Wissen, was ich will

  • Hallo,

    gestern habe ich mich mit ein paar Leuten darüber unterhalten, dass wir immer viel besser wissen, was wir nicht wollen, als das, was wir wollen.

    Und wenn wir dann schon mal wissen, was wir wollen, machen wir uns meistens nicht daran, es auch umzusetzen. Von Prioritäten war dann die Rede und davon, dass es immer wieder Gründe im Außen gibt, Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse nicht zu formulieren bzw. das Leben so zu gestalten, dass es so ist, wie wir es uns wünschen.

    Ist es wirklich nur eine Frage von Prioritäten oder gibt es vielleicht noch ganz andere Hintergründe, die uns davon abhalten, das zu tun, was wir für uns als gut erachten? Wie seht ihr das?


    Fragt
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hi Ette,

    was wir wollen, nicht wollen, tolle Frage. Ette, wir setzen unsere Grenzen selbst, es liegt in unserer Hand.

    Du magst doch Geschichten und da gibt es doch die von den beiden Schulfreunden mit dem großen Traum, beide Träumen vom großen Haus:

    Der eine wird Multi, riesige Firma, in der ganzen Welt zu Hause, überall offene Türen, happy und immer gut drauf, auch innen drin, echt cool.

    Der andere wird Priester, hat ein Waisenhaus in Afrika, kümmert sich um viele Not leidende Menschen, ist glücklich, immer gut drauf, auch innen drin, echt cool.

    Beide haben große Häuser, war ja ihr Traum.

    Und jetzt frage Dich mal wozu ergründen was, warum passiert, vielleicht verpassen wir das Leben vor lauter Ergründen und Suchen. Die letzten Tage hatte ich ganz schön viel verpasst, weil mein Hirn abgrundtief am Gründen war.

    LG kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Danke für die Frage Ette,

    einige meiner Hintergründe und Stolpersteine auf dem Weg zu tun was ich für mich als gut erachte, liegen in vielen (10) Geboten meiner Kindheit:


    1.Du sollst andere nicht in Frage stellen, denn sie haben immer Recht (und Respekt verdient)

    2.Du sollst andere nicht in Frage stellen, denn Sie sind mächtiger als du

    3.Das Leben ist gefährlich, habe aus Vorsicht immer Angst und sei auf der Hut, denn z.b......werden eines Tages die Russen kommen (im Ernst, 100mal gehört :lol: )

    4.Du sollst die Bedürfnisse anderer über deine eigenen stellen, denn sie sind wichtiger als du

    5.Deine eigenen Wünsche sind unwichtig, also habe besser keine, dann bist du auch nicht enttäuscht

    6.Das tut man nicht!

    7.Das brauchst du gar nicht erst zu versuchen, denn das schaffst du sowieso nicht

    8.Du darfst anderen auf keinen Fall die Wahrheit sagen, denn es könnte sie verletzen

    9.Du darfst nicht a)traurig oder b)wütend sein, denn a) wird ignoriert und bei b) setzt es was

    10.Stell dich nicht so an


    Dazu kommt ein fast irrationales Bedürfnis nicht die Kontrolle zu verlieren um nicht auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein und führt wie das ständige ‚mir Sorgen machen’ um meine Unabhängigkeit und materielle Existenz dazu, dass Wünsche, Träume und meine Lebenslust stets im Nirwana verschwinden (denke das ist typisch Co).
    Ergänzt wird dieses von der allgegenwärtigen Pflichterfüllung und einem in meiner eigenen Persönlichkeit liegenden permanenten Schuldgefühl und schlechtem Gewissen.

    Was bringt es mir das zu wissen? Vielleicht schaffe ich es dann besser aus diesen Zitronen noch Saft zu machen.
    Ette, Super Denkanstoss; 'was will ich' ist eine meiner derzeitigen Dauerfragen - Baustellen.

    (Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, soviel negatives geschrieben zu haben, ist doch echt bekloppt oder? :wink: )

    L.g. Smilla

    ---------------------------

  • hallo ette,

    ich denke, das wissen, was man will, kommt mit der zeit. wenn man sich um sich selbst kümmert und sich die zeit zum nachdenken nimmt. wenn man sensibel mit sich umgeht. wenn man sich hinterfragt. ist viel arbeit, und oft auch nicht angenehem, aber das ergebnis kann sich sehenlassen :D.

    ich hab in meiner therapie vor vielen jahren (ist sicher 15 jahre her) mal als "hausaufgabe" bekommen, eine woche lang nur das zu machen, worauf ICH lust habe. mich bei JEDER handlung zu fragen "will ich das jetzt aus mir heraus?". ausgenommen natürlich solche sachen wie arbeiten, körperpflege... :wink:. das war spannend, und für mich auch erschütternd. wie oft habe ich nämlich festgestellt: ich mache das, weil andere das von mir erwarten, oder schlimmer: weil ich das von mir erwarte, weil ich DENKE, dass andere von mir erwarten, weil ich mich verpflichtet fühle, weil ich angst vor ablehnung und/oder streit habe, weil ich gemocht werden will, weil es der weg des geringsten widerstandes ist.... ein feldversuch mit mir als versuchsperson. da habe ich viel gelernt. das hinsehen natürlich, aber auch, dass "nein" sagen nicht zwangsläufig ablehnung nach sich zieht. eigentlich banal, aber für mich eine wundersame erkenntnis.

    natürlich ist danach der alltag wieder eingerissen, aber dieses experiment hat mich doch nachdrücklich beeindruckt. habe es dann, als die situation mit meinem trinkenden freund vor gut einem jahr immer schlimmer wurde, mal wieder rausgekramt und in meinem tagebuch weitergeschrieben. es tat weh zu sehn, wieviel ich an DIESER partnerschaft nicht mehr mochte und nicht mehr wollte, und wie auf der anderen seite meine wunschliste aussah, und das nicht nur im bezug auf die parterschaft, sondern auch allgemein. naja, das ende vom lied war eine schmerzhafte trennung in raten, die aber für mich mittlerweile ihren abschluss gefunden hat. und heute bin ich so weit, dir auf die schnell 1.000 dinge aufzählen zu können, die ich möchte, und kaum mehr etwas, was ich in meinem leben nicht mehr möchte. und das fühlt sich gut an :D. im moment fülle ich mein tagebuch mit jubelarien :wink:.

    dazu gehörte aber auch eine radikale inventur meines gesamten lebens, ein beleuchten von beziehungen, ein ausknipsen meines immer noch latent vorhnadenen "helfersyndroms", ein prioritäten nach MEINEN bedürfnissen setzen, auch wenn ich jemanden anders damit vielleicht verletze oder ärgere oder den erwartungen nicht gerecht werde. mittlerweile kann ich damit leben - weil ich mit mir im reinen bin - und weil ich mich mag.

    lieben gruß

    lavendel

  • Hallo Ette,

    ja diese Frage ist gut.
    Ich denke am Anfang steht was will ich nicht und dann muß die Frage kommen was will ich und wie kann ich das am Besten umsetzen. Wenn die ersten Erfolgserlebnisse kommen wird es immer leichter darauf zu hören was will ich.

    So geht es mir gerade auch wenn der Weg oft schwer ist. Ich will ihn gehen denn ich weiß mir wird es gut gehen.
    Z.B. Wollt ich mich nicht mehr von meiner Mutter fertig machen lassen, ich hab überlegt was will ich von ihr. Ich wollt ein Gespräch aber dort wo ich wollte das hab ich ihr gesagt und wir haben es gemacht.
    Es ist viel geklärt worden, mir geht es besser damit. Ich hab ihr einfach gesagt was ich will und auch was ich nicht will. Und so werd ich das jetzt mit allem handhaben.

    LG
    Elocin

  • Zitat

    Ist es wirklich nur eine Frage von Prioritäten oder gibt es vielleicht noch ganz andere Hintergründe, die uns davon abhalten, das zu tun, was wir für uns als gut erachten? Wie seht ihr das?


    Ich denke, es ist die Angst vor der Veränderung. Die Angst, den ersten Schritt zu tun. Und genau wie Lavendel schreibt, die Angst davor: Was werden die anderen sagen (weil sie anderes von einem erwarten). Man sollte wirklich viel mehr an sich selbst denken und egoistischer werden. Daran arbeite ich zur Zeit, und es gelingt mir auch oft ganz gut!

    Wir denken einfach viel zu oft ziemlich negativ anstatt positiv, und den Spieß sollten wir umdrehen - ich weiß, ist nicht so einfach, ist aber denke ich machbar... und mit der Zeit auch umsetzbar ;)

  • Boa eyyy.... das finde ich jetzt mal gut, dass ihr mir darüber so tolle Rückmeldung gegeben habt.

    @ Smilla, ich finde nicht, dass du negativ geschrieben hast. Und wenn, dann ist es dein Empfinden, für das du kein schlechtes Gewissen haben musst. Das sind einfach unsere „Gebote“ die uns von klein an eingetrichtert werden und die uns dann unbewusst bremsen in unserer Selbstbestimmung. Meine „Glaubenssätze“ diesbezüglich sind den deinen ganz ähnlich. Dazu noch so ein paar „Bewertungen“ über mich, die ich immer wieder zu hören bekam und schon wurde ich ganz kleinlaut und brav und habe „funktioniert“. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich diese „Über-Ich-Botschaften“ ad acta gelegt habe. Und noch immer kommen sie aus den Tiefen meiner Gefühle, wenn ich mich kaputt und schlapp fühle und nicht genug Kraft habe, ihnen entgegen zu wirken.

    lavendel , genau, es ist ein Lernprozess, zu spüren, was ICH ganz persönlich will, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, was die Leute um mich herum darüber denken. Aber das trauen wir uns ja ganz oft nicht, weil wir denken, dass wir dann abgelehnt werden. Unser „Kopfkino“ spielt uns Filme ab, die nichts Positives zeigen, weil wir es gewohnt sind, dass wir bzw. das, was wir tun einfach zu oft negativ bewertet wurde.

    kaltblut , mag sein, dass zu viel zu ergründen dazu führt, dass wir etwas verpassen. Aber ich habe noch mehr verpasst, als ich mich damit noch nicht auseinandergesetzt habe. Wenn du die letzten Tage etwas verpasst hast, warum denn? Hast du die Prioritäten anders gesetzt? Oder hat das jemand für dich getan? Wenn ich mir nicht im klaren darüber bin, was ICH will, wie soll ich es denn dann bekommen? Also..... ich finde, das ist ein ganz elementarer Schritt, mir Gedanken darüber zu machen, was ICH selber will und mich nicht nur nach Konventionen, Moralvorstellungen und Erwartungen meines Umfeldes zu richten. Deine beiden Männer aus der Geschichte haben ja auch ihre Träume verwirklicht, weil sie wussten, was sie wollten.

    Ich glaube auch, dass dieses Nichtwissen über unsere eigenen Bedürfnisse ein ganz wichtiger Punkt bei der Co-Abhängigkeit ist. Wir stellen uns leichter auf den Anderen ein, da wissen wir seltsamerweise, was er braucht, was ihm gut tut. Nur mit uns selber tun wir uns schwer. Wenn ich hier so lese, finde ich immer wieder die Hinweise darauf, dass sich Angehörige Kopf darüber machen, wie der abhängig Trinkende gesund werden kann. Aber – was wollen wir selber?

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Servus Ette,

    klasse Thema! Mein Lieblingsspruch dazu ist immer:

      "Ich gehe ja auch nicht zum Metzger und erzähle dem, was ich nicht haben will, sondern sage, was ich will. Warum nicht im restlichen Leben auch?"

    In den wenigsten Fällen habe ich eine Antwort darauf erhalten, sondern wurde fragend angesehen.

    Ich kann nur von mir ausgehen: ich weiß, was ich will. Ich kommuniziere dies auch gegenüber demjenigen, den es betrifft. Und ich sorge dafür, dass ich umsetze, was ich will. Ich nenn' das immer meine kleine Portion gesunder Egoismus...den hab ich in meiner trockenen Zeit gelernt...ich muss zusehen, dass es mir gut geht...

    LG
    Spedi

  • Hallo Ihr da,

    Ihr Frauen macht mich ganz wuschich mit Euren tiefgründigen Gedanken, kaum habe ich sie mal weg, kommen wieder Neue, habt Ihr überhaupt eine Ahnung was ich mit mir immer anstelle? Ich sage jetzt extra „ich“ sonst könnte jemand auf die Idee kommen, ich wäre von Euch und Euren tiefgründigen Argumenten abhängig.

    Es ist ganz schön für mich was dumm zu sein, aber auch schlauer zu werden tut ganz gut, ich muss schon wieder mal drüber nachdenken, was ihr heute so geschrieben habt, klar auch über Spedi.

    Manchmal komme ich mir vor wie damals mein Fox, unbändiger Drahthaar wohlgemerkt, nichts zu machen, ein irrer Hund, immer wieder an die Leine und auch da musste er noch wie ein Idiot ziehen und zurückgezogen werden. Irgendwie finde ich hier immer wieder Hirnleckerlies, irre was Ihr hier alle so auf der Pfanne habt, ich liebe Eure Gedanken.

    LG kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Ich muss doch noch mal – was loswerden.....

    @Spedi: Give me five! Du immer mit deinen voll auf die zwölf- Sprüchen – genial!

    @ Karl Drahthaar: wuschich – tz! Ich bin dauernd an der Leine und das hält mich überhaupt nicht davon ab, mich zu bewegen, ohne Ziehen und Zerren, weil ich inzwischen weiß, was ich will. Und ich halte es da mit einem von den alten Philosophen – Ich denke, also bin ich. Hab nur vergessen, wer es war. Schließlich ist das Lernen von Z(ahlen), D(aten), F(akten) nicht unbedingt ein Zeichen von Intellekt, sondern unter Umständen nur ein Beweis dafür, dass jemand gut auswendig lernen kann. Verstand, emotionale Kompetenz und Intelligenz sind meines Erachtens nicht unbedingt von einer schulischen Ausbildung abhängig. Mir sind schon Doktoren begegnet, die die soziale Kompetenz eines Kleinkindes haben. Ich versuche einfach, meine grauen Zellen zu nutzen und dies nicht nur dazu, um zu überlegen, wie ich ihr Behältnis auf dem kürzesten Weg zum Friseur tragen kann, sondern um mir eine zufriedene Gelassenheit anzueignen.

    @ lavendel: stimmt! Er mäandert hier hinter seinem Fatalismus gedanklich in Schleifen, Kurven und Spiralen, will alle Nase lang etwas Anderes wech und gut iss haben und uns, die wir klar in eine Richtung denken, erklären, dass wir ihn wuschich machen! MÄNNER halt! :roll::wink:

    LG und guts Nächtle
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo zusammen,

    ich will auch ein paar Gedankengänge loswerden.
    Ich denke, es ist einfacher zu sagen, was man nicht will, als zu sagen, was man will. Das Nicht-Wollen beruht auf Gelebtes und ein gewisses Empfinden daraus. Irgendwie ist da ein Cut gemacht. Bei dem was man will, ist die Zukunft gefragt. Da stehen viele Wege offen. Irgendwie glaube ich auch, dass ich nur grob sagen kann, was ich will. Wenn ich ins Detail mit meinem Willen gehe, muss ich aufzählen, was ich eben nicht will. Wenn ich weiß, was ich nicht will, weiß ich auch, was ich will, nämlich das Gegenteil von dem, was ich nicht will. ;)

    Mein zweiter Gedanke: Es ist ja schön, wenn man weiß, was man will und welche Bedürfnisse man hat. Aber: In Partnerschaften sind ja immer irgendwelche Kompromisse gefragt. Ich glaube nicht, dass man eben all seine Bedürfnisse umsetzen kann. Irgendwie habe ich dann die Befürchtung wieder zu kompromissbereit zu werden, mich an zweite Stelle zu setzen, oder ich werde zum dominanten Irgendetwas. Keine Ahnung. Ich hoffe jedoch einmal sagen zu können, „Ich kann so sein, wie ich bin, mit all meinen Bedürfnissen. Diese kommen nicht zu kurz“.

    Mein letzter Gedanke: Es ist auch wichtig zu wissen, was man ist, denn das ist die Gegenwart. Der Wille berührt immer die Vergangenheit und die Zukunft.

    Gruß Apfel

  • Guten Morgen Apfel,

    das Argument mit der Partnerschaft kenne ich aus meiner realen Gruppe. Da heißt es auch immer: Ja du, du lebst ja alleine, du kannst machen, was du willst. Stimmt, ich lebe alleine und trotzdem bin ich keine Insel in der Gesellschaft, weil ich auch ohne Beziehung jeden Tag mit Menschen zu tun habe. Und da ist es genauso wie in einer Partnerschaft erforderlich, meine Bedürfnisse zu formulieren. Ich für mich habe das Gefühl, dass ich mit Menschen besser zurecht komme, wenn ich sage, was ich will. Ambivalenz ist etwas, was den Anderen verunsichert und unter den Druck des Zugzwangs setzt und das mag, glaube ich, niemand. Klarheit des Gegenübers ist hilfreich in Beziehungen, egal, ob es Partnerschaften, berufliche Beziehungen oder Freundschaften sind.

    Apfel, ich denke, wenn es dein Ziel ist, zu sein, wie du bist und für deine Bedürfnisse zu sorgen, dann schaffst du es auch. Und das fängt in der Gegenwart an. Jeden Tag ein kleines Bisschen. Ich glaube, das ist so ähnlich wie mit dem Trinken. Die nächsten 24 Stunden werde ich achtsam mit mir und meinen Bedürfnissen umgehen. Und dann wieder 24 Stunden und immer so weiter. So wird aus der Gegenwart Zukunft. Ich glaube, das Geheimnis liegt in den kleinen Schritten. Dann werden mit der Zeit auch die größeren Schritte, die größeren Ziele, die vielleicht Veränderung erfordern, klarer und die Zufriedenheit kommt. So habe ich es jedenfalls empfunden für mich.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette,

    danke für deine Worte. Sie sind so voller Zuversicht. Und sie bringen mich wie immer zum Nachdenken.
    Im Innersten glaube ich ja auch, dass ich meine Erfahrungen gesammelt habe, dass ich auf mich und meine Bedürfnisse höre, dass ich es mir schön mache. Aber trotzdem kommen immer wieder Zweifel auf. Ich möchte kein co mehr sein und ich habe Angst davor schwach und rückfällig zu werden. Wahrscheinlich sollte ich wirklich nicht so weit voraus schauen, sondern nur ein Kleines bisschen. Was bringt es mir darüber nachzudenken, wie ich mich verhalten würde/könnte, wenn ich in einer Partnerschaft bin, weil es ja jetzt eh nicht der Fall ist.

    Zitat

    Und da ist es genauso wie in einer Partnerschaft erforderlich, meine Bedürfnisse zu formulieren.

    Sagen was man will, ist eine Sache. Es durchzusetzen ist eine andere. Ich würde schon behaupten, dass ich in vielen Situationen gesagt habe und sage, was ich will. Aber da bin ich an dem Punkt angelangt, dass das, was ich wollte gar nicht so realisierbar war. Letzt endlich habe ich erst spät begriffen, dass sich mein Leben nur ändert, wenn ich neue Wege einschlage und nicht dadurch, dass ich versuche, Andere für mich passend zu ändern.

    Es wird sicher noch ein langer Prozess sein mich weiter von meiner Co-Abhängigkeit zu befreien. Ich sehe und ertappe mich immer wieder in Situationen, wo ich mich co fühle. Sei es an der Supermarktkasse, wo ich mich selbst unter Druck setze, schnell alles einzupacken, damit der nächste Kunde gleich drankommt. Es ist schwierig für mich zu sagen: „Du darfst dir Zeit lassen, du willst hier keine Hektik. Also bleib ruhig.“
    Auch denke ich, dass ich mich immer noch damit schwer tue, wenn Dinge nicht so funktionieren, wie ich sie gern hätte.

    Aber ich sehe auch die vielen Dinge, die sich zum Positiven geändert haben. Es ist toll, nicht nur von besseren Zeiten zu träumen, sondern zu sagen „ Mir geht es gut so“. Es ist schön, weniger bei sich Schuld zu suchen. Es ist toll sich wieder am Leben zu erreuen, sich frei zu fühlen.


    Gruß Apfel

  • Hallo Apfel,

    du hast ein paar ganz, ganz wichtige Dinge geschrieben. Nämlich, dass das Formulieren der eigenen Bedürfnisse das eine ist und das Durchsetzen das andere. Stimmt, wir werden nicht alles durchsetzen können, was wir uns vorstellen. Und schon gar nicht dergestalt, dass wir es schaffen, andere Menschen oder Umstände zu verändern. Es ist immer nur die Veränderung möglich, die wir selber in der Hand haben, nämlich unsere. Wenn wir das akzeptieren und verinnerlichen, haben wir, denke ich, den größten und schwierigsten Schritt geschafft.

    Wenn ich aber für mich etwas verändert haben möchte und mir etwas wünsche, dann ist der erste Schritt, es zu bekommen, dass ich es formuliere. Keiner kann erraten, was ich für mich brauche. Ich muss es sagen, darum bitten, es abfordern - selbst etwas dafür tun. Nicht alles werde ich dann bekommen, aber die Chancen dafür stehen deutlich besser, wenn ich weiß und sage, was ich will und brauche, als wenn ich nur darauf warte, dass mir, einfach so, jemand gibt, was ich möchte.

    Schön finde ich auch, dass du die positiven Veränderungen wahrnimmst. Ich glaube, dass das die beste Motivation ist, weiterzumachen, nicht wieder in alte Muster zu fallen. Das Bewusstsein, dass sich, wenn ich mich nur ein wenig ändere, ganz viel verändert und zwar ohne, dass ICH alles verändern muss. Es ändert sich für dich.... singt Rosenstolz.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette,


    Zitat

    Wenn ich aber für mich etwas verändert haben möchte und mir etwas wünsche, dann ist der erste Schritt, es zu bekommen, dass ich es formuliere. Keiner kann erraten, was ich für mich brauche. Ich muss es sagen, darum bitten, es abfordern - selbst etwas dafür tun.

    wie wahr. nachdem ich meinen letzten beitrag hier niedergeschrieben habe, vielen mir auch die momente ein, in denen ich nicht mitteilte, was ich will.
    es gibt situationen in den ich jetzt direkter sage, was ich will. in meinem alten denken, ging ich immer davon aus, dass jemand nach irgendeinem gesetz, nennen wir es mal nach dem normalfall handelt. nun gut, es handelt nun mal nicht jeder so und sieht alles, deshalb rücke ich auch vermehrt mit der sprache raus.

    Zitat

    Schön finde ich auch, dass du die positiven Veränderungen wahrnimmst. Ich glaube, dass das die beste Motivation ist, weiterzumachen, nicht wieder in alte Muster zu fallen. Das Bewusstsein, dass sich, wenn ich mich nur ein wenig ändere, ganz viel verändert und zwar ohne, dass ICH alles verändern muss. Es ändert sich für dich.... singt Rosenstolz.

    Zitat

    Wenn ich mir hier dann durchlese, was hier im Forum geschrieben wird. Die Aufregungen, die Belastungen, die Ängste, die Wirrnisse, bis es zu Entscheidungen kommt, dann bin ich ganz zufrieden mit mir selbst und meinem Leben und zwar ohne Selbstzufriedenheit. Nur dankbar.

    ich finde meine jetzige lebenssituation wesentlich besser seitdem ich meinen weg gehe, auch wenn nicht alles ausgereift ist.

    Gruß Apfel

  • Guten Morgen allerseits,

    Innocent schreibt an anderer Stelle, dass er im Grunde gar nicht weiß, was er selber will. Ich glaube, dass dies etwas ist, was bezeichnend für uns Co´s ist. Was wir selber wollen wissen wir irgendwann nicht mehr, weil sich unser ganzes Denken, unser Tun und Handeln nur darum dreht, dass es „unserem“ Abhängigen gut geht.

    Wir müssen es mühsam wieder lernen, darauf zu achten, was wir selber wollen und brauchen. Zu gucken, ob unsere eigenen Bedürfnisse in einer Partnerschaft ebenso berücksichtig werden wie die des Partners. Wir haben ein Recht darauf, dass unsere Bedürfnisse genau den gleichen Stellenwert haben wie die des Menschen, mit dem wir leben. Es ist uns nicht verboten, Ansprüche und Wünsche zu haben, sondern gesund. Wir müssen nicht nur dafür leben, dass es dem Anderen gut geht. Das haben wir aber in aller Regel das Spüren unserer eigenen Bedürfnisse verlernt in unserem Bemühen, es dem Anderen schön zu machen, damit er uns ja nicht verlässt.

    Die Angst davor, womöglich eine Weile alleine zu sein, hat all unsere Wünsche und Bedürfnisse überdeckt. Wir wissen nicht mehr, was wir wollen, weil wir Angst haben, wenn wir eigene Wünsche haben, werden wir nicht geliebt. Dabei habe ich gerade in der Beziehung zu einem alkoholkranken Mann festgestellt, dass ich geben und geben und geben konnte, geliebt wurde ich trotzdem nicht, aber gebraucht. Es wurde genommen. Wohnung, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Sicherheit und die Kontrolle, die er selber nicht aufbrachte, um nicht mehr zu trinken. Ich wusste nicht mehr, was ich selber wollte. Jetzt habe ich es wieder gelernt. Dazu musste ich aber durch die Angst vor dem Alleinsein gehen.

    Genau wie Apfel finde ich meine jetzige Lebenssituation besser als damals. Es ist, so wie Apfel schreibt, nicht alles ausgereift. Aber es ist MEIN Leben, das ich lebe. Und zwar zufrieden lebe und entspannt. Kein seichtes Dahinplätschern, es ist ein Murmeln, wie ein Bach über moosbedeckte Steine, ein rauschendes Strömen wie ein Wildbach in einer Schlucht und es ist das kraftvolle Dahinströmen eines großen Flusses, der Schiffe auf seinem Rücken trägt. Und dieses vielfältige friedvolle Fließen liefert genügend Reflexionsfläche, um aus kleinen Momenten funkelnde Glücksmomente zu machen. Weil ich weiß, was ich will.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • hallo,

    mir fiel gestern, als ich glücklich im konzert saß, eine sache spontan ein, die ich eigentlich mein mein tagebuch schreiben wollte, die hier aber noch viel besser hinpasst :wink:.

    ich hatte lange zeit eine postkarte an meinem küchenschrank klemmen, darauf stand "protect me from what i want", auf deutsch "beschütze mich vor meinen wünschen". und das meinte ich wirklich bitter ernst. die hängt da schon lange nicht mehr, aber neulich ist sie mir mal wieder in die hände gefallen, und da hab ich über mich den kopf geschüttelt. warum zum teufel hab ich mir gewünscht, vor meinen wünschen beschützt zu werden :shock:? warum gibts überhaupt solche postkarten, die scheinbar ja viele leute kaufen :shock:? ich denke mir, dass das ein ganz verbreitetes denken ist, und scheinbar nicht nur unter cos. angst vor den eigenen wünschen, am besten garkeine haben wollen, weil man so pessimistisch ist, dass man sie doch nicht erfüllt bekommt, nicht hinsehen wollen, oder erst garkeine hinsehen wollen oder können, oder keine ideen... ein ganz ungesundes konglomerat von sich nicht wahrnehmen können oder wollen.

    wenn ich mir jetzt ne postkarte malen sollte würd ichs mit hildegard knef halten: "ich will alles". und das meine ich nicht materiell, sondern als neugier aufs leben, auf abenteuer, auf neues, auf große ideen, visionen. ein staunen über die welt, eine positive erwartung (unser mod-micha hat in seiner signatur stehen "das schönste kommt noch", das find ich total klasse), und ein gesundes empfinden für mich.

    als ich das gestern im konzert so auseinanandegedröselt habe, gings mir richtig gut :D.

    lavendel

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