Wie werde ich meinen Dämon los?

  • Hallo zusammen!
    Mein Dämon ist meine alkoholkranke Mutter...

    Sie ist schon seit Jahren alkoholabhängig, wohl auch schon während meiner Kindheit. Ich bin 37. Sie nimmt auch regelmäßig Schmerzmittel aufgrund von Rheuma und diverse andere Medikamente.
    Meine Mutter trinkt seit ich denken kann, aber immer heimlich und es steigert sich immer über die Zeit bis sie irgendwie wieder im Krankenhaus landet. Und ich kümmer mich um sie seit ich denken kann.

    Ich habe viel in dem Forum gelesen, über Verantwortung die man für seine Eltern hat bzw. nicht hat. Ich fühle mich verantwortlich für sie und so wird es einem von außen auch immer erzählt. Mein Opa (der Vater meiner Mutter) redet immer von 'deine Mutter', obwohl es auch seine Tochter ist. Mein Onkel redet von 'deine Mutter' obwohl es seine Schwester ist. Jeder bemitleidet mich um 'meine Mutter' aber keiner tut was, weil jeder so hilflos ist wie ich selbst. Ich fühle eine Riesenlast auf mir.

    Sie lebt alleine, kümmert sich tagsüber um ihren Vater und nachmittags fährt sie nach hause, setzt sich vor die Glotze und säuft. Wobei sie mit dem Saufen schon tagsüber anfängt. Und auch Auto fährt. Bin ich verantwortlich wenn sie einen Unfall baut??? Jeder weiß doch dass sie trinkt, auch ihr Hausarzt.
    In der letzten Zeit fällt sie öfters zu Hause mal hin, weil sie nicht mehr gerade gehen kann. Jemand aus dem Haus hebt sie auf. Ich hab auch schonmal den Krankenwagen gerufen und sie hat sich geweigert mit zu fahren. Ein anderes Mal ist sie mitgefahren, aber ihr Fuß war nicht gebrochen und deshalb haben sie sie wieder nach Hause geschickt. Das war am 24.12.11. Ich wünsche mir manchmal dass sie sich mal richtig verletzt, wobei ich davor auch Angst habe.

    Ich habe seit September 2011 einen kleinen süßen Sohn, also eine eigene Familie und jetzt echt die Schnauze voll. Ich brauche meine Kraft für mich und meine Familie. Ich dachte, vielleicht ändert sie sich durch ihren Enkel, aber nein, es ist nur schlimmer geworden.
    Ich habe keine Lust sie zu sehen und auch nicht mit ihr zu telefonieren. Meist ruft sie mich abends an wenn sie voll ist und lallt. Ich hasse das!
    Auf der anderen Seite habe ich so ein schlechtes Gewissen und will ihr auch nicht den Enkel vorenthalten. Aber was tut sie denn für mich? Jetzt, wo ich mal Hilfe gebrauchen könnte???
    Bei ihrem letzten Sturz habe ich den Kontakt abgebrochen, jedoch nicht länger als eine Woche durchgehalten. Wir wohnen im gleichen Ort und dann ist da halt noch mein Opa/ihr Vater...

    Was tut ihr gegen euer schlechtes Gewissen und die ständige Angst und Sorgen? Ich bin echt froh dass ich den Kleinen hab, er gibt mir Kraft.
    Aber es ärgert mich so: eigentlich bin ich glücklich, wenn nicht dieser Riesen Stein in meinem Magen liegen würde der mich immer wieder runterzieht.

    Danke für eure Hilfe, liebe Grüße!
    Lily

  • Hey Lily,

    erstmal ganz herzlich willkommen hier bei den "Kindern".

    Ich kann dieses schlechte Gewissen so was von gut nachvollziehen, auch die Erwartungen der lieben Verwandten und Nachbarn im Sinne von "sie ist doch so allein" usw. Immer dieses implizierte "Du bist Schuld, dass sie säuft, weil Du Dich nicht kümmerst". Dabei ist es doch umgekehrt. Sie säuft nicht, weil sie alleine ist sondern weil sie säuft (und wegen der damit einhergehenden Wesensveränderung) ist sie alleine.

    Dass Du nicht für sie verantwortlich bist, hast Du ja schon selbst erkannt und natürlich kann Dir auch niemand was, wenn sie besoffen Auto fährt. Manch einer hier hat schonmal die Polizei darüber informiert und die haben dann auf der Lauer gelegen und bei nächster Gelegenheit den Führerschein einkassiert. Würde das Dein Gewissen desbzgl beruhigen?
    Dein Kontaktabbruch war schon ein guter Schritt. Vielleicht fehlte Dir bisher die nötige Konsequenz. Will sagen, es hilft nicht viel, wenn Du es nur für Dich beschliesst, Du musst es auch nach aussen "leben". Sprich, ruft Deine Mutter besoffen an, sag ihr, dass Du nicht mit ihr redest, wenn sie getrunken hat und lege auf. Und mache das auch bei den lieben Verwandten bekannt, von denen viele Alkoholismus nach wie vor für eine Willensschwäche halten.
    Im übrigen ist "keine Lust" für mich als Begründung dafür, etwas nicht zu tun, völlig ausreichend. Es gibt keine rechtliche oder moralische Verpflichtung, einem Süchtigen jeden Tag den Allerwertesten zu retten und dafür sein eigenes Leben zu vernachlääsigen, schon gar nicht bei eigenem Nachwuchs. Also, nur Mut. Und wenn sich da irgendwer vor den Kopf gestossen fühlt, Pech...

    Ich hoffe, das hilft Dir ein wenig..

    Wenn Du noch Fragen hast oder einfach nur "was loswerden" willst, schreib einfach, hier ist immer eine/r, der "zuhört"

    LG und bis bald,

    der Insulaner

  • Hallo Lily!

    Herzlich Willkommen hier! :) Schön das Du hergefunden hast!
    Ich bin auch noch ein "Frischling" hier und mich erschrecken und erstaunen die vielen Lebensgeschichten jeden Tag aufs Neue. Jede ist auf ihre Art unterschiedlich und doch ähneln sich alle.

    Als ich Deine "Geschichte" las, habe ständig gedacht: "Jaaaa, das kenne ich!"

    Bei mir ist es mein Vater. Mit dem großen (!!!) Unterschied, das meine Mutter mit ihm zusammenlebt und ich mich nicht allein verantwortlich fühle.

    Du bist sicher nicht dafür verantwortlich, wenn sie betrunken Auto fährt. Ich habe mir damals auch die Frage gestellt, als ich mitbekommen habe, das mein Vater trotz erheblichen Alkoholkonsums Auto fährt.
    Aber ich wußte davon und konnte es einfach nicht mit mir vereinbaren. Ich hätte mich definitiv schuldig gefühlt, also habe ich, als ich wußte das er ins Auto steigt, heimlich die Polizei informiert.
    Und ganz ehrlich? Ich hatte und habe oft ein schlechtes Gewissen, aber zu dem Zeitpunkt nicht. Er hat nie erfahren, das ich es war, die ihn angeschwärzt hat.

    Die Angst und die Sorgen werden wohl irgendwie immer da sein, denke ich. Es kreist ja ständig im Kopf herum. Bei jedem Telefonklingeln erstmal der besorgte Blick aufs Display... Wer ruft an? Jedesmal beim Tür aufschließen: Wie finde ich die Person vor?

    Mir hilft es ungemein, wenn ich eine ausgiebige Runde mit dem Hund gehe. Letztens waren wir zwei Stunden im Wald- danach war der Kopf frei! Aber sowas von! :)
    Schnapp Dir Dein kleines Mäuschen und geh raus mit ihm. :)

    Es macht mich einfach traurig, wenn ich lese, das Du gerade frischgebackene Mama bist. Da möchte man die Zeit doch ganz anders nutzen. Meine Kinder sind größer, aber so ein Baby braucht viel, viel Kraft. Und davon investierst Du viel zuviel in Deine Mutter.

    Wie gesagt, ich stecke selber bis zum Hals im Mist und kann Dir nicht wirklich helfen. Aber hier sind viele, viele Andere, die das bestimmt können. :)

    Und vielleicht hilft es ja auch ein bissel, wenn ich sage: Du bist damit nicht alleine. Ich kann Deine Gedanken und Gefühle gut nachvollziehen und drücke Dir feste die Daumen, das Du Dich bald besser fühlst, Lasten ablegen kannst und Dich auf Deine Familie konzentrieren kannst, wie es sein sollte!

    Ganz liebe Grüße und ein großes Kraftpaket schickt Dir Lutiste

  • Hallo ihr beiden!

    Vielen Dank für eure Hilfe. Es hilft mir schon sehr darüber zu 'reden' und vor allem zu erfahren, dass es andere mit den gleichen Problemen, Gedanken und Gefühlen gibt. Ich bin immer so neidisch auf die Familien meiner Freunde. Ein 'richtiges' Familienleben in dem man Hilfe und Schutz bekommt kenne ich nicht.

    Ich hab schon öfter überlegt die Polizei zu rufen. Bisher hält mich eigentlich nur die hohe Geldstrafe ab, weil meine Mutter kaum Geld hat.

    Und ja es macht mich auch traurig dass ich meine momentane Zeit (ich bin ein Jahr in Elternzeit) nicht unbeschwerter nutzen kann.
    Es gibt schon Phasen wo ich gut abschalten kann, vor allem tagsüber. Aber abends (ich bin die Woche über alleine mit dem kleinen) ist es echt schlimm. Wenn das Telefon klingelt bekomme ich Gänsehaut und Panik. Ich habe es auch schon ausgeschaltet oder stelle es ganz leise. Und ich habe auch meiner Mutter gesagt dass ich nicht mehr mit ihr reden möchte wenn sie getrunken hat.
    Eine erneute Therapie zahlt die Kasse nicht mehr, ich meine auch dass es bei ihr keinen Sinn macht. Unter dem jahrelangen Alkoholmissbrauch haben auch ganz schön ihre Gehirnzellen gelitten. Ich will nicht so viel Zeit damit verbringen über sie zu grübeln, damit soll jetzt Schluß sein! Hier das Forum hilft mir dabei. Vielen Dank an Euch!
    Ich muss es mir nur immer wieder vor Augen halten dass es nicht in meiner Macht liegt, ich sie nicht retten kann und für ihr Tun und Handeln auch keine Verantwortung habe.
    Mein Vater ist 2004 gestorben, an Leberzirrhose...
    Einen schönen Abend wünsche ich euch!
    Lily

  • Hi lily,
    Grausam wenn man die schönste Zeit im Leben des Kindes nicht geniessen kann.war bei mir aehnlich ich kam mit meiner Tochter aus der Klinik und ich durfte mir nur Vaters besoffenes Gesicht angucken und seine Probleme anhoeren.grausam.aber es ist gut die alten Muster aufzudecken und zu.veraendern weil wir leben fuer uns und unsere Familien und nicht fuer die Eltern die unsere fuersorge gar nicht verdient haben.probier die schöne Zeit mit deinem kleinen zu geniessen weil die ersten Jahre sind die intensivsten.ich hab die Zeit bei meinen kidis damals leider nicht geniessen koennen weil mir staendig mein Vater auf der pelle sass.

  • Hallo Gartenblume,
    sitze hier gerade mit meinem Kleinen und wir freuen uns über das tolle Frühlingswetter 8) waren eben inlinen.
    Wie hast du es geschafft dich von deinem Vater zu lösen?

    Meine Mutter war heute morgen hier um was abzuholen. Sie sieht echt nicht gut aus und hatte wohl auch schon getrunken (um 9 Uhr morgens). Und das geistert mal wieder die ganze Zeit in meinem Kopf rum...

    Liebe Grüße
    Lily

  • Hi lily
    Ich habe es zwar auesserlich geschafft aber die emotionale Abgrenzung fehlt noch.ist aber schon besser.zum einen sind wir weg gezogen 40 km weiter da wurde der kontakt weniger.zuerst kam er oft zu mir da war er auch nuechtern aber seitdem er krank ist und nicht mehr arbeiten kann kommt er gar nicht mehr.er ruft einmal im Monat an und da fragt er nur ob alles klar ist und ich hoere ja das er da voll ist.ich mache im Moment eine Therapie um aus dem schlechten gewissen zu kommen und es wird immer besser.probier dich abzulenken von den Gedanken ich probier mich dann immer nur auf mich zu konzentrieren indem ich mir ueberlege was ich mir gutes goennen kann z.b.plauschen mit ner Freundin,schönes Bad,in der Sonne sitzen usw.das tut mir gut.geniesse den sonnentag heute...das tut so gut.
    Lg

  • Hi Gartenblume,

    sich komplett emotional von den Eltern zu lösen wird wohl fast nicht möglich sein.
    Bei meinem Vater, der auch Alkoholiker war und dies bis zu seinem Tod geleugnet hatte, habe ich es besser geschafft. Ich habe irgendwann akzeptiert dass er trinkt und ihn mit dem Thema nicht konfrontiert. Aber er war auch ein anderer Trinker als meine Mutter. Er hat 'nur' Bier getrunken und auch immer öffentlich, nie heimlich. Und er hat sich auch um sich gekümmert, war aktiv, viel unterwegs, hat auf seine Hygiene geachtet etc. Da hatte ich das Gefühl dass er trotz des Alkohols sein Leben noch irgendwie im Griff hat. Auch wenn er letztendlich daran gestorben ist.
    Bei meiner Mutter kommen ja dann noch viele andere Krankheiten und eine depressive Stimmung (oder auch ne Depression) dazu. Diese Hilflosigkeit von ihr lässt einen vielleicht auch schuldig fühlen, keine Ahnung. So dass ich das Gefühl habe sie kann ja nix dafür... aber das stimmt ja nicht, oder?
    Aber ja, heute ist tolles Wetter. Und das genieße ich jetzt und geh Wäsche aufhängen ;)
    Ich wünsche euch allen einen schönen Tag!
    LG Lily

  • Hey lily,
    Sie kann schon was dafuer.es gibt viele Hilfsangebote,aber wenn sie nicht will bist du machtlos.wir muessen erkennen das wir unsre Eltern nicht retten koennen und es ist auch nicht unsere Aufgabe.Solange wir entschuldigungen fuer sie suchen gehts uns nicht besser.wir sollten anfangen uns auf unser Leben zu.konzentrieren.Mein Vater war schon immer sehr ungepflegt durch den Alkohol,klar macht es einen anderen eindruck wenn sich jemand pflegt.und bei deiner Mutter denke ich das die depris vom Alkohol ausgeloest werden wie bei meinen Vater.
    Lg

  • Hallo Ophelia,
    genau das ist der Punkt: solange ich Kontakt zu meiner Mutter habe und ihr Leid sehe fühle ich mich verantwortlich.
    Es ist immer das gleiche Spiel: sie ist volltrunken und irgendwas passiert. ich schwöre mir dass sich nun was ändert und gehe auf Distanz. Mit der Zeit verblasst alles, ich rede wieder mit ihr und alles gerät ein bisschen in Vergessenheit. Sie verspricht mir, dass sowas nicht mehr vorkommt und dann geht das ganze wieder von vorne los.
    Heute zum Beispiel war ich zum Mittagessen bei meinem Opa, meine Mutter hat gekocht. Ich hatte den Kleinen dabei. Es war echt nett.
    Heute abend habe ich dann mit ihr telefoniert und sie war wieder total zu.
    Das krieg ich nicht zusammen. Entweder ich bin nett zu ihr oder aber nicht. Aber dieses Hin und Her...
    Aber ich schaffe es einfach nicht langfristig den Kontakt abzubrechen.
    Zumindest spreche ich sie jetzt immer auf ihren Alkoholkonsum an, auch vor anderen. Ein Fortschritt immerhin.
    Noch was anderes: ich hätte gerne dass sie in einem anderen Wohnumfeld wohnt, vielleicht sowas wie betreutes Wohnen. Sollte sie da selbst drauf kommen oder ist es ok wenn ich mich darum kümmer?
    Liebe Grüße
    Lily

  • glück auf lilly

    Zitat von Lily

    Sollte sie da selbst drauf kommen oder ist es ok wenn ich mich darum kümmer?

    ich denk sie wird nich selber drauf kommen. sprich sie ruhig an, sag auch warum du solche gedanken hast.
    aber - kümmern is ganz falsch !

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Lily, du schreibst:

    Zitat

    Ich fühle mich verantwortlich für sie und so wird es einem von außen auch immer erzählt.

    Ist doch für ihre Umwelt angenehm, wenn sie jemanden anderen die Verantwortung aufhalsen können und damit dort Schuld und Schuldgefühle abladen. .. das ist emotionelle Gewalt und klare Manipulation!


    Wer sich ohne jede Erfolgsaussichten um jemanden anderen kümmert, um ihn vor der Flasche zu bewahren und dadurch erst recht dessen Leben mit der Flasche in der Hand ermöglicht, wird selbst zu einem "Kummerwesen".

    Kapitulation heißt für mich zu erkennen, dass ich einfach machtlos bin, die Situation des Alk.kranken zu ändern. Ja, rede mit ihr Klartext, das beruhigt dein Gewissen, wird sie aber nicht zur Einsicht UND zum Handeln bewegen können.


    Erst nach dieser Kapitulation vor der Sinnlosigkeit aller meiner Versuche, kann ich nun Wege gehen, die mir (und in deinem Fall dir und deiner kleinen Familie) ein glücklicheres Leben ermöglichen als ständig in dieses Auf- und Ab und in das Gefühlschaos rundum und mit dem Alkhololkranken verstrickt zu werden.

    Mit deinen Schuldgefühlen mußt du in diesem so wie in dem andern Fall klar kommen: aber : DU BIST NICHT SCHULD - aber du bist deiner eigenen Familie etwas SCHULDIG.

    LG oldie

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