Familienfeiern mit Alkoholiker:innen

  • Hallo,

    Eine Sache stellt mich regelmäßig vor eine große Herausforderung: Wie gehe ich mit meiner alkoholkranken Mutter um, wenn eine Familienfeier ansteht? Aktuell ist es der Geburtstag meines Sohnes: Natürlich würde er sich freuen, seine Oma bei seiner Geburtstagsfeier zu sehen. Aber seine Oma ist eben schwere Alkoholikerin und hat nicht mal gefragt, was eigentlich geplant ist und ob er sich etwas von ihr wünscht. Würde ich sie einladen, würde sie wohl mit leeren Händen kommen und nach kurzer Zeit mit einer fadenscheinigen Ausrede wieder verschwinden, um sich ins Delirium zu trinken. Das würde mich furchtbar ärgern an diesem Freudentag meines Sohnes, der für das alles nichts kann und sich nur eine gesunde Oma wünscht. Wenn ich sie aber nicht einlade, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie gar nicht mehr in die Familie einbinde. Ich weiß nicht, was ich tun soll und so geht es mir mittlerweile bei jedem Fest. ?(

  • Hallo Mia,

    kommt auf die Uhrzeit an. Vielleicht kann sie ja zum Frühstück vorbeikommen.

    So habe ich das immer gemacht, also bei mir speziell: Anrufe nur vormittags.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Brunch?


    Bei mir war es so, daß ich irgendwann den Kontakt einschlafen lassen habe. Es ist einfach zu schmerzhaft gewesen.

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Dann soll ich also neben einer Geburtstagsfeier für meinen Sohn auch noch einen Brunch für sie ausrichten? Also mit ihr brunchen, während ich eigentlich alles für die Sause am Nachmittag vorbereiten sollte? Da passe ich mich ja total an sie an, anstatt auf meine Bedürfnisse zu schauen. Muss man als Angehörige wirklich alles so gestalten, dass es am Ende für die Akkoholkranken passt, aber für einen selbst nicht? Wenn sie dann dasitzt, nach Alkohol riecht und immer nervöser und fahriger wird, zieht mich das so runter und ich kann den Rest des Tages nicht genießen. Alles dreht sich dann wieder um sie, und nicht um meinen Sohn, das Geburtstagskind.

  • Wenn ich sie aber nicht einlade, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie gar nicht mehr in die Familie einbinde. Ich weiß nicht, was ich tun soll und so geht es mir mittlerweile bei jedem Fest.

    Wenn sie ehrliches Interesse an Ihrem Enkel hat, dann freut sie sich auch über eine Einladung zu einem anderen Zeitpunkt. Ein zwei Stunden am Vormittag an einem Ort, wo das Kind auch etwas von der Begegnung mit ihr hat. Und nur dann, wenn er auch wirklich etwas davon hat und nicht nur ein schlechtes Gefühl zurück bleibt.

    Das schlechte Gewissen kenne ich sehr gut. Aber bist es wirklich du, die sie nicht einbindet oder ist es die Sauferei durch die sie sich ausschließt.

    Du hast ein Recht darauf dir dein für dich glücklichstes Leben zu gestalten und dein Kind sollte wichtiger sein, als eine Person die mehr Schmerz als Freude in euer Leben bringt.

    Liebe Grüße, Lea

  • Nein, du mußt das nicht. Es ist deine Entscheidung, ob du die Quadratur des Kreises versuchst.

    Kompromisse "mußt" du nur machen, wenn du dein "schlechtes Gewissen" nicht ertragen kannst.


    Was willst DU?

    Dann mache genau das.

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Das schlechte Gewissen kenne ich sehr gut. Aber bist es wirklich du, die sie nicht einbindet oder ist es die Sauferei durch die sie sich ausschließt.

    Genau so sehe ich das auch.

    Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, denn es ist allein die Sucht, durch die sie sich selbst aus der Familie ausschließt.

  • Ich sehe es genauso. Es ist der Alkohol, der Deiner Mutter verunmöglicht am Leben teilzunehmen.

    Bei meiner Mutter fordern die versoffenen Nächte am Morgen ebenso ihren Tribut. Das war schon in meiner Kindheit so und ist nun im Alter extrem. Sie ist bis zum späten Nachmittag/frühen Abend nicht ansprechbar. Dann ist der Tag schon vorbei. Der Pflegedienst hat sich weitgehend darauf eingestellt und kommt am frühen Nachmittag, aber auch das hat natürlich Grenzen. Meine Mutter ist ja nicht die einzige, die Pflege benötigt. Wenn sie die Konsequenzen spürt, passt sie sich laut Pflegedienst immer wieder eine Zeit lang an.

    Für mich ist es wichtig hier deutliche Grenzen zu ziehen: Zu Beginn meiner Vorsorgetätigkeit hat meine Mutter oft am späteren Abend bei mir angerufen. Das habe ich entschieden unterbunden und sie gefragt, wie es für sie wäre, wenn ich um 7:00 Uhr vor der Arbeit bei ihr anrufen würde. Sie hält sich nun daran. Für mich ist das wichtig, damit ich mich am Abend entspannen kann.

    Du siehst, es ist ein typisches Verhalten von Alkoholikern. Das hat nichts mit Dir zu tun. Es ist unmöglich, sich darauf einzustellen, geschweige denn das eigene Leben danach zu richten. Für Deinen Sohn ist es besonders wichtig vorgelebt zu bekommen, dass Ihr Euer eigenes Leben führt.

    LG Siri

  • Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen. Letztlich ist die Frage, die Du Dir stellen musst, was Du wirklich davon hast. Im besten Fall kein schlechtes Gewissen, im schlechten Fall eine miese Geburtstagsfeier, weil es mal wieder doch nicht gepasst hat.


    Ich habe mit dem Thema auch leidvolle Erfahrung, wollte es immer allen Recht machen, alle - vor allem meinen Vater - miteinzubeziehen. Und was war die Belohnung: Derjenige, der am Schluss immer konsterniert war, war ich.


    Keine Feier verging ohne Konflikt. Nicht mal Weihnachten oder die Geburtstage meiner Kinder, die nichts von ihrem Papa hatten, weil die ganze Zeit damit beschäftigt war, Stimmungen aufzunehmen und ggf. miese Laune irgendwie auszugleichen.


    Letztendlich passt mit einem Alkoholiker in der Familie kein Zeitpunkt so richtig. Zu Früh: noch zerstört vom Vorabend. Mittag: Evtl. auch zerstört oder schon wieder Suchtdruck. Abends: Suchtdruck oder betrunken mit der Konsequenz, dass die Stimmung aggressiv wird.


    Bei mir gipfelte das daran, dass mein Vater vor zwei Jahren Weihnachten gecrashed und meinen damals zweijährigen Sohn als Terroristen beschimpft hat, weil der es sich erlaubt hat, krank zu sein und deshalb öfter zu weinen. Kein schönes Erlebnis, aber ich, weiß, ich bin selbst schuld.

    Ich habe danach auch klare Grenzen gezogen und sehr klar gemacht, dass ich darauf keine Lust mehr habe. Die Feste habe ich dann geplant, ohne den Eiertanz zu machen.

    Siri hat es auf den Punkt gebracht. Es ist der Alkohol, der es Deiner Mutter unmöglich macht, am Leben teilzunehmen. Für dieses Leben hat sie sich entschieden. Deine Familie kann dafür nicht in Haftung genommen werden.

  • Ich danke euch sehr für eure Antworten, die mir sehr helfen!

    Siri hat es auf den Punkt gebracht. Es ist der Alkohol, der es Deiner Mutter unmöglich macht, am Leben teilzunehmen. Für dieses Leben hat sie sich entschieden. Deine Familie kann dafür nicht in Haftung genommen werden.

    Das ist immer wieder ein Punkt, der mich stark beschäftigt: War es wirklich ihre Entscheidung, dieses Leben zu führen? Oder kann sie einfach nicht anders und ist damit ebenso "unschuldig" wie jemand, der z.B. an Krebs erkrankt ist? Sollte ich dann nicht wohlwollend, großzügig und verständnisvoll bleiben, wie ich es auch bei einer organischen Krankheit wäre? Ist sie machtlos gegenüber der Sucht oder gibt es wirklich noch so etwas wie eine freie Entscheidung bei Alkoholiker:innen im Endstadium, wie meiner Mutter?

    Diese Frage lässt mir oft keine Ruhe.

  • Du kannst Suchterkrankungen nicht mit anderen Erkrankungen vergleichen.

    Sie könnte eine Entgiftung machen lassen und abstinent leben. Tut sie aber nicht.

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Es war meine Entscheidung, mit der Sauferei aufzuhören.

    Und nur so funktioniert es, Mia!

    Solange Deine Mutter nicht aufhören will mit dem Alkohol, kannst Du nichts tun.

    Außer sie bei Feierlichkeiten (oder auch bei anderem) außen vorzulassen, weil Du genau weißt, wie es ausgehen wird.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Ich bin überzeugt, dass meine Mutter sich für dieses Leben entschieden hat. Zumindest zelebriert sie ihren Alkoholkonsum immer wieder als eine bewusste Entscheidung.

    Zu Beginn des erneuten Kontakts hat meine Mutter mich, wie früher, immer zu provozieren versucht: sich lustig gemacht, dass ich beim Abendessen nicht mittrinken will, mir zugeprostet (komm, geht doch auch mit Wasser, das haben wir doch bereits gemacht, als Du ein Kind warst ...). Früher hat mich diese Form der Nötigung auf die Palme X( gebracht, heute bleibe ich äußerlich cool 8). Innerlich siehts manchmal anders aus, da schießt mir ab und an dann doch ein Gedanke in den Kopf wie: Du doofe Z...e kannst es immer noch nicht lassen. Wie nervig:!:

    Ihr Verhalten ist für mich ein klares Anzeichen dafür, dass sie saufen will, und dass sie andere, die Alkohol nicht trinken, abwertet (sind keine Erwachsenen ect.).

    Mittlerweile bewerte ich ihren Alkoholkonsum konsequent nicht mehr. Ich reagiere einfach nicht, wenn sie auf Alkohol zu sprechen kommt. Wenn sie mich zu ihrem Alkoholkonsum direkt fragt, betone ich, dass es ihre Entscheidung ist und ich das nicht bewerten möchte.

    Seit meine Mutter weiß, dass ich ihren Alkoholismus nicht bewerte, ist sie weniger aggressiv. Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie sogar tatsächlich ab und zu ins Nachdenken über ihre Sucht kommt. Aber auch wenn sie zum Beispiel beim erneuten Einschenken Mal sagt, dass sie süchtig ist, kommentiere ich dies nicht. Ich sage höchstens, dass nur sie dies wissen kann, ob das so ist. Mehr nicht.

    Meine Mutter weiß, dass sie mich um Hilfe bitten kann, falls sie etwas an ihrer Sucht ändern möchte. Sie weiß dies, weil ich ja auch ansonsten sofort reagiere, wenn es ihr an etwas fehlt, zum Beispiel Medikamente oder ein Arztbesuch zu organisieren ist oder oder oder.

    Bei all diesen Dingen bittet sie um Hilfe. Ich schließe daraus, dass sie dies in Bezug auf ihre Alkoholkrankheit nicht will.

    LG Siri

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