ zu sein, gebe auch zu ab und an die Orientierung zu verlieren – gerade weil es eben schwer auszuhalten ist, wenn die Gedanken komplizierter als die Wirklichkeit werden. Was soll`s. Ich muss nicht verstehen. Dann staune ich halt sprachlos über die Dinge die mir widerfahren.
    Es sind Freunde gegangen – plötzlich, ohne Abschied, ohne Klage – ich hätte sie gerne ein Stück begleitet. Weil sie mir so wertvoll waren. Ich habe nicht die Chance gehabt ihre letzten Freuden und auch das Leid zu teilen, zu erfahren und zu lernen. Ich war ratlos und verärgert über ihr gehen, wütend in meiner Trauer. Heute bin ich einfach nur noch Dankbar sie gekannt zu haben – sie haben mich berührt und leben mit ihren Vorstellungen und in ihrem Handeln heute in mir weiter. Keine Ahnung, ob das „normale“ Menschen auch so fühlen, ebenso leisten können – mir geht es gut dabei.
    Ungetrübte Weihnachten und LG – Uwe.

  • Hallo Kossi,

    Zitat

    ich weiß es nicht, habe ich nie gelernt.

    Vielleicht sollst Du es jetzt lernen? Ich meine damit, dass Du doch irgendwelche Wekzeuge von Deinem Freund mit auf den Weg bekommen hast, gerade mit solchen Situationen umzugehen - vielleicht mußt Du Dich nur wieder daran erinnern.

    Jeder Verlust schmerzt unendlich, es tut weh, es zerbricht einen fast. In solchen Momenten denke ich daran, dass nichts ewig währt, auch nicht der Schmerz und dass schon ein Sonnenstrahl ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern kann.

    Hättest Du in Deiner nassesten Zeit jemals daran geglaubt oder Dir vorstellen können, trocken zu werden und jetzt bereits im 4. Jahr nicht zu trinken? Mit nichten! Du hast es aber angepackt und es geschafft - genauso kannst Du es auch mit der Bewältigung Deiner Trauer schaffen.

    Gruß

    BC

  • Danke,
    irgendwie werde ich es packen, aber ich habe Angst.
    Angst jemanden zu verlieren der mir sehr viel bedeutet.
    Angst vor den Gefühlen, die ich spüre und aushalten muß.
    4 Jahre trocken, bin ich stolz darauf? Nein, es ist meine Pflicht meiner Familie und mir selbst gegenüber.
    Ich habe keine Angst das ich einen Rückfall baue, aber ich habe Angst das ich Fehler mache, das ich meine Gefühle falsch zeige, dass ich andere Menschen verletze mit meiner Art Mensch der ich geworden bin.

    LG
    Wolfgang

  • Hallo Wolfgang
    Du hast dich entschieden ,
    das du Angst hast ist Klar,geniesse jede Zeit wo du ihn siehst,
    es wird nicht einfach ,vor allem wenn Fragen kommen wie sehe ich aus?
    Sollst du ihm da die Wahrheit sagen,damit änderst du dann auch nichts.
    Aber deine Gefühle kannst du zeigen,hier sind Leute schreib sie nieder ,
    vielleicht tut das ja auch mal gut und wenn du dann die Antworten liest das auch.
    Ich wünsche dir nur das du Stark bleibst.
    LG Hans

  • Hallo Kossi,

    Zitat

    Ich habe keine Angst das ich einen Rückfall baue, aber ich habe Angst das ich Fehler mache, das ich meine Gefühle falsch zeige, dass ich andere Menschen verletze mit meiner Art Mensch der ich geworden bin.

    Ich denke, solange man sich selber gegenüber ehrlich ist, kann man gar nichts "falsch" machen.

    Ja - und was bist Fu für eine Art Mensch geworden? Einer, der sich um andere sorgt, der seine Gefühle aussprechen kann, der auch sagen kann:"Ich habe Angst".

    Die Angst beschützt Dich auch gleichzeitig - macht Dich darauf aufmerksam, an das Wesentliche zu denken. Das Wesentliche bist Du.

    Ich glaube, Du hast es schon gut erkannt: das Schlüsselwort ist das Aushalten von schlechten Gefühlen. Vielleicht kannst Du noch einmal in Deinem Notfallkoffer kramen, ob da nicht vielleicht doch noch das eine oder andere ist, was Dir helfen kann, schlimme Gefühle auszuhalten.

    Du bist nicht anders als andere Menschen. Jedem würde es in Deiner Situation schlecht gehen. Nur mußt Du für Dich einen Weg finden, da wieder raus zu kommen, nicht ewig in diesem Zustand zu verharren.

    Gruß

    BC

  • Ich komme aus diesen Zustand nicht raus, sosehr ich mich auch bemühe. Das Leben ist für mich zu einen ständigen Kampf geworden. Der Alkohol macht mir keine Probleme. Aber das Leben hat sich für mich verändert.
    Was ich früher locker weggesteckt habe, macht mir jetzt Probleme. Der Gedanke an das Sterben , ist ständig in meinen Kopf. Ich habe Familie ich will Leben, aber doch fällt es mir schwer, dass ich hier bleibe.
    In meinen Kopf geht es Unlogisch zu, ich habe das Gefühl verrückt zu werden.

    LG
    Wolfgang

  • Hallo Kossi
    Das hört sich alles schrecklich an.
    Hast du vielleicht mal daran gedacht,mit deiner Gruppe etwas zurückzutreten?Ist nur so eine Idee,du weist ja selber wenn man nur schlechte sachen hört,baut das nicht gerade auf,hast du schon mal nach ausweichmöglichkeiten gesucht,und mit deinem Artzt gesprochen?
    Schreibe es auf vielleicht hilft das .
    LG Hans

  • Hey Kossi

    so wie du schreibst, scheinst du vielleicht auch zu der Gruppe "hochsensibler Mesnchen" (HSP) zu gehören.

    Seit kurzer Zeit beschäftige ich mich (nach dem Buchhinweis einer Freundin) mit diesem Thema und schöpfe alleine schon dadurch Kraft und Mut, dass ich weiß, dass es noch andere Menschen gibt, die derart mit ihrer Seele und dem Leben nicht zurecht kommen!

    Im Internet gibt es jede Menge Links, auch zu Foren und Treffen.
    (google: HSP- Gruppe München)

    Ich finde toll, dass du das Drogenproblem im Griff hast. Unter diesen Menschen bist du damit einer von vielen!


    Gleichgesinnte und Verbündete sind immer bereichernd!
    Vielleicht fühlst du dich dort bestätigt, vielleicht woandes...

    Fakt ist: Du hast Deinen Platz (nur noch nicht gefunden)!!!

    So oder so: Viel Glück und halt die Ohren steif!

    Liebe Grüße

  • Hallo Kossi!

    Dein letztes Post "tönt" gefährlich .
    Ich könnte darin Suizid-Gedanken lesen.Stimmts?
    Vielleicht kommen die aus dem sterben Deines Freundes.

    Bleib nicht allein damit!

    Mir geht es manchmal so weil ich endogene Depressionen habe.
    Deshalb habe ich etliche Anlaufstellen aufgeschrieben und mir fest vorgenommen mich in einer Krise dort zu melden.

    Zum Glück habe ich eine Psychologin,die mich ernst nimmt.Nur schon das hilft enorm.

    Beschütze Dich selber vor Dir wenn Du gefährdet bist!

    Zitat

    aber das Leben ist halt oft schwer auszuhalten

    Manchmal schon. Aber dann schenkt es uns wieder ein Licht,das uns weiter hilft.
    Schau nicht nur in die schwarze Nacht, auf diese Art wendest Du Dich vom Licht ab!

    Sprich es aus,da wo Du denkst es ist die richtige Person,schildere Deinen Schmerz,Deine Verzweiflung.

    Denn Dein Leben fängt ja erst mit Deiner Trockenheit an!
    Es wäre schade,wenn Du es jetzt fortwerfen würdest!

    Herzliche Grüsse
    Yvonne

    ichbinda123

  • Bin gerade in einer Psychosomatischen Reha, nicht gerade das was ich wollte aber ich gebe mein bestes.
    Habe versucht mir mit Schmerzmitteln, langsam meinen Körper zu zerstören. Meine Nierenwerte sind schlecht, hatte deshalb ein Gespräch mit der Stationsärztin. Sie hat mir klar gemacht das das was ich mache falsch ist.
    Die Nieren werden sich wieder erholen und ich möchte jetzt Leben. Meinen Freund das geben was ich ihm geben kann und das ist Zeit. Ich rede offen mit den Therapeuten über meine Gefühle und wie ich Denke und was ich Denke. Stehe zwar unter einer großen Spannung und unter großen Druck, habe mich aber seit 2 Wochen nicht mehr verletzt.
    Alkohol ist nach wie vor kein Thema mehr für mich, ich will meinen Freund auch nicht enttäuschen.
    Das ist für mich auch ein Grund nie mehr zu trinken und auch bei den Medikamenten vorsichtig zu sein.

    LG
    Wolfgang

  • Hallo,
    es fällt mir schwer mich auf die Klinik zu konzentrieren und nicht zu wissen wie es meinen Freund geht.
    Habe Heute mit ihm telefoniert und er sagt 50% zu 50%
    stehen seine Chancen, Momentan.
    Ich will ihm helfen für ihn da sein und sitze hier herum.
    Noch 3 Wochen dann bin hier wieder raus, Gott sei Dank.
    Ein gutes hat die Klinik, hier kann ich so sein wie ich mich fühle. Muß keine gute Laune Maske tragen, kann etwas Kraft tanken. Nur meine gedanken sind durcheinander, bin ständig am Grübeln.
    Habe ja auch Zeit zum Grübeln, habe wenig Termine.
    Morgen habe ich nur zwei Stunden was zu tun, den Rest des Tages habe ich frei.

    LG
    Wolfgang

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