Beiträge von joschi018

    Grundsätzlich empfinde ich mich als körperlich gesund - nach knapp 10 Jahren Trockenheit. Das wird mir auch durch die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen bestätigt.

    Ich gehe ins Fitnessstudio, habe einen erfüllenden Job, ernähre. mich weitgehend gesund und...

    ...bin Alkoholiker!

    Ja, das Wissen darum, daß ich Alkoholiker bin und an der Alkoholkrankheit leide, ist mir bewusst. Ich laufe zwar nicht ständig mit diesem Gedanken durch die Gegend, aber es bleibt trotzdem im Bewusstsein.

    So gesehen fühle ich mich gesund, abgesehen von einer schweren Erkrankung: der Alkoholkrankheit.

    In der Therapie hatten wir einige Kandidaten, die sich sagten: "Nach der Therapie bin ich geheilt". Schön gedacht, aber leider unrealistisch.

    Geheilt werden wir niemals sein, aber es gibt Strategien, wie man gut durchs Leben kommt. Die erarbeitet sich jeder selbst, am besten mit Hilfe von aussen


    Zitat

    aber nun schreibt er mir, dass ich im Urlaub doch noch mal über einen Neuanfang nachdenken soll…

    Er sei ja jetzt gesund, ganz klar im Kopf usw

    Diese Strategie habe ich früher, im nassen Zustand, auch immer gefahren. Ist jetzt alles wieder gut, lass uns wieder weitermachen....

    Hat bloss nie funktioniert, denn solche Sätze (mein subjektiver Eindruck) sind blosser Selbstbetrug. Sich die Dinge schön reden (was bei mir jahrelang funktioniert hat).

    Mit meiner Trockenheit kam Veränderung, in allen Bereichen. Wohnung, Arbeit, Freizeitgewohnheiten. Ohne diese Veränderungen würde ich hier nicht trocken schreiben....

    Vielen Dank für die Reflextion, so laaaangsam habe ich den Dreh raus wie meine Mitmenschen und vor allen Dingen ich selber mit meiner Sucht umgehen werde

    In meiner nassen Zeit haben mich meine Mitmenschen nicht interessiert, Hauptsache ich konnte saufen!

    Als ich trocken wurde, zu Anfang der Therapie, habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, wie wohl meine Umgebung, Kollegen, Freunde usw. darauf reagieren, daß ich plötzlich nicht mehr trinke.

    Bis ich dann feststellte, daß nur eines wichtig war:

    Wie ICH selber mit meiner Sucht umgehe und wie ICH darüber denke!!

    In der Therapie hatte ich immer das Gefühl, egoistisch zu sein, weil sich alles um meine Erkrankung dreht. Bis ich dann erkannt habe:

    Ja, ein gesunder Egoismus hilft ungemein, mehr Selbstvertrauen aufzubauen.

    Gehen muss man den Weg des Alkoholikers aber alleine.

    Richtig gelesen: "des Alkoholikers" - denn das sind wir hier alle. Alles andere wäre in die eigene Tasche gelogen.

    Zu den Gruppen (AA usw.).

    Am Anfang meiner Therapie dachte ich noch, "was soll ich da, die können mir eh nicht helfen..."

    Im Laufe vieler Sitzungen habe ich aber festgestellt, daß dort ein riesiges Potential an "Krankheitserfahrung als Alkoholiker" besteht und so habe ich mich an den vielen Geschichten, Erfahrungen "bedient" und das, was für mich brauchbar erschien, gesammelt.

    Aus dem sammeln von Erfahrungen mit anderen Betroffenen hat sich dann im Laufe der Zeit eine stattliche Sammlung angehäuft. Aus dieser Sammlung habe ich dann das herausgesucht, was in meinen Notfallkoffer gehört und bis heute drin ist.

    Heute, nach 8,75 Jahren Trockenheit hat sich folgendes als "Lebenswichtig" herausgestellt:

    - die Erkenntnis, daß ich Alkoholiker bin und an einer unheilbaren Krankheit leide und meinen trockenen Weg niemals alleine geschafft hätte

    - ich akzeptiere, daß ich, wenn nötig, mir sofort Hilfe hole

    - ich in der Lage bin, mich selbst zu reflektieren

    - ich jeden Tag neu beginne mit dem Satz "auch heute werde ich trocken leben..."


    Kleine Anekdote:

    ich hatte ein paar Jahre vor meiner Therapie mal die Entscheidung getroffen, 1 Jahr nicht mehr zu trinken. Um mir zu beweisen, daß ich das auch alleine kann.

    Ja, das 1 Jahr habe ich eiskalt durchgezogen - um dann prompt am nächsten Tag sofort wieder neu mit Alkohol durchzustarten. Dabei der Gedanke " na seht ihr, ich kann's doch..."

    Daß ich dann Jahre später meinen absoluten Tiefpunkt hatte und schlußendlich doch eine Therapie machte, hätte ich damals nie gedacht...

    Gruß

    joschi

    Hallo Crissi!

    Hab gerade Breitschaftsdienst, deshalb noch eine späte Antwort.

    Nach ebenfalls 8,5 Jahren kenn ich die Träume nur zu gut. Aber ich kann mit ihnen umgehen, weil ich mir eine Visualisierung geschaffen habe.

    Visualisierung:

    Ich bin Alkoholiker und werde dies den Rest meines Lebens bleiben. In meinem Geist (Gehirn, Gedanken...wie auch immer man es nennen möchte) habe ich meinem "Alkoholiker-Ich" einen kleinen Raum geschaffen, in dem er leben kann. Vernichten kann ich ihn nicht, denn er gehört zu mir. Ich habe ihn viele Jahrzehnte "gefüttert" und habe auch jetzt, in der Trockenheit, eine Verantwortung ihm gegenüber.

    deshalb darf er bleiben, allerdings mit strengen Regeln.

    Er darf gerne mal seine Gedanken mit mir teilen, ich werde ihm aber nicht darauf antworten. Er kann mir auch gerne Bilder (= Träume) schicken, auch diese werde ich unkommentiert lassen.

    Diese Botschaften sehe ich als "Geschenk" und gleichzeitig als Ermahnung, diesen Weg nie wieder zu beschreiten.

    Mein Alki-Ich kann da gerne drin schwelgen; ich muss es zum Glück nicht mehr.

    Und ja- es gibt da Träume, die schon sehr heftig sind und ich wach werde und denke: "Boah...was hat er sich denn heute Nacht wieder ausgedacht!"

    Und so kommen wir beide gut miteinander aus.

    -Ende-

    Ein wichtiger Punkt für mich kommt hinzu: In all den Jahren vom Entzug bis jetzt habe ich mich selbst beobachtet und reflektiert (was ich erst in der Therapie gelernt habe) und stelle jeden Tag aufs neue fest:

    All das, was ich jetzt bin, was ich beruflich umgesetzt habe und wie ich heute mein Privatleben gestalte, wäre nie geschehen, wenn ich weiter gesoffen hätte.

    Nein, sehr wahrscheinlich wäre ich mittlerweile nicht mehr am Leben....

    Wenn ich morgens aufstehe, schaue ich in den Spiegel und bedanke mich für die letzten 8,5 Jahre.

    Weiterhin trockene Grüße..

    Joachim

    Hallo Dagmar!

    Du schreibst 2 sehr markante Stichworte "nie mehr".

    Während meiner Therapie hatten wir in der Gruppe den Auftrag, einen Leitsatz zu finden, den wir in unser Alltagsleben mitnehmen können - quasi ein roter Faden für die zukünftige Trockenheit.

    Hier hatte ich am Anfang auch den Satz "Ich trinke nie mehr Alkohol" notiert. Ich haba dann im Laufe der Zeit und vielen Einzel- und Gruppensitzungen festgestellt, daß "nie mehr", oder "nie wieder" eine völlige Utopie ist.

    Warum?

    - ich kann nicht in die Zukunft schauen, also weiß ich es nicht

    - Werde ich niemals mehr einen Rückfall erleiden? Weiß ich auch nicht.

    Was ich aber weiß:

    - daß ich eine unheilbare Krankheit habe

    - daß ich mein Leben so einrichten kann, daß es alkoholfrei bleibt

    - daß ich auf mich achten muss - nicht nur zu Beginn der Trockenheit, sondern für den Rest meines Lebens

    - daß ich die "Notfallmassnahmen", die wir in der Therapie erarbeitet haben, im Alltag auch anwende, wenn es nötig ist

    In der Therapie habe ich gelernt, zu reflektieren; das konnte ich vorher überhaupt nicht.

    Was die Erkenntnis der Co-Abhängigkeit angeht:

    Zum damaligen Zeitpunkt, 2012 (2 Jahre vor meinem Entzug/Therapie) hatte ich nur das Gefühl "ich muss hier aus der Beziehung raus". Aus 2 Gründen:

    - damit ich endlich ungestörter saufen kann

    - damit ich meine Lebensgefährtin nicht weiter mit meinem Verhalten belaste

    Es war mir damals auch alles vollig egal, Hauptsache soviel Funktion aufrecht erhalten, daß Geld reinkommt und ich saufen kann.

    Daß es sich um Co-Abhängigkeit handelt, kam erst während der Therapie: Meine Therapeutin fragte, ob ich Familie ins Programm einbinden wolle. Da gab es aber nur meine Lebensgefährtin (Family lebt in USA) und da merkte ich plötzlich, daß ich sie nicht sehen will.

    Ich habe dann einige Einzeltherapiesitzungen zu dem Thema gehabt und da erkannt, daß sie Co-Abhängiger ist und ich sie quasi mit meinem Auszug "geschützt" habe.

    Im Nachhinein bin ich froh, daß es so gelaufen ist, denn ich hätte sie mit in den Abgrund gerissen.

    Statt dessen habe ich sie dann im Sommer geheiratet....😎

    Weihnachtliche Grüße....

    joschi

    Für Deine Rückmeldung vielen Dank, joshi!

    Mutmacher für die Trockenheit sind immer sehr willkommen in unserer Selbsthilfegruppe!

    Glückwunsch zur Hochzeit und weitere Nachrichten von Dir lesen wir hier im Forum sehr gerne!

    Immer schön weiter so! :thumbup:

    Ja, ich werde mich bemühen, mal wieder mehr zu schreiben. Ganz ehrlich: ich vergesse es oft, daß da draussen noch viele Leidensgenossen sind, die erst am Anfang stehen.

    2022 neigt sich dem Ende entgegen, daher mal ein kleines Update.

    Grundsätzlich hat sich seit dem letzten Post vor 1 Jahr nicht viel verändert.

    Mein Leben geht seinen gewohnten, alkoholfreien Gang. Ich nutze die Freiheiten, welche ich durch die Trockenheit gewonnen habe und freue mich jeden Tag, daß ich 2014 den entscheidenden Schritt getan habe.

    Trotzdem bleibt eines bestehen:

    - ich bin weiterhin Alkoholiker und werde dies bis zu meinem Lebensende bleiben

    - es flackern immer mal wieder kleine "Gedanken" zum Thema "Alkohol trinken" auf, was aber nie einen Suchtdruck auslöst. Diese "Momente" registriere ich und hake sie unter der Rubrik "Danke für die Erinnerung" wieder ab.

    Was gibts Neues?

    Nun, ich habe den Schritt gewagt, ein 3. Mal zu heiraten, 1 Monat vor meinem 60ten Geburtstag!

    Mit meiner Frau bin ich nun 25 Jahre zusammen und sie hat mich durch meine Alkoholkarriere eine langes Stück begleitet, sowie auch durch meine Therapiezeit und die kommenden trockenen Jahre.

    Allerdings hatten wir eine Trennungsphase von gut 4 Jahren.

    Aus gutem Grund:

    Während meiner nassen Phase war mir meine Lebensgefährtin keine große Hilfe, weil sie zu sehr Co-Alkoholikerin war. Sie hat mir eher zugearbeitet, z.B. mich bei der Arbeit krank gemeldet usw.

    Irgendwann merkte ich dann, daß ich so nicht vorwärts komme und habe die Beziehung beendet.

    Als ich dann die Entscheidung traf, in Entzug und Therapie zu gehen, war sie aber wieder da und hat mich unterstützt.

    Das Thema "Co-Abhängigkeit" haben wir ausführlich besprochen und sie stimmte mir da auch voll zu. Sie hatte sich damals einfach nur hilflos gefühlt, mir beim täglichen Verfall zuzuschauen und hatte auch keine Idee, wie sie helfen könnte.

    Und so geht es weiter.....in knapp 3 Wochen ist das Jahr zu Ende und ich gehe in mein 9. trockenes Jahr - unfassbar!

    In diesem Sinne.....liebe Grüße von joschi

    Hallo - ich hätte da eine Frage als CO: "Wie ist das eigentlich; gibt es als trockener Alkoholiker Tage, wo du nicht einen Moment an Alkohol denkst? Ich kann mir das als CO nicht so richtig vorstellen?

    Gruss Ste

    Ja, die Tage gibt es und sie werden immer mehr.

    Direkt nach der Therapie waren sie nur spärlich vorhanden, da dort immer noch die Angst vor einem Rückfall existiert und das Thema Suchtdruck durchaus noch präsent ist.

    Aber meine erlernte Metode (Notfallkoffer) hat mir da immer gut geholfen.

    Jetzt, 7 Jahre später gibt es unterschiedliche Tage:

    Trinkwunsch (auch Suchtdruck):

    ist faktisch nicht vorhanden, aber trotzdem nicht zu 100% verschwunden. Mein kleiner "Trinkfreund", dem ich in meiner Psyche ein ruhiges Plätzchen geschaffen habe, wird es immer mal wieder probieren.

    Bsp: Ich hatte vor ca. 2 Jahren mal plötzlich abends so einen wilden Einfall nach einem kühlen Weizen. Da ich aber diesen Mechanismus des Suchtdrucks bei mir gut kenne, habe ich mich dem Gedanken mal für eine halbe Stunde hingegeben in einer Art "Zwiegespräch". Dieses endet dann aber immer mit der Erkenntnis:

    "Nein Danke! Sollte ich das zulassen, werde ich mich wieder an den Anfang zurück katapultieren!"

    Die Freiheiten, die ich durch die Trockenheit gewonnen habe, werde ich nicht mehr aufgeben. Das wäre in meinem damaligen, versoffenen Zustand nie möglich gewesen.

    Gedanken rund um Alkohol:

    Die gibt es öfter. Zum einen, wenn ich wieder jemanden an der Kasse stehen sehe, der Alkohol kauft und seine "Pseudoeinkäufe" dazu legt.

    Oder ich wieder jemanden lallend durch die Gegend torkeln sehe.

    Da sehe ich mich immer wieder, wie ich damals agiert habe und bin dankbar für den Schritt in die Trockenheit und dankbar für die Hilfe, die ich aus unterschiedlichen Kanälen bekommen habe.

    Genauso, wie die Alkoholkrankheit niemals besiegbar oder heilbar ist, genau so wenig kann ich Alkohol aus meinem Umfeld verbannen. Spätestens beim einkaufen begegnet er mir wieder. Und spätestens dann kann es sein, daß mich ein Gedanke einholt, nach dem Motto: "Weisst du noch, damals?"

    Passiert aber nun nicht dauernd....aber es ist gut, daß es passiert.

    Hallo joshi,

    erstmal finde ich es gut das du dich hier im Forum rege beteiligst. Aktiv sich sich einzubringen um andere zu unterstützen ist Selbsthilfe. Ich setzte mich immer wieder den Situationen aus in denen ich auch mal war. Wie lange bist du nun schon (am Stück) trocken?

    Im Juli werden es 7 Jahre am Stück. Hab meine Therapie von August 2014 bis Februar 2015 auf dem Falkenhof gemacht (Bensheim).

    Leiden war das falsche Wort. Nein, ich leide nicht, ganz im Gegenteil.

    "Ich leide an dieser Krankheit" soll vielmehr heissen "Ich habe diese Krankheit" - denn sie ist da und wird uns nicht mehr verlassen.

    Das "Alkoholteufelchen"; da fiel mir nix besseres ein.

    In meiner Therapie habe ich mir vieles durch Visualisieren klar machen können. Auch das Suchtgedächtnis.

    Ein psychischer Anteil von mir ist der Alkoholiker. Den kann ich nicht bekämpfen, das würde nur zu noch mehr Kampf führen.

    Nein - ich habe dieser imaginären Figur, dem "Teufelchen" einen Platz in dem imaginären Haus meiner Psyche gegeben. Dort darf er sich aufhalten und an meinem Leben teilnehmen.

    Aber er darf es nicht mehr bestimmen. Er meldet sich zwar durch dezentes "anklopfen" mit subtilen Ideen, warum man ausgerechnet jetzt trinken könnte.

    Da greift aber ein Part aus meinem "Notfallkoffer", das schnelle reflektieren:

    - ich lasse zu, das dieser Gedanke kommt

    - ich höre mir diesen Gedanken auch an

    - ich starte mein "Was wäre wenn"-Spiel: spätestens da heisst das Ergebnis: NEIN

    Mein "alkoholischer Freund" muss das dann so akzeptieren; weitere Gedanken verschwende ich nicht daran.

    Hört sich abstrakt an, aber damit komme ich seit 7 Jahren sehr gut um die Runden.

    Und der Notfallkoffer - also das erarbeiten von Strategien, falls mal "Suchtdruck" oder "Trinkgedanken" kommen - war ein ideales Mittel, um passende Strategien für sich selbst zu entwickeln.

    Zu Anfang, direkt nach der Langzeittherapie, sind die noch sehr fragil. Irgendwo im Hinterkopf war immer noch die Angst, irgendwas falsch zu machen.

    Im Laufe der Jahre entwickelt man aber eine Routine und wird lockerer, souveräner.

    Das schafft viel mehr Selbstvertrauen und dadurch habe ich eine völlig neue Form von Freiheit erlangt.

    Gruß....

    Hier mal eine kleine Fortsetzung meines "Tagebuchs".

    Wie geht es mir heute?

    Sehr gut, ich habe die letzten 24 Stunden (und viele davor) nichts getrunken und fühle mich wohl.

    Damals, zum Ende der Therapie hatte ich noch Angst vor zuviel Euphorie. Davor, daß ich in einem Anfall von "Glücklichsein" wieder zu trinken anfange.

    Davor bin ich mittlerweile schon lange gefeit.

    Ja, ich habe auch meine glücklichen Momente (wär ja schlimm, wenn nicht), betrachte sie aber nicht mehr skeptisch. Ich genieße sie und sollte ich merken, daß die Euphorie etwas zu sehr ausschlägt, dann schaue ich einfach, ob aus Euphorie Anspannung wird.

    Das war damals Teil meines "Notfallkoffers", den ich mir zu Therapieende mit meiner Therapeutin zusammen gepackt habe.

    Man nennt es auch "reflektieren". Ich visualisiere mir eine Skala von 1 bis 10. 1 ist völlig entspannt und 10 ist maximale Anspannung.

    Diese Anspannung führte früher immer zum Alkoholkonsum.

    Und deshalb achte ich jetzt auf Zeichen dieser Anspannung.

    Das hört sich jetzt fürchterlich kompliziert an, aber im Laufe der trockenen Zeit bekommt man ein gutes Gespür für seinen Körper und vor allem für seine Psyche. Und dann geschieht dieses reflektieren fast automatisch.

    Trotzdem betrachte ich mich nicht als "geheilt".

    Denn "geheilt" gibt es bei der Alkoholkrankheit nicht!

    Mir gehts gut, ich habe keinerlei Probleme mit Alkohol, ich muss nicht trinken - trotzdem leide ich weiter an dieser Krankheit und muss aufmerksam sein.

    Das heisst aber nicht, daß ich Angst haben muss. Schon gar nicht vor Rückfällen.

    Respekt sollte man aber haben; vor den fiesen Maschen des kleinen "Alkoholteufelchens" in unserem Geist. Der versucht es nämlich immer wieder.

    In diesem Sinne....

    joschi

    <BonnieS>: Da kann ich nur sagen: Achte auf dich selbst, lass dich nicht in den Sog deines Vaters reinziehen.

    In den vielen Jahren meiner Sauferei habe ich es perfekt verstanden, mein Umfeld einzuwickeln und dafür zu sorgen, daß sie mich immer wieder auffangen.

    Bedankt habe ich mich damals nie dafür - es war selbstverständlich, daß da jemand war, der mich aus dem Schlamassel holt.

    In meiner letzten Beziehung fand ann auch die Kehrtwende statt. Denn plötzlich war es meine Partnerin, die mir ständig den Rücken frei gehalten hat, wenn ich mal wieder hackedicht war und nix mehr auf die Reihe gekriegt habe.

    Und dann, nach fast 15 Jahren Beziehung, habe ich plötzlich festgestellt, daß ich sie nur ausnutze. Um sie zu schützen, habe ich die Beziehung beendet - sie selbst hätte diesen Schritt nie gemacht.

    Erst dann konnte ich erkennen, daß ich ein Problem habe und bin in eine Therapie gegangen.

    Ich habe mir nach meiner Therapie oft gewünscht, meine Umgebung wäre etwas rigoroser gewesen mit mir, hätte mich mal vor die Wand fahren lassen.

    Deren "Service" hat mir im nachhinein nur geschadet.

    Heute ist meine damalige Lebensgefährtin meine beste Freundin und Nachbarin :) Und sie hat mir bestätigt: Hätte ich die Beziehung nicht beendet, würden wir heute noch im Sumpf meines Alkoholismus rumeieren: ich als Alkoholiker und sie als Co-Alkoholiker

    Gruß....

    Ich hatte auch eine lange Auszeit und bin hier nur gelandet, weil mich eine Mail vom neuen Forenbetreiber erreicht hat.

    Freue mich schon auf gute Diskussionen...

    Joe

    Ich war hier ja schon wirklich lange nicht mehr (zuletzt 2019). Zuerst dachte ich an Spam bei der Mail bzgl. der Forenumstellung.

    Aber jetzt schau ich doch mal hier vorbei.

    Also...man sieht (schreibt) sich...

    Gruß

    joschi

    Hallo Knagga!

    Schön, daß du hier bist!

    Ich war ein Kneipengänger und bin nie unter 10 Bier aus den Kneipen raus. Aufgehört hatte das, nachdem ich mehrmals unangenehm aufgefallen war. Danach habe ich für mich alleine gesoffen.
    Bevorzugt Bierdosen, weil die in der Leerguttüte nicht so klimpern!

    2014 habe ich es dann soweit getrieben, daß ich merkte, wenn ich jetzt weitermache, werde ich daran zugrunde gehen....
    Während der Therapie habe ich wichtige Dinge für mich gelernt:
    - ich habe eine unheilbare Krankheit - den Alkoholismus - und muss mit ihr leben
    - das Suchtgedächtnis wird immer da sein und zu bestimmten Anlässen wieder zum Vorschein kommen
    - ich kann damit nur trocken weiterleben, wenn ich eine klare Entscheidung für mich treffe, in meinem Fall: "Ich lebe weiter ohne Alkohol!"

    Das Wort "Nie" (im Sinne von "nie mehr Alkohol) funktionierte in meiner Entscheidung nicht, denn ein "Nie" hatte für mich so etwas verbotenes, bestrafendes. Und darauf reagiere ich sehr allergisch....

    Ich bin jetzt fast 5 Jahre trocken und kann folgendes Fazit ziehen:
    Es geht mir ohne Alkohol bedeutend besser, mein Leben hat sich um ein Vielfaches bereichert. Alleine die Tatsache, an einem schönen Sommertag nicht angetrunken irgendwo am See/Schwimmbad.... zu sitzen, ist schon ein großer Erfolg.

    In meinem Suchtgedächtnis gibt es immer Momente, wo dieses mal aufblitzt und mir ein Bierchen schmackhaft machen will. Ich höre da genau hin und blicke auf meine Trockenheit zurück - danach schicke ich das Suchtgedächtnis wieder in seine dunkle Ecke.

    Vermisst habe ich den Alkohol bis jetzt noch nicht.....

    Gruß
    joschi

    Hallo in die Runde!

    Eigentlich wollte ich einen neuen Thread anfangen, aber ich mache hier einfach weiter, weil dieser Thread ja im Prinzip mein persönliches Tagebuch darstellt.

    Ich war jetzt über 2 Jahre nicht hier aktiv, erst gestern fiel mir auf, daß da ja noch ein Account existiert.

    Löschen wollte ich den Account aber nicht, weil es mir dann doch wichtig ist, meine Geschichte zu erzählen. Evtl. profitiert ja schon der nächste davon! Ich habe zu Anfang meiner Trockenheit auch von den Geschichten der anderen Alkoholiker profitiert.
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    Nun sind mittlerweile erneute 2,5 Jahre vergangen, in denen ich weiterhin trocken geblieben bin.

    Am heutigen Punkt angelangt kann ich feststellen, daß sich meine Trockenheit gut gefestigt hat und es keine Situationen gibt, die mich irgendwie zum wanken bringen oder wo ich schwach werden könnte.
    Woran liegt das?

    Weil ich die Entscheidung damals in der Klinik, mein weiteres Leben ohne Alkohol zu verbringen, in meinen Alltag integriert habe. Meine Bekannten kennen mich nun als "Antialkoholiker" und neuen Bekanntschaften erkläre ich lapidar, daß ich eben keinen Alkohol trinke.
    Erklären musste ich mich noch nie, ausser einmal, da kam eine kurze Nachfrage: "Naja, einen kleinen kann man sich doch genehmigen!".
    Dazu gab es dann von mir ein kurzes: "Nein, ich vertrage keinen Alkohol!" - und damit war das erledigt.

    Bin ich nun trocken, ohne jemals Gedanken an Alkohol zu haben?
    Nein, das gibt es nicht. Ich bin Alkoholiker und werde zwischendurch immer mal wieder "alkoholische Gedanken" haben. Das lässt sich nicht abstellen. Wichtig ist, wie ich damit umgehe.
    Es sind keine Gedanken im Sinne von "...ich will Alkohohol/trinken....", sondern "was wäre wenn"-Gedanken. Mit denen gehe ich aber recht konsequent um, indem ich sie zulasse, ihnen aber nicht nachgebe!

    Ein Gedankengang nach dem Motto "Was wäre wenn" bringt mich immer blitzschnell auf den Boden der Tatsachen zurück und zeigt mir meinen Weg, den ich bisher gegangen bin. Es ist eine Selbstreflexion, eine kritische Sicht auf das eigene Verhalten. Und das schadet mir zwischendurch nicht.
    Wichtig für mich: es hilft mir, konsequent zu bleiben.

    Genauso ist es mit den "Alkoholträumen":
    Zu Anfang der Trocjenheit waren die teils sehr heftig; mittlerweile ist das nur noch "Traumgeplänkel". Es kommt selten zu solchen Träumen (hab sie nicht gezählt, aber so 4-5x/Jahr), in denen ich gezielt zum Alkohol greife. Aber selbst im Traum eskaliert das nicht mehr und ich erkenne, daß ich die Finger davon lassen muss.
    Ich mache mir da aber keine großen Gedanken mehr - ich sehe, was ich jeden Tag trocken erreiche und das ist Motivation genug.

    Selbstschutz
    Sehr wichtig!
    Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, sofort auf Situationen zu reagieren, in denen ich früher gesoffen hätte. Heute gibt es diese Situationen extrem selten, weil ich nur selten auf Partys gehe oder irgendwo bin, wo gesoffen wird.
    Es sind eher Situationen wie im folgenden Beispiel, welches ich Ende letzten Jahres erlebt habe:
    Ich hatte keine Lust auf meinen bisherigen Job in der Klinik (als Krankenpfleger) und hab beschlossen, ein paar Monate LKW zu fahren (Führerschein hatte ich noch...)

    Im Oktober habe ich dann bei einer Firma angefangen, wo gerne getrunken wird. Nicht während dem fahren, aber abends auf der Raststätte. Zum Glück hatte ich einen Kollegen dabei, der selten Alkohol trinkt, von daher war es akzeptabel.
    Bis wir dann, 4 Wochen später, das Fahrzeug gewechselt hatten. Als ich mir abends auf der Raststätte mein Bett zurecht machte, kamen da diverse Flachmänner zum Vorschein.
    Okay, ich hatte kein Problem damit und auch kein Verlangen, diese zu trinken (oder überhaupt zu trinken).
    Aber die Tatsache, daß ich in meiner engsten Umgebung Alkohol vorfinde, ging nun gar nicht. Mein Prinzip: in meinem häuslichen Bereich gibt es keinen Alkohol und auch nichts, was an Alkohol erinnert (Biergläser etc.)

    Und jetzt die Flachmänner!
    Da habe ich für mich beschlossen, die Reißleine zu ziehen und habe gekündigt.
    In der zweiten Firma lief das ähnlich und auch da hab ich dann aufgehört, weil zuviel Alkohol um mich herum existierte.

    Selbstschutz geht mir über alles! Ich erkenne mittlerweile auch sehr schnell, ob irgendwo Alkohol drin ist. Bin ich mir unsicher, lasse ich es stehen (Kuchen oder Torten z.B.)
    Es gibt dann aber auch die lustigen Anekdoten, die aus Unwissenheit der anderen passieren. Z.B. habe ich Mitte Dezember wieder in der Pflege angefangen zu arbeiten und war auf die Weihnachtsfeier eingeladen. Die Belegschaft hatte gewichtelt und meine Chefin wollte mir nun auch ein Geschenk zukommen lassen.
    Also bekam ich eine Tüte mit:
    - Schokolade (gut!)
    - 1 Flasche Rotwein (ups!)

    Als ich die Flasche auspackte (aus Neugier, was man mir nun geschenkt hatte), meinte meine Chefin: "Na, ist der Rotwein ihr Geschmack?"
    Darauf kam meine sehr spontane Standardantwort: "Danke für die Schokolade, aber ich trinke keinen Alkohol!"
    Damit war das blitzschnell erledigt. Es kam auch gar keine Nachfrage mehr.
    Zu Anfang meiner Trockenheit hatte ich vor solchen Situationen Angst, weil ich mich evtl. erklären muss, aber das passiert nie. Heutzutage ist es akzeptiert, keinen Alkohol zu trinken - vor 30 Jahren hätte es permanent dumme Kommentare gehagelt.

    Selbsthilfegruppen
    Bin ich zu Anfang regelmäßig hingegangen, mittlerweile gar nicht mehr. Das hat den einfachen Grund, daß sich dort die Diskussionen oft im Kreis drehen und ich diese schon tausendmal gehört habe. Das brauche ich nicht mehr...
    In einer anderen Gruppe gingen mir dagegen ein paar Leute auf den Geist, die ihre vermehrten Rückfälle als etwas "Besonderes" hinstellten, frei nach dem Motto: "Ohne Rückfall bist du nicht wirklich trocken..."
    Auch das muss ich mir nicht geben...

    Ich habe aber immer meine AA-Onlinegruppe in der Mailbox, lese die Beiträge, kommentiere ab und zu oder schreibe selbst was. Nicht oft, aber es existiert und dabei bleibe ich auch.
    Deshalb fand ich es auch sehr passend, daß ich wieder über dieses Forum gestolpert bin und werde mal versuchen, hier ein wenig aktiv zu werden....
    Ein Termin ist für mich jedes Jahr Pflichtprogramm:
    Das Deutschlandtreffen der AA. Hab das jetzt 2x mitgemacht und es ist hypermotivierend.

    So, jetzt erst mal genug geschrieben.........ich schau mich hier mal etwas um.....

    Gruß
    joschi

    Einer meiner Trigger ist z.B. die ausufernde Euphorie bei guten Ereignissen gewesen. Da ich meistens gute Gründe fürs Saufen gesucht habe (gerade dann, wenn ich mir mal wieder vorgenommen hatte, es endlich sein zu lassen), waren es gute Ereignisse, die mir einen "Grund zum Feiern" geliefert hatten.
    Nach dem Motto: "Jetzt erst recht" hab ich dann noch einen Extraeinkauf hingelegt und abends Party gemacht.

    Heute kenne ich meine Trigger und bin froh darum, Entspannungstechniken erlernt zu haben, die ich in einer solchen Situation anwenden kann.

    Dabei ist es nun nicht so, daß ich ständig und permanent hinter jedem Busch Gefahren sehe, ich gehe schon recht entspannt durchs Leben. Aber nur, weil ich diese Trigger kenne und sie frühzeitig wahrnehmen kann.

    Wenn ich jetzt so zurückdenke, so gab es keine nennenswerten "kniffligen" Situationen, wo ich mich in Gefahr gesehen hätte. Wobei ich mich allerdings ab und zu erwische, ist das bewerten von Leuten, die im Supermarkt an der Kasse dubiose Einkäufe tätigen, eben "Scheinkäufe", um den dabeigelegten Alkohol zu tarnen.

    Oder letztens:
    Ich war auf einem Konzert, das ganze draußen bei strahlendem Wetter. Da habe ich mich im Laufe des Abends dabei erwischt, wie ich die konsumierten Bierflaschen des Nachbarn mitgezählt hatte.
    Hab es dann aber schnell gemerkt und mit einem "Hast du nix besseres zu tun?"-Grinsen zu den Akten gelegt.

    Früher hat so eine Situation, ob an der Kasse oder auf einem Konzert, eine Anspannungssituation in mir ausgelöst, die sich kontinuierlich gesteigert hat. Die einzige Methode, das aufzulösen, war dann das exzessive Trinken.

    Ich bin sehr dankbar dafür, daß ich heute schöne Momente als solche wahrnehmen kann und auch genießen kann - und das mit klarem Verstand...

    Hallo!
    Ja, ich nutze eine Gruppe, um den Focus nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist für mich extrem wichtig.
    Wie schon erwähnt: Wie gerne blenden wir unangenehme Dinge irgendwann aus, als wären sie nie existent.

    Das Thema Veränderung ist ganz stark in den Vordergrund getreten seit der Therapie und ist auch heute noch aktuell. Ohne Veränderung und Reflektion der jeweiligen Situation geht es nicht.
    Wäre ich in das alte Muster wieder abgetaucht, dann wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der erste Kronkorken wieder fliegt.

    joschi

    Hallo!

    Da ich ja schon lamge nichts mehr geschrieben habe, hier mal ein erneuter kleiner Bericht.

    Im Februar 2015 hatte ich ja meinen letzten Bericht verfasst und dort sprch ich von dem Pfeiler, der noch erst mit Material gefüllt werden muss, um stabil zu bleiben.
    Was ist nun mit diesem Pfeiler?

    Mittlerweile sind weitere 1,5 Jahre seitdem vergangen und ich kann von mir behaupten, daß ich diesen Pfeiler schon soweit gefüllt habe, daß er sehr stabil steht und mittlerweile auch einiges an zusätzlichen Belastungen aushalten kann.

    Das einzige, was Bestand hatte in der verganenen Zeit, war meine Trockenheit, die ist und bleibt an oberster Stelle. Darauf achte ich und sorge dafür, daß meine nasse Zeit und die Therapiezeit nicht in Vergessenheit gerät.
    Meine Arbeit ist immer nooch die gleiche aber seit Juli 2015 habe ichh endlich die Insolvenz hinter mir und kann seitdem viel entspannter agieren, da ich nicht mehr über die Hälfte meines Gehaltes abgeben muss.
    War aberr auch ok, so bin ich wenigstens meine knapp 50k Schulden losgeworden. Eines kann ich rückwirkend sagen:
    Meine Sauferei an sich war schon anstrengend, das ständige verheimlichen, lügen und vertuschen. Aber finanziell an der Abbruchkante zu agieren, hat zusätzlich für Belastungen gesorgt. Aus dem Thema Schulden habe ich auch oft genug einen erneuten Grund zum saufen gebastelt.
    Auch meine Depressionen hatten zu einem gewissen Teil ihre Ursache in der bewältigung der Schulden.

    Die Zeit nach der Insolvenz war dann am Anfang sehr kniffelig, denn hier hätte blitzschnell ein Grund zum Saufen drin stecken können. Zum Glück habe ich mir in der Therapie die Entscheidung, trocken zu bleiben, gut überlegt.
    Einige halfen sich damit über die Runden, .."erst mal das nächste Jahr trocken zu bleiben...", oder schhafften sich sonstige Hintertürchen. Und die freudige Botschaft vom Ende meiner Insolvenz hätte somit schief gehen können, wenn ich meine Entscheidung anders formuliert hätte.

    So habe ich mich aber für ein Leben ohne Alkohol entschieden, als Mensch zu leben, der keinen Alkohol trinkt. Und das kann ich mittlerweile mit einer Gelassenheit tagtäglich anwenden; in meiner nassen Zeit wäre das undenkbar gewesen.

    Mein Tagesablauf ist der ganz normale mit Arbeit, Freizeit, Freunden usw. Äußerlich gibt es hier keine Veränderungen, im Inneren aber schon etliche.
    Ich habe in der Therapie gelernt, gelassener mit dem Thema umzugehen, aber auch konsequenter meinen Standpunkt zu vertreten. Im Alltag sieht das dann so aus, daß ich schonmal mit Kollegen, Chefs, Verkäufern usw. diskutiere und vehement meinen Standpunkt vertrete. Das hätte ichh früher nie gemacht, weil die Angst da war, irgendwie könnte der Säufer durchsickern und die Leute merken was.
    Wenn überhaupt, hätte ich solche Diskussionen nüchtern kaum durchgestanden.

    Im Februar 2015 war ich ja noch für einige Monate in der Nachsorge der Caritas, danach habe ich nochh eine gewisse Zeit Gruppen besucht. Irgendwann kam aber eine totale Gruppenmüdigkeit auf; ich hatte einfach keine Lust mehr darauf, alles rauf und runter zu kauen und mir die zehntausendste Story von Opa Müllers kaputtem Gartenzaun anzuhören.
    Ein großes Problem stellt aber auch meine Arbeitszeit vs. Gruppenzeiten dar; die Gruppen hier sind alle abends ab 19-20 Uhr. Da ich aber oft Spät- oder Nachtdienst habe, kann ich dann dort nicht hin. Und am freien Tag bin ich dann meist anderweitig beschäftigt.

    edit Karsten - bitte keine Ablaufbeschreiungen von anderen SHG - edit

    Viele zucken immer bei dem Wort AA, aber das kann jeder halten wie er will. Ich sehe darin für mich eine Möglichkeit, mein Thema immer im Fokus zu haben und es nicht zu vergessen.
    Ich habe einige mittlerweile getroffen, die rückfällig wurden, weil sie u.a. dem Trugschluss verfallen waren, "...eines Tages ist mal gut, Schwamm drüber..."
    Für mich ist das nicht diskutabel. Die Alkoholkrankheit ist ein lebenslanger Prozess, der nicht endet. Sie ist im Moment im Griff, ich kontrolliere sie, aber trotzdem bleibt sie ständig präsent. Sobald ich sie aus den augen lasse und denke, "..Geschafft!", kommt sie und wird mich überrennen.
    Daher muss ich derjenige sein, der präsent ist und auf sich aufpasst.

    Anderes Beispiel eines Rückfälligen:
    Er erzählte mir, daß irgendwann (er war bereits 1 Jahr trocken) dachte: "Na jetzt darf ich aber bestimmt mal ein kleines Glas Wein trinken.."
    Ihm spielte das "..Ich darf nicht mehr...vielleicht irgendwann.." einen Streich.
    Über solche Beispiele bin ich immer sehr froh, weil sie mir vor Augen führen, wo überall die Fallen lauern.
    Deshalb bin ich froh, in der Therapie gelernt zu haben, sich zu reflektieren. Erst heute kann ich von mir behaupten, daß ich mich besser kenne. Ich lebe jetzt für mich, nicht mehr für die anderen.
    In meiner Saufzeit habe ich ständig die Bewertung der anderen im Kopf gehabt, sehr oft ein schlechtes Gewissen wegen der Sauferei. ich war überall, nur nicht bei mir. Um in diesen Zustand zu kommen, musste ich saufen, mich "abschießen".

    Die Füllung für meinen Pfeiler sind Dinge wie Selbstreflexion, Selbstliebe, Ehrlichkeit zu sich selber, Gradlinigkeit.
    Mein Pfeiler ist aus Glas, damit ich ständig hineinsehen kann, um die Vergangenheit nicht auszublenden.

    Unterm Strich ist es ein ständiger Prozess des weiter entwickelns, der nie enden wird. Aber trocken und mit klaren Gedanken macht er großen Spaß.

    Soweit erstmal...hab noch was vor heute...
    Ich werde in der nächsten Zeit, wenn ich es nicht vergesse, öfters mal vorbeischauen.

    In diesem Sinne wünsche ich weiterhin trockene 24 Stunden...

    joschi

    Hallo radieschen!

    Tiefpunkt hörte sich für mich immer sehr schräg an. Es hörte sich so an, daß ich erst einen Tiefpunkt erreiche, wenn ich arbeitslos, obdachlos und schwer krank auf der Parkbank liege.

    Und es gab in meiner Saufzeit eine Phase, da dachte ich: "Ihr könnt mich alle mal..." und hab mit Nachdruck auf einen möglichen Tiefpunkt hingesoffen. "Soll er doch kommen, mir egal!"

    Egal, das war eines meiner magischen Worte. Was um mich herum passiert, was mit mir passiert - egal. Es hat mich nicht mehr interessiert, ich war einfach fertig. Aus der Abwärtsspirale Trinken und Depression kam ich schon lange nicht mehr raus - mir war ja noch nicht mal bewusst, daß ich da drin bin!

    Irgendwann dann ging es mir körperlich dann immer schlechter. Das ging schleichend von statten, aber es passierte. Meine Belastbarkeit war im Keller, die Arbeit habe ich gerade so noch bewältigt, nach Feierabend war ich k.o. und bin nur noch auf meine Couch bzw. ins Bett gefallen. Trotzdem war da immer noch genug Kraft, abends dann los zu ziehen und noch 10 Bier zu kaufen. Denn es hat sich so angefühlt, daß die mich wieder auf die Beine bringen. Und mich beruhigen.

    Aber die Spirale ging weiter abwärts. Und an einem Tag X habe ich mich krank gemeldet (mit dem schlechtesten Gewissen der Welt), damit ich in Ruhe weiter saufen kann.
    Ich bin dann aber keineswegs direkt in eine Behandlung, sondern habe diese freie Zeit genutzt, um rund um die Uhr zu saufen. Warum? Weils mir immer noch egal war! Mir ging es körperlich derart schlecht, daß ich fast täglich Durchfall hatte, mich kaum noch bewegen konnte (150kg), meine Strümpfe fast nicht mehr alleine anziehen konnte und übelste Mißempfindungen in den Beinen hatte.

    Auslöser war dann ungefähr 2 Wochen später dann mein Doc, der schon genau wusste, warum ich mir eine Krankmeldung geholt hatte. Er kam dann rüber mit einer Einweisung zur Entgiftung, aber ohne mir Druck zu machen ("Denken sie darüber nach, das Angebot ist da!").

    Tiefpunkt? Ja, ich war für mich an einem Punkt, wo es gereicht hat. Wenn man das Wort Tiefpunkt nun wörtlich nimmt, wäre es natürlich noch viel tiefer gegangen. Aber an diesem besagten Punkt war für mich ein Zustand erreicht, wo ich einfach nicht mehr konnte.
    Und hier habe ich etwas sehr markantes getan: Ich habe einen Wunsch formuliert, nur mir gegenüber:
    " Ich kann nicht mehr. Ich bitte um Hilfe, weil ich es alleine nicht mehr schaffe. Wo die herkommt, ist mir egal, aber bitte helf mir irgendwer, irgendwas...!"

    Das war für mich der ausschlaggebende Punkt. Bereit zu sein, Hilfe von aussen anzunehmen. Als ich 2011 mein trockenes Jahr propagiert hatte, war ich z.B. von externer Hilfe weit entfernt. Ich war zwar dem Aufruf des Forums gefolgt und war beim Arzt gewesen, aber mehr nicht. Den Rest wollte ich alleine schaffen..

    So gesehen war mein Tiefpunkt eher ein "Wendepunkt", das beschreibt es besser. Die Einsicht, daß ich es alleine nicht mehr kann.
    Denn alleine hätte ich es nie geschafft. Nicht ohne diese 8 Monate intensiver Therapie und dem ausloten meiner eigenen Möglichkeiten und Grenzen.

    Daher bin ich heute dafür sehr dankbar und auch dafür, daß ich in der Lage bin, dies hier für andere zu präsentieren. Denn es hilft mir auch dabei, diese Ereignisse immer an einem speziellen Ort im Gedächtnis präsent zu halten, damit es nicht in Vergessenheit gerät.

    In diesem Sinne....

    joschi

    Zitat von Thalia1913

    Hallo Joschi,

    ich finde deinen Bericht auch klasse, und ich wünsche dir weiterhin alles Gute bei der Einrichtung deines "neuen Alltags".

    Eine der "symbolischen Krücken" (darf ich sie "Pfeiler" nennen?) könnte doch auch das regelmäßige Schreiben hier im Forum sein? Ich jedenfalls würde mich freuen, regelmäßig hier etwas von dir zu lesen.

    LG Thalia (eher im geschlossenen Bereich unterwegs, aber hauptsächlich als Leserin auch hier "draußen")

    Danke!
    Pfeiler kann ich das noch nicht nennen, denn Pfeiler vermitteln einem ein Bild eines starken, robusten Brückenpfeilers.
    Wenn überhaupt, dann sehe ich hier das Grundgerüst eines Pfeilers, der langsam mit Inhalt gefüllt wird.

    Krücke deshalb, weil ich jetzt erst wieder neu gehen lernen muss und da sind Krücken doch schon sehr hilfreich...

    Im Forum hier beschränke ich mich vorerst mal auf meine Story oder kleinere Kommentare.
    Viele neue suchen nach Tips oder Ratschlägen. Diese aktiv zu geben, sehe ich mich aber nicht in der Position. Aber dadurch, daß ich meine Geschichte erzähle, können andere sich evtl. daraus etwas für sich mitnehmen.
    Genauso wie ich es gemacht habe.