Hallo ihr Lieben, meine Gedanken richtigen sich wohl an mehrere, die hier aktuell mitlesen.
Alleine… gar nicht!
Das ist nichts was man „aushalten“ kann, daran geht man zugrunde. Da braucht es ganz viel Unterstützung, Selbstliebe oder Hilfe diese zu lernen, Ablenkung, Tränen, Lachen, gezieltes weg gucken und los lassen…
Los lassen gefällt mir als Begriff um so vieles besser als aufgeben. Wirft man sich ja schnell mal selbst vor oder bekommt es sogar vor geworfen. Wie kannst du nur, deinen Mann, deinen Bruder oder sogar dein Kind aufgeben wollen. Was für ein schrecklicher Mensch tut denn sowas?
Ich denke - Keiner!!!
Niemand gibt den Menschen den er liebt auf, das ist völliger Quatsch den wir uns da selbst einreden. Der Süchtige selbst wirft uns das gerne vor oder Freunde und Verwandte, die selbst ratlos sind oder keine Verantwortung für sich und ihr Handeln übernehmen können. Der Mensch den wir lieben oder geliebt haben, der manchmal noch unter der Suchthülle schlummert, manchmal leider nicht mehr. Den Menschen würden wir niemals ausgeben!
Aber loslassen können wir üben. Muss man ja eigentlich eh andauernd. Bei den eigenen Kindern muss man vom ersten Moment an loslassen üben. Mit einem Partner oder Freund, den man krampfhaft fest hält, wird selten jemand glücklich. Und selbst der schönste aller Tage ist irgendwann vorbei und wir müssen loslassen, um schlafen zu gehen. Sind wir also theoretisch alle Profis drin, leichter macht es das manchmal leider trotzdem nicht 😔
Ich will euch mal von einem solchen Moment aus meinem Leben erzählen. Der ist mir jetzt schon mehrfach eingefallen, bestimmt auch, weil ich dem Mann von psychosozialen Dienst bis heute dankbar bin. Für klare Worte, professionellen Abstand und jede Minute die er sich Zeit genommen hat, auch wenn das nicht seine Pflicht gewesen wäre.
Ich war Mitte zwanzig, hatte schon eine Weile kaum Kontakt mit meinem Vater, saß im Büro meinem Kollegen gegenüber und das Bürotelefon klingelte.
„Hallo, ich bin vom Psychosozialen Dienst, ist xy ihr Vater?“
Es folgte ein sehr zögerliches „ja“ meinerseits, verbunden mit einem schockartigen Gedankenkarussel, was mich vermutlich sehr ruhig und gefasst durch das folgende Gespräch gebracht hat.
„Ihr Vater wurde bewusstlos aufgefunden, mit Alkohol und weiteren Substanzen im Blut, er wurde vermutlich zusammen geschlagen, er liegt nun im künstlichen Koma. Wir suchen den nächsten Angehörigen der die medizinische Verantwortung übernehmen kann. Mehr Informationen darf ich ihnen nicht geben“
Puh…
Ich hab dann viele Fragen gestellt, was so eine Betreuung für mich bedeuten würde, was überhaupt passiert ist und und und. Kern der Sache war aber, wenn ich wissen will was los ist muss ich die Betreuung übernehmen ansonsten hat er eigentlich schon zu viel Preis gegeben. Er hat mir recht gut meine Rechte und Pflichten erläutert und das ich praktisch keine Chance hätte irgendwo Informationen am Telefon zu bekommen, solange ich mich gegen die Betreuung entscheide. Das Gespräch kam mir ewig lang vor und hat mich total überfordert. Also haben wir beschlossen, dass ich da erstmal eine Nacht drüber schlafen sollte. Es war eine furchtbare Nacht und die Aussicht überhaupt nicht zu erfahren was da passiert ist, wie es ihm gesundheitlich geht, wie sein Leben weiter verläuft hat mich wahnsinnig rumrennen und unglaublich traurig werden lassen. In unserem nächsten Telefonat habe ich trotzdem mitgeteilt, dass ich weiterhin überfordert bin und eine solche Verantwortung nicht übernehmen will. Er hat sich nochmal viel Zeit genommen, bestimmt seine Schweigepflicht ein wenig gebeugt und meine Gedanken und Entscheidungen zu dem Thema sind sicherlich von ihm beeinflusst worden. Er fand es aus seiner Position sehr schade, weil ein Betreuer aus der Familie mit gesundem Abstand zur Suchtsituation optimal gewesen wäre. Beglückwünschte mich aber auch gleichzeitig zur Entscheidung. Ich solle auf mich achten, mein Leben leben und mich bloß nicht reinziehen lassen in alles was da noch kommt. Einer der besten Ratschläge, den ich im Zusammenhang mit meinen Eltern jemals bekommen habe. Er hat mir auch „verraten“ wie es nun weiter geht. Es gab nämlich die Abmachung zwischen meinem Vater und seiner Co-Abhängigen Exfrau, sie würde nun statt mir oder dem Amt übernehmen. Er sagte mir damals, in der Konstellation passieren die gruseligsten Dinge, er können nun aber leider nichts anderes mehr tun als dem Elend seinen Lauf zu lassen und von außen zu zu sehen. Immerhin wären beide erwachsen und geistig durchaus in der Lage selbst zu entscheiden. Ja, so ungefähr hat er mir das wirklich gesagt. Ich bilde mir ein, er hätte auch etwas von loslassen gesagt oder ich habe mir das mit der Lebensweisheit einer 20jährigen selbst überlegt 😂 Auf jeden Fall habe ich da noch ein Weilchen drauf rum überlegt. Ob ich ins Krankenhaus fahren und ihm oder mir Abschiedsworte ermöglichen sollte. Ob ich wissen muss was da nun wirklich passiert war. Wie es mit ihm weiter geht, wenn er nach der prophezeiten Kurzzeitpflege zurück in seine eigene Wohnung kommt. Und irgendwann habe ich mir erlaubt los zu lassen und nur noch ganz selten darüber nach zu denken. Ich weiß zu 100% das er noch eine Reihe ganz fürchterlicher Dinge erlebt haben wird und vermutlich noch immer erlebt. Das ist schlimm, manchmal schwer aus zu halten und wird in der Härte mit der ich es manchmal kommuniziere von den wenigstens Menschen verstanden. Aber was wäre die Alternative gewesen… ich hätte auch mein eigenes Leben der Abhängigkeit und Co-Abhängigkeit opfern können. Ist durchaus eine Entscheidung die man treffen kann. Dieser Mann am Telefon, der viele Dinge gesagt hat die ich nicht hören wollte, dieser Mann hat mir damals sehr geholfen. Der wusste vielleicht wem man in diesem Konstrukt noch helfen konnte und wem leider nicht zu helfen war. Ich habe viele Jahre Abstand zu dieser Geschichte und seit dem noch einiges mehr loslassen müssen. Aber mein heutiges Leben würde ich niemals eintauschen wollen, für einen erwachsenen Menschen der nicht bereit ist seine Sucht zu bekämpfen. Ich hab ja nur dieses eine Leben…
Hier kommt die Sonne raus und lässt die Regentropfen in der Hecke glitzern, wie wunderschön 😊 Ich schicke euch ein bisschen Glitzern am Abend, Lea