Bin nun auch mit an Bord

  • Ich grüble und grüble und drehe mich nur im Kreis. Ich würde gerne an mir arbeiten und weiss einfach nicht wie und wo ich damit beginnen könnte. Ich lese hier stundenlang im Forum, schnappe hier was auf und dort und doch kommt bei mir einfach keine grosse Hoffnung auf, dass ich wirklich langfristig trocken leben kann. Wo könnte man mehr Hoffnung schöpfen, als in so einem Forum, wo einem vor Augen geführt wird, dass es wirklich möglich ist?!? Oder nein, ich denke ich kann vielleicht schon längerfristig nüchtern bleiben ... nur das mit der zufriedenen Trockenheit ist mir noch ein kleines Mysterium. Dabei ging es mir ja in meinen 9 Monaten Trinkpause sowas von gut (natürlich nicht immer - aber die Löcher, in die ich plumpste waren nur noch grau und nicht mehr tiefschwarz) .... und ich bilde mir ein, damals ging es mir viel schneller wesentlich besser.

    Gut, da frage ich mich, was tue ich dafür, dass ich trocken bleibe:

    hmmm, da muss ich (leider) erst einmal lange überlegen :? und dann kommt mir folgendes in den Sinn:

    - ich habe regelmässige Termine bei meinem Arzt, der mich auch aus den anderen Süchten begleitet hat und wo ich immer aufkreuzen kann, wenn ich ein Problem habe.

    - ich besuche keine Orte, die ich mit "Alkohl" in Verbindung bringe

    - ich lese hier im Forum

    und ich trinke nicht.

    Ich weiss, das ist dürftig, aber ich weiss wirklich nicht, was ich gerade noch tun könnte. Ich frage mich seit heute, ob mir eine Suchtberatung etwas bringen könnte. Doch da sträubt sich in mir (fast) alles, denn ich weiss nicht wieviele unzählige Stunden ich in solchen Beratungsstellen gesessen bin und kein einziges mal schlauer da raus kam, als ich rein ging. Gut, vielleicht sollte ich mir mal wieder die Frage stellen "warum wurde ich süchtig?" - aber bringt mir das wirklich was (und vor allem habe ich das in den unzähligen Stunden auch schon endlos durchgekaut und nichts rausgefunden)? Fakt ist doch, dass ich jetzt süchtig bin und das ist jetzt die Ausgangslage. Was war oder auch nicht war, kann ich ja jetzt eh nicht mehr ändern und um tiefere seelische Probleme anzugehen, dafür habe ich echt den Kopf noch nicht frei.

    Ich trinke oft aus Langeweile. Aber mensch, ich habe eine Langzeit(drogen)-Therapie gemacht, wo eigentlich (unter anderem natürlich) genau das angegangen wurde: wir sollten lernen "Langeweile auszuhalten". Ich habe viel aus dieser Therapie mitgenommen - auch wenn das dicke Ende erst danach kam. Liebend gerne würde ich wieder (wie damals) meditieren. Aber ich schaffe es noch nicht mal mich abends lange genug zu konzentrieren, ein einfaches Gebet zu beten.

    Mir schwirrt der Kopf und ich finde keine Ruhe. Beim letzten mal (als ich nüchtern wurde) half es mir sehr in der Bibel zu lesen; dieses mal bekomme ich nicht mal das auf die Reihe.

    Jaja, ich lasse hier ein Gejammer ab :D , aber wohin sollte ich denn sonst mit meinem ganzen Müll? Aber zwei positive Sachen habe ich zu berichten: es ging mir heute etwas besser als gestern und heute sind es 4 Wochen ohne Alkohol. Ist ja schon mal ein Aufwärtstrend zu erahnen :D

    gruss liv

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Hallo Liv,

    die Langeweile war schon immer der Kompagnon des Teufels Alkohol/Drogen.

    Fülle die lange Weile mit neuen Dingen, Interessen, Hobbys, Beschäftigungen, aus denen du schöpfen kannst.

    Gruß, Freund.

  • Hallo Freund,

    Zitat

    die Langeweile war schon immer der Kompagnon des Teufels Alkohol/Drogen.

    Ach, wie wahr!

    Zitat

    Fülle die lange Weile mit neuen Dingen, Interessen, Hobbys, Beschäftigungen, aus denen du schöpfen kannst.

    Im Moment ist das für mich, in erster Linie, klar dieses Forum hier. Je mehr ich darin lese, desto "vertrauter" werden mir gewisse Nicks und dadurch wächst mein Vertrauen in das Geschriebene dieser Leute. Dabei fällt mir auf, dass ich immer wieder so ganz kurze Momente habe, wo sich für mich einen Augenblick was klärt (wo mir das gelesene total logisch und es sich mir als viel einfacher darstellt, als das trinken), ich spüre Erleichterung und Hoffnung. Zwar sind das wirklich nur Augenblicke, aber es tut unheimlich gut. Das ist, unter anderem, etwas, worauf ich diese Wochen gewartet und gehofft habe, weil ich das von der letzten Trockenphase her kannte und es kam einfach nichts.

    Handkehrum aber frage ich mich, ob es tatsächlich gesund für mich ist, hier täglich Stunden zu verbringen - nunja, gesünder als zu trinken allemal :wink: . Ich möchte einfach nicht wieder "extrem" sein, denn ich bin eigentlich in allem extrem, was ich tue. Ich mache etwas (fast) gar nicht oder masslos. Sei`s putzen, schreiben, häkeln, .... und jetzt eben das lesen hier. Wenn ich dann wieder etwas so intensiv mache, kommt bei mir schnell ein ungutes Gefühl herauf, das sagt "Du kennst einfach keine Grenzen und das ist schleeeeecht".

    Fazit des heutigen Tages: es war ein angenehmer Tag, mit weniger Suchtdruck, als bisher und ich geniesse gerade das Stückchen Hoffnung, das sich da in mir breit macht.

    Allen eine gute Nacht und ganz liebe Grüsse, liv

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Hallo Liv,

    Du reflektierst,und merkst das es Dir gut tut,und das ist es doch,aus dem alles andere resultiert :wink:

    Gruß Andi

  • Hallo,

    Zitat von liv


    Ich möchte einfach nicht wieder "extrem" sein, denn ich bin eigentlich in allem extrem, was ich tue. Ich mache etwas (fast) gar nicht oder masslos. Sei`s putzen, schreiben, häkeln, .... und jetzt eben das lesen hier. Wenn ich dann wieder etwas so intensiv mache, kommt bei mir schnell ein ungutes Gefühl herauf, das sagt "Du kennst einfach keine Grenzen und das ist schleeeeecht".

    Nur Mut, vielleicht auch mal Mut zum Mittelmaß?

    Gruß Hermann

  • Hallo Liv,

    das Forum muss nicht zur Sucht werden, solltest du dir aber täglich eine gewisse Zeit nehmen, hier im Forum an deiner Trockenheit zu arbeiten.
    Dein Kopf muss arbeiten, Reflektion ist da die beste Nahrung.

    Gruß, Freund.

  • Hallo Liv,

    wenn du dich bisher ausschließlich als extrem wahrgenommen hast, wie sollte sich das so schnell ändern?

    Also würde ich für den Anfang die Parole ausgeben: "Lieber extrem trocken, als extrem nass." Alles Weitere würde ich auf mich zukommen lassen.

    Ich empfinde es nicht als fragwürdig, dass ich immer wieder Zeit hier verbringe. Ich habe einfach gemerkt, wie gut mir die Anwesenheit hier tut. Ich wüsste ohne das Forum nicht viel über die Verhaltensweisen, die mir eine wirklich dauerhafte und stabile und zufriedene Nüchternheit ermöglichen, weil ich real keinen Anschluss an eine SHG habe und außer einem trockenen Kumpel keinerlei Austausch mit Menschen, die wirklich etwas von Stoffsuchtvermeidungsstrategien wissen oder diese gar leben.

    Ich denke, dass ich seit meiner 11 monatigen Abstinenz - nicht zuletzt mit Hilfe des Forums - viel "gemäßigter" (weniger extrem) geworden bin. Insofern habe ich ein gesundes Verhältnis zu meiner Forumspräsenz, da es meiner Meinung nach grundsätzlich nicht einer weiteren Abhängigkeit Vorschub leistet oder einer Suchtverschiebung dient, sondern in die Unabhängigkeit führt.

    Ich hatte auch mal eine Phase, in der ich mich fragte, warum ich immer wieder hier bin und ob das eigentlich nicht ein schlechtes Zeichen ist. Heute sag' ich mir: es wird seinen Grund haben und zwar den, noch viel mehr darüber lernen zu wollen, trocken zu leben. Manches braucht seine Zeit und ich verstehe vieles erst jetzt richtiger. Und ich beuge der Gefahr vor, das bereits Erlernte zu vergessen, indem ich mich täglich mit meiner und deiner Krankheit auseinandersetze.

    Im Laufe der letzten Monate habe ich besser gelernt, Einflüsse auf mich zu dosieren und so auch einer Forumsüberpräsenz vorzubeugen. Ich sehe keinen Grund, warum das bei dir anders laufen sollte.

    Wenn's mal zuviel wird: Stecker zieh'n, spazierengehen ... weitersehen :wink:


    Alles Gute wünscht Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Hallo Liv,

    du schreibst:

    Handkehrum aber frage ich mich, ob es tatsächlich gesund für mich ist, hier täglich Stunden zu verbringen - nunja, gesünder als zu trinken allemal :wink: . Ich möchte einfach nicht wieder "extrem" sein, denn ich bin eigentlich in allem extrem, was ich tue. Ich mache etwas (fast) gar nicht oder masslos. Sei`s putzen, schreiben, häkeln, .... und jetzt eben das lesen hier. Wenn ich dann wieder etwas so intensiv mache, kommt bei mir schnell ein ungutes Gefühl herauf, das sagt "Du kennst einfach keine Grenzen und das ist schleeeeecht".

    .......Ich kann das sehr gut nachempfinden, ich bin auch in allem extrem.

    Aber damit erfüllen WIR auch automatisch, ganz wichtige Grundvoraussetzungen zum Trockenwerden-, und Bleiben!

    Nämlich das Schwarz-Weiß-Denken, Ganz-, oder Garnicht !

    Ich akzeptiere mittlerweile meine "Extreme", zumindest DIE, die mir Gut tun, und dazu gehört ganz eindeutig dieses Forum.

    Allein meine Anwesenheit und das Lesen hier, zeigt mir jeden Tag aufs Neue, wo ich NIE wieder hin will ! Dafür ist mir KEINE Zeit zu schade !

    Lieben Gruß, Rose

  • Danke Euch für Euere Antworten/Posts,

    @ Hermann - klingt gut "Mut zum Mittelmass". Das wird wohl ein Ziel sein, doch es scheint mir noch relativ fern.

    @Freund: Ja, ich habe mir vorgenommen täglich viel hier zu lesen (da ich ja merke, dass mir dabei das ein oder andere Licht aufgeht und es mir auch viel Zuversicht schenken kann) und dann abends, wenn die Kinder im Bett sind und etwas Ruhe einkehrt, hier in diesem Thread meine Gedanken zu sammeln und sie einfach rauszulassen. Ich hoffe, dass das keinen stört oder am Sinn des Forums vorbeigeht, wenn ich hier sozusagen ein (manchmal vielleicht unregelmässiges) Tagebuch führe. Ich weiss, dass man hier "offiziell" Tagebücher führen kann, aber dazu müsste ich ja einen erweiterten Forenzugang, oder wie das heisst, haben und das möchte ich noch nicht, weil ich mich noch zu neu fühle und nicht die "alten Hasen" belästigen möchte. Wenn ich es recht verstehe, ist es auch so gewünscht, dass Neue nicht schon überall alles mitlesen können/sollen/dürfen!?!

    Micha : "lieber extrem trocken, als extrem nass" ist gut! Ich versuche jetzt wirklich, in erster Linie mal nüchtern zu bleiben, etwas zur Ruhe zu kommen (die sich endlich langsam wieder etwas aufbaut), hier zu lesen und mich, so gut es geht, vor Alkohol-Kontakt zu schützen. Viel mehr bleibt mir ja auch gerade nicht und würde mich wohl für den Moment auch schon leicht überfordern.

    Ich habe auch real keinen wirklichen Anschluss an eine SHG und, wie schon einmal geschrieben, habe ich so gut wie keine Freunde (mehr). Daher aber neige ich dazu, mich in gewissen Foren fast zu sehr einzubringen. Doch hier habe ich eine andere Rolle, als in meinem früheren "Stamm-Forum" - dort habe ich eher Hilfestellungen gegeben und hier habe ich diesen Druck nicht "hier und dort müsstest Du noch antworten, die zählen darauf". Hier kann ich mich mal selber fallen lassen und muss nicht immer einen Lösungsvorschlag parat haben.

    Diese wenigen Tage hier haben mich schon sehr zur Ruhe (zu mir selber?) kommen lassen und das lässt mich auch langsam wieder Frieden mit mir selber (und der Sucht?) schliessen. Ich hege grundsätzlich keinen Groll gegen die Tatsache, dass ich süchtig bin - es nützt ja auch nichts, da es einfach eine fixe Tatsache ist und immer so bleiben wird; entweder ich ärgere mich masslos und versuche gegen die Sucht zu anzukämpfen, oder ich akzeptiere es und lerne damit zu leben. Doch als ich neu in dieses Forum kam, konnte ich geschriebenes einfach nicht mehr und hatte den totalen Durchhänger. Ich habe das bisschen Frieden, welches ich mit mir und der Sucht in mir geschlossen habe nicht mehr gefunden und war sehr verärgert und enttäuscht. Und ich denke, das habt Ihr hier ganz gut gespürt und mich erst mal einfach nur runtergeholt. Dies hat mir Luft gegeben, mich mal zurückzunehmen und mich auf das wesentliche zu konzentrieren. Das war nötig und gut!

    Ich denke (und hoffe) auch, dass sich das mit der Forumspräsenz mit der Zeit auf ein vernünftiges Mass einpendeln wird. Zur Zeit ist es einfach oft mein Rettungsanker und dafür ist es wohl unter anderem auch da.

    @Rosamunde: stimmt, extrem zu sein, hat beim trockenwerden/bleiben seine ganz klaren Vorteile. :D So habe ich das noch nicht gesehen.

    Abschliessend für dieses Pots möchte ich mal ein "danke Euch allen" in die Runde werfen, denn es tut absolut gut, hier zu sein und sich mit Euch unterhalten zu dürfen. [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks/www.planet-smilies.de/blumen/blumen_010.gif]

    Noch einen schönen Abend allen hier Lesenden und liebe Grüsse, liv

    PS: Werde eventuell nach dem Champions-League-Finale :D noch etwas über meinen Tag schreiben ... falls mir dann die Augen noch nicht zufallen.

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Guten Morgen Liv,

    du schreibst:

    Zitat

    [quote]Ich denke (und hoffe) auch, dass sich das mit der Forumspräsenz mit der Zeit auf ein vernünftiges Mass einpendeln wird. Zur Zeit ist es einfach oft mein Rettungsanker und dafür ist es wohl unter anderem auch da.

    Als ich hier "angekommen" bin war ich fast auch nur im Forum da es mir unendlich gut tat zu lesen das ich nicht alleine bin mit meiner Sucht und die ganzen Postings,von den anderen, haben mir immer geholfen!
    Es waren zig Gedankenanstöße dabei dir mir sehr halfen meinen Weg weiter zu gehen/finden!

    Heute bin ich immer noch täglich hier es gehört zu meinem Tagesablauf einfach dazu! :D

    Mach dir mal nicht son Kopf.......wenns dir gut tut kanns nicht schaden! :wink:


    Lieben Gruß
    Kijara

    Ohne Alkohol seit 20.08.06

  • Danke Kijara für Deine Worte!

    Gestern abend war es dann natürlich zu spät, um hier noch viel zu erzählen, obwohl ich es vor hatte und heute hatte ich wegen den Umstellungen im Forum keine Möglichkeit zu schreiben (danke Karsten, dass das wieder so prima klappt!!). Es war gestern einfach im grossen ganzen ein toller Tag, mit nur sehr wenigen (schwachen) Gedanken an Alkohol. Hat mich total aufgestellt.

    Naja, heute lief alles nicht so toll - aber ich kann ja auch nicht erwarten, nur noch "Tage des Glücks" zu erleben :D . Heute habe ich einfach mal wieder gemerkt, wo bei mir eine grosse Rückfallgefahr ist. Das sind Tage wie heute, wo ich mich von den Kindern "dauerbeschallt" fühle und ich nicht in der Lage bin, damit umzugehen; wenn es nur laut ist und all mein gutes Zureden nichts bringt (ausser frechen Antworten vom Sohn). Ich fühle mich dann schnell hilflos und von den Kindern nicht ernst genommen. Dann werde ich auch mal lauter und das nervt mich selber, da ich ja genau weiss, dass das die schlechte Stimmung aller noch mehr anheizt. Genau das sind die Momente, in denen ich mir (wie auch in allen anderen Momenten :wink: ) angewöhnt hatte, ein (zwei, vier, sechs,....) Bier zu trinken. Noch weiss ich nicht, wie ich solche Situationen besser in den Griff bekommen kann - aber eins ist mir unterdessen klar. Alkohol hilft sowieso nicht und würde mich nur noch zusätzlich frustrieren. Zwar werde ich, wenn ich dann drei/vier Bier getrunken habe schon ruhiger, aber da ich dann nicht mit dem Trinken aufhören kann, (wodurch die Stimmung wieder kippt und ich noch ungeduldiger und hilfloser werde), versuche ich mich zu beherrschen. Heute habe ich auf alle Fälle gemerkt - man überlebt es, wer hätte das gedacht, auch ohne Alkohol. :D Und das fühlt sich, im nachhinein, sogar noch gut an.

    Mensch, wie frustriert wäre ich morgen, wenn ich heute die Situation so gelöst hätte, wie in den letzten Jahren .... . Aber morgen werde ich aufstehen und mir wird bewusst werden, dass das heute mal wieder ein winzig, winzig kleiner Teilsieg war - oder zumindest keine "Niederlage".

    So, ich wünsche Euch allen einen gemütlichen, trockenen Abend und grüsse herzlich, liv

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • nur eine kurze Feststellung:

    mir ist gerade aufgefallen, dass ich extrem ungerne mit, mir nahestehenden Personen über mein Alkoholproblem (und auch über meine früheren Drogenprobleme) spreche. Es ist eine Mischung aus starken Schuldgefühlen (vor allem meiner Mutter gegenüber) und Scham, aber auch viel Ungeduld und Wut. Mit (halb)fremden Leuten - kein Problem! Aber mit meiner Mutter und meinem Partner spreche ich eigentlich nie "freiwillig" über mein Suchtproblem und gebe das dann auch meist gut zu spüren. Es macht mich dann schon fast aggressiv. Und am allerwenigsten mag ich es leiden, wenn mir wer dann so einen mitleidigen Blick schenkt - ich brauche absolut kein Mitleid! Aber die Dankbarkeit meiner Mutter, dass ich heute keine illegalen Drogen mehr nehme, berührt mich genauso peinlich, wie ihre Hilflosigkeit (die mich manchmal hätte rasend machen können) damals.

    Kennt das jemand von Euch auch, dass es ihm enorm schwer fällt/gefallen ist, mit engen Angehörigen (die Euch wärend Euerer Suchtzeit schon erlebt haben) über sein Alkoholproblem zu sprechen? Und die Mischung aus Wut, Ungeduld und Schuldgefühl, das dabei aufkommt?

    gute Nacht! gruss liv

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Hallo Liv,

    in meiner Familie ist nie Thema geworden, dass ich nicht mehr trinke. Ich habe es beispielsweise meiner Mutter erzählt, die es schlicht übergangen hat, weil sie bezüglich Alkohol selbst im Glashaus sitzt. Mit meinem Bruder konnte ich so ein wenig darüber reden am Anfang. Allerdings absolut unpersönlich. Er meinte, so schlimm wäre das ja bei mir nicht gewesen, was mir zeigt, dass er mich nicht kennt. Er selbst meint seinen Alkohlkonsum kontrolliert ausführen zu können. Diese Annahme passt zu seinem Selbstbild, aber nicht zur Realität. Seine Frau genau das Gleiche. Naja ich könnte noch den einen oder anderen Verwandten aufzählen, die halt selbst mehr oder weniger trinken. Eine Partnerin habe ich nicht.

    Ich habe jetzt auch kein Bedürfnis mehr, mich ihnen darüber auszutauschen, weil es einfach nicht die richtigen Menschen dafür sind. Ich war zuerst schon wütend und traurig, weil meine Alkohlkrankheit natürlich etwas sehr persönliches für mich ist und ich dachte, das würde mir nahestehende Leute interessieren . Ich habe mittlerweile festgestellt, dass das auch der Fall ist, aber meine Familie gehört eben nicht dazu. Bei Klarheit betrachtet, habe ich kein nahes Verhältnis zu ihnen und habe mich damit abgefunden.

    Mir ist der Austausch über meine Krankheit mit Selbstbetroffenen oder Menschen, die wirklich mal nachfragen wichtiger.

    Aber du solltest deiner Familie und dir auch noch etwas Zeit lassen, bis du selber selbstverständlicher mit deinem Alkoholismus umgehen kannst. Oft sind die Angehörigen aus Unkenntnis einfach überfordert. Und du selbst fühlst dich aus Unsicherheit schnell gereizt oder wirst aggressiv.

    Wenn du erstmal mit dir selbst mehr im Reinen bist, dann überträgt sich das auch auf den Umgang mit anderen Leuten und du deutest vielleicht die Blicke deiner Mutter anders oder bringst Verständnis dafür auf, wenn ihre Art mit dir umzugehen den Anschein des Mitleids erweckt. Das passiert spätestens dann, wenn du für dich selbst wirklich klar hast, dass du kein Mitleid brauchst. Dann wird dich das auch nicht mehr stören.

    Bis es soweit ist zwingt dich ja niemand zu einem Gespräch, wenn es dir nicht gut tut.

    Was anderes finde ich, ist das mit deinem Partner. Da fänd ich es doch schon sehr wichtig, darüber zu sprechen wie du dich fühlst. Er sollte schon wissen wie es in dir aussieht damit er dir auch hilfreich zur Seite stehen kann, wenn es dir mal schlecht geht. Das kann er doch besser wenn du ihm die Chance gibst, dich zu verstehen.

    Kannst du ihn um Hilfe bitten, wenn du welche brauchst? Und wenn ja, wüsste er überhaupt, wie er dir helfen könnte?

    Ich wünsche dir noch unzählige "kleine Teilsiege" :lol:

    Herzliche Grüße vom Micha

    Das Schönste kommt noch

  • hi Micha,

    uff, da hast Du ja viele Verwandte mit einem Alkoholproblem. :? Ich bin da bei uns absolut die einzige weit und breit.

    Bei mir und meiner Mutter ist ein (das?) Problem, dass es uns beiden irgendwie peinlich ist, darüber zu sprechen. Du hast recht, das hat auch noch Zeit - bin ja noch nicht so lange trocken. Aber das Thema steht bei uns irgendwie an, seit ich nicht mehr fixe (sie denkt, das sei seit 10 Jahren - was für Heroin auch stimmt, aber beim Kokain ist es erst zweieinhalb Jahre). Ich würde mich gerne entschuldigen für das, was ich ihr in der ganzen Zeit angetan habe und ich denke, auch sie hat Schuldgefühle, dass sie mich damals, als es echt nicht mehr anders ging, auf die Strasse gesetzt hat.
    Manchmal frage ich mich, was ich empfände, wenn sie sterben würde und ich sie nie wirklich um Entschuldigung gebeten hätte. Aber irgendwie denke ich, wir verstehen uns und jeder weiss, was der andere in dieser Sache denkt. Zudem, was sollte ich sagen? Ich habe ihr Jahre der Angst, Verzweiflung und Sorgen beschert. Ich glaube aber, dass meine Mutter das mir bei weitem nicht mehr übel nimmt, weil ich mich ja irgendwie bis hierhin (bis auf den Alkohol) durchgeboxt habe. Wir haben eine wahnsinnig enge Beziehung und sprechen über alles - eben nur nicht gerne über meine Süchte.

    Im Gegensatz zu Dir habe ich dafür keine Freunde (und erst recht keine, mit welchen ich über meine Sucht sprechen möchte). Was denkst Du, ist das typisch für Süchtige, dass sie Freundschaften nicht zu pflegen verstehen und wenn sie nüchtern werden, plötzlich merken, dass sie so ziemlich alleine sind? Ich frage Dich das, weil ich unsicher bin, ob das mit meinen Süchten zu tun hat, oder ob ich mich (nach dem 14. Lebensjahr, wo alles begann) dermassen zum Einzelgänger verändert habe und von Grund auf nicht mehr in der Lage bin Freundschaften aufzubauen und zu erhalten.

    Zitat

    Wenn du erstmal mit dir selbst mehr im Reinen bist, dann überträgt sich das auch auf den Umgang mit anderen Leuten und du deutest vielleicht die Blicke deiner Mutter anders oder bringst Verständnis dafür auf, wenn ihre Art mit dir umzugehen den Anschein des Mitleids erweckt.

    Ich habe mich da nicht das passende Wort gefunden - ich empfinde die Blicke eher als "dankbar" und "bewundernd" und Sätze, wie (von Bekannten gerne) "och ist ja so toll, wie gut es Dir jetzt geht. Da hast Du ja was geschafft, das nur wenige schaffen", empfinde ich zwar als verständlich (da ja meine Alkoholsucht weniger offensichtlich ist, als mein Opiatkonsum war), aber ungerechtfertigt. Da ist mich selber da reingeritten habe, brauche ich auch keine Bewunderung oder gar Dankbarkeit (letzteres von meiner Mutter). Sowas berührt mich sehr peinlich und ist mir hinten und vorne nicht recht. Vor allem auch nicht, weil ich ja keine Garantie darauf geben kann, dass es weiterhin nach oben geht und nie wieder kippt.

    Zitat

    Da fänd ich es doch schon sehr wichtig, darüber zu sprechen wie du dich fühlst.

    Ja, mein Partner fragt auch öfters mal nach meinem Befinden, wie es mir geht ohne Alkohol, ob der Suchtdruck stark ist, ... . Aber eigentlich ist meine Antwort fast immer dieselbe "es geht schon". Denn wenn es mir gut geht, möchte ich ihm keine übersteigerten Hoffnungen machen, dass das so bleibt (bestimmt auch nasses Denken!) und geht es mir schlecht, spreche ich allgemein nicht so gerne über Alkohol, weil ich dann das Thema für den Moment möglichst weit wegschiebe. Nur schon wenn ich in solchen Momenten über die negativen Auswirkungen von Alkohol diskutieren würde, steigert das bei mir die Lust danach. Klingt paradox, aber ich glaube, da bin ich nicht die einzige.

    Aber eben, wir sind auch schon seit bald 11 Jahren zusammen und ich denke, er kennt mich und meine Süchte unterdessen so gut, dass er auch an meinen nichtsaussagenden Antworten erkennt, wie es mir gerade geht. :D Und wenn ich das Bedürfnis habe, hört er mir zu. Aber er versteht das mit dem Alkohol auch nicht wirklich. Dass ich nie wieder Heroin, Kokain, .... konsumieren darf, ist ihm sonnenklar. Doch beim Alkohol tut er sich da schwerer. Er unterstützt mich so gut er kann (trinkt nicht, wenn ich dabei bin oder es von ihm wünsche. ich könnte jederzeit mit ihm über meine Probleme reden. Er gibt mir alle vernünftige Hilfe, die ihm einfällt), aber ihm will nicht in den Kopf, dass ich nie wieder Alkohol trinken kann/darf, ohne wieder zurückzurutschen. Er glaubt, dass ich das trinken doch auf ganz bestimmt Anlässe reduzieren könnte. :?

    Zitat

    Kannst du ihn um Hilfe bitten, wenn du welche brauchst? Und wenn ja, wüsste er überhaupt, wie er dir helfen könnte?

    Leider weiss ich das selber nicht.

    Zitat

    Ich wünsche dir noch unzählige "kleine Teilsiege" :lol:

    Danke, danke. :D Da werden bestimmt noch viele Herausforderungen dieser Art auf mich warten ... .

    Danke für Deine Antworten!

    Liebe Grüsse, liv

    PS: @Rosamunde (falls Du dies liest) - über unser Haus ist gerade das erste Sommergewitter vorübergerauscht. Ich liebe Gewitter, (Schnee-)Sturm, Hitze .... einfach "extremes" Wetter. Hast Du auch eine Vorliebe dafür?

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Hallo Liv,

    ich glaube ganz sicher, dass der Verlust von Freundschaften oder die Unfähigkeit überhaupt welche aufzubauen, mit den Süchten zusammenhängt. Das ist finde ich das psychisch Schlimmste, dass man seelisch so in die Isolation gerät.

    Mir sind auch nicht viele Freunde geblieben. Eine kleine Hand voll. Am allerbesten rede ich mit einem uralten Kumpel, den ich schon aus der Grundschule kenne. Mit dem ich zusammen soff und der seit über drei Jahren trocken ist. Da kommt beides zusammen: das wir uns schon so lange kennen und das er weiß wie Stoffsucht funktioniert und das er einen Weg herausgefunden hat. Das ist sehr wertvoll für mich und ich nenne es manchmal "meine kleine SHG".

    Aber meine richtige SHG ist hier unser Forum. Die Zusammenkunft von vielen verschiedenen Menschen, die den Weg aus der Sucht gefunden haben gibt mir die Zuversicht, dass ich erstens nicht alleine bin und zweitens, dass es WIRKLICH möglich ist, sich dauerhaft zu befreien und ein unabhängiges Leben zu führen.


    Wenn du mit deiner Mutter so ein enges Verhältnis hast, würde ich meinen gehören dein Süchte auf jeden Fall in ein Gespräch zwischen euch. Du soltest ihr versuchen zu sagen, was dich bewegt. Du wirst sicher einen guten Zeitpunkt für dich herausfinden. Ich würde das nicht überstürzen. Ich denke du merkst, wann es soweit ist.

    Ich finde es gut, dass dein Partner dir eine Stütze ist. Sein Glauben allerdings, du könntest wieder gemäßigt Alkohol zu dir nehmen ist gefährlich für dich und ich hoffe, du spielst nicht mal ansatzweise mit dem Gedanken, dies in Erwägung zu ziehen.

    Du musst das ja erst selber noch daran gewöhnen, dass dies so ist. Ich denke, du kannst ihm das in dem selben Maße besser vermitteln, wie du es selbst verinnerlichst. Nimm' dir mit großer Geduld viel Zeit dafür.


    Ich mag übrigens auch extremes Wetter. Allerdings nur wenn es mit Wind und Niederschlägen in jeder Form zu tun hat. Große Hitzeperioden mag ich nicht so. Am liebsten hab' ich ein richtig starkes Gewitter. Bei uns war gerade ein ganz kleines, kaum der Rede Wert, aber es hat Abkühlung gebracht.

    Herzliche Grüße vom Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Hallo Liv,

    nein, beim Wetter hören meine "Extreme" auf. :lol:

    Ich mag es nicht zu kalt, nicht zu heiß, nicht zu trocken, nicht zu naß, nicht zu stürmisch, und überhaupt KEINE GEWITTER. :twisted:

    Lieben Gruß, Rose :)

  • hi Micha

    Die seelische Isolation ist schon etwas, was mir sehr zu schaffen macht. Sie ist ja mit Schuld daran, dass ich nicht einfach mal schnell, wenn ich es bräuchte, eine Freundin anrufen und mit ihr plaudern kann. Und da ich eh ein recht zurückhaltender Mensch bin, wird das in Zukunft - ohne "Freund" Alkohol - keine einfache Sache, einigermassen Anschluss zu finden. Aber die Zukunft dauert ja noch ein wenig und ich stehe ja auch erst am Anfang.

    Ein Freund wie Deiner (Deine kleine SHG :D ) ist bestimmt schon enorm viel wert. Ich mag es Dir gönnen!

    Was denkst Du, reicht dieses Forum hier als SHG? Oder fändest Du es schon wichtig, dass ich noch in eine reale SHG gehen würde? Mich reizt das nicht besonders, da in der nächsten Stadt nur eine Gruppe ist und ich vor Jaaahren einmal dort war; ich war die jüngste und der zweitjüngste war etwa 40 Jahre älter als ich.

    Mir hilft dieses Forum gerade sehr stark - ich glaube nicht, dass ich die zwei/drei letzten Wochen nüchtern überstanden hätte, wenn ich nicht täglich so viel hier gelesen hätte und mir wieder klar wurde, dass es tatsächlich möglich ist, eine zufriedene Trockenheit zu erreichen.

    Ja, ich vertraue eigentlich sehr auf mein "Gespür" für den richtigen Moment, mich mal mit meiner Mutter darüber zu unterhalten. Es eilt ja nicht und es steht deswegen (also weil es noch unausgesprochen ist) nichts zwischen uns.

    Nein, mit dem Gedanken, wieder hin und wieder ein paar Bier trinken zu können, spiele ich absolut nicht. Ich weiss ganz sicher, dass ich das nicht kann und ich kenne mich zu gut, um schon jetzt zu wissen, was dann die Tage darauf bei mir für ein Kopfkarussell abginge. Zuerst Frust, dann etwas Rechtfertigung und die Überlegung "jetzt warst Du (z.B.) einen Monat nüchtern und hast jetzt einmal getrunken, das macht einen Schnitt von einmal im Monat - ist doch klasse" :roll: , etwas später überlege ich mir meist, dass es ja jetzt eh schon ein Rückfall war und ich gleich noch einen Tag anhängen kann. Gesagt, getan und weil ich ja körperlich noch nicht wieder abhängig bin, kommt`s auf ein paar Tage mehr nicht mehr draufan, ..... .

    Bei mir gilt "ganz noch gar nicht".

    Zitat

    Du musst das ja erst selber noch daran gewöhnen, dass dies so ist. Ich denke, du kannst ihm das in dem selben Maße besser vermitteln, wie du es selbst verinnerlichst. Nimm' dir mit großer Geduld viel Zeit dafür.

    Das stimmt. Und es ist ja nicht so, dass mich mein Partner dazu animiert, etwas zu trinken. Also ich glaube, wenn ich zuhause ein Bier aufmachen würde, ginge er an die Decke. Aber im Ausgang (was ich bisher noch nicht war, aber ich kenne es vom letzten mal) lässt er sich schneller überreden, zu akzeptieren, dass ich was trinke.

    Noch eine Frage (mich beschäftigt halt fast täglich was neues):

    Hattest Du die Überzeugung, nie wieder trinken zu wollen, als Du mit dem Entzug begonnen hast oder kam das auch erst mit der Zeit? Dieses mal habe ich einfach an einem Tag mit dem Trinken aufgehört (so richtig unvernünftig zuhause) und dachte mir "mal sehen, wie es weiter geht" und hoffte, dass ich mit zunehmender Nüchternheit, auch noch das letzte Stück "nicht 100%ig zu wollen", wegbekomme. Ich lese hier viel "dies oder jenes ist nasses Denken" - aber wie bekommt man das weg? Hilft da die Zeit der Nüchternheit oder sollte man von anfang an so überzeugt sein, dass man sich sicher ist (oder glaubt dies zu sein), dass man nie wieder trinken möchte? Natürlich ist das auch mein Ziel - aber so wirklich vorstellen kann ich mir das noch nicht ganz.

    Ach, und noch was: Was mich dieses mal etwas erschreckt hat, ist, dass ich das Gefühl habe, dieser Rückfall Ende April (war zwar erst seit anfang Februar nüchtern) hat mich unheimlich zurückgeworfen. Ich glaube, ich war die Tage danach noch weiter unten und weniger motiviert, als im Winter, wo ich noch gesoffen habe. Und das hielt an, bis vor ein paar Tagen. Früher dachte ich immer irgendwie auch "Rückfälle sind heilsam". Aber dieser Rückfall war mehr als ein Rückschritt und war nicht, wie die male vorher, nach ein/zwei Wochen wieder "vergessen". Natürlich ist es daher schon ein bisschen heilsam, denn ich möchte dies nicht so schnell noch einmal durchmachen ... . Warum, wirft mich so ein Rückfall dermassen zurück -vergesse ich dann alles, was mir vorher klar war? Es war ja nicht nur dieses mal so - auch nach 9 Monaten ohne Alkohol, war nach dem ersten Schluck klar, dass ich wieder vorne anfangen kann. Aber da habe ich ja gleich wieder durchgesoffen ... .

    So, ich danke Dir fürs "zulesen" und grüsse Dich herzlich, liv

    PS: Es geht mir nichts über ein richtiges Gewitter. Letztes Jahr waren wir im Sommer mit dem Zelt in den Ferien und da zog ein Gewitter auf (die Kinder kamen glücklicherweise erst zwei Tage danach zu uns). Mein Partner hatte natürlich Sprüche geklopft "so, da hast Du Dein Gewitter". Natürlich konnte ich mir nicht die Blösse geben und meine wachsende Angst zugeben :D und grinste dazu. In der Nacht dann kam das derbste Gewitter, welches ich je erlebt habe - es blitzte und krachte ununterbrochen und das (ohne Übertreibung) stundenlang - und wir lagen im Zelt zwei Meter vom See entfernt. Da war mir wirklich nicht mehr wohl und ich bat meinen Freund, mit mir zum Auto zu rennen. Doch der meinte (war wohl zu faul um aufzustehen :wink: ) das sei zu gefährlich. Ich lag im Zelt und habe pausenlos gebetet. Da hatte ich echt Schiss. Natürlich konnte mein Freund es sich nicht verkneifen, unseren Bekannten davon zu erzählen und ich werde noch heute damit aufgezogen (nicht böse) .... :lol:. Also ich liebe Gewitter (wenn ich im Haus bin)!!!

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Hallo Liv,

    vielleicht war dein letzter Rückfall gerade eben heilsam, WEIL du ihn nicht so schnell wegstecken konntest ?

    Bei mir war es so, dass ich von meinem Leben so wie ich es führte "einfach" die Schnauze voll hatte. Ich spürte immer mehr diese seelische Einzelhaft und merkte zunehmend, dass das was mit dem Saufen zu tun hat, weil es mir besser ging, wenn ich mal eine Trinkpause von Tagen, Wochen oder gar Monaten eingelegt hatte.

    Aber ich hielt nie lange durch, ohne das ich je verstand, wieso. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich Alkoholiker bin, weil bei mir nach außen alles noch so leidlich gut ablief und ich mich in einer Gesellschaft befand, wo allenthalben gesoffen wurde.

    Diesmal sollte es anders werden, ich wollte wirklich NIE WIEDER BETÄUBT sein, sondern versuchen mein Leben mal nüchtern in den Griff zu bekommen.

    Sowas lernt man natürlich nicht von heute auf morgen. Ich bin auch erst dabei, dieses "nasse Gedankengut" und "nasse Verhaltensweisen" bei mir zu erkennen und zu verändern.

    Immer wenn ich Probleme hatte, betäubte ich mich. Ich hatte keine andere Antwort auf Konflikte als die Dröhnung. Hatte ich nie gelernt. Es wurde immer beiseite geschoben, verdrängt und heile Welt gespielt (so gut wie es noch ging).

    Als erstes habe ich kapiert, dass ich nie wieder ein Glas kippen will. Ich weiß, was passiert, wenn ich das tu' und das ist das allerletzte auf der Welt, was ich will. Ich will klar sein. Nüchtern. Den Dingen ins Auge sehen, auch den häßlichen Wahrheiten.

    Was ich zuerst überhaupt nicht wusste war, dass ich allerhand ändern musste, mein Verhalten überprüfen und bestimmte Dinge anders angehen. Früher bei meinen Trinkpausen, hatte ich lediglich den Alkohlkonsum eingestellt und sonst nichts in meinem Leben verändert.

    Jetzt habe ich mir ein alkoholfreies Zuhause eingerichtet. Das ist mir wichtig.
    Am Anfang dachte ich noch daran, "alkoholfreies Bier" zu trinken. Aber das schlug ich mir bald aus dem Kopf.

    Ich trennte mich von alten Saufkumpels, die es auch nicht mehr an großer Zahl gab, weil ich längst dazu übergegangen war, lieber alleine zu trinken, um weniger aufzufallen.

    Ich beschäftige mich täglich mir und meinem Alkoholismus, den ich zu mir gehörig als Krankheit angenommen habe. Zuerst scheute ich mich selbst vor dem Wort "Alkoholiker".

    Ich tu' das hier im Forum. Ich bin jeden Tag hier. Das ist meine SHG. Ich schreibe viel im geschlossenen Bereich, auch eine Art Tagebuch. Da lernt man sich etwas näher kennen und kann genauer aufeinander eingehen. Es ist sehr hilfreich, dort ein etwas individuelleres Feedback zu bekommen und auch eventuelle Schwachpunkte aufgezeigt zu bekommen.

    Dieser Austausch mit Betroffenen ist für mich das Wichtigste. Als ich hier eintraf, war ich schon entgiftet, hatte aber keine Ahnung, wie ich mein Leben so verändern konnte, dass ich es schaffe ohne Betäubung auszuhalten. Ich habe mir zwar schon immer viele Gedanken gemacht, aber das Entscheidende über meine Krankheit habe ich hier von Menschen gelernt, die bereits erfolgreich und zufrieden trocken leben. Ich lerne hier jeden Tag ein bisschen dazu, weil wir ja alle anders sind.

    Ich glaube, was ich ganz entscheidend anders mache als bei meinen Trinkpausen, ist, dass ich mit mir geduldiger geworden bin. Mir geht es nicht mehr um den schnellen Erfolg, sondern um Dauerhaftigkeit und Stabilität. Ich möchte nicht bei jedem Gewitterchen einknicken.

    Ob für dich eine reale Selbsthilfegruppe richtig ist, wirst du im Laufe der Zeit noch herausfinden. Vorläufig bist du hier gut aufgehoben. Ich möchte dir ans Herz legen, nicht die schnellen Antworten zu suchen, sondern etwas zu verweilen, denn viel Verständnis bringt erst die Zeit und das kontinuierliche Beschäftigen. Mir gehen so gaaanz allmählich die trockenen Lichter an ...


    Übrigens, während ich dies schreibe, fängt es wieder an zu gewittern ... aber wieder nur "Gewitter light" :lol:


    Herzliche Grüße vom Micha

    Das Schönste kommt noch

  • hi Micha [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks/www.my-smileys.de/smileys3/00009148.gif],

    anscheinend habe ich diesen Rückfall "gebraucht", um mir bewusst zu werden, dass es nur mit "nichts-trinken" nicht getan ist und dass ich es so ganz im Alleingang (nur mit meinem Arzt) nicht packe.

    Was denkst Du, warum Du Deine Trinkpausen jeweils wieder beendet hast, wenn es Dir doch in der Zeit besser ging? Ich bildete mir jeweils tatsächlich ein, ich könnte jetzt "normal trinken" :roll:, es war schlichtweg Übermut und Leichtsinn.

    Zitat

    Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich Alkoholiker bin, weil bei mir nach außen alles noch so leidlich gut ablief ....

    Da musste ich lächeln. Es kann wohl auch ein Übel sein, wenn man alles immer noch so gut im Griff hat. So kann man es viel länger "schönreden" - oder meinst Du das anders?

    Du schreibst, Du wolltest nie wieder betäubt sein - das ist wohl die ideale Voraussetzung. Mich bringt jeweils der Unmut über das ganze drumherum wieder zu einer Trinkpause (was es ja dieses mal hoffentlich nicht wieder wird), also der tägliche peinliche Einkauf im Dorfladen (besonders mies vor Feiertagen), das sinnlose "Vorsaufen", ... na Du weisst ja, was es alles mit sich bringt. Zudem geht es mir ja unter Alkoholeinfluss nur selten wirklich gut. Ein Erlebnis hatte ich auch, das mich erschreckt und aufgerüttelt hat - meine Kleine sollte in den Schwimmkurs und ich war so betrunken, dass ich es fast nicht auf die Reihe brachte, mich und die beiden Kinder umzuziehen (Kästchenschlüssel tausendmal verlegt, ein Durcheinander mit den Kleidern, ...). Nie wieder möchte ich so verwirrt und hilflos sein!

    Aber ich denke, auch einen grossen Druck mache ich mir wegen der Kinder. Sie sind 7 und 9 und bekommen das ganz gut mit. Das Mädchen beisst ihre Nägel in Zeiten, wo ich trinke und unterlässt es, wenn ich eine Weile nüchtern bin. Und vor einem Jahr hat mich der Kleine schockiert, als er zu mir (als wir wegen seiner Augen-OP im Spital waren) sagte "Mami, Du hast Dir doch früher auch mal selber eine Spritze gemacht". Der muss das irgendwann mal gesehen haben - und sowas möchte ich nicht noch einmal in Bezug auf Alkohol erleben. Also, dass die Kinder das so miterleben müssen. Zudem bin ich ja auch Vorbild und für mich gäbe es nicht viel schlimmeres, als meine Kinder süchtig zu wissen. Auch habe ich zu wenig Erinnerungen an die Zeit mit meinen Kinder in den letzten Jahren, und mir rennt langsam die Zeit davon (habe ich das Gefühl) - die Kinder werden grösser und lösen sich schon langsam etwas ab. Ich möchte noch viel mit ihnen erleben und ihnen die fröhliche und unternehmunslustige Mutter sein, die sie eigentlich verdient hätten. Und das geht nur nüchtern ... .

    Es tut gut, von Dir zu lesen, dass auch Du nicht von anfang an, zu allem die richtige Einstellung hattest und dass das halt Zeit braucht (die ich mir wohl auch nehmen darf).

    Als Vorwand für meinen letzten Rückfall musste folgendes herhalten: ich entdeckte bei mir ein auffälliges Muttermal und ich bekam echt Panik, es könnte Hautkrebs sein (ich glaube ich habe leicht hypochondrische Züge :? ) - und ich hatte auch nie gelernt, anders damit umzugehen, als mich zu betrinken. Aber wenn man sucht, findet man immer irgendwelche "Gründe" zum trinken, gell!?! :wink:

    Zitat

    Jetzt habe ich mir ein alkoholfreies Zuhause eingerichtet. Das ist mir wichtig.

    Genau da habe ich noch eine fette Leiche im Keller (und ein mords-schlechtes Gewissen, dass ich das bisher nicht zugegeben habe) :oops: - auf meinem Balkon stehen noch 4 Liter Bier. Ich dachte bis vor ein paar Tagen, dass ich so mit dem "nicht-trinken" besser umgehen kann, da ich ja die Beruhigung habe, es wäre was da .... . Ich bekomme sonst schnell Panik, dass ich ja z.B. Sonntags nichts da hätte, wenn was wäre. Unterdessen weiss ich, dass das absolut nasses Denken ist und doch fällt es mir schwer, es wegzutun. Bei der letzten Trinkpause habe ich den damaligen Notvorrat nach vier/fünf Monaten verschenkt.

    So, Entschluss gefasst: Morgen werde ich diese Biere in das Auto meines Partners stellen und er kann es seinen Kollegen schenken. Soooo, jetzt ist es raus und somit auch das "Versprechen" (Du musst jetzt halt dafür herhalten, sorry :D ), morgen abend ist kein Bier mehr in meiner Wohnung (und auch keines auf dem Balkon oder im Keller :wink: ). Mein Freund hat zwar noch Whisky in seinem Büro - aber davor hat es mich schon immer geekelt, da habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, dass ich da was trinken könnte, nicht mal, wenn das Bier alle war.

    Zitat

    Am Anfang dachte ich noch daran, "alkoholfreies Bier" zu trinken. Aber das schlug ich mir bald aus dem Kopf.

    Alkoholreies Bier reizt mich überhaupt nicht - Bier schmeckt mir nicht mal besonders (zumindest nicht die ersten paar dl), es ist für mich nur Mittel zum Zweck.

    Ich habe mich gerade vorher über den erweiterten Forenzugang informiert. Das werde ich bestimmt auch mal machen, aber wie schon einmal geschrieben, würde ich mich dort, so als Neuling hier, als Eindringling und Störefried fühlen und hätte Angst, nur schon mein Mitlesen würde die Leute bedrängen oder stören. Vielleicht ist das auch wieder so ein "Selbstbewusstseins-Ding", dass ich immer schnell fürchte, den Leuten lästig zu sein.

    Ja danke, ich fühle mich hier auch wirklich gut aufgehoben und unterdessen auch nicht mehr als "Fremdkörper" - kaum zu glauben, dass ich erst sein 10 Tagen hier mitlese/mitschreibe - es kommt mir schon viel länger vor und gewisse Nicks werdem mir immer vertrauter. So kann ich jetzt auch immer öfter einfach "glauben", dass es stimmt, was sie schreiben und dass sie mir bestimmt nichts böses wollen, auch wenn hier mein Einstieg nicht wirklich gelungen war (von meiner Seite her) :wink: .

    Zitat

    Ich möchte dir ans Herz legen, nicht die schnellen Antworten zu suchen, sondern etwas zu verweilen, denn viel Verständnis bringt erst die Zeit und das kontinuierliche Beschäftigen.

    Verstehe ich nicht ganz. Meinst Du, ich solle weniger fragen und einfach lesen?

    Hier fürs nächste Gewitterchen: [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks/www.cheesebuerger.de/images/smilie/verschiedene/e030.gif]

    Auch wenn ich mich immer wiederhole: danke! Ich fühl mich gerade um Welten weniger alleine.

    Dir noch einen tollen Abend und ganz liebe Grüsse, liv

    Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden ...

  • Zitat

    Verstehe ich nicht ganz. Meinst Du, ich solle weniger fragen und einfach lesen?


    Hallo Liv,

    nein, das meinte ich nicht. Fragen stellen macht klug, denn hier gibt es eine Menge Leute die in Bezug aufs Trockenwerden wertvolle Antworten haben.
    Das war nur nochmal ein Plädoyer für die Geduld, die mir so wichtig erscheint.

    Was du da über den geschlossenen Bereich schreibst trifft definitiv nicht zu. Wir sind eine Selbsthilfegruppe aus Leuten, die alle entweder Alkoholiker oder Coalkoholiker sind. Da stört keiner den anderen, sondern wir versuchen uns alle gemeinsam zu helfen. Wie ich finde mit einem Erfolg, der sich sehen lassen kann. Genaugenommen wirst du in der ersten Zeit sogar dazu aufgefordert "lästig zu fallen" und egoistisch zu sein.

    Ich will keine Werbung dafür machen, aber ich kann dir in die Hand versprechen, dass du dort gut aufgenommen wirst und auch nicht in irgendeinen Zugzwang kommst, sondern dich ganz nach Belieben tummeln kannst.


    Mir ging es genau wie du schreibst: dadurch, dass ich nach außen noch fast alles im Griff hatte, fiel es mir leicht mich selbst zu belügen. Und das ich relativ leicht Pausen machen konnte, nährte wiederum meine Einbildung, ich hätte alles im Griff.

    Meine Trinkpausen scheiterten jeweils an der Annahme, ich könnte kontrolliert trinken. Das war ein Trugschluss, der mich einige Jahre meines Lebens gekostet hat.
    Meine fundamentalste Erkenntnis ist, dass es für mich nur 2 Möglichkeiten in Bezug auf Alkohl gibt: Trinken oder Nichttrinken. Ich habe mich für die zweite entschieden.


    Du schreibst, dass dir Bier gar nicht schmeckt und nur Mittel zum Zweck ist und dich Whiskey sogar anekelt.
    Das macht den Alkoholiker wohl aus, dass er Alkohol nicht genießt, sondern als Mittel zum Zweck, nämlich sein Bewusstsein wegzublasen, einsetzt.

    Ich unterscheide nicht mehr zwischen verschiedenen alkoholischen Darreichungsformen oder Alkoholsorten, obwohl ich ein ausgesprochener Nurbiertrinker war. Bis auf kleinere Rotweinphasen.
    Ich rede von Alkohol als Substanz, egal wo er enthalten ist. Ich verlasse mich nicht darauf, dass mich Schnaps nicht reizt, obwohl er das wirklich nie getan hat. Ich möchte gar keinen Alkohol im Haus haben. Auch nicht in irgendwelchen Süßigkeiten o.ä..


    Zitat

    Ich möchte noch viel mit ihnen erleben und ihnen die fröhliche und unternehmunslustige Mutter sein, die sie eigentlich verdient hätten. Und das geht nur nüchtern ... .

    Das wünsche ich dir und auch deinen Kindern.


    Herzliche Grüße vom Micha

    P.S.: Vielen Dank für das Schirmchen, ich werde es wohl morgen wieder brauchen können

    Das Schönste kommt noch

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