Schuldgefühle die nicht gehen wollen – was kann ich tun?

  • Hallo Sally,

    schlimm das alles zu lesen und du tust mir sehr leid.

    Ich weiß selber, wie schwer das ist, einerseits sagt dir der Verstand wahrscheinlich, das du keine Schuld hast und andererseits ist da das Gefühl, das du einfach nicht verdrängen kannst.

    Zitat

    Ich versuche mir wirklich einzureden, dass ich nicht Schuld bin und auch nicht versuchen muss das Leben meiner Eltern in die richtige Bahn zu lenken. Und hoffe: wenn ich es mir immer wieder vor bete, dann werde ich es auch annehmen können.

    Beschäftige dich doch mal mit den autogenen Training, da läuft das über sogenannte Zusatzformeln. Genau für soche Sachen halte ich es für sehr geeignet. Bei mir hilft es jedenfalls, ich mache es aber schon relativ lange und man muß schon Zeit umd Mühe investieren.
    Mir hat es jedenfalls gehollfen, allerdings gibt es auch Rückschläge, wo mich die ganze Trostlosigkeit wieder packt.


    LG Gollum

  • Zitat von sally1978

    Ich versuche mir wirklich einzureden, dass ich nicht Schuld bin und auch nicht versuchen muss das Leben meiner Eltern in die richtige Bahn zu lenken. Und hoffe: wenn ich es mir immer wieder vor bete, dann werde ich es auch annehmen können.

    Sally

    Hallo Sally,

    find ich toll, dass Du hier schreibst und Dein Text zeigt auch, dass Du Dich mit Dir auseinandersetzen möchtest und nicht mit Deinen Eltern. Denn das ist ganz wichtig, den Blick auf sich selbst zu richten. Du schreibst ja schon, dass Du den Kontakt zu Deinen Eltern eingerenzt hast. Anders gehts leider auch nicht. Wenn sie mit der Sauferei aufhören wollen, können sie das nur selbst tun. Da kannst Du gar nichts machen.

    Diese Schuldgefühle kenn ich nur zu gut. Bin selbst EKA, wobei meine Mutter vor über 10 Jahren trocken geworden ist. Aber ich kann mich an die Schuldgefühle verdammt gut erinnern.
    Der Satz, den ich oben als Zitat übernommen habe, da zeigt Deine Wortwahl eigentlich von vornherein schon, dass Du Dir selbst nicht glaubst, so gern du das auch möchtest, um endlich Ruhe zu haben.
    Was mir bei solchen "Quälgeistern" hilft, ist, mal genau hinzuschauen, warum ich eigentlich meine, Schuld zu sein. Welche Sätze stecken da genau dahinter? Das ist erstmal nicht angenehm. Aber es hilft. Denn dann kann man auch anfangen, drüber nachzudenken, wo diese Sätze eigentlich herkommen. Du wehrst Dich ja innerlich schon gegen sie, also sind die eigentlich auch nicht von Dir. Dinge, die wir für unsere eigenen Überzeugungen halten, sind uns oft irgendwann mal direkt oder unterschwellig eingetrichtert worden. Oft von den Alk-eltern, damit wir in ihr Suchtsystem passen. Und erst wenn klar wird, dass das nicht die eigene Überzeugung, sondern eine fremde ist, gelingt es auch, das zu entkräften und sich davon zu lösen. Ansonsten fühlt sich das ja an, als würde ich gegen mich selbst ankämpfen. Und das kann nicht funktionieren.
    Weiß nicht genau, ob ich rüberbringen konnte, wie ichs meine.

    Ich wünsche Dir jedenfalls ganz viel Kraft und mach auf jeden Fall weiter, dann wirst Du Dich auch von all dem lösen können und innerlich zur Ruhe kommen.

    Liebe Grüße
    Gela

  • Hallo Sally!

    Meine Mutter ist seit über 22 Jahren Alkoholikerin (seitdem ich ein Kleinkind war) und mein Vater eine sehr dependente, unselbständige Persönlichkeit. Er kommt alleine nicht klar und setzte Mutter deswegen keine Grenzen. Die einzige Möglichkeit, sich als Co nicht auf der Nase rumtanzen zu lassen, ist, wenn alles andere nicht mehr fruchtet, den Partner vor die Tür zu setzen. Das hätte er meiner Meinung nach tun müssen, schon alleine, um uns Kinder zu schützen. Hat er aber nicht, da dies bedeutet hätte, dass er sich selbst versorgen muss.

    Also hat er uns schon als Kleinkinder die Verantwortung für Mutter zugeschustert, hat sie immer wieder ergebnislos unter Druck gesetzt, ihr körperliche Gewalt angetan, um sie zum Aufhören zu zwingen- alles vor unseren Augen. Für uns war es die Hölle.

    Ich hatte auch lange sehr sehr starke Schuldgefühle. Uns wurde immer eingeredet, dass wir Schuld an Mamas Zustand wären, weil wir nicht gut genug halfen, weil wir zu anstrengend waren und ihr die Nerven nahmen, undankbar waren und und und. Dabei waren wir Kinder, durften aber nie Kind sein. Schließlich hatten wir auch nie Freunde zu Hause, weil niemand erfahren durfte, was zu Hause abgeht. Da konnte man nie jemanden mitbringen, was einen auch in der Schule zum Außenseiter machte und sozial isolierte.
    Meine Schuldgefühle erdrückten mich, dass ich kaum traute, mein eigenes Leben in Angriff zu nehmen. Keine Zusatzkosten verursachen, weil die armen Eltern mit ihren beiden Gehältern so schlecht dran sind und Mutter davon überzeugt war, dass das ein oder andere den finanziellen Ruin bedeuten würde. Keine Forderungen stellen, weil dies überfordert und Kinder nichts zu fordern haben.
    Boah, es war grauselig.. Mich schüttelts, wenn ich nun darüber nachdenke.
    Ich dachte nicht mehr an mich, war gedanklich nur bei den Eltern, wie ich sie entlasten könnte und wie schlimm es ihnen doch geht. Diese Rolle wurde mir von Vater jedenfalls schon früh zugeschoben. Als Kind hat man auch kaum eine andere Wahl.

    Vor drei Jahren hatte ich ein Schlüsselerlebnis.
    Richtig gut ging es mir schon lange nicht mehr; ich existierte eher, als dass ich lebte. Aber dann bekam ich in einer Klinik die Diagnose, dass meine Sehnerven mangels Durchblutung sehr angegriffen sind und ich ohne lebenslange Therapie und Lebensumstellung erblinde. Niemand konnte sich erklären, warum es mich mit Anfang 20 trifft- sind doch sonst nur 2% der über 50-Jährigen betroffen. Und dann- schwupps.. Mein Geschwister hats auch. Großes Fragezeichen bei den Ärzten, meine Eltern haben sich gar nicht drum geschert.
    Ich habe mich informiert, in Fachliteratur eingelesen. Ergebnis: psychische Belastung und Stress als Auslöser. Nunja, davon hatten Geschwister und ich genug für 2 bis 3 Leben.
    Das war so der Moment, in dem ich dachte, dass es so nicht weitergehen kann. Sonst gehe ich im wahrsten Sinne des Wortes selbst mit drauf und das kanns doch nicht sein?
    Nunja, ich habe nun mein ganzes Leben geändert- Ernährung, viel Gewicht verloren, ganz viel Sport. Ich fand so endlich etwas zu mir. Schon alleine dadurch, dass ich meine Wünsche, Bedürfnisse und Ängste zuließ und nicht mit Essen unterdrückte. Das war so die glücklichste Zeit in meinem Leben und genua deswegen ging es mir plötzlich wieder schlecht.
    Wie kann ich nur glücklich sein, wenn es meinen Eltern so schlecht geht? Ich fühlte mich, als würde ich sie im Stich lassen.
    Und wiederum in der Situation wurde mir klar, dass sie für sich selbst verantwortlich sind. Dass sie ja auch selbst nichts für sich machen- wie soll ich dann was ausrichten? Zudem ließ ich dann mal den Gedanken zu, was sie mir mit ihrem Verhalten alles angetan haben. Wie sehr ich gelitten habe als Kind, wie oft ich mich in den Schlaf geheult habe. Ich war ständig als Kind dauernervös, hatte Konzentrationsschwierigkeiten, womit ich schon in der Grundschule aneckte. Später, mit 14, kamen dann ständige Magenschleimhautentzündungen hinzu, ich futterte mir 20kg Übergewicht an, knibbelte meine Fingernägel, verletzte mich selbst, meine Kopfhaut war vor lauter Stress total entzündet und dann noch der Grüne Star. Das war der Moment, in dem ich zum ersten Mal kein Mitleid mit meinen Eltern spürte, sondern richtige Wut, weil sie mich diesem Sche*ß ausgesetzt haben, mich mit der Verantwortung überforderten, die sie selbst nicht tragen wollten, mir ein dauerhaft schlechtes Gewissen und Schuldgefühle einredeten und sich immer noch selbstgefällig als gute Eltern hinstellen, die ja alles machen, sodass es uns nie an irgendwas fehlte.
    Das war der Moment der Erkenntnis, in dem ich merkte, dass nicht ich diejenige bin, die Schuldgefühle haben sollte- schließlich habe ich nichts verbockt. Ich war ein Kind, konnte mich nicht wehren und war auf den Schutz der Eltern angewiesen.
    Meine Eltern sollten sich hingegen mal Gedanken machen, was sie so versäumt haben. Jedenfalls bin ich die letzte, die sich schlecht fühlen kann.

    Autogenes Training habe ich auch gemacht.. Seitdem ich auf räumlichen Abstand achte und autogenes Training mache, habe ich meine Nervosität im Griff.

    Als Rat würd ich spontan geben, dass du versuchen solltest, dich auf dich selbst zu konzentrieren, Beschäftigungen zu finden, die dir gut tun und zugleich zu überlegen, wie genau deine Eltern gehandelt haben, wie es dir dabei ging, was du dir stattdessen gewünscht hättest und welche Konsequenzen du ertragen musstest.
    Vielleicht kannst du so auch die Schuldgefühle überwinden.

    Alles Liebe,
    Natalie

  • Zitat von sally1978

    Es ist auch ein Satz meines Vaters, den ich in meiner Jugend schon oft gehört habe und nicht verdrängen kann. Er sagte immer, dass ich am liebsten den bequemsten Weg gehe und dass mich das nicht weiterbringen würde...
    ja, das doofe ist halt, dass er da irgentwie recht hat... Bin wirklich ein sehr bequemlicher Mensch. Nun habe ich gemerkt das ich mich von meinen Eltern distanzieren muss und ich weiss genau das sich mein Vater denkt: toll wie einfach es sich meine Tochter wieder macht (hat er auch so schon gesagt).

    LG
    Sally

    Hallo Sally,

    genau, das sagt Dein Vater. Weil er selbst Co-abhängig ist, sich um Deine Mutter kümmert? damit überfordert ist und sich Unterstützung wünscht. Das gehört zum Sucht-system, denn die Co-abhängigkeit ist auch eine Sucht. Er könnte sich Unterstützung von sämtlichen Ämtern holen..., aber die Tochter unter Druck zu setzen, erscheint da erstmal einfacher. Also geht er den Weg des geringsten Widerstands...

    Und er sagt, Du seist ein bequemlicher Mensch und gehst den Weg des geringsten Widerstands? Der Weg des geringsten Widerstands wäre, Augen schließen und tun, was er sagt, ohne sich zu wehren. Du schriebst von Therapie, um mit all dem klar zu kommen. Du schreibst hier, um Antworten zu finden. Du nimmst Dein Leben selbst in die Hand. Menschen, die den Weg des geringsten Widerstands gehen, lassen sich fremdbestimmen (wie Dein Vater). Genau das tust Du nicht mehr und deshalb bist Du auch alles andere als bequemlich!

    Gruß Gela

  • Hallo Sally,

    du findest Parallelen und du wirst noch viel mehr davon finden, wenn Du dran bleibst. Du bist mit all dem nicht allein und wirst sehr erstaunt sein, wie viele Dinge, die Du soooo gut kennst, Du hier bei anderen wiederfindest, oder umgekehrt.
    Es ist ein ziemlich weiter Weg, sich von all dem zu lösen und das geht nicht von heute auf morgen. Das dauert. Aber es lohnt sich sehr. Du möchtest dieses ewige schlechte Gewissen loswerden und du kannst es auch loswerden. Bleib dran!

    Gruß und nen schönen Abend
    Gela

  • Hallo Sally!

    Ja, hier wirst du richtig viele Parallelen finden. Auch wenn wir unterschiedliche Menschen sind, unterschiedlichen Generationen angehören- aber System und Mechanismen sind die gleichen.
    Wenn ich mir meine Familie angucke, hat von meinen Urgroßeltern bis zu meinen eigenen Eltern niemand das System überwunden. Alle sind drin kleben geblieben und haben es weitergegeben.
    Ich wette, dass alle soooo eine schlechte Kindheit hatten- ich auch. Aber das legitimiert es noch lange nicht, dass ich mich auch an der Flasche festhalte und meinen Kindern später das Leben zur Hölle mache. Da ist jeder selbst verantwortlich und in der Lage gewesen, es besser zu machen. Das wollten sie aber nicht- also braucht es dir für sie nicht leid zu tun, weil es ihre Entscheidung war und ihr Weg, den sie gemeinsam gegangen sind.
    Jeder wusste, was es für Konsequenzen für die Kinder haben wird- aber das war dann eben nur zweitrangig.

    Ich war vor einem Jahr im Sommerurlaub. Ich habe ihn mir selbst erarbeitet und es war das erste Mal, dass ich mit einem Flugzeug in Urlaub geflogen bin. Aber am Abend zuvor saß ich echt mit meinem Freund auf der Couch und konnte es nicht ertragen, dass ich in Urlaub fliege und meine Eltern hier weiterhin in ihrem Elend sitzen. Aber- man kann ihnen noch so viele Hilfen und Auswege bieten... Ihr Elend wollten sie bisher nicht verlassen. Dann müssen sie lernen, damit zu leben. Ich hatte die Chance und habe sie genutzt.

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