Hallo ersteimal in die Runde hier :D.
So, nun aber ich mich endlich entschlossen hier im offenen Forum zu posten. Ich habe mich am 14.03. dazu entschlossen dem Alkohol zu entsagen und eine gute Woche später meinen Vorstellungstext geschrieben. Ich bin der Alex, 44 Jahre alt, männlich und Alkoholiker.
Um mich ersteinmal meine "Vorgeschichte" zu schildern kopiere ich einfach einmal meinen doch etwas längeren Einführungspost aus der Vorstellung hier rein - ist aber etwas lang.
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"Tja, wo soll ich anfangen?Nun meine "Alkoholkarriere" startete als ich so 17 war. Typischer Einstieg: Trinken und feiern mit gleichgesinnten Jugendlichen bis zum Exzess - zu diesen Zeiten war auch noch viel Schnaps dabei. Zwischen 17 und 25 ging mir eher um den Vollrausch; eigentlich schmeckte mir der Alk gar nicht wirklich. Getrunken wurde nur am Wochenende, dann aber gründlich. Mit gut 25 wurde mir das ganze dann aber zu bunt und hatte keinerlei Probleme mit dem Trinken aufzuhören. Zumal ich aus beruflichen Gründen 1997 in eine andere Stadt gezogen bin und einen anderen Freundeskreis kennenlernte. Tat mir irgendwie recht gut.
In den nächsten Jahren habe ich dann eigentlich "normal" getrunken. Unter der Woche sogut wie nichts, am Wochenende beim Essengehen mit Freunden mal ein Bierchen oder ein Glas Wein. Heute kann ich nicht mehr "normal" trinken, das weiß ich jetzt. Ich unternahm recht viel, war sportlich aktiv und auch im Beruf paßte alles. Muß hier bei dieser Gelegenheit aber vielleicht dennoch hinzufügen, daß ich leider depressiv veranlagt bin. Auch zu dieser Zeit viel ich häufig in tiefe Stimmungstiefs. Diese wurden allerdings durch viel Motorradfahren, Sport, Lesen und PC-Zocken überwunden. Ja dieses PC-Zocken ist und war auch so eine Sucht, welche mich meine bis dahin zwei einzigen Beziehungen gekostet haben.
2002 lernte ich meine letzte Partnerin kennen. Wir waren sechs Jahre zusammen, aber irgendwie paßte das ganze nicht. Hatten oft Streß und so begann ich diesen ab und an mit einer Flasche Wein herunterzuspülen. Nicht täglich, nicht viel aber doch stetig immer mehr. Ende 2008 gings dann nicht mehr. Wir trennten uns, wollten eigentlich gute Freunde bleiben aber ich zog mich zurück. Manchmal denke ich noch an sie.
Ab 2009 gings dann langsam aber sicher bergab. Da ich beruflich (habe eine 5 1/2 Tage Woche) doch recht viel mit Menschen zu tun habe, wollte ich übers Restwochenende meine Ruhe haben. Ich zog mich mehr und mehr von meinem Freundeskreis zurück und igelte mich immer mehr zuhause ein. Zu dieser Zeit begann ich immer mehr zu trinken. Anfangs waren das Samstag und Sonntag ca. 2-3 Liter Wein. Unter der Woche auch noch eine halbe Flasche täglich nach der Arbeit.
2011 trank ich unter der Woche beinahe täglich einen Liter und ab Samstag nachmittag bis Sonntag ca. 3-4 Liter. Dann war ich glücklich und zufrieden - meine ich jedenfalls - und die neue Arbeitswoche konnte beginnen. Die alkoholfreien Tage konnte man zu dieser Zeit bereits beinahe an einem Finger abzählen.
2012 war ich nur an einem einzigen Tag ohne Alk bei in etwa unveränderter Trinkmenge.
Ab 2013 steigerte sich das ganze nochmals. Unter der Woche nach wie vor der obligatorische Liter Wein - manchmal auch ein bisserl mehr - um am Abend um abschalten zu können. Samstag und Sonntag warens dann schon 5 bis 6 Liter.Übers kurze Wochenende habe ich mich regelrecht abgeschossen. Wenn ich in der nacht um vier aufgewacht bin habe gleich weitergetrunken und am PC gelesen. Dennoch habe ich sonntag mittag mit der Sauferei aufgehört - mußte ja am Montag wieder arbeiten. Im letzten Jahr bin ich dann auf Tetra-Packs umgestiegen weils mir mit den Flaschen zu umständlich wurde. War aber dennoch irgendwie von mir selbst angeekelt, wenn ich die leeren Flaschen bzw. Tetra-Packs weggefahren habe. Alkoholfreie Tage: Keine. Die sozialen Kontakte außerhalb der Arbeit praktisch Null. Außer halt vielleicht nen kleinen Plausch im Supermarkt oder mit den Nachbarn. Das einzige, was ich zu dieser Zeit nach der Arbeit noch unternahm war viel joggen im Sommer - nachdem ich den Liter Wein intus hatte. Machte mir irgendwie Spaß.
2014: Es ging weiter wie bisher. Letzte Woche feierte ich meinen Resturlaub ab. Urlaube waren sowieso nichts für mich. Genau wie an Feiertagen neigte ich zu erhöhtem Alkoholkonsum da ich nichts mit mir anzufangen wußte. Und so war es auch diesesmal. Am 08.03. nach der Arbeit gings los. Ich habe mir vorsorglich schon mal einen ganzen Karton Tetra-Pack-Wein besorgt (8 x 1.5 ltr.) Diestag (11.03) wurde Nachschub geholt. Ich fühlte mich eigentlich hundeelend und bin am 12.03. auf dieses Forum gestossen und begann zu lesen. Immer weitergetrunken und die vielen Geschichten hier gelesen. In sehr vielen erkannte ich mich selbst wieder. Am 14.03. 21.12 Uhr (habe volltrunken die Zeit aufgeschrieben) bin ich zu dem Entschluß gekommen, daß es so nicht mehr weitergehen kann. Ich höre auf mit dem Teufelszeug.
Die Tage darauf waren alles andere als angenehm. Ich hatte einen fünftägigen Kater, konnte extrem schlecht schlafen, zitterte und schwitzte viel. Diesen Montag bin ich mit dem Zug zur Arbeit, weil ich irgendwie zu groggy war um autozufahren. Das Gehen zum Bahnhof tat mir aber recht gut.
Mittlerweile geht es mir recht gut, bin beinahe euphorisch. Irgendwie ist es, als wenn sich eine jahrelange, dicke Nebelwand langsam aber sicher lichtet. Ich nehme wieder alles viel intensiver wahr, träume sogar wieder. Das ist ein Vorteil und Nachteil zugleich. Der Vorteil: Ich denke wieder wesentlich klarer. Ich merke es vor allem in der Arbeit. Habe gestern meine Wohnung tip top auf Vordermann gebracht. Der Nachteil: Mir wird schön langsam klar, was mit mir abgelaufen ist. Das beste Beispiel ist eben meine Wohnung. Ich lies ja auch schon monatelang mehr keinen rein, weil ich ja wußte daß das unzumutbar war. Die schlimmste Erkenntnis ist aber, daß ich Alkoholiker bin. Ich habe mich in den letzten Tagen sehr intensiv in diese Thematik eingelesen. Von den vier Phasen eines Alkoholikers bin ich definitiv in der dritten (kritischen) Phase. Einmal begonnen, kann ich mit dem Trinken nicht mehr aufhören. Das einzige Kriterium welches auf mich nicht zutraf ist das Verstecken von Alkohol. Mußte ich ja auch nicht, ich lebe ja allein. Vor zehn Jahren hätte ich niemals gedacht, daß ich einmal soweit sinken könnte.
Ja, wie gehts weiter? Ehrlich gesagt weis ich das auch noch nicht so genau. Auf alle Fälle werde ich nächste Woche eine SHG aufsuchen. Ohne schaffe ich das vermutlich nicht. Vor allem brauche ich einen Ansprechpartner mit dem ich über meine Krankheit reden kann. Bisher weiß ja noch niemand, daß ich Alkoholiker bin.
So, nun reicht es aber für heute. Sollte das ganze etwas wirr rüberkommen, dann bitte ich vielmals um Entschuldigung. Mir schwirren halt momentan etliche Gedanken im Kopf rum, und es tut gut das ganze einmal aufschreiben zu dürfen. Vielen Dank an euch alle - ihr wißt gar nicht wie sehr ihr mir jetzt schon geholfen habt.
Ganz liebe Grüße,
Alex"
Ich habe diesen Text am 20.03. abends geschrieben und mich am 22.03. hier im Forum vorgestellt. Tja und da bin ich nun.
Folgendes ist in der Zwischenzeit passiert:
Am 24.03. bin ich das erste Mal zu einer SHG gegangen, welche mir wirklich eine sehr große Hilfe ist. Hier konnte ich das erste Mal mit jemandem über meine Krankheit sprechen. Genau genommen war aber Martin hier aus dem Forum dem ich mich mit meinem Problem anvertraute. Vielen Dank nochmals für die freundliche Aufnahme hier.
Am 31.03. war ich beim Arzt und habe mich mal ordentlich durchchecken lassen. Soweit alles in Ordnung bis auf erhöhte Cholesterinwerte und einen etwas zu niedrigen Blutdruck. Meine Leberwerte sind überraschenderweise alle im grünen Bereich, hatte da eigentlich schlimmeres befürchtet.
Anfang dieser Woche meinen Eltern telefonisch über mein Problem informiert. Meine Mutter findet es super, daß ich damit aufgehört habe. Mein Vater hat leider weniger Verständnis dafür, trinkt selbst so 4-5 Halbe Bier pro Tag. Allerdings über den ganzen Tag verteilt. Ich werde meine Eltern übers Osterwochenende besuchen; wohnen ca. 150km von mir entfernt.
Und nun mein Stand nach 4 Wochen Nüchternheit (von Trockenheit spreche ich erst nach 3 Monaten):
Zunächst das Positive:
1. Das Schlafen: Ich schlafe wieder komplett durch. Zu Zeiten des Alkoholkonsums bin ich zwar recht schnell eingeschlafen, in der Nacht aber häufig aufgewacht. Außerdem träume ich wieder recht intensiv seitdem ich nichts mehr trinke. Schlafen ist jetzt wieder eine richtige Erholung für mich!
2. Ich bin morgens richtig gut gelaunt und freue mich förmlich auf den Tag und die Arbeit. Zu Saufzeiten war ich morgens immer schlecht drauf und hatte gar keinen richtigen Antrieb.
3. Die allgemeine Leistungsfähigkeit. Erst jetzt merke ich, daß ich die letzten Jahre eigentlich nur zu 70-80% funktionierte. In der Arbeit stressen mich schwierige Aufgaben weitaus weniger als vorher. Auch zuhause geht mir vieles einfach leichter von der Hand. Außerdem bin ich irgendwie viel gelassener geworden als zu Saufzeiten. Sei es in der Arbeit oder auch im Straßenverkehr. Die Gereiztheit ist einfach weg.
4. Meine Ernährung: Während es zu Zeiten massiven Alkoholkonsums meist nur Dosenfutter gab fange ich nun an mich bewußt zu ernähren. Als ich noch mit meiner Partnerin zusammen war backte ich jedes Wochenende Kuchen und kochte auch meistens für uns. Das machte mir schon damals viel Spaß. Nach der Trennung hatte ich dazu keine Lust mehr. Ich dachte mir warum soll ich für mich alleine soviel Zeit aufwenden? Das ist aber Blödsinn. Mittlerweile machts mir richtig Spaß mich selbst zu verwöhnen.
Tja und dann sind da auch noch die Nachteile, welche ich mir in solchen kritischen Situationen vor Augen halte. Ich denke für mich selbst daß, hätte ich am 14.03. einfach so weitergetrunken wie bisher die ganze "Scheiße" noch einige Jahre so weitergelaufen wäre. Ich bin heilfroh noch einigermaßen früh genug die Reißleine gezogen zu haben. Mich erschreckt es im übrigen außerordentlich wie weit sich ein Mensch gehen lassen kann. Das wird einem aber erst bewußt, wenn man ein paar Wochen klar im Kopf ist. Außerdem halte ich mir in kritischen Situationen (hatte ich leider auch schon) auch vor Augen wie unangenehm mein Kalter Entzug war. War ohnehin dumm von mir, aber ich baue das auch in meinen Notfallkoffer ein.
Sonst ist mir noch folgendes an mir aufgefallen:
Während ich zu nassen Zeiten am Tag eine gute Kanne Kaffe in der Arbeit trank um fit zu werden ist der Konsum jetzt praktisch auf Null zurückgegangen. Sehe ich ebenfalls positiv. Ich brauche kein Koffein mir um morgens fit zu sein. Negativ anzumerken ist, daß ich nun etwas mehr rauche. Früher waren es 6-7 Zigaretten pro Tag, mittlerweile sind es 10. Scheint leider eine Art Suchtverlagerung zu sein. Habe mir allerdings fest vorgenommen dieses Laster in absehbarer Zeit ganz aufzugeben. Ich möchte das gerne im nächsten Urlaub (Juni) anpacken. Zudem habe ich in den 4 Wochen Abstinenz etwa 4 kg abgenommen obwohl ich mehr esse als vorher. Vor allem Süßes schmeckt mir jetzt recht gut - mochte ich bis vor 4 Wochen gar nicht mehr. Mit dem Gewicht habe bzw. hatte ich eigentlich nie Probleme. Normalerweise lag ich bei 1.91 Körpergröße stets bei ca. 85kg, jetzt sinds noch 81kg. Na ja, unter 80kg sollte es nicht gehen.
Ansonsten unternehme ich jetzt wieder richtig viel: Ich habe bereits in der ersten Woche nach dem Alkstop meinen 300er Roller wieder hergerichtet welchen ich das letzte Jahr praktisch total vernachlässigt habe. Bin mit diesem derzeit viel in der Gegend unterwegs. Außerdem mache ich extrem viel Sport (vor allem Joggen und Fahrradfahren). Anschließend gibts dann meistens noch nen guten, kalorienreichen Kuchen ;-).
Ich freue mich schon auf einen regen Austausch mit euch. Letztendlich hat mich dieses Forum hier überhaupt dazu gebracht mich mit dem Thema Alkohol auseinanderzusetzen und vor allem meine eigene Trockenheit anzupacken. Eure eigenen Erfahrung sind wirklich sehr lehrreich für mich. Ich hoffe, daß ich im Laufe der Zeit euch einiges davon zurückgeben kann.
So, nun gehts aber wieder raus an die frische Luft, das gute Wetter muß man ausnutzen .
Liebe Grüße und eine trockene Zeit,
Alex