Pia_reicht's - Vater ködert mit Mitleid

  • Liebes Forum,

    Ich bin Pia und mir reicht's jetzt. Ich bin erwachsene Tochter eines alkoholkranken Vaters, der es Zeit meines Lebens verstanden hat, mich in seine ungesunde Selbstregulation zu verstricken. Der Alkohol spielt dabei eine wesentliche aber nicht die einzige Rolle.

    Im Gegenteil zu gewalttätigen Vätern, von denen ich häufiger gelesen habe, bindet mein Vater seine Angehörigen über scheinbare Selbstaufopferung und -vernachlässigung. Die Sorge ist also nie gewesen "Er tut mir was an!", dafür aber seit Jahrzehnten "Er tut sich was an!", was mich sehr zermürbt, obwohl ich mich seit meinem Auszug besser distanzieren konnte und auch schon zwei Therapien gemacht haben (da ging es aber nicht hauptsächlich um die Vaterbeziehung). Nun kam es am Wochenende zu einer lebensbedrohlichen Situation, nachdem mein Vater seit dem Renteneintritt vermehrt trinkt, viel rumliegt und sich immer weniger um sich kümmert - er isst kaum noch, und ist halb verhungert ins Krankenhaus gekommen. Ich habe aus der Ferne Rettungswagen organisiert, bin aber bewusst nicht hingefahren. Es gelingt mir mehr oder weniger mich durch reduzierten Kontakt zu schützen, aber meine Gedanken kreisen dann trotzdem um meinen Vater und ein kaum zu bändigendes Schuld- und Verantwortungsgefühl lastet schwer auf mir - dieses Botschaft meines Vaters "Ich sterbe, wenn du mir nicht hilfst!" wird gerade sehr real und ich kann durch diese Erbärmlichkeit kaum Wut entwickeln, die mir ein inneres Abstandnehmen erleichtern würde.

    Vielleicht kennt das jemand? Es würde mir schon viel helfen, damit nicht alleine zu sein.

  • Hey Pia, schön das du den Weg hierher gefunden hast. Du bist definitiv nicht alleine!

    Ich bin auch Tochter Alkoholkranker Eltern.. meine Geschichte ist ein wenig anders aber am Ende hat mir auch nur der komplette Kontaktabbruch geholfen wieder glücklich zu werden.

    Ließ dich hier in die verschiedenen Geschichten der anderen ein, du wirst viele Parallelen finden.

    Hast du noch andere Familienmitglieder, die sich um deine Vater kümmern?

  • Hallo Pia,

    du bist inzwischen für den Erfahrungsaustausch im Forum freigeschaltet und kannst überall schreiben, nur bitte nicht in den ersten 4 Wochen bei den frisch registrierten Usern mit den orangeroten Namen.

    Dein Thema ist im EKA-Bereich. Ganz oben findest du einen Thread: Merkmale für EKA. Wenn du darin stöberst, wirst du dich vermutlich in etlichen Beiträgen wiederfinden, gerade auch die starken Schuld- und Verantwortungsgefühle. Diese bleischweren Gefühle aus der Biographie schleppen viele EKA mit sich herum.

    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Pia,

    Dein Text hätte auch von mir sein können. Mein Vater ist mit Korsakow in einer Pflegeinrichtung und ich kämpfe seit Jahren damit, einen für mich gesunden Umgang damit zu finden.

    Und mich hier anzumelden und zu merken, dass es so vielen ähnlich geht, hat mir schon sehr geholfen.

    Wenn Dein Vater zusätzlich zum Alkoholkonsum nicht gegessen hat, steht die Diagnose bei ihm ja eventuell auch im Raum. Das macht es dann nicht unbedingt leichter. Aber wenn er aufgrund der Erkrankung nicht mehr alleine leben kann und auch stationär untergebracht werden muss, wird Dir langfristig zumindest die Sorge genommen, dass er sich zu Hause weiter selbst schadet.

    Mein Vater war teilweise auch sehr engagiert, hat sein Möglichstes für mich getan. Aber sein persönliches Vergnügen war auch sehr oft wichtiger als ich und mein Wohlbefinden. Das musste ich doch verstehen. Als Kind. Klar. Als wir seine Wohnung aufgeräumt haben, habe ich Briefe von mir an ihn gefunden, in denen ich ihm verspreche, mehr Verständnis für ihn und seine Bedürfnisse aufzubringen. In der Schrift und mit den Schreibfehlern einer Grundschülerin. Waren ganz bestimmt meine Worte und nicht durch ihn eingeimpft *Ironie off*.

    Und genauso wie Du, habe ich mir als Erwachsene auch immer Sorgen um ihn gemacht. Dass ihm mal was passiert. Hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht genug Zeit hatte, ihm hinterherzutelefonieren.

    Es ist erstaunlich, wie sich die Charakterzüge der EKA ähneln. Das wirst Du sicher merken, wenn Du hier ein bisschen liest.

    Ich persönlich war letztes Jahr nach einer erneut alles andere als schönen Begegnung an dem Punkt, an dem ich den Kontakt völlig abgebrochen habe. Und es ging mir das erste Mal seit Jahren richtig gut. Keine Angst vor dem nächsten Besuch, bei dem er in Endlosschleife hören will, dass ich glücklich bin und damals ja alles soooooo toll mit uns war. Aber mit der Zeit verfliegt der Gram. Die Wunden beginnen zu heilen und man denkt an das, was schön war. Dann meldet sich das schlechte Gewissen. Und die Angst, dass man den Kontaktabbruch irgendwann bereut. Dann versucht man es wieder. Es ist unschön. Und das Ganze fängt wieder von vorne an. Man ist gefangen in einem ständigen Wechsel aus Erleichterung, Zuversicht und schlechtem Gewissen.

    Ich hoffe, Dir gelingt es schnell, mit der Situation umzugehen und Dich auch innerlich abzugrenzen. Du bist nicht für das Glück Deines Vaters verantwortlich. Du hast dafür gesorgt, dass er (medizinische) Hilfe bekommt und mehr kannst Du nicht tun.

    Alles Gute für Dich und herzliche Grüße

  • Danke für die Aufnahme und die Antworten! Ja er lebt tatsächlich sogar mit meiner Mutter zusammen, die aber die Königin der Co-Abhängigen ist und sehr erfolgreich die Augen verschließen bzw an mich und meine Schwester delegieren kann.

    Mich quälen immer wieder die Ängste vor dem nächsten Treffen - wie wird er aussehen? Geht es ihm noch schlechter? Dann kommen immer Tage danach, wo ich ganz krank vor Sorge bin, selbst kaum essen und schlafen kann und meine Gedanken so um ihn kreisen, ohne das da ein was herauskommt.

    Gleichzeitig merke ich auch gerade deutlicher, dass es mich ärgert, dass er und sein Alkoholismus so viel Raum in meinem Leben einnimmt! Ich will das nicht mehr. Ich hab das lange genug mitgemacht und hab nun eine eigene kleine Familie, die ich unbeschwert genießen will.

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