Beiträge von Siri

    Liebe Lara,

    mir hilft es sehr das Verhalten meiner Mutter nicht zu bewerten, wenn es mich nicht selbst unmittelbar betrifft. Diese ganzen Widersprüche musst Du nicht auflösen. Ich glaube, dass das auch einfach nicht zu verstehen ist. Und das hat rein gar nichts mit Dir zu tun, sondern nur mit Deinem Vater. Es ist seins, nicht Deins.

    Du könntest versuchen, diese ganzen Widersprüche und Undurchsichtigkeiten einfach zur Kenntnis zu nehmen ohne weitere Energie auf sie zu verwenden.

    Ich habe gemerkt, dass es mich sehr entlastet meiner Mutter zu begegnen ohne ihr Verhalten, ihre Aussagen zu bewerten (außer wenn sie mich abwertet oder angreift, also wenn es mich selbst betrifft, dann wehre ich mich). Stattdessen kann ich meine Energie nutzen, um zu überlegen, was ich für sie tun kann und will und wo meine Grenzen sind.

    In vielen Situationen muss ich mir auch eingestehen, dass ich nicht wirklich absehen kann, was gut und was schlecht für meine Mutter ist (zB Pflege zu Hause bis ein Notfall eintritt oder ins Heim, solange sie den Umzug noch selbst mitgestalten kann und wo sie aus meiner Sicht besser versorgt wäre, aber nicht hinwill).

    Wenn Du Deinen Vater gerne zum KH fährst, weil das für Dich wichtig ist und Du das willst, mache es. Aber es kann auch sein, dass er morgen nicht mehr hin will (aus Angst oder Scham, weil er trinken will oder was auch immer). Du könntest dann immer noch alleine hinfahren, um mit den Ärzten persönlich zu sprechen.

    Was ich damit sagen will: Versuche Deine Pläne nicht vom Verhalten Deines Vaters abhängig zu machen. Verfolge Deine eigenen Ziele (zB jetzt zu erfahren, wie es um Deinen Vater steht). Wenn er mitkommt ist es gut, wenn nicht, ist es so.

    In solchen Situationen wiederhole ich die Entscheidung meiner Mutter und führe ihr die möglichen Folgen vor Augen. Ich betone abschließend, dass das ihre Entscheidung ist und ihre eigene Verantwortung. Wenn sie bei ihrem Standpunkt bleibt, ist es dann so. In gewissem Sinne ist es dann auch gut und richtig so.

    LG Siri

    Ich weiß nicht wie es weiter geht und wie ich mich darauf vorbereiten soll, wenn mein Vater ein Pflegefall wird. Ich kann ohne ihn ja nicht wirklich etwas klären.

    Liebe Lara,

    es ist meiner Ansicht nach auch gar nicht möglich, sich darauf vorzubereiten bzw. zu versuchen, es Deinem Vater leichter zu machen, zumal er nicht mitmacht. Die Hausärztin meiner Mutter hat mir das vor kurzem nochmal mit Nachdruck gesagt. Wenn meine Mutter sich weigert, Vorsorge für sich zu treffen bzw. treffen zu lassen, muss sie im Fall der Fälle mit dem Vorlieb nehmen, was dann möglich sein wird.

    Das einzige, was Du lernen kannst, ist zu schauen, dass es Dir gut geht. Dieser Satz wird hier im Forum immer wieder geschrieben und er ist absolut zentral.

    Es ist sehr wichtig zu verinnerlichen, dass Du nicht für das Schicksal Deines Vaters verantwortlich bist.

    Um mit den Schuldgefühlen, der Verzweiflung und dem ganzen Gewirr aus unterschiedlichen Gefühlen zurecht zu kommen, habe ich viele Gespräche und den Austausch hier im Forum gebraucht. Diese Unterstützung war und ist essentiell. Alleine hätte ich es nicht geschafft, die Schuldgefühle mehr und mehr abzulegen und zu akzeptieren, dass es nicht in meiner Macht steht, das Schicksal meiner Mutter dahingehend zu beeinflussen, dass es kein schlimmes Ende für sie nimmt. Diese Vorstellung hat mich zu Beginn des erneuten Kontakts zu ihr verzweifeln lassen. Ich war wie verloren in diesem Strudel aus Gefühlen und Panik, ein Gefühl absoluter Boden- und Aussichtslosigkeit, so als müsste ich mit ihr untergehen.

    Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen: das wird alles besser, sobald Du Dich ins Zentrum Deiner Fürsorge stellst!

    Den Arztbericht habe ich gesehen. Klar könnte ich mir im Internet alles möglich durchlesen, aber speziell hier würde mir eine fachliche Meinung helfen

    Hierzu fällt mir noch ein, dass Du Dir vielleicht diesen fachlichen Rat bei Deiner eigenen Hausärztin bzw. einem Arzt Deines Vertrauens einholen könntest. Da die Unsicherheit, nicht zu wissen, wie es um Deinen Vater steht, auch Deine Gesundheit beeinträchtigt, denke ich, wäre das möglich. Mir hat es geholfen, die Situation meiner Mutter und die Auswirkungen auf mich mit meiner eigenen Ärztin zu besprechen. Sie hat damals aus meinen Berichten eine Einschätzung zur kognitiven Verfassung meiner Mutter gegeben, die sich später als zutreffend erwiesen hat (Korsakow). Für mich war das damals wichtig, um ihr Verhalten besser einordnen zu können.

    LG Siri

    Liebe Lara,

    mir hat eine langjährige Psychoanalyse sehr geholfen, um einen inneren Freiraum für mich zu gewinnen. Ich habe am Ende dieser Therapie den Kontakt zu meiner Mutter ganz abgebrochen. Dem folgten viele Jahre Körpertherapie.

    Nach der Kontaktaufnahme meiner Mutter im vergangenen Jahr und der Bitte um Hilfe habe ich den Kriseninterventionsdienst über Monate in Anspruch genommen. Das waren Entlastungsgespräche, um den treffenden Begriff von Lea aufzugreifen. Ohne diese Unterstützung sowie Gespräche mit dem gerontopsychiatrischen Beratungsdienst wäre ich untergegangen. Der erneute Kontakt zu meiner Mutter hat mich retraumatisiert. Anfang Mai fange ich endlich eine tiefenpsychologische Gruppentherapie an. Gerade von der Arbeit in der Gruppe verspreche ich mir viel.

    Bei der ersten Therapie kam das Thema Alkoholismus gar nicht vor. Wie massiv die Auswirkungen der Sucht meiner Mutter auf mein eigenes Leben waren, habe ich erst nach dem erneuten Kontakt zu ihr erkannt. Auch der Austausch hier im Selbsthilfeforum ist für mich sehr wichtig. Mittlerweile kann ich es ganz gut steuern, wie viel ich meiner Mutter geben will und kann und wo ich klare Grenzen ziehe.

    Viele liebe Grüße

    Siri

    Ich freue mich in der Regel, wenn ich in einer guten Freundschaft um Hilfe gebeten werde, denn das zeugt ja von Vertrauen in meine Person. Es ist ein Kompliment, wenn man um Hilfe oder Rat gebeten wird. So sehe ich das jedenfalls.

    Ausserdem: Wenn eine Bitte einen überfordert, darf man das auch frei heraus sagen und die Unterstützung bzw. das Mass der angefragten Unterstützung ablehnen. Ich habe das schon gemacht und die Freundschaft hat es ausgehalten. Ich hatte in meiner Situation einfach keine Kraft zu helfen. Das tat mir sehr leid, aber mir wurde Verständnis entgegengebracht.

    Ich kenne das auch sehr gut. Mich ereilt diese Niedergeschlagenheit und ein Gefühl der Aussichtslosigkeit aber gerade nach Erfolgen oder schönen Begebenheiten, sei dies im beruflichen Bereich oder privat, über die ich mich eigentlich freuen und auf die ich stolz sein kann. Danach falle ich oft erstmal in ein bodenloses Loch.

    Es hat sich dadurch lange so angefühlt, als müsste ich in meinem Leben immer wieder bei Null anfangen, als gäbe es nichts, worauf ich aufbauen könnte. Ich spüre dann eine vollkommene Haltlosigkeit und fühle mich wie gelähmt.

    Mir ist der Zusammenhang mit den eigentlich schönen Erfahrungen bewusst geworden, als eine Kollegin sich einmal riesig für mich über meinen Erfolg gefreut hat. Das war so schön, denn ich selber konnte das nicht so richtig. Die Reaktion der Kollegin und die Diskrepanz zu meiner eigenen inneren Gefühlslage hat mir dabei geholfen, sich dieser Sache bewusst zu werden. Mittlerweile würdige ich die eigenen Erfolge, auch wenn sie noch so klein sind, und generell schöne Begebenheiten selber viel mehr. Ich halte dann einen Moment inne und feiere den Moment. Das hat sich zunächst völlig falsch angefühlt, aber es gelingt mir immer besser.

    Diese Löcher in meinem Leben und die damit verbundene Leere sind seitdem weniger geworden. All die guten Erfahrungen und auch meine Erfolge gehören nun zu mir und wenn ich wieder Mal in ein Loch falle, vielleicht weil es einmal nicht so gut läuft, dann halte ich mir all das Positive und meinen Weg vor Augen. Die Panik geht dann weg und ich empfinde Dankbarkeit und Liebe.

    Liebe Grüße Siri

    Schicke es mir gern per PN. Ich fand diese Wortgeschichte sehr interessant und hätte sie gerne dann in meinem Verlauf. Ich habe aus dem Artikel zitiert. Verlinkt habe ich hier nichts, da ich weiss, dass das nicht erlaubt ist. Sind auch Zitate nicht erlaubt?

    LG Siri

    Rückblickend kann ich sagen, dass „Einsamkeit“ und „Bedürftigkeit“ mir die stärksten Druckmittel meiner Mutter waren, um mich in ihren Fängen fest zu halten.

    Beides setze ich in Anführungszeichen, denn ich bin heute nicht mehr sicher was echt und was extra für mich erschaffen wurde.

    Liebe Grüße, Lea

    Das ziehe ich mal in meinen Faden hinüber. Danke Dir Lea für diese Gedanken!

    Genau so ist es auch bei meiner Mutter. Das Schlimme ist, dass wenn jemand permanent auf diese Weise unterwegs ist, dann auch nicht mehr gut eingeschätzt werden kann, wann eine Situation wirklich kritisch ist.

    Zur Zeit klagt meine Mutter häufig über gesundheitliche Schwierigkeiten. Auf Nachfrage kann sie diese dann aber nicht gut artikulieren und im nächsten Moment spielt sie dann alles wieder herunter. Ich werde nicht schlau aus ihr. Sie bat mich vor kurzem einen MRT Termin für den Kopf auszumachen. Das organisiere ich natürlich sofort für sie. Es besorgt mich auch. Im Hinterkopf habe ich aber zugleich, dass sie dies alles nur machen könnte, um zu demonstrieren, dass sie sich um ihre gesundheitlichen Belange durchaus kümmert. Das wurde von der Hausärztin nämlich vor nicht allzu langer Zeit hinterfragt.

    Das Ganze ist wirklich schwierig. Ich nehme die Klagen in dem Sinne ernst, dass ich natürlich allen Bitten um Arztbesuchsorganisation und Bringdienst, Medikamente-Besorgung etc. nachkomme. Zugleich aber versuche ich mich nicht verrückt machen zu lassen von all dem und habe im Hinterkopf, dass sie immer schon einen guten Sinn für Inszenierungen hatte.

    Das Verrückte ist, dass ich als kleines Kind von jemandem ein Bilderbuch geschenkt bekommen habe, das genau diese Thematik beleuchtet: ein kleines Schweinchen, das immer fürchterlich klagt und dramatisiert und in dem Moment, wo wirklich etwas Schlimmes passiert, deshalb keine Hilfe mehr bekommt. Ich habe mir damals viele Gedanken darüber gemacht und fand die Geschichte ganz schlimm, wollte keinesfalls so sein wie das Schweinchen. Seit ich wieder Kontakt zu meiner Mutter habe, muss ich immer wieder an das Kinderbuch denken. Es hat sich also tief eingeprägt. Das ist die Sorte Kinderbuch, die ich niemals irgendeinem kleinen Menschen schenken würde, hat ja was von schwarzer Pädagogik. Merkwürdigerweise hilft es mir aber heute dabei, mich nicht vereinnahmen zu lassen.

    Viele liebe Grüße Siri

    Wie Lea finde ich es sehr wichtig zu lernen, dass wir unseren Eltern nichts schuldig sind. Viele EKAs haben das anders beigebracht bekommen. "Liebe" gegen irgendwelche Bedingungen zum Zweck der Manipulation.

    Ich sehe das Leben als ein großes Geschenk, eine Art Gewebe, an dem immer weiter fort gewoben wird. Geschenke muss man nicht "zurückzahlen". Das wäre ja sogar ein Affront. Das große Geben und Nehmen funktioniert ja nicht wie eine Rechnung. Oftmals ist es doch so, dass man von jemandem etwas erhält, sehr dankbar ist, aber gar nicht in die Lage kommt, diesem einen etwas zurückzugeben, außer natürlich dem Dank und der daraus resultierenden Verbundenheit.

    Wichtig ist beides: Geschenke annehmen können und auch anderen etwas aus freiem Herzen geben zu können. Dann wächst einem auch die Kraft zu in Momenten der Not für andere da zu sein. Wenn das Menschen sind, denen wir dankbar sind, kommt diese Kraft vielleicht gerade deshalb, weil diese Menschen aus freiem Herzen gegeben haben und da nichts offen geblieben ist.

    Für mich war beides schwer zu lernen, vor allem auch das Annehmen von Geschenken (oder auch Komplimenten, Lob etc.), ohne gleich zu grübeln, welche Motivation dahinter stecken könnte, ob es einen Hintergedanken gibt. Es kann sehr verletzend sein für einen Schenkenden, wenn die Beschenkte erst einmal stutzt und sozusagen über die Bücher geht, sich gar nicht richtig freuen kann.

    Aber es wäre niemandem geholfen gewesen, wenn ich wieder eingestiegen wäre, in dieses kranke Spiel von Schuldgefühlen, Vorwürfen, Anspruchshaltung und Beschimpfungen.

    Das sehe ich genauso und es ist wichtig, die Verantwortung zu übernehmen, wenn dieses Spiel weitergeht, und zu gehen, falls es nicht gelingt, es zu stoppen. Das hat man nicht allein in der Hand. Wichtig ist es auch zu gehen, weil die eigene Aufmerksamkeit und Energie anderswo gefragt sind, zum Beispiel bei den eigenen Kindern, der eigenen Ausbildung, dem Beruf, dem Partner. Kinder zu haben, kann, denke ich zumindest, heilsam sein, denn eines kann man von ihnen lernen: was reine Freude ohne jeden Hintergedanken ist.

    Viele liebe Grüße

    Siri

    Liebe Lara,

    die fordernde Haltung, die Dein Vater an den Tag legt, finde ich nicht akzeptabel.

    Meine Mutter macht mir immerhin keine Vorwürfe, dass ich "nur" ein Mal die Woche anrufe. Sie weiß durch einen jahrelangen Kontaktabbruch, dass sie sonst meine Vorsorgetätigkeit aufs Spiel setzen würde. Sie bedankt sich auch oft, wenn ich anrufe oder bei ihr war.Auch merke ich, dass sie sich wirklich freut über die Anrufe. Über diese Entwicklung bin ich froh und ihr wiederum dankbar.

    Allerdings: wenn mein Mann oder ich mal vor Ort sind, dann ähnelt das Verhalten meiner Mutter doch auch immer wieder Mal dem Deines Vaters. Das Sich-rar-machen und der konsequente Abstand helfen also im Umgang. Wenn meine Mutter unverschämt oder beleidigend wird, dann gehe ich zum Beispiel konsequent aus dem Raum oder beende das Telefongespräch. Mein Mann macht es ebenso.

    Lindes Vorschlag, den medizinischen Dienst einzuschalten, finde ich sehr gut. Vielleicht ermöglicht Dir dies, den Kontakt deutlich zu minimieren oder abzubrechen.

    Beim Umgang mit den Diensten und Behörden weise ich, falls nötig, darauf hin, dass ich aufgrund von Missbrauchserfahrungen keinen engen Kontakt zu meiner Mutter haben kann, weil es meine eigene Gesundheit gefährdet. Das ist völlig in Ordnung und wird akzeptiert. Mir wurde dies sogar geraten, als ich meine Mutter nach Jahren wiedergesehen habe. Die von mir kontaktierte Mitarbeiterin des psychosozialen Dienstes vor Ort hat das extrem abwertende Verhalten meiner Mutter mir gegenüber einmal hautnah mitbekommen und mir eindringlich zum Abstand geraten. Auch einige Mitarbeiter vom psychosozialen Dienst in den Heimen, die ich damals durchtelefoniert hatte, um einen Platz in der Kurzzeitpflege für meine Mutter zu bekommen, haben mir zugeraten, den Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren bzw. abzubrechen. Sie haben mir vermittelt, dass das völlig in Ordnung sei und ich deshalb kein schlechtes Gewissen haben müsse. Das war sehr hilfreich für mich und ich bin diesen Mitarbeitern dankbar für ihre Hinweise und Empathie. Die Profis in den Einrichtungen wissen um die Problematik. Zugleich verurteilen sie die alkoholkranken Menschen nicht.

    Wenn man mit einem Alkoholiker aufgewachsen ist, gibt es wohl immer Erfahrungen von Missbrauch und Instrumentalisierung sowie Rollenumkehr oder sonstige traumatisierende Erlebnisse. Das allein rechtfertigt den völligen Kontaktabbruch. Selbst in der Situation, in der sich Dein Vater nun befindet, darfst Du Dein Wohlergehen an erste Stelle setzen! Dein Vater ist nicht Dein Kind.

    Was mir zudem noch in den Sinn kommt: Es gibt in manchen Städten und Gemeinden Heime/Hospize für Menschen mit psychosozialen Beeinträchtigungen in Not, darunter auch Suchtkranke. Vielleicht findet sich hier eine Möglichkeit für Deinen Vater, wenn es mit der eigenen Wohnung nicht mehr klappen sollte?

    Mich hat die Reaktion meines Vaters überrascht. Er redet seit Jahren davon, dass er nicht mehr leben möchte und froh ist, wenn sein Leben vorbei ist, hat aber jetzt erwähnt, dass er wohl eine Chemo oder auch OP in Erwägung ziehen würde.

    Diese Widersprüchlichkeit kenne ich von meiner Mutter auch. Ich habe aufgehört, es verstehen zu wollen. Seit ich solche Dinge nicht mehr zu verstehen versuche und damit dann auch irgendwie implizit bewerte, geht es mir besser.

    Liebe Grüße Siri

    Liebe Lara,

    auch ich möchte Dich bestärken, alles zu delegieren und die Auseinandersetzung mit Deinem Vater den Profis zu überlassen.

    Für Deinen Vater steht das Suchtmittel an erster Stelle. Falls sich das ändern sollte, wird er Hilfe erhalten. Es gibt genug Stellen, an die er sich wenden kann (Suchtberatung etc). Überlass ihm das. Du kannst ihm nicht helfen.

    Ein Mal pro Woche Telefonkontakt ist schon viel. Das liegt daran, dass dieser Kontakt jedes Mal wieder alte Traumata aufbrechen lässt, die Dir eventuell gar nicht völlig bewusst sind. Für Deinen Körper ist das auch auf physiologischer Ebene extrem anstrengend, ganz abgesehen von der seelischen Belastung. Du wirst dann jedesmal in einen Alarmzustand versetzt. Es läuft ein physiologisches Überlebensprogramm ab. Wenn ein Mal der Säbelzahntieger vorbeischaut, ist das Programm gut und hilfreich. Aber es darf kein Dauerzustand werden. Die Gefahr daran zugrundezugehen, ist groß.

    Ich selber rufe meine alte, alkoholsüchtige und pflegebedürftige Mutter konsequent "nur" ein Mal pro Woche an. Immer wieder regt sich das Bedürfnis in mir, mehr für sie da zu sein, da mir ihr Schicksal sehr nahe geht. Ich spreche mir das dann von der Seele (mit meinen Nächsten, hier im Forum) und lasse es. Mehr Kontakt würde mich zu sehr vereinnahmen. Und bereits dieser reduzierte Kontakt ist sehr anstrengend. Ich benötige viel Energie, um dabei die Distanz aufrecht zu erhalten, die ich gut anderswo gebrauchen könnte.

    Das wichtigste ist, dass Du Dich selbst gut schützt. Schuldgefühle und Gewissensbisse sind nachvollziehbar, aber fehl am Platz. Dich trifft keine Schuld und Du darfst Dein Leben schützen!

    Ich schicke Dir Mal eine große Portion Kraft für Dich und Dein eigenes Leben Lara.
    Liebe Grüße Siri

    Ich hab mich riesig über Deine Blumen gefreut, Iwona. Danke Dir!

    Wie es überhaupt in letzter Zeit viel Freude beim stillen Lesen im Forum für mich gab: es ist so schön zu lesen, wie gut das gegenseitige Verständnis füreinander und die Unterstützung helfen. Als Betroffene von einer Krankheit, die ungebremst zur Auflösung aller Beziehungen führt, tut das ungemein gut.

    Allen Forumsmitgliedern ein schönes Wochenende!

    Liebe Iwona,

    super, dass alles gut heilt und auch alles entfernt wurde, auch wenn das dann ja leider eine ziemlich tiefe Wunde ergeben hat. Ich drück die Daumen, dass es nun jeden Tag ein großes Stück vorangeht mit der Wundheilung. Gute Besserung!

    Liebe Grüße

    Siri

    Auch von mir ein herzliches Willkommen Mariel.

    Auch ich gehöre hier im Forum zu den EKA. Ich habe zwar keine eigenen Kinder, aber nach langer Zeit des Kontaktabbruchs habe ich nun wieder zu meiner nun pflegebedürftigen Mutter Kontakt. Und auch bei mir sind dabei die alten Schuldgefühle zunächst wieder mit voller Wucht hochgekommen, ebenso wie eine tiefe Scham und dann vermehrt auch große Trauer. Wie programmiert bin ich zunächst wieder in alte Verhaltens- und Gefühlsmuster verfallen und war wieder in der alten Rollenumkehr gefangen. Wie damals vor mehr als 30 Jahren als Kind habe ich mich für meine Mutter verantwortlich gefühlt. Das ist jetzt mit diesem Forum und mit professioneller Hilfe besser geworden, aber Distanz zu halten kostet Kraft und mittlerweile merke ich, dass ich sie vor allem für mich selbst brauche. Ich reduziere den Kontakt auf ein Minimum (die eigentliche Pflege habe ich an einen professionellen Pflegedienst delegiert). Immerhin habe ich keinerlei Schuldgefühle mehr, jetzt überwiegt Trauer, die mich regelmäßig ergreift. Ich trauere um meine verkorkste Kindheit, die massiven Folgen auf mein Leben, aber auch die auswegslose Situation meiner nun sterbenskranken Mutter macht mich traurig.

    Ich möchte Dich bestärken: Nimm Deine Bedenken ernst und lebe Dein Leben. Wir alle haben nur eines und es ist ein kostbares Geschenk. Dass es Dir gut geht, ist ja auch sehr sehr wichtig für Deine kleine Tochter.

    Es ist nicht Deine Schuld, dass Deine Mutter süchtig ist und deshalb keine Verantwortung in Beziehungen zu anderen übernehmen kann. Das aber ist die Voraussetzung für einen guten Umgang mit Kindern (und natürlich auch mit allen anderen, aber bei Kindern ist es essentiell). Suchtkranke sind für Kinder noch unberechenbarer als für Erwachsene, zudem nehmen Kinder Stimmungen oftmals viel intensiver wahr, wie Seismographen.

    Viele liebe Grüße und viel Kraft für Dich

    Siri

    Liebe Lea, liebe Elly,

    danke Euch sehr für Eure lieben Zeilen.

    @ Lea Ich finde es toll, dass Du so klar bist und Abstand hälst. Die Kraft, die man zur Verfügung hat, ist nicht unendlich, ebenso wenig die Zeit. Für mich ist diese Konfrontation noch wichtig, um die Mechanismen besser zu verstehen und zu sehen, dass ich heute ganz anders auf sie reagieren kann. All diese indirekten Wege meiner Mutter, um mich auf Kurs zu halten, die so schädlich für mich waren. Ich bin froh, für sie nicht mehr funktionieren zu müssen und mir ist es jetzt als ich bei ihr war auch viel besser gelungen, ihre impliziten Ansprüche zwar deutlich zu spüren, dann aber zu ignorieren, wenn ich das für richtig hielt – ganz ohne schlechtes Gewissen. Diese Erfahrung hilft mir auch in meinem eigenen jetzigen Leben, denn die Alarmglocken schrillen nun doch öfter, so dass ich auch da Grenzen ziehen, Ansprüche zurückweisen und mich selbst behaupten kann.

    Zu Deinem Nachhaken, Elly. Wenn ich genauer nachdenke, ist es vor allem die Trauer darüber, was war, wie mich das geprägt und welche Auswirkungen es bis heute für mich hat. Aber es ist auch merkwürdig zu sehen, dass meine Mutter sich mit diesem Verhalten selbst so sehr schädigt. Das macht mich schon auch traurig. Das hat nicht nur mit dem Alkohol zu tun, sondern sehr viel auch mit der Persönlichkeit meiner Mutter. Da merke ich deutlich, dass es Grenzen des Nachvollziehens und Verstehens gibt.

    LG Siri

    Hallo, Ihr Lieben,

    ich bin wieder zu Hause. Es war für mich wichtig, meine Mutter zu sehen. Es geht ihr zwar nicht gut, aber sie ist fitter als ich befürchtet hatte. Sie hat sich sehr über unseren Besuch gefreut, es genossen, nicht allein zu sein und bekocht zu werden.

    Ich habe beschlossen, das Negative nicht mehr auf mich zu beziehen. Das klappt gut. Zum Beispiel lobt meine Mutter das aufwendig gekochte Essen, schließt daran jedoch sofort eine hasserfüllte Tirade über zu klein geschnittenes Gemüse (Brei!) an, das mein Mann ihr beim letzten Mal serviert hätte, wo sie doch dann nichts schmecken würde. So ist es bei ganz vielen Dingen. Die kleinsten Unstimmigkeiten in Bezug auf ihre Bedürfnisse werden mit extremen Abwertungen und Tiraden kommentiert.

    Das entspricht wohl ihrer Persönlichkeit, denn es war strukturell schon immer so. Der einzige Unterschied ist, dass in solchen Situationen nun auch viel Verzweilfung aus ihr spricht. Aber vielleicht war das auch früher so. Vielleicht konnte ich es damals nur nicht wahrnehmen, weil ich die gegen mich gewandte Aggression damals nicht auf Distanz halten konnte und dem Drama vollkommen ausgeliefert war. Diesen Hass erneut zu erleben, den sie plötzlich hat, ist mittlerweile vor allem befremdlich für mich, auch wenn es mich als Erwachsene schockiert zu sehen, was ich als Kind aushalten musste.

    Die Abwertungen und emotionalen Ausbrüche wegen Nichtigkeiten sind so extrem, dass ich heute als Erwachsene gar nicht mehr umhin komme, es als völlig skurril zu sehen. Ich kann es jetzt mit einem gewissen emotionalen Abstand als Teil einer Unfähigkeit mit Emotionen und eigenen Bedürfnissen umzugehen verstehen, auch wenn es das nicht entschuldigt. Meine Mutter kann zum Beispiel um nichts bitten, sondern versucht über Abwertungen indirekt zu erreichen, dass die Dinge so gemacht werden wie sie das will. Das Muster zu erkennen, hilft mir dabei Distanz zu halten. Und es hilft mir bei der Einordnung meiner Kindheitserlebnisse. Das Negative, die Abwertungen, all das, was mir so viele Scham- und Schuldgefühle beschert hat, hatte in erster Linie mit ihrer Persönlichkeitsstruktur zu tun. Vieles entsprang dieser Unfähigkeit und dem dysfunktionalen jähzornigen Verhalten meiner Mutter. Jetzt an ihrem Lebensende hält dieses Verhalten sie leider vollkommen in für sie endlos sich wiederholenden Enttäuschungen gefangen und führt zu einer großen Verbitterung.

    Da meine Mutter ja erst am späten Nachmittag aufsteht, hatten wir die Tage dort für uns. Wir haben den Garten auf Vordermann gebracht, was uns selbst große Freude bereitet hat. Auch meine Mutter hat sich darüber gefreut.

    Dennoch ist es nach wie vor schwer damit umzugehen, dass es jeder Zeit ganz aus dem Ruder laufen kann, zumal meine Mutter nachts oft so viel trinkt, dass es zum Filmriss kommt (sie trinkt tatsächlich nun aus kleinen Gläsern, die sie aber, wie hier jemand einmal treffend kommentiert hat, nun öfter nachfüllt :S).

    Meine Mutter ist während unseres Aufenthaltes einmal gestürzt, zum Glück ohne Verletzung. Ich bin vom Rumpeln aufgewacht und habe ihr wie in meiner Kindheit wieder aufgeholfen. Am nächsten Morgen konnte sie sich nicht mehr erinnern.

    Wir haben eine Pflegerin gesprochen, die gestern kam. Das war ein sehr hilfreiches Gespräch. Sie hat berichtet, wie es so läuft mit der Pflege und betont, dass jederzeit eine extreme Verschlechterung eintreten könne, vor allem was die Demenz betrifft. Sie werden mich dann informieren. Die Pflege ist hervorragend und das gibt mir Sicherheit. Absolut professionell, sie sind klar in den Ansagen, aber zugewandt und verurteilen meine Mutter nicht.

    Mein Leben geht weiter und ich bin froh über den größer werdenden emotionalen Abstand zu meiner Mutter und ihrer Situation, auch wenn die Trauer dadurch nicht weg ist. Die Aufenthalte sind deshalb so anstrengend für mich, weil ich wie in der Kindheit angespannt bin...immer in Angst, ihr könnte etwas passieren. Zu Hause habe ich diese Anspannung nun zum Glück nicht mehr (das war nach dem Schock des ersten Wiedersehens nach sehr vielen Jahren so), aber wenn ich dort bin, ist es so extrem, dass ich unter Dauermigräne leide. Ich muss sehr gut haushalten mit meinen Kräften und kann es mir deshalb nicht allzu oft erlauben, dort hinzufahren.

    Heute ruhe ich mich aus, werkel ein wenig zu Hause herum und gehe noch in die Physiotherapie.

    Viele liebe Grüße Siri

    Liebe Lia,

    auch ich will Dir noch etwas von mir da lassen. Wie Linde habe ich nach jahrelangem Kontaktabbruch wieder (seltenen) Kontakt zu meiner nun pflegebedürtigen und sehr kranken Mutter. Auch ich muss sehr gut auf mich acht geben, bei jedem Kontakt, um mich nicht von meiner Mutter und ihren Alkoholdramen vereinnahmen und herunterziehen zu lassen.

    Du bist sehr jung und ich möchte Dich ermutigen, wirklich einmal konsequent Abstand zu nehmen. So gewinnst Du Zeit und Raum für Deine eigene Entwicklung. Das ist so wichtig. Jeder Mensch trägt ein großes Potenzial in sich, das es zu erkunden und entwickeln gilt. Gib das nicht auf für Deine Eltern! Es wäre sicher nicht in ihrem Sinne, wenn es ihnen klar würde, und es wäre auch vergebens. Sie müssen ihre Probleme selbst lösen, es steht nicht in Deiner Macht das für sie zu tun. Menschen, die in gesunden Familienstrukturen aufgewachsen sind, können das einfach so, ihren Weg gehen, ohne dies als im Stich lassen der Eltern zu empfinden. Für viele EKAs ist das eine riesen Sache und nicht leicht zu lernen. Aber es geht und es ist gut, dass Du Dir therapeutische Unterstützung geholt hast.

    Liebe Grüße und eine dicke Portion Mut und Zuversicht für Dich

    Siri

    Ich schaffe es nur noch nicht „härtere Worte“ an meinen Vater zu richten. Bislang habe ich immer versucht ihn Verständnis entgegen zu bringen. Eben da ich Angst habe, dass es sonst noch schlimmer wird. ....
    Ansonsten ist das einzige was mir wirklich hilft eigentlich der räumliche Abstand. Bin auch nur höchstens alle drei Monate mal für ein, zwei Tage da.

    Liebe Lia,

    diese Angst, dass Du die Sucht Deines Vaters verschlimmern könntest, ist nachvollziehbar, aber absolut nicht begründet: Denn Du hast keinerlei Einfluss auf seine Sucht und sein Verhalten. Nur er allein ist für sich und seine Gesundheit verantwortlich. Du bist auch nicht verantwortlich dafür, Deinen Vater über seine Sucht aufzuklären. Er ist erwachsen und kann sich selbst bei den entsprechenden Stellen informieren.

    Was für Dich wichtig ist: ihm Deine Grenzen klar zu kommunizieren und sie dann auch einzuhalten und danach zu handeln.

    Du schreibst, das einzige, was Dir gerade wirklich hilft, ist der räumliche Abstand. Dann nehme ihn ein und auch wenn sich das zunächst falsch anfühlen mag!

    Selbst wenn Du einmal das Bedürfnis haben solltest gar keinen Kontakt mehr zu Deinem Vater zu haben, ist das in Ordnung. Das muss ja kein Kontaktabbruch für immer sein, aber selbst das dürfte sein. Du hast das Recht selbst zu bestimmen, was Dir gut tut und was nicht. Es ist gesund und richtig, dass Du Dich selbst schützt. Vertraue Deiner Intuition in dem, was Du dazu brauchst, dass es Dir besser geht.

    Viele liebe Grüße Siri

    Hallo liebe Lia,

    auch von mir ein ganz herzliches Willkommen. Auch ich bin EKA. Es ist super, dass Du hierher gefunden hast. Es ist sehr traurig zu realisieren, dass man zu Hause auf seinem Lebensweg so gar keine Unterstützung bekommt und noch schlimmer, die eigenen Gefühle nicht zeigen zu dürfen. Das ist auch extrem anstrengend und auf Dauer ungesund. Auch wenn es schwer fällt, die Abgrenzung zu Deinen Eltern ist sehr wichtig, damit es Dir gut geht. Und Du hast jedes Recht darauf, dass es Dir gut geht! Denn es ist ja leider tatsächlich so, dass Du wirklich nichts tun und nichts an der Situtaion Deiner Eltern ändern kannst. Das können nur sie selbst.

    Scham- und Schuldgefühle kenne ich auch sehr gut. Es ist wichtig und toll, dass Du Dich mit ihnen auseinandersetzt. In Deinem Alter war ich längst noch nicht so weit! Du trägst keinerlei Schuld an der Situtation Deiner Eltern. Das weisst Du ja. Es aber auch wirklich zu verinnerlichen, ist trotz dieser Erkenntnis nicht ganz so leicht. Aber es kann gelingen und ein befreiender Prozess sein, der zu mehr Selbstsicherheit, Gelassenheit und Verständnis für sich selbst führen kann, auch wenn es oft auch ein schmerzhafter Prozess ist.

    Viele liebe Grüße Siri