Hey zusammen,
ich bin 19 Jahre alt und die Jüngste von drei Kindern. Meine Eltern sind seit meiner Kindheit stark alkoholabhängig – mindestens seit ich 11 war. Während meine Geschwister vieles nicht so intensiv mitbekommen haben, war ich mittendrin. In den letzten acht Jahren ist viel passiert, was mir erst jetzt so richtig bewusst wird. Dadurch fällt es mir schwer, meine Gedanken zu sortieren – es ist einfach überfordernd.
Ich möchte meine Geschichte von Anfang an erzählen:
Schon als Kind war ich sehr zielstrebig. Mit 11 hatte ich den Traum, Onkologin zu werden und Medizin zu studieren. Um dieses Ziel zu erreichen, machte ich viele Praktika und nahm an Biologie-Olympiaden teil. Gleichzeitig tranken meine Eltern immer mehr und gaben ihr Geld für Alkohol aus. Mit 13 begann ich deshalb, in einer Raumausstattung zu arbeiten, um Geld für mein Studium zu sparen.
Doch dort fing der Albtraum an: Mein Chef beleidigte mich ständig, ich kam oft weinend nach Hause und hoffte auf Schutz von meinen Eltern – stattdessen machten sie alles schlimmer. Sie beschimpften mich als „nicht belastbar“ und „dumm“ und sagten, ich würde sowieso nie etwas erreichen.
Mit 15/16 suchte ich mir immer mehr Jobs und vernachlässigte die Schule. Ich wollte einfach nur weg und fand Ablenkung in der Arbeit: in der Gastronomie, im Büro, im Fitnessstudio. Dort setzte ich eine Maske auf und tat so, als wäre alles gut – meine Flucht aus der Realität zu Hause.
Während des Abis hatte ich drei Jobs, führte den Haushalt für meine Eltern, versuchte sie zu „retten“ und vergaß mich selbst völlig. Um durchzuhalten, nahm ich ich immer mehr Koffeintabletten und wollte irgendwann gar keine Gefühle mehr haben. Irgendwann kam der Crash: Ich konnte nicht mehr, meine Noten waren zu schlecht für Medizin und ich verschleuderte mein mühsam erarbeitetes Geld aus Frust.
Meine Eltern sanken währenddessen noch tiefer in den Alkohol und gaben mir für alles die Schuld. Meine Mutter sagte einmal zu mir, sie trinke um die Verantwortung abzugeben – und ich fühlte mich verpflichtet, ihre Aufgaben zu übernehmen. Als Dank hörte ich weiterhin nur, wie dumm, hässlich, fett ich sei und dass ich nie etwas erreichen würde. Klassiker: Ich sähe aus wie ein Mann (bin weiblich). Dabei wollte ich mit 17 einfach nur Unterstützung und Liebe, jemanden, der mir sagt: „Du schaffst das, ich bin stolz auf dich.“
Dann hatte ich Glück: Ich bekam ein anderes Studium, das finanziert wird, und zog weg. Gezwungenermaßen begann ich ein neues Leben – und merkte, wie mein Optimismus und meine Zielstrebigkeit zurückkehrten.
Doch es gibt einen Haken: Die Heimfahrten am Wochenende. Ich möchte meinen Bruder und meine Freunde sehen, aber sobald ich bei meinen Eltern bin, fühle ich mich gestresst, frustriert und erschöpft. Ich höre immer noch, ich sei dumm und würde nichts erreichen – das bricht mich. Mein Studium ist sehr schwer, und das Letzte, was man hören möchte, ist, dass man es sowieso nicht schafft.
Das zieht sich durch alles: Ich mache viel Sport und laufe Marathons – „Schaffst du eh nicht“. Ich trainierte daraufhin so hart, dass es ungesund wurde. Ich habe eine Firma mit einer Freundin gegründet, wollte es meinen Eltern schon gar nicht sagen – sie fanden es heraus und lachten mich aus.
Es tut weh. Ich versuche motiviert zu bleiben, aber die Worte meiner Eltern gehen mir nicht aus dem Kopf. Im Studium fehlt mir die Unterstützung – viele um mich herum kommen aus wohlhabenden Verhältnissen, haben gute Beziehungen zu ihren Eltern. Das macht es schwerer.
Jetzt tut es einfach weh: Ich sehe, wie meine Eltern sich selbst zerstören, und es fühlt sich an, als hätten sie mir meinen Traum genommen und ich durfte mich nie entwickeln oder entfalten. Ich habe trotzdem meinen Weg gefunden und bin glücklich damit – aber sie geben mir weiter das Gefühl, ich dürfe nicht glücklich sein und keinen Wert haben.
Ich wünsche mir so sehr Verständnis. Ich wollte schon in Therapie, habe aber keinen Platz bekommen. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich möchte glücklich sein, Liebe spüren und Liebe geben – aber ich weiß nicht einmal, was das eigentlich ist.