Wenn nichts mehr so ist wie vorher

  • Hallo Mandarine

    erst mal herzlich willkommen! Schön daß Du hier her gefunden hast.

    Da ich nicht wirklich mit einem Alkoholiker jahrelang zusammengelebt habe, kann ich natürlich nur bedingt aus eigenen Erfahrungen sprechen.

    Vieles, das die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen und Versprechen einzuhalten betrifft, kann ich allerdings gut aus der Erfahrung mit einem nassen Alkoholiker einordnen.

    Du hast ihn nachdenklich gemacht und sicher auch irgendwie geschockt, daß das so für Dich nicht weitergeht. Ab jetzt wird sich sein Verhalten sicherlich ändern. Selbst wenn er weiter trinken will, wird er jetzt einen anderen Weg suchen. Entweder heimlich oder wenn offensichtlich, dann wird er Dir Gründe nennen, warum er jetzt trinken muß. Es liegt an der eigenen Persönlichkeit und an dem Schaden den der Alkohol bereits im Gehirn angerichtet hat, wie das dann im einzelnen aussieht. Wie Du an vielen Erfahrungsberichten von Ehefrauen lesen kannst, gibt es da von
    Drohungen bis filmreifen Liebeserklärungen, Agression und Erniedrigungen alles was der menschliche Charakter so auf Lager hält.

    für Dich wird entscheidend sein, wie konsequent Du Deine Grenzen ziehst.
    Du wirst Dir erst mal selbst Limits setzen müssen. Ab wann es reicht und wie lange Du ihm Zeit gibts. Da gibts keine Patentrezepte. Nur das: Laß seins bei ihm. Auch sein Problem, seine Gesundheit und seine Gefühlswelt. Und hinterfrag Dich was Dich an ihm festhalten läßt. Manchmal ist Co-Abhängigkeit stärker als Liebe und hat seinen Ursprung in Defiziten die Dir als Kind mitgegeben wurden. Wenn du weißt was es ist das Dich an ihm hängen läßt ist es leichter diese Abhängigkeit von seiner Person getrennt zu sehen. (Du könntest sie dann bei einem anderen genauso empfinden.)

    Wenn er selbst nicht zufrieden ist mit seiner Situation wird es für ihn die Herausforderung sein eine Entscheidung zu treffen: Sucht oder Leben.
    Das ist nicht die Entscheidung Sucht oder Liebe. Weil Liebe geht nicht ohne Leben. Also ist es sein Leben um das es geht und für das er in erster Linie allein verantwortlich ist. Er kann nicht Dir zuliebe aufhören.
    Und Du bist niemals schuld, wenn er nicht aufhören kann...... es sei denn Du spielst dieses Ringel-Reien mit. Von Streit, Versöhnung, Hoffnung, Suff, Streit, Versöhnung, Hoffnung, Suff. Aber wie gesagt. Die Spielregeln für Dich und Deine Grenzen kannst nur Du selbst ausloten. Und dann konsequent zu sein ist immer noch schwer. Je mehr Gefühle noch im Spiel sind, umso schwerer. Um so leichter ist man zu manipulieren. Ich habe mal einen Thread Manipulation aufgemacht.... da haben sich viele von den Trockenen beteiligt. Wäre in Deinem Fall evtl. das was jetzt verstärkt auf Dich zukommt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, daß Suchtkranke mit der Zeit immer mehr die Selbsteinschätzung, die Realitätwahrnehmung verlieren aber beinahe übernatürliche Fähigkeiten zur Manipulation entwickeln. Die Lügen durchschauen sie zum Teil selbst nicht mehr, weil immer die Sucht gerechtfertigt und gepflegt werden will.

    Ich wünsche Dir und Deinem Mann, daß er nicht nur kurz geschockt ist, sondern ernsthaft raus will aus der Sucht. Das merkst du schnell. Dann wird er keinen Zeitaufschub, keine Ausnahmen und keine Gründe suchen, sondern ggf. zusammen mit Dir zum Arzt gehen und die ersten Schritte einleiten. Vorwürfe würde ich ihm nicht machen. Nur ein Zeitlimit setzen und dann mich trennen. Ohne Rücksicht auf Versprechungen. Bei meinem XY konnte man nur auf das zählen was er tat. Was er von sich aus tat. Alles andere war nämlich flexibel und konnte je nach Auslegungsbedarf wieder anders dargestellt werden.

    LG Nys

  • Hallo Mandarine,

    erst mal herzlich willkommen hier und schön,dass du den weg hierher gefunden hast. Ich bin auch Co,meine Beziehung geht über 8 Jahre und ich bin gerade frisch getrennt, weil ich anders keinen Weg mehr sehe. Auch ich wollte das am Anfang nicht sehen oder wahr haben, doch als sich die Probleme häuften,wurde mir klar,dass es nur damit zusammen hängen kann.
    Was genau hast du denn zu deinem Mann gesagt und wieso geht er dir jetzt erst mal aus dem Weg?Ist er sich seiner Problematik bewusst?

    Sehr oft habe ich das Problem angesprochen und bei uns ist soviel durch die Trinkerei passiert (Führerscheinverlust,Arbeitsverlust,Beleidugungen etc),dass ich eigentlich immer dachte, jetzt muss er es doch einsehen,dass er ein Problem hat. Die Einsicht war und ist zwar da, hält aber nie lange an und leider Gottes glaube ich,dass mein Partner seinen persönlichen Tiefpunkt immer noch nicht erreicht hat trotz allem.Versprechungen wurden gemacht, jedoch nicht eingehalten.

    Letzendlich musste ich diesen Schritt nun tun,denn so leben möchte ich auf Dauer nicht mehr und helfen kannst du nicht.Er muss das ganz allein wollen.

    Hast du sonst bisher schon irgendwas unternommen und wie geht es dir?
    Hier im Forum zu lesen und sich auszutauschen wird dir mit Sicherheit helfen,denn du bist nicht allein mit deinem Problem.

    Grüsse Cocomel

  • Hallo Mandarine,

    du schreibst:
    "Bisher hab ich uns noch als Paar wahrgenommen, doch wenn ich genauer hinschau geht es ihm darum für sein gewohntes Leben mich als Rahmen zu nutzen"

    So habe ich mich auch gefühlt.Bis zu nem gewissen Zeitpunkt habe ich uns als Paar wahrgenomme,aber dann kam ein Punkt, wo ich mir dachte,dass das so keine Partnerschaft mehr ist,nichts auf Augenhöhe.Ich selbst hab dazu beigetragen dieses "Systems" aufrecht zu erhalten.Nach aussen merkte man kaum was, es sei denn er hat sich selbst irgendwo im Suff blamiert.Auch ich merkte,dass ich nicht mehr die bin, die ich mal war und das sagten selbst andere Leute zu mir.

    Mir hat sehr geholfen ne Therapie zu beginnen, da's mir dadurch noch mehr wie Schuppen von den Augen fiel.Mein Therapeut sagte in den ersten Stunden zu mir,dass ich gar keine Lebensfreude mehr hätte,mein Selbstwertgefühl war im Keller und das was ich als Co' mitgemacht bzw. ertragen oder geduldet habe,war schon krass teilweise und die Manipulation war auch vom Feinsten,wenn ich so überlege.


    Du weisst also nicht, ob dein Mann sich seiner Problematik bewusst ist?Was hat er denn gesagt,als du ihn darauf angesprochen hast?

    Auch ich habe dies zu meinem Partner gesagt,dass ich so nicht mehr leben weiterleben will und er Entzug machen muss.

    Freu mich wenn du weiter schreibst und erzählst

    Schönen Muttertag

    Cocomel

  • Hallo Mandarine

    also erst Mal: Ich find das ganz toll wie Du Deine Sache gerade angehst!!
    Ich habe noch kaum jemand so neu hier erlebt, der schon so klar und sachlich reflektiert. Du bleuchtest Dich und ihn ohne Wut und ohne Bitterkeit.
    Klar, ein bißchen traurig. Es ist ja so ein schleichender Verlust der eigenen ursprünglichen Persönlichkeit und der ursprünglichen Partnerschaft und gegenseitigen Liebe. Das tut mir richtig weh für Dich. Es ist immer etwas
    Trauriges wenn so Wertvolles verloren geht. Aber es hilft ja alles nichts. Wenn man in der Situation verharrt, wird es nicht einfacher. Sicher ist es einfacher unangenehme Wahrnehmungen erst mal zur Seite zu schieben. Aber dadurch verbessert sich ja nichts und der Weg durch die bewußt gemachte Traurigkeit führt noch eher in eine neue Freude, als die Traurigkeit einfach weg zu schieben.

    Zitat

    Im Moment empfinde ich das aus dem Weg sogar angenehm, es verschafft mir Abstand und Zeit für mich.

    Das finde ich einen guten Ansatz! Weißt Du, ich glaube wenn Du bei Dir selbst mit der Aufarbeitung anfängst und bei der Suche nach den Gründen - dann bist Du erst mal ganz damit beschäftigt und bekommst den notwendigen Abstand um nicht in seinen Strudel hineingezogen zu werden. Seine Situation zu verstehen und das warum er trinkt ist natürlich der Aufhänger, der sich von selbst anbietet und für uns Co eine willkommene Ablenkung von der Sicht auf unsere eigene Persönlichkeit.
    Natürlich möchtest Du ihn trocken und dann auch evtl. zurück. Aber das sind doch Küken aus Eiern von morgen. Hier und jetzt ist er Alkoholiker und Du seine davon betroffene Frau. Bei Dir selbst anzufangen kann unglaublich viel Arbeit sein. Wenn er die Veränderungen bei Dir bemerkt tut sich entweder auch was bei ihm oder nicht. Aber Du hast dann wenigstens Deine Position gefunden für alles was noch kommt. Ihn zu verstehen kann zur Endlos-Spirale werden. Der Co-Gedankenkreisel der unaufhörlich verstehen und die Situation über ein besseres Verstehen beinflussen will. Das ist mir auch vertraut. Ich habe Tage lang klinische Studien über Korsakow-Syndrom usw. studiert, habe gehirnt und gehirnt, warum es so aussichtslos sein muß und ob man da nicht irgendwo her Hilfe bekommen könnte. Es hat mich innerlich immer mehr von mir selbst entfernt. Und das ist der einzige Ort an dem wir tatsächlich was ausrichten können. Würde mich ein Alkoholiker um Hilfe bitten, wäre ich die letzte, die ihn hängen läßt. Aber es kann nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. Solange ein Mensch suchtkrank ist geht es nicht um Beziehung. Beziehung ist das Thema danach. Beziehung kann nur mißbraucht werden, wenn die Sucht mitzureden hat. Aber es ist seine Sucht. Seine
    Beziehung zur Flasche, die nur er beenden kann.

    Wie gesagt, Du bist sehr stark und geordnet. Das verdient allen Respekt!
    Ich hoffe so sehr für Dich daß es Dir bald besser geht!
    Liebe Grüße
    Nys

  • Liebe Mandarine,

    dein Mann reagiert nun darauf, wie du dich nun verhältst. Du hast Tacheles geredet und an ihm gerüttelt, sozusagen. An seinem Leben, das er sich gemütlich aufgebaut hat und in dem alles so lief, dass er seiner Sucht in Ruhe und ungestört nachgehen kann. Das meine ich jetzt nicht böse oder negativ, sondern als Fakt.

    Nun kommt er in Bedrängnis. Denn dieses gemütliche Leben ist in Gefahr. Also reduziert er erstmal seine Trinkmenge ein wenig. Und dann kommt er mit der Schuldfalle. Er braucht ja eine Rechtfertigung dafür, warum er trinken muss. Eine Erklärung, auch für sich selbst.

    Solche Schuldfallen habe ich von meinem Exmann viele, viele bekommen. So viele, dass ich mich selbst als schlecht und schuldig und unfähig gesehen habe, zum Schluss.

    Ja, das Komische ist, wenn du das von außen siehst, ist alles glas klar. Nur wenn du selbst in der Situation steckst, sieht es ganz anders aus. Ganz andere Perspektive. Das macht es so schwer. Und da spielen so viele Faktoren eben auch eine Rolle, die auch eine eventuelle Trennung zuerst mal unmöglich erscheinen lassen.

    Ja, das Gefühl des Wegbeamens kenne ich auch gut, und dann eben die Unfähigkeit und Lähmung, es wirklich zu tun. Muss ja auch nicht sein, es geht nicht von heute auf morgen, was zu verändern.

    Du fängst ja schon an, immer mehr auch deine eigenen Interessen wahr zu nehmen. Das ist ein guter Schritt. Hast du dich schon mnal unverbindlich informiert, was im Falle einer Trennung auf dich zukommen könnte? Das ist gut zu wissen, ich habe das gemacht und es hat mir viel Sicherheit gegeben. Auch wenn es danach noch ca. 2 Jahre gedauert hat, bis ich diesen Schritt auch gewagt habe.

    Mach mal schön langsam und hab Geduld mit dir. Du findest ja gerade eine Menge über dich raus und machst dir viele Gedanken. Das alles wird jetzt ja erstmal klar und muss sortiert werden. Ich finde, du machst das gut!

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Mandarine,

    ich gehöre zu den Co-Abhängigen, die dieses Spiel fast 20 jahre lang mitgemacht haben.

    Die Schuldzuweisungen sind typisch und eine reine Abwehrreaktion gegen die Wahrheit. Seine Sucht konnte und wollte sich mein Exmann nie eingestehen, er hat alles auf mich projiziert. Ich war der Sündenbock, der ihm nicht die kleinste Freude gönnt und ihm sein Leben vermiest.

    Überlege dir gut, was noch auf dich zukommt; denn es wird nicht besser, sondern immer schlimmer. Ich war soweit, dass ich mich wirklich habe kleinmachen lassen und dachte, ich kann ohne ihn nicht leben und wie dankbar ich sein muss, dass er trotz allem bei mir bleibt.

    In meinem letzten Beitrag kannst du sehen, dass ich selbst noch fast 1 Jahr nach der Trennung Rückfälle habe. Ich habe einfach zu lange gewartet und gelitten.

    Ich hoffe, du hast frühzeitig die Kraft, dich aus diesem Hamsterkäfig zu befreien!.

    Alles Gute dir!

    delilah

  • Hallo Mandarine

    nur ein kurzes Hallo von mir -
    ich hoffe Du hast den Unfall inzwischen gut überstanden!

    Ist ja immer was echt heikles, mit dem Motorrad
    zu verunglücken. Gut, daß Du soweit "erhalten" geblieben bist.

    Wegen dem Rest... das ist mir heut abend zu schwer.
    Ich drück Dir einfach mal die Daumen.

    LG Nys

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