Wie geht ihr in der Öffentlichkeit mit Eurer Krankheit um?

  • Hallo!

    Im Rahmen meiner LZT kam kürlich das Thema "Umgang mit meiner Krankheit im Alltag" auf.
    Einige sagten ganz klar, es gehe niemanden etwas an und sie würden es auch nicht in der Öffentlichkeit erwähnen, teilweise auch nicht in der engeren Umgebung.
    Andere, mich eingeschlossen, haben einen lockeren Umgang damit. Ich binde es nicht jedem auf die Nase, aber meine engere Umgebung weiß es.
    Sollte mich mal jemand in der Öffentlichkeit darauf ansprechen, dann werde ich es demjenigen auch sagen; werde ihm aber keine ausschweifenden Erklärungen präsentieren.
    Und wichtig für mich: wenn mir die Situation zuviel wird, dann verlasse ich sie.

    Grund für die Diskussion ist ein Vorfall eines langjährig trockenen Alkoholikers, der seinem engeren Umfeld die Tatsache seiner Krankheit immer vorenthalten hatte und nun plötzlich von einer Bekannten Person "geoutet" wurde.
    Er hatte echte Erklärungsnot und war einem Rückfall extrem nahe.

    Wie geht ihr denn mit eurer Krankheit um?
    Ist es euch peinlich, wenn man euch darauf ansprechen würde in der Öffentlichkeit?
    Habt ihr Strategien entwickelt, um damit umzugehen?

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • hallo joschi

    ich gehe mit meiner krankheit offen um. wenn ich gefragt werde warum ich keinen alkohol trinke sage ich die wahrheit.
    ich hab zwar kein schild um wo draufsteht das ich alkoholiker bin, noch erzähle ich es jedem. ich habe aber kein problem damit zu sagen das ich alkoholiker bin, egal wer da vor mit steht.
    grüße
    NNGNeo

  • Hallo Joschi,

    Du hast da ein Thema aufgegriffen, das wohl sehr viele Alkoholiker beschäftigt, zumindest zu Beginn des abstinenten Lebens.
    Als ich mich damals auf den Weg gemacht habe, habe ich wohl wirklich allen Menschen in meinem Dunstkreis aufs Auge gebunden, dass ich Alkoholikerin bin – ausgenommen meinem Arbeitgeber – weil ich so eifrig bemüht war, alle möglichen Sicherungen einzubauen, einen offenen Umgang mit der Krankheit zu leben und all das konsequent umzusetzen, was mir Langzeittrockene geraten hatten.

    Heute sehe ich es differenzierter und ähnlich wie Du. Meine Familie weiß natürlich Bescheid und ich erwähne meine Alkoholabhängigkeit auch heute noch stets gegenüber den Menschen, die mir nahe sind. Arbeitgebern werde ich diese Tatsache auch weiterhin nicht mitteilen. Wozu sollte ich mich dem Rest der Menschheit „erklären“?

    Zu Deinem Post: Diese „bekannte Person“, die einen solchen Vertrauensbruch begeht und einen Alkoholiker „outet“ – vielleicht sogar öffentlich - würde ich zunächst mal achtkantig aus meinem Leben dotzen. Der betroffene Langzeittrockene hat noch gar nicht verstanden, dass wir überhaupt keine Verpflichtung haben, anderen Menschen etwas zu „erklären“.
    Seltsamerweise glauben genau dies aber viele Suchtkranke, auch wenn sie abstinent, clean, etc. werden konnten. Sie fühlen sich schlecht und schuldig, vielleicht auch schwach und minderwertig.

    Da ihn dieser Vorfall aber so aus der Bahn schmeißen konnte, war es offensichtlich der falsche Weg, aus seiner Alkoholsucht ein solches Geheimnis zu machen, als hätte man eine Leiche im Keller. Wissen die Familie und die engsten Freunde aber darüber Bescheid, ignoriert man seine eigene Krankheit nicht, der Druck wird weniger und zusätzlich ist es eine Art Sicherung, denn von diesen Menschen kann man erwarten, dass sie uns weder Alkohol anbieten noch uns zum Mittrinken animieren wollen. Falls nicht, fliegen sie gleich besagter „bekannten Person“ hinterher.

    Ich habe noch nie erlebt, dass Jemand gefragt wurde, warum er z.B. nicht raucht.
    Sollte mich also tatsächlich Jemand mal (in der Öffentlichkeit) fragen, warum ich nicht trinke (die Frage an sich ist heutzutage in meinem Augen schon so hirnrissig, dass nur ich als Alkoholikerin auf die Idee kommen kann, ich müsste sie beantworten, mich rechtfertigen oder gar Erklärungen abliefern ;-)), würde ich heute nur noch freundlich lächelnd antworten: „Weil ich nicht will!“
    Ich kann ja schlecht erwidern: „Weil ich nicht darf“, denn niemand verbietet mir, Alkohol zu trinken. Ich bin wohl rigoroser geworden in dieser Beziehung, aber auch das hat seine Zeit gedauert.
    Aus einer Situation herauszugehen, die uns zu sehr belastet, halte ich auch für legitim und nicht für Feigheit. Ich benötige meine Energien und meine Kraft, um andere Dinge zu erledigen oder auszuhalten und verbrate sie nicht bei sinnlosen verbalen Scharmützeln, die mir überhaupt nicht weiterhelfen, mit Leuten, die mich niemals verstehen könnten, es sei denn, sie sind selbst Betroffene.

    Dir einen schönen Sonntag.

    Viele Grüße
    Katha

  • glück auf joschi

    Zitat von Katharsis

    Als ich mich damals auf den Weg gemacht habe, habe ich wohl wirklich allen Menschen in meinem Dunstkreis aufs Auge gebunden, dass ich Alkoholikerin bin – ausgenommen meinem Arbeitgeber – weil ich so eifrig bemüht war, alle möglichen Sicherungen einzubauen, einen offenen Umgang mit der Krankheit zu leben und all das konsequent umzusetzen, was mir Langzeittrockene geraten hatten.

    bei mir war das am anfang sehr ähnlich - allerdings hab ich auch auf arbeit klartext geredet - vor allem meinem chef gegenüber.

    heute sag ich immernoch jedem, mit dem ich länger als n paar minuten zu tun hab, dass ich trockener alkoholiker bin (bei ärztem is das sogar lebenswichtig - wegen der medis und so)
    nur is heute der grund, warum ichs sag, n anderer - heute bin ich stolz drauf trocken zu sein.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo Joschi,

    bis vor kurzem wußte nur mein Freund und eine Freundin, dass ich eine Alkoholikerin bin.
    Seit letztem Wochenende ein paar mehr, weil ich mich in dem großen. bekannten sozialen Netzwerk bei meinen anderen Freunden und Bekannten geoutet habe.
    Ich habe es getan, um mich nicht zu verstecken. Auch um mich selbst damit unter Druck zu setzen - dass war wohl der größte Grund.
    Mein Arbeitgeber weiß nichts davon - und so soll es auch bleiben.

    Liebe Grüsse

    Manu

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!