Verstand und Gefühl

  • Hallo liebe Forenmitglieder!

    Ich lese schon seit einigen Wochen hier im Forum und habe jetzt endlich allen Mut gefasst, selbst hier zu schreiben.
    Ich stelle mich (so kurz es mir möglich ist) mal vor:
    Ich bin 25 Jahre alt und die Tochter eines alkoholkranken Vaters. Mein Vater trinkt geschätzt etwa seit ich 16 bin, also mindestens seit 9 Jahren. Meine Eltern leben schon seit meinem 3. Lebensjahr in Scheidung, aufgewachsen bin ich bei meiner Mutter und meinem (mittlerweile verstorbenen) Borderline-Stiefvater. Meine Kindheit dort war der Horror, ich bin also mit 17 zu meinem alleinlebenden Vater gezogen. Im Nachhinein weiß ich, dass er dort schon süchtig war, ich habe ihm sogar von meinem Geld seinen Alkohol gekauft - Hochprozentigen.

    Ich habe dort 3 Jahre gelebt und bin mit 20 ausgezogen, mittlerweile sogar in ein anderes Land - dort lebe ich mit meinem Freund, dem besten Menschen, den ich kenne!
    Da ich hier schon länger mitlese, sind mir sooo viele Dinge an mir aufgefallen, für die ich vorher blind war. Die Rollen zwischen meinem Papa und mir sind so vertauscht, ich verhalte mich wie seine Mutter, die ihm nichts zutraut und alles abnimmt. Dauernd streite ich mit ihm, weil er so verletztend und ungerecht wird und ich es kaum ertrage. Ich merke, wie sehr ich mich für ihn und sein Leben verantwortlich fühle und wie verdreht das eigentlich ist.

    Mit Hilfe des Forums und einer Suchtberatungsstelle habe ich es seit fast 2 Monaten geschafft, den Kontakt zu ihm auf gelegentliche SMS runterzufahren, also keine Telefonate mehr. Einfach weil ich bemerkt habe, wie aufgewühlt traurig und wütend ich nach jedem Gespräch war... das ist theoretisch natürlich ein großer Fortschritt aber richtig gut geht es mir damit nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich garnicht weiß, was es bedeutet mich um MICH zu kümmern! Auch so eine Sache die mir erst jetzt auffällt.
    Ich bemühe mich momentan um einen Therapieplatz, denn ich möchte endlich etwas ändern und mich nicht mehr so machtlos und gelähmt fühlen.

    Es tut mir einfach so weh, zu wissen wie mein Vater lebt... seine Wohnung ist ein Albtraum aus Müll, Chaos und Dreck. Als ich zuletzt dort war (im Sept/2014) konnte ich kaum atmen, ich hatte das Gefühl, dass ich in seine Seele schaue. Es war furchtbar!
    Das Wissen, dass in meinem Vater ein herzensguter Mensch schlummert, den er mit Alkohol stummschaltet, ist so schrecklich... Wenn ich wüsste, dass er ein "böser" Mensch wäre, würde es sicher leichter sein. Ich komme so schlecht von dem Gedanken weg, dass ich ihm helfen möchte. Ich weiß, dass es nicht geht und das ist so bitter!

    Ich habe soviel von euren Geschichten gelernt, mein Verstand sieht klar aber meine Gefühle lassen sich davon leider nicht beeindrucken...
    Und all die Dinge, die ich erst jetzt an mir bemerke machen mir Angst. (Vorallem seit ich das Buch "Familienkrankheit Alkoholismus" gelesen habe, dass aufgrund der Borderline-Störung meines Stiefvaters zu meiner Kindheit passt und zusätzlich zum Heute mit meinem Vater)
    Ich involvier mich unglaublich in die Probleme anderer, ich habe Angstzustände allein zu Hause, ich habe Albträume und dieses dauernde schlechte Gewissen... Ich habe das Gefühl, garnicht zu wissen, wer ich bin!
    Dazu kommt eine rasende Wut, denn er gesteht sich sein Problem nicht ein. Ich bin wütend über sein Selbstmitleid, wenn er am Telefon weint wird mir schlecht vor Zorn. Alles ist so konfus und ich habe das Gefühl, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann... deshalb entschuldige ich mich schonmal, falls mein Text vielleicht wirr klingt.

    Seit ich den Kontakt so verringert habe, geht es mir einerseits besser aber gleichzeitig auch schlechter... An Heiligabend kam eine SMS von ihm, dass er schon den ganzen Tag weinen muss. Solche SMS bewirken bei mir mittlerweile, dass ich mich wie betäubt fühle und unglaublich müde bin. Bei der letzten SMS dieser Art hatte ich kurz darauf Magenkrämpfe und habe mich nurnoch erschöpft gefühlt - geistig und körperlich.

    Ich werde von ihm nie ernst genommen und wenn es mir schlecht geht, muss er das immer "toppen" können! Beispiel: Ich lag 2 Wochen mit Lungenentzündung und Bronchitis im Bett und habe mir bei jedem Telefonat seine Wehwehchen angehört. Selten dämlich von mir. Oder meine Kindheit, die dank meines Stiefvaters ein Krieg war... voller Gewalt, psychisch und physisch. Die nimmt mein Vater gerne her um sie mit seiner Ex-Beziehung von vor 10 Jahren zu vergleichen mit den Zusätzen "Du kannst dir das garnicht vorstellen" etc.
    Das halte ich mittlerweile nicht mehr aus... ein Hauptgrund, dass ich den Kontakt jetzt so geregelt habe. Weil ich das sogar als re-traumatisierend bezeichnen würde, wie leichtfertig er mein Leid als Kind sieht. Ach keine Ahnung, diese Kränkungen lassen mich selbst jetzt nicht ganz los.

    Und nochmals entschuldigung, falls das alles etwas durcheinander ist!

    Danke an alle, die bis hierher gelesen haben! Ich hoffe, dass mir der Austausch hier hilft, meinen Weg zu finden!

    Liebe Grüße,
    Zoi

  • Hallo Zoi und herzlich willkommen hier im Forum :)

    Ich finde, du klingst sogar ziemlich sortiert. Du hast viel erkannt und dich bereits auf den Weg gemacht (Bücher, Beratung). Toll!
    Dass du eine Therapie anstrebst, macht echt Sinn.
    Ich hatte auch lange ähnliche Probleme wie du (Angstzustände beim allein bleiben, Albträume, nicht wissen wer ich bin. ..). Auch mein Vater ist Alkoholiker, meine Mutter vermutete borderlinerin, auch ich habe eine Zeit bei meinem Erzeuger gelebt...in dem gleichen alter wie du.
    Heute sind diese genannten probleme alle weg :)

    Du darfst dir halt keine Wunder- schnell- Heilung erhoffen ; )
    Bei so tiefgreifenden Schädigungen in der Kindheit. ...
    ich habe da schon einige Jährchen Therapie hinter mir.... aber- es lohnt sich!

    Liebe grüße!!

  • Hallo Zoi,

    ich finde das gar nicht wirr, was du schreibst.

    Ich kenne das so ungefähr auch. Und ich erinnere mich genau an den gefühlsmäßigen Spagat beim Kontakt-Runterfahren. Das "muß" "man" einfach mal eine Zeit lang aushalten, dann wird es leichter. So meine Erfahrung.

    Ich habe muß und man in Anführungszeichen gesetzt, weil man nix müssen muß, und in ich-Botschaften schreiben sollte statt dem verallgemeinernden "man". Aber es hat gerade so gepaßt. :lol:

    Mir ging es im Nachhinein gesehen so, daß ich beim Kontaktabbruch sogar körperliche Symptome hatte bzw. bekam, wenn von Elternseite Kontakt aufgenommen wurde, obwohl ich das ja nicht wollte. Das ging von Magenschmerzen, Herzrasen, Schwächegefühl in den Beinen, Zittern, Stimme weg, usw. usw.

    Dazu ständig der innere Dialog: Es ist richtig und wichtig was ich da für mich mache.- Aber das kann ich doch nach der langen Zeit nicht bringen. Aber die armen Eltern, ohne mich kommen die doch gar nicht klar. Oder ich bin egoistisch oder ich spinne oder oder oder...

    Nicht groß drüber nachdenken. Den inneren Dialog quasseln lassen wie Regenprasseln, das vorübergeht. Das gehört meiner Erfahrung nach dazu. Diese inneren elternloyalen Stimmen werden ruhiger und die eigene Stimme wird deutlicher und vor allem konstant deutlicher. Dauert ne Weile.

    Lieber Gruß und schreib einfach weiter deine Wirrnis heraus. Ich finde die sogar ziemlich sortiert.

    Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo liebe Girasole!

    Danke für deine Antwort :)
    Ich werde mir gleich mal deine Geschichte durchlesen, das klingt ja wirklich erschreckend ähnlich...
    Ich habe von 15-21 schon eine Therapie hinter mir, ich denke daher bin ich schon total auf Selbstreflexion getrimmt. Mit 21 hat sich mein Borderline-Stiefvater umgebracht und kurz darauf habe ich meine Therapie beendet. Ich glaube aber, dass mir genau deswegen die Auswirkungen von all dem jetzt erst bewusst werden, da ja vorher noch "Kriegszustand" herrschte und ich sowieso nie Luft hatte, dass mir irgendetwas hätte auffallen können. Meine Angstzustände und Albträume waren quasi normal im Gegensatz dazu, was da an der Tagesordnung stand.
    Und vorallem das Buch hat mir die Augen geöffnet, das war total erschreckend... ich hätte schwören können, dass das mein Tagebuch sein könnte! Echt unglaublich :D
    Ich hoffe auch, dass ich irgendwann so etwas schreiben kann wie du: Es geht mir gut! :)

    Hallo liebe Linde,

    Auch danke für deine Antwort! :)
    Ich glaube, nur ich komm mir wirr vor! Da prasseln tausende von Gedanken auf mich ein, jeden Tag, und ich versuche das dann halbswegs sortiert rüberzubringen. Scheinbar klappt das, puh!
    Ja, ich habe auch mittlerweile körperliche Symptome: Übelkeit, Kopfschmerz, Magenkrämpfe, Herzrasen (und Stolpern), Schweißausbrüche, Zittern und ich könnte es noch weiterführen... Und genau! Ich denke so oft: Gott, bist du egoistisch. Das wurde mir von Kind auf suggeriert, ich weiß wo es herkommt aber die Stimme gibt keine Ruhe und in solchen Momenten glaube ich ihr oft. Da ist dieser Zwiespalt, der mich in den Wahnsinn treibt! Soviel ist mir klar aber meine Gefühle machen was sie wollen... Grrr.
    Ich versuche deine Taktik im Moment auch: aushalten und ausharren. Mit ein paar kleinen Rückfällen, in denen ich sentimental meinem Vater meine Gefühlslage beschrieben habe - ein Schuss in den Ofen. Hoffentlich lerne ich draus!

    Leider hat auch meine Oma (seine Mutter) mittlerweile mitbekommen, dass wir nicht mehr miteinander sprechen... daraufhin kamen die typischen Aussagen: "Der hat euch doch so lieb" "Er hat doch nurnoch euch" "Der tut doch soviel für euch" (Keine Ahnung, was das sein könnte...) und da fühl ich mich natürlich wie die mieseste Tochter des Jahres. Achso, euch = ich habe noch eine jüngere Schwester.
    Beim letzten Telefonat dieser Art war ich vollkommen unvorbereitet und bin etwas lauter geworden, weil ich mit ihr darüber nicht sprechen möchte! Er ist ihr Sohn, sie sieht ihn nicht so wie ich... das muss sie auch nicht. Außerdem zweifel ich dann jedes Mal an meiner Wahrnehmung. Bilde ich mir das alles nur ein? Bin ich verrückt? Mannomann...

    Geordnetes (?) Gefühlschaos die Zweite :D

    Liebe Grüße und danke euch für´s Lesen!

    Zoi

  • Noch ein kleiner gedanklicher Anhang:

    Ich selbst bin meine größte Kritikerin - das sagt mein Freund oft zu mir. Dinge, die ich bei anderen total normal finde wie zB. weinen, die kritisiere ich stark an mir. Ich hasse es, wenn ich weine. Ich merke dann ganz oft, dass ich mich fast wie eine Maschine betrachte, die ich dauernd korrigieren muss damit sie läuft! Ich will ja nicht egoistisch rüberkommen, rumheulen, schwach wirken. Das möchte ich wegbekommen, das ist eins meiner Ziele.
    Und ich habe so ein unfassbares Glück mit meinem Freund, ich hätte nie gedacht, dass es solche Menschen gibt. Wie ein Alien in Menschengestalt :D
    Und deswegen möchte ich auch glücklich sein. Ich möchte mich mögen lernen... obwohl es noch weit entfernt klingt für mich! Ich möchte nicht mehr in den Spiegel gucken und denken: Wer ist das?
    Es gibt Tage, da denke ich, dass ich ein Überbleibsel meines bisherigen Lebens bin... Ich hätte mehr sein können, vielleicht ganz anders? Welche "Eigenschaften" sind meine, welche wurden mir eingetrichtert? Mein Vater ist da auch wenig hilfreich, weil er genau diese Gedanken nährt. Immer schon glaubt er, dass ich nichts alleine schaffen würde. Wenns nach ihm ginge, hätte ich noch nichtmals einen Schulabschluss und würde wahrscheinlich unter der Brücke hausen!
    Das allerletzte Telefonat mit ihm (vor den 2 Monaten), da hat er mir betrunken erklärt, dass ich krank sei und ihn auch krank machen wolle. Aus Langeweile, meinte er.
    Danach lag ich 3 Tage depressiv im Bett, habe nicht mehr gegessen. Das war mein Tiefpunkt, da war es mir glasklar: das muss aufhören! Manchmal kann ich kaum glauben, dass er mich lieb haben könnte. Er macht mich einfach fertig! Ich interessiere ihn nicht... Das schmerzt wirklich!
    Wie geht ihr mit solchen Gedanken um?

  • Hallo Zoi,
    ja, solche Gedanken schmerzen. Es tut weh wenn man jemanden lieb hat und der andere so sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dass er kaum jemanden ausser sich selbst wahr nimmt. Ob es Teil der Krankheit oder Teil der Persönlichkeit ist- egal, in dem Fall ist es wichtig wie du lernen kannst besser damit umzugehen.
    Vor einigen Jahren zerbrach eine Freundschaft weil ich mich nicht öffnen konnte, es wurde mir immer wieder vorgeworfen und ich fragte immer wieder: Wie funktioniert das? Dann merkt derjenige doch dass ich doch nicht so stark bin wie ich immer tue, weinen ist ein schlimmes Zeichen von Schwäche! Jetzt weiss ich es besser, Emotionen gehören zu uns, sind unsere Ventile und lassen Druck ab, zeigen das wir auch Lebewesen sind, für mich persönlich sind Tränen kein Schandmal mehr und ich freue mich darüber auch mal weinen zu können/dürfen. Ich freue mich so sehr über meine Wahlfamilie mit der ich so herrlich emotional sein darf und die mit mir Tränen vergiesst.
    Sich so zu mögen wie man ist ist so schwer, neben dem Loslassen ist es bestimmt auch ein wichtiges Lebensthema und somit auch ein Vorsatz den man gut fassen könnte.
    Ich wünsch dir was, lg kitze

  • Hallo liebe Kitze,

    danke für deine Antwort! :)
    Ja, es fällt mir zwischendurch sehr schwer mit diesen Gedanken und Gefühlen umzugehen, weil ich ihn lieb habe und mir alles so anders wünsche... Ich versuche mir auch immer zu sagen, dass ich nicht hoffen sollte - dennoch passiert das manchmal. Was ich aber hoffe und auch etwas beeinflussen kann ist, dass ich damit besser umgehen kann!
    Ich habe oft den Eindruck, dass andere mich für übermenschlich stark und unkaputtbar halten. Auch weil ich mich so gebe, ich bin es nicht. Ich bin eigentlich sehr sensibel und verletzlich, das habe ich die letzte Zeit richtig gemerkt. Ich hatte viele Tage, an denen ich geweint habe! Früher habe ich nur "heimlich" geweint, mittlerweile lasse ich mich sogar währenddessen in den Arm nehmen und das sehe ich als Fortschritt. Ich fühle sehr mit anderen mit, höre zu und tröste. Habe viel Verständnis für andere. Für mich noch nicht so ganz, ich drille mich da in meinen Gedanken selbst. Leider kann ich das nicht per Knopfdruck ablegen aber ich hoffe, dass sich das innerhalb der Therapie bessert :)

    Habt ihr das Alkohol-"geheimnis" eigentlich vor eurer Familie offengelegt? Einerseits habe ich das Bedürfnis, zB bei meiner Oma, Klartext zu reden... andererseits will ich sie nicht belasten und bezweifle auch, dass sie mir glaubt! Ich trau meinem Urteil halt nicht, weil ich ja auch dachte, dass ich meinem Vater mit meinem jahrelangen Co-Verhalten helfe. Und ich habe oft gelesen, dass man "es" nicht mehr verstecken/verschweigen soll. Meine Oma fragt halt jedes Mal am Telefon, warum das alles so ist und ich sage nichts :(
    Für mich bringt sie sowieso wenig Verständnis auf...
    Da war diese schlimme Situation Ende letzten Jahres. Ich habe einen Aufenthalt in Deutschland geplant und habe mich (trotz ungutem Gefühl) von meinem Vater breitschlagen lassen, bei ihm zu schlafen. Unter der Bedingung, dass er wenigstens grob saubermacht. Er hatte die Telefonate davor quasi schon geprahlt, wie schön er es mir machen wird... ich bin starke Allergikerin, es ist also ein MUSS.
    Bei meiner Ankunft konnte ich es dann kaum fassen... :( Es war grauenhaft dreckig, staubig. Er hatte garnichts getan. Im Kühlschrank vergammelte Lebensmittel. Ich will es garnicht weiter ausführen... ich saß dann oben alleine auf "meinem" Bett und bin hyperventiliert vor Schock. Hatte auch sofort Ausschläge am ganzen Körper. Daraufhin hat mich meine Mutter abgeholt, ich habe die Zeit dort verbracht. Meine Oma war ich auch besuchen, sie erklärte mir dann, dass es für sie als Kinder früher selbstverständlich war, den Eltern zu helfen. Im Klartext sollte ich also zum putzen zu ihm fliegen?! Ich bin max. 2 mal im Jahr dort, ich fand das unfassbar... :( Letztes Weihnachten war ich dann garnicht dort, ich hab es nicht ertragen obwohl ich den Rest der Familie gerne gesehen hätte.

    Ganz liebe Grüße,
    Zoi

  • Liebe Zoi,

    meine Geschichte hier beginnt erst vor 1,5 Jahren mit der Trennung von meinem alkohol- und medikamentenabhängigem Exmann.
    hier bei den EKA hab ich keinen Faden. Das Thema EKA ist bei mir aber auch schon länger abgearbeitet.
    Tja, auch ich habe zwei Therapien gemacht, zunächst 4 Jahre eine verhaltenstherapie. Dann ein paar Jahre Pause und nun seit 6 Jahren tiefenpsychologische Therapie,die auch noch etwa zwei weitere Jahre dauert.....

    Ich kenne die Trauer um die Eltern, die man nie hatte.
    Und ich kenne den inneren drill instructor nur zu gut. Hast du schon mal was von inneren Kritikern gehört? Kannste ja mal googeln ;)
    Die Therapie kann dir da bestimmt helfen, da du dich reflektiert anhörst und willens bist, was zu tun :)

    Heute kann ich mich annehmen, wie ich bin. Und ich kann mein Leben annehmen, so wie es ist und war. Auch meine Eltern kann ich inzwischen nehmen, wie sie sind. Daraus hat sich ergeben, dass ich den Kontakt zu meinem Vater komplett abgebrochen habe. Dennoch ist da und auch sonst inzwischen keinerlei Bitterkeit.
    Außer der langen Therapie ( harte, arbeitsreiche Jahre, wie du dir denken kannst) hilft mir mein Glaube und regelmäßiges meditieren zu dieser umfassenden Akzeptanz.
    so kann ich inzwischen weitgehend inneren Frieden haben- unabhängig von den äußeren Umständen.

    Ich bin aber nun auch ca 15 Jahre älter als du... und will dir sagen: das kannst du auch alles schaffen :)

    Liebe Grüße!

  • Ich möchte noch ergänzen, falls es nicht so rüber gekommen ist:
    Vor dieser Akzeptanz steht die Auseinandersetzung mit allen diesen Themen.
    Trauern, lernen, ausprobieren, anschauen, fühlen, wüten usw. Das passierte bei mir alles im Rahmen der Therapie.
    Man kann diesen Prozess nicht abkürzen. Es führt kein Weg direkt zu Akzeptanz und inneren Frieden. Oft lese ich, wie Menschen sich hier direkt nach einer Trennung oder der Erkenntnis, ich bin ein EKA, furchtbar anstrengen, da direkt hinzukommen. Aber das frustriert nur.
    Als ersten Schritt kann man zb akzeptieren, dass es so ist, wie es nunmal gerade ist. Unsortiert, anstrengend, schmerzvoll. Und sich bewusst machen, dass dieser Zustand einen viel kraft kostet. Und sich daher zb bewusst schonen und gutes tun :)
    wie wäre es vielleicht mit einer Kur? Mir hat das sehr viel gebracht :)

  • Liebe Girasole,

    danke danke :) Für deine tollen Worte, sie helfen mir sehr!
    Ich habe über den inneren Kritiker gelesen und du hast Recht, er hat es sich bei mir häuslich eingerichtet! Solche Erkenntnisse helfen mir immer sehr, es gibt Erklärungen dafür und ich muss keine Angst haben, verrückt zu sein :)
    Und du hast auch Recht, es geht einfach nicht von 0 auf 100! Das habe ich schon festgestellt, als ich versucht habe, anderen zu schildern was mit mir los ist... da kommen ja gerne solche Floskeln wie "du musst abschließen" etc.
    Damit mögen sie Recht haben, aber das klingt halt so, als wäre das einfach und man schließt mal eben so ab!
    Diese Sätze haben mich fertig gemacht und jetzt weiß ich: Es ist ein Weg. Nicht Start -> Ziel!
    Das tut gut zu wissen :) Ich hab mich sonst so gefühlt, als würden alle die Dinge eben wegstecken, nur ich bin unfähig.
    Ich bin sehr froh, dass ich eine 2. Therapie machen will... ich kann mir das halt nicht selbst beibringen und mein innerer Kritiker schon mal garnicht ;)
    Ich muss sagen, sobald ich mich "schone" fühle ich mich faul. Vorallem da ich zur Zeit Arbeit suche und das nicht klappen will, was mich total frustriert. Ich denke drüber nach, komplett einen anderen Weg einzuschlagen - vielleicht soll es einfach nicht mein erlernter Beruf sein, der SEHR leistungsorientiert ist. Ich glaube aber, dass ich erst etwas stabiler sein sollte um das meistern zu können (frustriert mich natürlich auch).
    Ich habe allein durch dieses Forum hier so unglaublich viel gelernt und das tut wirklich gut!
    Ich will etwas verändern, ich will wissen WER ich bin! Ich will lernen und glücklich sein. All das wünsche ich natürlich auch meinem Papa... und ich sehe ein: Er kann das alles haben, wenn er das möchte. Ich kann nicht sein Leben leben... Eine Einsicht, die erst durch eure Geschichten hier entstanden ist :)

    Gibt denn der innere Kritiker irgendwann Ruhe oder lernt man einfach nur, ihn zu akzeptieren?

    Ganz liebe Grüße,
    Zoi

  • Hallo Ihr,

    Die letzten Tage ging´s mir ganz gut, habe sogar jeden Abend Sport gemacht :) Gestern hatte ich wieder so eine Verzweiflungsattacke... da gehen mir Dinge durch den Kopf und ich frage mich, wieso mein Vater den Alkohol über mich stellt? Es fällt mir dann einfach schwer, das als Krankheit zu sehen... Ich denke mir, dass er sich ja anders entscheiden könnte :(
    Und mir ist mal wieder etwas aufgefallen, auch weil mein Freund mir das klar gesagt hat: Immer wenn irgendwo "Probleme" sind, verbringe ich Stunden/Tage/Wochen damit, nach einer Lösung zu recherchieren. So richtig obsessiv, ich habe das Verlangen dann alles darüber wissen zu müssen. So auch am Samstag und Sonntag, da habe ich sicher 10 Std aufwärts am Tag damit verbracht, hier im Forum die Beiträge der (trockenen) Alkoholiker zu lesen... um zu verstehen? Ich weiß es nicht genau. Und da ich jetzt quasi den "optimalen" Weg aus der Sucht meine zu kennen, dachte ich: Oh Gott, das schafft mein Vater nie... niemals. Das hat mich richtig gequält!
    Und am Montag habe ich es dann bewusst gelassen, obwohl ich ein riesiges Verlangen hatte, mehr zu lesen - mehr zu wissen.
    Es ist echt verrückt. Dann denk ich mir: Ich kann ja mal in deren Bereich einen Thread eröffnen, in dem ich frage, ob es jemandem geholfen hat, als sich ihre Kinder von ihnen trennten? Und gleichzeitig weiß ich, dass es absolut falsch ist und es mir nicht weiterhelfen wird...
    Hoffe, ihr blickt in meinem Text noch irgendwie durch?
    Wenn ich mich so verhalte, dann merke ich wie tief ich noch in diesem Sumpf stecke :( Es ist grauenhaft.

    Musste das einfach mal kurz loswerden!

    Liebe Grüße,
    Zoi

  • Habe am Donnerstag wieder eine Nachricht von meinem Vater bekommen, nach 8 Tagen "Ruhe"... Smalltalk-Fragen und so formuliert, als sei alles total in Ordnung.
    Ich bekomm mittlerweile selbst bei solchen normalen Nachrichten Herzrasen und fühl mich total mies... Ich fühl mich dann als wäre ich irgendwie im Zugzwang und müsste eine endgültige Entscheidung treffen: Kontaktabbruch total oder ab und an mal ne SMS? Ich fühl mich dann total zerrissen :(
    Habe noch nicht geantwortet, ich weiß nicht was ich tun soll. Es fühlt sich alles irgendwie schlecht an. Die 8 Tage ohne Kontakt ging es mir gut! Und an Tag 7 ist mir aufgefallen: Oh, er hat sich schon eine Woche nicht gemeldet... Und dann hab ich mich richtig schlecht gefühlt. Ich weiß garnicht, was ich will. Mich macht es so wütend, dass sein Leben meins total beeinflusst. Und dass ich hier Entscheidungen am laufenden Band treffen muss aufgrund seines Verhaltens...
    Der Gedanke, mit ihm gaaarnichts mehr zu tun zu haben, macht mich halt richtig traurig. Ich denke an all die Dinge in der Zukunft, an denen er nicht teilhaben wird. Meine Hochzeit, Enkelkinder? Für mich ist das nicht weit weg!
    Was soll ich da nur tun? Wenn das noch ein paar Jahre so weiter geht wie bisher, sind wir einfach nurnoch Fremde :( Ich hab das Gefühl, als würde ich hier die Entscheidung meines Lebens fällen, die sehr weitreichend ist und deren Konsequenzen für mich so schmerzhaft werden. Kein Kontakt mehr, damit fühle ich mich schlecht. Ab und an mal eine SMS, damit fühle ich mich schlecht. Dauernd Kontakt... ihr ahnt es.
    Cholera oder Pest? Ich würd am liebsten den grippalen Infekt nehmen :(

  • Selbstgespräch die Vierte :D

    Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch und bin unfassbar ängstlich und nervös! Und ich hätte den Job sooo gerne...

    Meinem Vater habe ich nach seiner letzten Nachricht zwangsweise geantwortet, weil wohl wichtige Unterlagen für mich an seine Adresse geschickt wurden... und er findet sie nicht. Untergegangen in seinem Chaos denke ich.

    Ich frag mich wirklich, ob er je aufhört. Irgendwie glaube ich nicht mehr dran... es macht mich so traurig. Oft muss ich mich regelrecht zurückhalten ihn anzurufen und ihm Vorwürfe zu machen oder zu betteln und zu heulen :( Ich tu es nicht!

    Ich hoffe, dass ich nicht mehr so lange auf die Therapie warten muss. Ich fühle mich so zerrissen und weiß noch garnicht (falls ich tatsächlich den Job bekomme), wie ich das alles hinbekommen soll! Ich hab echt Angst :(

  • Liebe Zoi,
    ich kann dich so gut verstehen und du tust mir sehr leid in deinem Gefühls- Chaos.
    Zunächst mal: wie ist es heute gelaufen??
    Du brauchst keine Angst haben, dass du den Job nicht schaffst- du bist doch auf einem guten Weg! Noch sieht es für dich alles unübersichtlich aus, aber das geht auch irgendwann vorbei.
    Du befasst dich ja mit dem Thema und es ist klar, dass du am Anfang nicht schon alles weißt und kannst- sonst bräuchtest du ja gar keine Therapie ;)
    Es ist auch normal, dass am Anfang alles unüberwindbar schwer scheint.
    Glaube mir das geht wieder vorbei.
    Mit jedem sortieren, reflektieren geht es ein Mini- Schritt vorwärts. Mit der Therapie und mit der Zeit kommen dann auch große Schritte.

    Es bleibt nicht so, wie es jetzt, wenn du daran arbeitest!!

    Mache dich ev frei von dem Zwang, unbedingt jetzt eine endgültige Entscheidung wegen des Kontakts zu treffen.
    Das kann niemand! Ich habe zwar schon seit einigen Jahren keinen Kontakt zu meinem Erzeuger, aber ich möchte nicht behaupten, dass ich weiß, was die Zukunft bringt.
    Auch war das nie EINE bahnbrechende Entscheidung, sondern es hat sich einfach entwickelt.
    Aber ich habe auch lange gehadert- was mache ich, wenn er stirbt? Gehe ich zur Beerdigung?
    Heute weiß ich, das kann ich nicht jetzt und endgültig für alle Zeiten entscheiden.
    Du kannst ja vielleicht für kurze Zeiträume erstmal entscheiden. Eine Woche oder zwei oder ein Monat möchte ich keinen Kontakt. Dann beutelt es dich nicht bei jedem Kontakt seitens deines Vaters.
    und nach dem Zeitraum kannst du schauen, wie es dir ging und wieder eine kleine Entscheidung treffen.
    Nicht für den Rest deines Lebens. Das ist ja viel zu dramatisch :)

    LG girasole

  • Hallo liebe Girasole,

    Deine Worte tun einfach gut... ich bin dir so dankbar!
    Erstmal zu den positiven Entwicklungen:
    Das Vorstellungsgespräch lief wirklich super und am selben Tag bekam ich noch eine Einladung für einen anderen Job - wow! Das 2. Gespräch war direkt gestern und lief toll, ich würde beide Jobs total gerne machen und bin echt froh! :)

    Die "negative" Seite war, dass ich direkt nach meinem 1. Gespräch unbedingt meine Euphorie mit jemandem teilen wollte (mein Freund war nicht da) und dann meine Oma angerufen habe. Habe ihr fröhlich von dem Gespräch erzählt und ihre Reaktion war: Hast du Papa schon angerufen, der würde sich so freuen, du glaubst garnicht wie sehr er leidet etc... Da war die Euphorie erstmal vorbei, ich hätte es mir denken können. Man darf ja nicht erwarten, dass es einfach mal um mich geht und nicht um ihm. Sie hat dann so darauf rumgehackt, dass ich geplatzt bin und ihr gesagt habe, warum ich nicht mehr mit ihm spreche. Es war sehr anstrengend, ich habe geweint und sie erwartet wohl trotzdem, dass ich mein Leben für ihn zu opfern habe. Wie auch immer!

    Ich wollte das so nicht aber irgendwann reicht´s. Sie ist so sehr in diesem System verstrickt, dass sie wohl garnicht daran denkt, dass ich ihr Enkelkind bin und die Tochter ihres Sohnes - und nicht der Bedürfnisroboter (ohne Gefühle, ohne Wünsche) meines Vaters. Irgendwie habe ich es mir gedacht, es war trotzdem bitter und hat mich von ganz oben runtergeholt auf den harten Grund... :(

    So und daraufhin hat sich auch der gute Herr Vater per SMS gemeldet und mir mitgeteilt, dass ich aufhören soll mir Dinge auszudenken und mit meiner Oma über meine Lügen zu reden. Und wenn ich ein Problem habe, habe ich mit niemand anders zu reden außer ihm.

    Und da kommt Girasole´s Tipp ins Spiel: Mir reicht´s! So sehr! Ich habe ihm geschrieben, dass ich ERSTMAL nicht mehr will, dass er mir schreibt!
    Ich fühle mich befreit :) Es ist keine absolute Entscheidung fällig, du hast so Recht! Es fühlt sich oft so an, aber ich treffe Entscheidungen für diesen Moment, nicht für immer... danke dir :)

    Und da die beiden Gespräche so gut verliefen (und ich mir echt Hoffnungen mache), sehe ich ein Licht am Ende des Tunnels, denn ich würde beide Jobs mit gutem Gefühl annehmen :) Und darauf konzentriere ich mich jetzt. Das ist mein Leben! Ich bin jetzt erwachsen, ich brauche keinen Menschen um mich, der glaubt ich wäre verrückt und unfähig.
    Und ich brauche auch keinen Vater mehr, der mir hilft, mich unterstützt und mir Halt gibt. Der war er nie, jetzt bin ich erwachsen und es ist zu spät!
    Trotzdem hoffe ich darauf, dass ich die Therapie bald beginnen kann ;)
    Gefühlschaos-Report Ende, Zoi macht sich einen schönen Abend mit ihrem Freund, der sich FÜR sie freut! :)

    Ganz liebe Grüße euch allen,
    Zoi

  • Hallo Ihr Lieben,

    Vorab mal eine unangenehme Frage... Schreib ich irgendwie doofe Sachen oder sowas? Weil so wenig Resonanz kommt, das verunsichert mich manchmal... Falls ja, sagt´s mir bitte!

    Jetzt mal ein kleines Update: Ich bin in der letzten Auswahlrunde für einen der tollen Jobs, am Donnerstag muss ich mein Können am PC beweisen! Das ist so toll und ich hab große Hoffnungen :)

    Dann hatte ich am Donnerstag zum ersten Mal die passende Laune, um meinen Vater anzurufen und ein paar Dinge loszuwerden - ganz ruhig, ohne Streit und Tränen. Es hat gut geklappt, danach war ich sehr stolz auf mich! Noch vor einiger Zeit hätte so ein Gespräch niemals funktioniert! Er hat sogar zugegeben, dass er ein Alkoholproblem hat. Das hat mich irgendwie nicht vom Hocker gehauen, ich hoffe nicht mehr. Ich glaube an Dinge, die ich sehe... Das tut mir auch gut! Es war nur für mich gut, dass er "einsichtig" war, denn so kam ich mir wenigstens ernst genommen vor. Was daraus resultiert ist nicht meine Sache. Ich habe das für mich getan, es war ein seltsames Gefühl... Und ich merke auch, wie oft ich eigentlich Gespräche führe, in der Hoffnung bei anderen etwas zu bewirken, zu ändern, zu helfen. Das möchte ich runterschrauben, ich glaube ich erwarte oft einfach zu viel!
    Vielleicht werden sich in Zukunft meine Gefühle etwas an mein Wissen anpassen... das wäre so schön. Erst die letzte Zeit merke ich, wie furchtbar belastet ich bin... mit 25. Es ist irre!
    Ich habe noch oft Momente, in denen ich mich frage: Wofür ist das alles eigentlich gut? Und was habe ich (zB) meinen Eltern getan, dass sie mich so behandeln und behandelt haben? Das klingt dann direkt so nach Selbstmitleid, dass ich solche Gedanken gleich noch mehr hasse.
    Es ist einfach unbefriedigend, wenn es keine Antworten gibt.
    Und auch die dauernde Selbstkritik, die Stimme die mir sagt, dass ich sowieso nichts schaffe - das bremst mich so massiv aus.
    Ich hatte letzte Woche ein Beratungsgespräch wegen einem Job. Die Frau war super nett und tada: Ihr Sohn ist ein erfolgreicher Grafiker! Wie passend! Sie hatte 1000 nützliche Tipps für mich... und ich war einfach absolut überfordert. Ich soll so sein wie ich bin? Das tun (auch grafisch), was mir Spaß macht? Mich zeigen? Dazu haben wir uns noch die Website ihres Sohnes angeschaut, er ist unglaublich gut und talentiert. Andere sagen mir, dass ich das auch wäre... aber ich sehe mich nicht so. Ich traue mich nichts, glaube nicht an mich, nichts was ich tue ist gut genug für mich. Das überfordert mich einfach! Vorallem meine Probleme bremsen mich in Kreativität, Offenheit und allem, was zu einer guten Grafikerin dazu gehört... Bäh, wie frustriert war ich da. Morgen sehe ich die Beraterin wieder, ich freue mich aber habe wahnsinnige Angst.
    Um mich herum sehe ich die kreativen Köpfchen mit ihren tollen Arbeiten und ich kann mich damit nicht messen... Ich fühle mich wie eine Hochstaplerin, wenn mir jemand sagt: Sie sind so talentiert, so besonders! Dann sitz ich da und denke: Sag´s ihr! Du kannst nichts! Sie täuscht sich!
    Das macht mir Angst. Vielleicht habe ich ja Potenzial und traue mich nicht, es zu nutzen? Ich glaube, die psychische Belastung verträgt sich nicht mit kreativem Denken. Aber das kann ich doch keinem sagen :(

  • Hallo Zoi,
    mach dir keine Gedanken darüber wenn dir hier mal keiner schreibt, ich z.B.habe nicht immer die Kraft Beiträge zu verfassen und lese eher mit.
    Was würde dir denn dabei helfen deine Fähigkeiten anzunehmen und anzuerkennen? Von wem brauchs du noch Zuspruch wenn dir Talent bescheinigt wird? In dieser Zwickmühle befand ich mich auch jahrelang, brauchte viel Aufmerksamkeit und Lob, konnte beidem jedoch kaum glauben schenken weil ich meinen Fähigkeiten nicht 100%vertraute. Mittlerweile habe ich mein Potential erkannt und hab dadurch mehr Selbstvertrauen bekommen, allerdings konnte mir niemand diese Einsicht schenken- da musste bei mir erst der Groschen fallen. Also hilft es dir vielleicht wenn du selbstbewusst zu deinen Stärken stehen darfst.
    Klar, du kannst Schuldige für dein Tun und Sein suchen, es hilft manchmal auch dabei sich selbst zu verstehen, aber jetzt hast du die Chance die Muster zu durchbrechen und das beste aus den Situationen zu machen. Tschakkaaa, du schaffst das!!!
    Ich drücke dir jedenfalls feste die Daumen und wünsche dir viel Glück ;)
    Lg Kitze

  • Hallo Zoi,
    ja, auch das kenne ich alles sehr gut: selbstzweifel, das Gefühl, eine hochstaplerin zu sein, innere stimmen, die voller Kritik, Abwertung und ja, man kann sagen, voller Hass sind.
    Autoaggressionen, die einen fast schon zerstören- ohne dass das körperlich wird mit selbstverletzungen.
    Selbstverletzendes verhalten gibt es auch "nur" seelisch.

    Das bewusst werden dessen, ist ein erster wichtiger Schritt!
    Es Kommt meist aus der frühen Kindheit, bei mir aus dem Grund und Gefühl, dass mein Erzeuger mich nicht liebt.
    jedes Kind folgert aus solchen und ähnlichen Krisen: es ist meine Schuld!
    Keine Ahnung, wieso das so ist, aber es ist ein psychologischer Fakt.
    So entstand tief in mir das Gefühl: muss ich blöd sein. Dämlich. Hässlich. Unfähig. Usw.

    ich habe folgende konkrete Methode dafür aus einem Buch:
    Abends als Ritual (immer gleiche Zeit und gleicher Ort) auf den Tag zurückblicken und nach diesen inneren Kritikern (kannst du auch googeln "innere Kritiker") suchen. Wo und wann waren sie aktiv.
    dabei aber bloß nicht wieder sich selbst bewerten, nach dem Motto: Ach, schon wieder habe ich sie nicht erkannt oder Oh mann, hundert mal und ich Depp habe nix bemerkt. Neinneinnein :)
    Es geht nur um die bewusstwerdung.
    Denn nur was man ins Bewusstsein bekommt, kann man auch bearbeiten.
    Und diese inneren stimmen laufen schon so lange unbewusst in uns ab, dass es wahre Arbeit sein kann,sie dann abends zu identifizieren.

    LG girasole

  • ... hier kommen die Themen Identität und Selbstbewusstsein ins Spiel.
    Es hilft und unterstützt unwahrscheinlich, wenn man für sich ganz alleine aufbaut- wer und wie bin ich, wer und wie will ich einmal sein.
    sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst bewusst werden.

  • Hallo Girasole und Kitze,

    erstmal Danke für eure lieben Antworten! Das Forum hilft mir ungemein, vorallem auch das lesen von anderen Geschichten und deren Weg!
    Ich habe die Tage einen uralten Thread hier gelesen von einer Frau, die soooo wütend war und nur wütend... und alle Hilfe/Ratschläge an ihr abgeprallt sind.
    Und da ging mir ein Licht auf! Ich dachte mir: Wow, das bin ich! Noch vor ein paar Monaten! So zerfressen von Wut und Zorn, schon so lange ich denken kann. Bei Ratschlägen von anderen WUSSTE ich, sie haben Recht damit aber die Wut war immer stärker. Ich habe sogar oft gesagt: Die Wut ist mein Lebenselixier. Und so war es auch... Ich hatte (und hab manchmal noch) wahnsinnige Angst davor, was passiert, wenn die Wut weg ist. Was kommt dann?
    Wut war für mich DAS Ersatzgefühl für alle Enttäuschungen, Trauer, Verletzungen. Für alle Gefühle, die ich nie ertragen konnte. Und ich dachte auch wirklich, ich würde diese Gefühle nicht überleben können. Ich dachte, wenn die Wut weg ist, dann werde ich sterben! Dadurch hatte ich auch oft viele Missverständnisse mit anderen, sie haben mich ja nur wütend gekannt. Nie weinend, verzweifelt. Dadurch habe ich scheinbar sehr stark gewirkt, ich habe mich auch nie anders gezeigt!
    Es war wirklich so ein unfassbares Gefühl, als mir das eingeleuchtet ist...
    Und erst da habe ich bemerkt, dass ich kleine Fortschritte gemacht habe. Und ich war... ein bisschen stolz! Das ist neu. Wow!
    Außerdem hat mir mein Vater wieder geschrieben, obwohl ich ihm klar gesagt habe, dass ich es nicht mehr will. Also habe ich es nochmals geschrieben: Ich will es nicht. Nur in Absprache mit einem Therapeuten (also seinem... noch nicht vorhandenen.... Therapeuten). Daraufhin hat er es scheinbar akzeptiert. Dann plötzlich abends kam das Übliche, nämlich der "Sinneswandel", eine neue SMS von ihm: "Wir haben das nie so besprochen und außerdem hast du ein Problem, nicht ich." (Kurzfassung des üblichen: Du böse blöde Tochter, du bist geisteskrank!)
    Da war ich das erste Mal seit langem wieder richtig wütend. So richtig, "ich möchte dich beleidigen und verprügeln"-wütend. Ich habe es natürlich nicht getan, habe nur laut vor meinem Freund ausgesprochen was ich alles schreiben würde bis die schlimmste Wut vorbei war. Habe es erst als kleinen Rückschritt verbucht, weil mir seine alkoholgetränkten SMS in letzter Zeit fast schon gleichgültig waren. Jetzt denke ich mir aber, dass es kein Rückschritt war. Jeder ist mal wütend und sowas macht einfach verdammt wütend, weil es so verletztend und unfassbar ist! Das schreibt ein "liebender" Vater seiner Tochter, na herzlichen Glückwunsch.
    Die Wut ist aber fast weg, falls er noch einmal etwas schreibt, blockier ich ihn. Ich brauche sowas nicht! Ich habe ihm nichts mehr zu sagen, dass er nicht eh schonmal gewusst und dann vergessen hat. Ich werde ihm keine Macht mehr über mich und mein Gefühlsleben geben, er war eh nie da - jetzt brauche ich ihn nicht mehr.
    Leider hat sich seit dem Tag der besagten SMS meine Schulter-Nacken-Dauerverspannung (irreparabel) wieder so verschlimmert, dass mein rechter Arm brennt, kribbelt und leicht taub ist bis in die Fingerspitzen. Ich muss zum Arzt. Danke Wut :D

    Aber ich sags nochmal: Ich danke euch so sehr, jedem der das hier liest oder der hier schreibt! Ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels, ich will das so nicht mehr. Ich will es ändern, ich habe das einfach nicht verdient. Ich kann sogar manchmal weinen, ohne mich riesig zu schämen... Und wenn die Therapie anfängt, wird alles besser! Ich kann es mir noch nicht so vorstellen, aber vielleicht mag ich mich ja eines Tages? Vielleicht fühl ich mich dann wertvoll und glaube endlich, dass ich was kann! Das wäre so schön!
    Ohne euch wäre ich längst nicht so weit. Ich danke euch :)
    Es gibt viel viel zu tun, vielleicht wird es ein lebenslanger Prozess aber ich will es tun. Hier zu schreiben tut einfach gut!

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