Der/Die Co als Suchtpersönlichkeit

  • Hallo zusammen

    um hier noch was Sinnvolles beizutragen, habe ich mir Gedanken gemacht, was in dieser Sparte des Forums noch nicht diskutiert wurde. Es wird Neuen Co's ja immer geraten, in erster Linie auf sich zu schauen und darauf wo bei ihnen der Hund begraben liegt. Das Thema über die Erziehung zur/zum Co deckt da schon einen großen Teil ab.

    Hier also noch eine Frage: Seht Ihr Euch als Suchtpersönlichkeit?

    Die Wissenschaftler sind sich mit der CoAbhängigkeit noch nicht ganz einig. Ich glaube sie wird inzwischen als Krankheit anerkannt. Man nennt es auf jeden Fall eine "nicht stoffliche" Sucht. Meine Einschätzung ist, daß man auch gewisse Tendenzen einer Suchtpersönlichkeit in sich trägt, wenn man auf einen Menschen oder eine Beziehung süchtig wird. (Hinweis: Alles dreht sich um XY)

    Das lasse ich jetzt einfach mal so stehen. Ich werde noch genauer schreiben, was mich bei mir selbst auf diese Gedanken gebracht hat. In erster Linie geht es mir hier um Eure Meinung, Selbsteinschätzung und Erfahrung. Was macht einen Menschen zur Suchtpersönlichkeit und wie sehr hängt Eure CoAbhängigkeit mit dem Wesen einer Suchtpersänlichkeit zusammen? Ich bin gespannt auf Eure Antworten

    LG Nys

  • Hallo Nys,

    interessante Frage.
    Ich würde sie mit "Ja" und "Nein" beantworten.
    Die Beziehung zu meinem Ex-XY hatte definitv etwas, das an Suchtverhalten erinnerte. Besseres Wissen war da, Leidensdruck war da, aber ich konnte weder das eine noch das andere in eine schnelle Trennung überführen.
    Ich würde das aber von anderen "Süchten" insofern abgrenzen wollen, als - zumindest für mich (glaube ich) - damit nicht der Versuch verbunden war, einer bestimmten "Sache" z.B. zu entfliehen oder einen Druck besser aushalten zu können.
    Rückblickend würde ich sagen, es hatte etwas von "Wiederholungszwang", um der Sache mal küchenpsychologisch einen Namen zu geben. Die Wiederholung einer früheren unbefriedigenden Beziehungsstruktur, die in der neuen Beziehung in eine bessere überführt werden sollte (was natürlich nicht funktioniert hat).
    Als weiteren Unterschied würde ich sehen, dass ein Faktor beim Süchtigwerden in meiner Co-Beziehung nicht der Wunsch nach immer "mehr" Suchtmittel war, sondern eher, einer völlig unerklärlichen Willkür auf die Spur zu kommen, Sinn hinter etwas zu konstruieren, hinter dem keiner zu erkennen war - sondern einfach nur eine Laune des Augenblicks, verstärkt durch Alkohol.
    Dieses - "hilf mir, hau ab". Das kapiert doch kein Mensch. Und ich will es jetzt auch nicht mehr kapieren.
    Sobald ich bei einem Menschen inzwischen diese Tendenz wahrnehme ("hilf mir, hau ab") sehe ich, dass ich die Füsse in die Hand nehme.
    Verstehen will ich da nix mehr.
    Aber ich wollte es sehr lange sehr intensiv. Es grenzte an Grübelzwang. Warum macht jemand sowas, warum ist jemand so - und dann habe ich möglichen und unmöglichen Erklärungsversuche an den Haaren herbeigezogen :roll:

    Was ich sehr passend finde, um diesen Zustand zu beschreiben, ist das Märchen vom Blaubart - das Verbot, eine Kammer zu öffnen (und zu suggerieren, da wäre was), in der im Endeffekt gar nichts ist - aber man fragt sich ständig, "was mag es sein"? Verbunden mit der Aussage: wenn du nachsiehst, begehst du einen Vertrauensbruch, und dann musst du sterben.

    Ein "herkömmliches" Suchtmittel macht so etwas nicht, finde ich.
    Ich persönlich zeige auch in anderen Bereichen kein Suchtverhalten - ich kann Schokolade weglegen, wenn sie noch nicht aufgegessen ist ... usw.

    Viele liebe Grüße
    Lea

    If you know where you stand
    then you know where to land ...

  • Hallo ihr Lieben,

    ja, sehr interessantes Thema, mit dem ich mich auch schon selbst beschäftigt habe.

    Ich würde - in Verbindung mit meinem eigenen Verhalten - aufjedenfall sagen, dass ich durch mein Suchtverhalten bezüglich meines XY in jedem Fall auch "einer Sache" entfliehen wollte/will. Nämlich der Auseinandersetzung mit mir selbst und mit meinem eigenen Leben und meinen Baustellen. Mein XY fungiert in diesem Fall als ein Spiegel meiner selbst, bei dem ich all die "Fehler" versuche zu bearbeiten, die ich im Grunde an mir selbst bearbeiten müsste.

    Des Weiteren würde ich mich selbst aufjedenfall auch in Bezug auf andere Bereichen als Suchtpersönlichkeit bezeichnen. Ich selbst habe vor über einem Jahr meinen letzten Tropfen Alkohol getrunken - natürlich war XY der Auslöser dafür - aber auch ich habe diesen Stoff in der Vergangenheit missbraucht und hatte nicht selten Kontrollverluste was das angeht. Nachdem ich mit Alkohol komplett aufhörte im letzten Jahr haben mir Rückmeldungen seitens Familie und Freunden nochmals verstärkt aufgezeigt, dass mein Verhalten diesbezüglich auffällig war. Und ich glaube heute zu wissen, dass ich suchtgefährdet bin und es das Beste für mich ist, dass ich keinen Alkohol mehr trinke. Ich fühle mich manchmal seltsam, weil ich eben auch zum "ersten Glas" immer nein sage, obwohl ich mich was das angeht ja nicht als suchtkrank bezeichnen würde. Dennoch weiß ich, was es oft mit mir gemacht hat und dass ich die Kontrolle oft verloren habe. Aus diesem Grund lasse ich seit über einem Jahr auch das erste Glas immer stehen.

    Neben Alkohol gibt es auch viele andere "Stoffliche" Dinge, bei denen ich zu süchtigem Verhalten tendiere. Es fängt beim Essen an und hört beim Sport auf. Vieles was ich tue, tue ich in Extremen, entweder ganz oder garnicht. Und ich finde eben nur selten ein gesundes Mittelmaß. Das macht es umso schwerer, Dinge kontinuierliche gesund zu leben.

    Ich empfinde dieses Verhalten als süchtig, weil ich mich selbst entweder als sehr konsequent oder eben als sehr "rückfällig" erlebe.

    Und viele Dinge wie Essen, früher Alkohol, etc. habe ich gemacht oder mache ich in Verbindung mit Stress.

    Mir sind diese Muster bewusst, aber es ist sehr sehr schwierig, es zu bearbeiten, weil sich das Verhalten eben durch alle Lebensbereiche zieht.

    Grenzen zu kennen, eine Balance zu finden, ein gesundes Maß zu kennen, das alles fehlt mir aufjedenfall, ob nun bezüglich Stofflichen Dingen oder bezüglich Menschen.

    Was den Aspekt angeht, dass man "immer mehr" will, auch das kann ich bei mir nur bestätigen, da ich auch in Bezug auf XY, sobald dann wieder Kontakt da ist, nur schwer ein gesundes Maß einhalten kann. Ich neige sofort dazu, es "überzudosieren".

    Ich habe viel gelernt und bin auf dem Weg, aber dieses Abhängigkeitsverhalten ist bei mir definitiv nicht nur auf den XY bezogen.

    Vielen Dank für diesen hoffentlich lehrreichen Thread, ich werde dazu jetzt mal ein bisjen was lesen :)

    Mit vielen lieben Grüßen

    Miriel

    Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.

  • Hallo Nys,

    da greifst du schon ein sehr interessantes Thema auf.
    Ich für meinen Teil würde eindeutig sagen das ich starke Suchttendenzen in mir trage. Nicht zuletzt wird auch immer wieder in Beratungsstellen darauf hingewiesen das die Chance Abhängigkeiten zu entwickeln bei Kindern aus Suchtfamilien größer sind. Wie sich diese Problematik bei anderen Konstellationen auswirkt kann ich nicht sagen. Was mich genau zu einer Suchtpersönlichkeit gemacht hat würde ich klar mit meinen Elternhaus beantworten.

    Gerade weil ich jedoch die Gefahr sehe bin ich sehr auf der Hut keine "stofflichen" Süchte zu entwickeln.
    Auf meine Gesundheit gebe ich Acht und nehme nur dann Tabletten wenn garnichts anderes geht.
    Mit Menschen verhält es sich leider oft anders ... ich habe ein starkes Bedürfniss anderen zu helfen und auch daraus entwickelt sich eine Suchtstruktur. Sowohl bei meinen Vater als auch bei meinen letzten Partner habe ich Menschen gefunden die diesem Verhalten Futter gegeben haben.
    Ich betrachte es mittlerweile als meine Aufgabe dieses Verhalten abzulegen. Ziel ist es für mich ganz genau Unterscheiden zu können wann Hilfe gut und ok ist und wann es zuviel des guten ist.
    Da ich auch in meinen näheren Bekanntenkreis jemanden habe, der obwohl keine Sucht vorliegt, zu gerne Hilfe einfordert kann ich für mich ganz genau erkennen das sich das ganze nicht nur auf Suchtpersönlichkeiten begrenzt.
    Ein Suchtverhalten das ich nach der Trennung von meinen xy stark wahrgenommen habe war der Wunsch nach Kontrolle (geht es ihm gut?, was macht er jetzt?, etc.). Dieser Zwang war so stark vorhanden das ich sehr mit mir zu tun hatte diesem nicht nachzugeben.

    LG

    S.

  • Hallo Nys,
    interessantes Thema.
    Ich habe neulich in einer Fachzeitung zum Thema Co-Abhängigkeit gelesen, dass es immer noch nicht als Krankheit gelistet ist, weil sich die Mediziner nicht einig sind. Ich persönlich schließe mich der Seite an, die nicht an der Definition der Co-Abhängigkeit als Krankheit an. Ähnlich wie der Diskussion um Burn out und Erschöpfungsdepression. Ohne hier in die Tiefe zu gehen. Ich habe mich im letzten Semester mit dem Thema Sucht im Rahmen meiner Staatsprufung beschäftigt. Meine Erkenntnis ist, dass das große Problem meiner Familie ist, dass sie zum einen viele Kompetenzen für ein selbstbestimmtes Leben in einer gesunden Balance nicht gelernt haben. Die können nicht mit Stress und sonstigen Belastungen umgehen und haben zudem nicht die Fähigkeit, über Gefühle zu reden. Als Ersatz zur Bewältigung ist eine Sucht getreten. Dabei ist es wohl immer der Alkohol. Meist wird das zur sucht, was gut zur Verfügung steht und was man als hilfreich erlebte. Ich sehe Alkohol nicht als hilfreich an, bin da negativ konditioniert. Da ich jene Kompetenzen zur Bewältigung auch nicht gelernt habe, tendiere ich auch dazu, mir andere Tätigkeiten zur Bewältigung zu suchen. Essen, Nägel knibbeln, Geld ausgeben. Internet. da bin ich momentan dran. Ich habe meine Ernährung nun im Griff, musste erst lernen, wie man doch gut ernährt. Habe nun endlich nach knapp 25!! Jahren aufgehört, die Nägel zu malträtieren. Das gibt nur mit einer heftigen Einschränkung des Kontakts zu meinen Eltern. Internet verliert so auch seinen Reiz. Fehlt noch die Sache mit dem Geld.diesen Monat hab ich gut haushalten können. Ein Anfang.
    Nachdenkliche Grüße,
    Natalie

  • Hallo Lea, Miriel, Sarawen und Natalie!

    Vielen Dank für Eure Beiträge. Ich fand sie alle so vielseitig und nachdenklich gut, daß ich gehofft habe, noch mehr von den anderen Forenmitgliedern würden darauf antworten.

    Nun scheint's ja doch nicht für jedermann das Thema zu sein.

    Ich hatte versprochen auch noch zu schreiben, weshalb ich mich als Suchtpersönlichkeit einstufe.

    Es ist die Tatsache, daß ich es noch nie geschafft habe nur halb erfüllt zu sein. Ich brauch das irgendwie, daß mich was ausfüllt. Damit laufe ich
    immer wieder Gefahr in unerfüllten Zeiten in irgendeiner Art eine Befriedigung zu suchen.
    In irgendeinem Engagement oder einem Rausch, der bislang nichts mit Stoff-Abhängigkeit zu tun hatte. Ich könnt mir aber vorstellen, daß die Grenze zu einer Stoffabhängigkeit da sehr schmal ist.

    Ich stell mir manchmal vor, wie es wäre als alte gebrechliche Frau zuhause zu sitzen. Der Mann tot - keine Kinder, keine Ansprache und ein Haushalt, der längst nicht mehr zufriedenstellend bewältigt werden kann. Nicht schwer für mich, dabei die Gefahr vom Griff zum Glas dazuzurechnen. Die Nikotinabhängigkeit hab ich ja grad auch - also doch ein Stoff bereits vorhanden.

    Was das mit Co zu tun hat? Klar -auch in der Beziehung zu einem Suchtkranken kann man wunderbar aufgehen. Erfüllt sein von Liebe, Wut, Sorge, Verlustangst und alles noch mal von vorne bis zum Erbrechen.

    Ist also angesagt an einer Erfüllung zu arbeiten, die nichts mit dem Außen zu tun hat - sondern von Innen kommt.

    Ohne sich dabei in welt-entrückte Sphären zu begeben. Sondern einfach im SEIN und im HIER -SEIN zu finden. mmh. Vielleicht mag dazu noch jemand was erzählen?

    Ich weiß ich spreche da Dinge an, die nicht jeden so wahnsinnig interessieren. Aber es sind halt so meine Gedanken über mich und die Zufriedenheit, die Vorraussetzung ist, um nicht in alte Muster zu verfallen. Ich glaube Zufriedenheit kann man lernen und die Kunst mit wenig zufrieden und trotzdem erfüllt zu sein ist mM nach, eine Überlegung wert.

    LG Nys

  • glück auf Nys

    sehr kluge und interessante Gedanken ...

    Zitat von Nys

    Ich glaube Zufriedenheit kann man lernen

    da stimm ich zu.

    und die Kunst is, m.e. zu lernen sich selber auszufüllen :wink:

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

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