Alkohol steht über allem?

  • Hallo,

    ich bin ein Angehöriger einer alkoholsüchtigen Mutter, die vor kurzem an Leberzirrhose verstorben ist. Nun hätte ich Fragen an diejenigen, die ebenfalls an Alkoholismus leiden.
    Steht der Alkohol wirklich über allem? Meine Mutter hatte ein wunderschönes zuhause, einen sich kümmernden und liebenden Ehemann, die Möglichkeit zu reisen, 3 Söhne, auf die sie stolz war, quasi ein perfektes Leben.

    Warum hat sie keine Hilfe angenommen? Warum hat sie trotz mehreren KH Aufenthalten und ärztlichen Rat weitergemacht? Selbst zum Schluss, als sie eine starke Grippe und eine Lungenentzündung hatte, griff sie zum Glas, welches ihr dann sogar durch einen Schwächeanfall auf den Boden fiel. Ich verstehe es einfach nicht...

  • Hallo!

    Mein Beileid zu dem Verlust Deiner Mutter.

    Das ist das Wesen der Sucht.

    Eine vernünftige und für Nicht-Betroffene logisch nachvollziehbare und sofort einleuchtende Erklärung gibt es nicht.

    Die Sucht war einfach viel stärker als sie.

    Nicht jeder schafft es, diese Krankheit zu stoppen. Zu heilen ist sie nicht.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Ich glaube auch, dass man als Nicht–Betroffener diese „Macht“ der Krankheit gar nicht nachvollziehen kann. Aber ich habe hier und in anderen Foren schon oft gelesen, dass die Betroffenen einen Wendepubkt erleben, wenn sie am tiefsten Punkt angelangt sind. Meiner Meinung nach hatte meine Mutter schon mehrere tiefste Punkte. Warum hat es bei ihr nicht „Klick“ gemacht?

  • Das hätte wohl höchstens sie selbst beantworten können. Einfach zu sagen, dass die Krankheit zu stark war, halte ich für ungenau. Wenn ich mich an meine letzten Jahre mit Alkohol erinnere, ging es sehenden Auges bergab, bis die Reißleine aber eben doch gezogen wurde, als der Untergang greifbar wurde.

  • bei meiner Mutter ging es auch in den letzten Jahren bergab. Und wenn man mal was gesagt hatte, wurde sie direkt aggressiv, verleugnete alles und streitete tagelang. Das haben wir ein paar Jahre mitgemacht, was aber irgendwann so an der Substanz kratzt, dass man es irgendwann hat bleiben lassen.

  • Hallo Streicher,

    mein Mitgefühl zum Verlust Deiner Mutter!

    Der Alkohol ist ein trügerischer Freund (eigentlich Feind), der einem Süchtigen das Leben zerstört. Es scheint eine gewisse Gier
    dahinter zu stecken, sich selbst etwas "Gutes" zu tun, und damit dem eigenen Körper zu schaden.

    Deine Mutter hatte es anscheinend zu gut.. Und sie wollte nicht einsehen, dass der Alkohol ihr das Leben nimmt. Und das hat er
    im Grunde schon vorher, denn ein Leben mit Alkohol ist im Grunde kein lebenswertes Leben mehr. Es dreht sich alles nur noch
    um die Beschaffung und den Rausch.

    Wenn man das alles nicht erkennt und nicht die Reissleine zieht, dann geht man unter. Das Problem ist dabei, dass man nicht
    mehr richtig denken kann. Auch nicht mehr an die Menschen, die einem sonst wichtig waren und die einen lieben. Die Sucht schaltet
    fast alles aus. Es dreht sich alles nur noch um sie. Alles andere wird egal.

    Doch wenn der Süchtige ein paar lichte Momente hat und begreift, was er sich antut, dann besteht die Chance, dass er trocken wird.

    Aber niemand, wirklich niemand kann einen Alkoholkranken bekehren. Keine guten Worten, Taten, nichts. Nur er selbst kann diese Krankheit
    zum Stillstand bringen! Er muss es selbst mehr wollen, als alles andere!

    Und wir hier im Forum sind der Beweis dafür, dass man es schaffen kann. Es sind wenige, die es schaffen, aber man kann es!

    Es tut mir leid, dass Deine Mutter es nicht geschafft hat! Aber Ihr hättet es auf keine Art und Weise verhindern können! Nur sie allein!

    LG Elly

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hallo Elly,

    Danke für deinen langen Text. Sie hatte diese lichten Momente zwischendurch. Unglaublich, wie klar sie da war. Diese Momente kamen immer nach ihren KH Aufenthalten. Sie trank nur noch alkoholfreies Bier oder Wein. Und dann irgendwann kam das wohl berühmte „nur ein Glas“! Und die Abwärtsspirale ging wieder los. Mein Vater tut mir besonders leid. Er wollte jetzt im Rentenalter mit ihr reisen und einen tollen Lebensabend verbringen :cry:

  • Zitat von Elly


    Aber niemand, wirklich niemand kann einen Alkoholkranken bekehren. Keine guten Worten, Taten, nichts. Nur er selbst kann diese Krankheit
    zum Stillstand bringen! Er muss es selbst mehr wollen, als alles andere!

    Hallo!

    Wobei der Anstoß zu dieser Selbsterkenntnis häufig von außen gesetzt wird: Durch die Familie, den Arbeitgeber, die MPU oder aber dem Arzt, wenn man mehr tot als lebendig auf der Intensivstation liegt. Der Funke von außen muss jedoch auch überspringen.

    Streicher : Angeblich alkoholfreies Bier oder entsprechende Produkte auf Weinbasis sind für einen Alkoholiker tabu. Sie sind optisch, geruchlich und geschmacklich viel zu nahe am Original, schmecken jedoch nicht wirklich.

    Mit dem Zeugs habe ich früher auch mal hantiert. Das ging nur eine Weile gut, dann war halt der Schmacht auf ein richtiges Bier zu groß und alles fing wieder von vorne an.

    Hat die Mutter denn nach ihren KH-Aufenthalten keine Therapie gemacht?

    Gruß
    Carl Friedrich

  • das mit den alkoholfreiem Bier und Wein fande ich auch nicht gut, da diese Produkte trotzdem einen minimalen Anteil Ethanolgehalt haben. Aber man merkte, dass es ihr psychisch und physisch etwas besser ging.

    Nein, sie wollte keine Therapie. Sie hat ja nicht mal zugegeben, dass sie süchtig war. Den Ärzten und uns hat sie gesagt, dass die Leber durch die Chemotherapie so kaputt wäre. Die Ärzte und wir wussten aber natürlich, dass dies nicht wahr gewesen ist. Es gab für sie immer eine Ausrede. Schlimm...

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