..."hau doch nicht immer gleich so drauf"...

  • hallo spedi,

    was mich anbelangt, so sage ich mal ein schönes dankeschön, wie du mir auf die zehen getreten bist.

    was deine ausführungen zu 'handeln müssen' anbelangt, so möchte ich dich bitten, hier nochmal etwas ausführlicher zu werden. ich sehe hier für mich zwei gegensätzliche interpretationsmöglichkeiten.

    danke - emz

  • Hallo Spedi,

    ich muss zugeben, deine Worte hören sich erstmal hart an... :roll::? . Aber es ist tatsächlich so.

    Viele Jahre habe ich ausgeharrt, habe versucht, meinen Mann zu verändern, ihn vom Alkohol "zu retten". Ich war wütend, böse, frustiert und traurig, dass er sich nicht verändern wollte oder konnte. Also hatte er auch die Schuld daran, dass es mir ja soooo schlecht ging. Aber gleichzeitig war ich furchtbar stolz auf die Anerkennung meines Umfeldes, dass ich ja so stark war und alles "ertrug". Dass ich ja immer wieder die Retterin war...

    Erst als ich begann, mit mir selbst was zu machen, erst als ich sah, dass ich ja für mein Leben selbst die Verantwortung trage und niemand anders, erst ab da ging es bergauf! Ich konnte endlich hinsehen und auch mehr und mehr meine eigene Rolle in diesem "Drama" sehen. Ich habe meinem Mann die Verantortung für sein Leben zurückgegeben und dafür die Verantwortung für mein Leben übernommen. Ich begann, hinzusehen und zu erkennen, dass ich es ja selbst in der Hand habe, ob es mir gut oder schlecht geht.

    Das ging aber nicht von heute auf morgen. Bis zum ersten Schritt, zur ersten Erkenntnis waren es viele Jahre. Auch bei meinem Mann hat es ja viele Jahre gedauert, bis er sich selbst seine Alkoholabhängigkeit eingestehen konnte. Auch jetzt gibt es immer noch Rückschritte, Rückfälle in das Co-Verhalten. Dafür bin ich ein Mensch, mit meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten.

    Der Unterschied zu vorher ist aber, dass ich es nun erkenne und dagegensteuern kann! Ich bin aktiv für mein Wohlbefinden zuständig und niemand sonst! Seitdem ich das erkannt habe und danach lebe, seitdem geht es mir ständig besser! Meine Lebensqualität ist unglaublich gestiegen! Auch wenn ich viele der Einbußen habe, die mich unter anderem solange Zeit davon abgehalten haben, mich zu trennen, für mich zu handeln. Da war meine Feigheit vor der Verantwortung, das waren nur meine Ängste, die riesigen Ängste, nicht selbst für mich sorgen zu können, das war mein winziges Selbstbewusstsein, nur in Rudimenten vorhanden, was mich hinderte. Das war die Angst, für mich und alle meine Fehler selbst gerade stehen zu müssen! Die Angst davor, nicht mehr geliebt, gemocht zu werden. Denn nun bin ich ja nicht mehr Everybodies Darling sondern recht unbequem geworden.

    Auf einmal habe ich auch Ecken und Kanten, an denen Reibungspunkte entstehen. Aber andererseits werde ich auch respektiert und ernst genommen, nicht mehr als armes Hascherl getätschelt! Und es gibt noch immer Menschen, die mich lieben und mögen :D ! Dadurch wiederum steigt mein Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen jeden Tag! Aber es ist ein stetiger Prozess und geht langsam voran.

    Ürigens hat ja mein Mann, als ich ihm seine Selbstverantwortung zurückgegeben hatte, sie auch übernommen! Inzwischen trinkt er seit über 13 Monaten nicht mehr, lernt mehr und mehr, für sich selbst zu sorgen. Jetzt, wo ich nichts mehr an ihm drehe, jetzt endlich kann er auch mehr und mehr er selbst sein!

    Puh, lange Rede, kurzer Sinn...
    Jeder erwachsene Mensch hat es für sich einzig und alleine selbst in der Hand, wie er sein Leben gestalten möchte, nach den gegebenen Möglichkeiten. Niemand sonst. Das ist doch eine große Freiheit und ein Glück...

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Aurora,schön,dass ihr beide euer Ziel erreicht habt.Was mich interessiert,wie ist denn Euer Verhältnis heute zueinander?Seid ihr wieder ein Paar oder geht ihr eigene Wege?Liebe Grüße,Sternschnuppe

  • Servus emz,

    Zitat von emz

    ...was deine ausführungen zu 'handeln müssen' anbelangt, so möchte ich dich bitten, hier nochmal etwas ausführlicher zu werden. ich sehe hier für mich zwei gegensätzliche interpretationsmöglichkeiten...


    ich kann Dir schlecht sagen wie Du Dein Leben gestalten sollst/kannst/musst/darfst/willst.

    Ein Beispiel für den Alkoholiker und das dort erforderliche "Handeln":
    Wenn ich feststelle, dass ich nicht mehr "ohne" leben kann, muss ich mich informieren und mir Hilfe und Beistand suchen. Dass heisst, ich muss (aktiv!) mich um einen Termin bei der Suchtberatung bemühen und dann auch hingehen. Ich muss mich zu (m)einem Arzt begeben und hier "Klartext" reden (=mich outen) und die überall angebotener Hilfe auch annehmen.

    Im Bereich der Coabhängigen und der Angehörigen ist es etwas anders gelagert. Auch dort ist es ein "muss", sich zu informieren - aber mit einer anderen "Zielrichtung", nämlich "was kann ich für mich erreichen". Und es ist wichtig, z.B. angedrohte Konsequenzen auch durchzuziehen ("in diesem Haus möchte ich nicht mehr, dass Du trinkst. Machst Du es trotzdem oder kommst betrunken heim, ziehe ich aus/verweise ich dich aus der Wohnung"). Auch ein "Handeln" für Coabhängige ist es, sich die eigene Position offen und ehrlich (ohne jedes Beschönigen) darzustellen und seine eigenen Ziele klar und eiundeutig zu definieren (also nicht "ich will was machen" sondern konkret "ich werde am Mittwoch mit meinem Anwalt einen Stufenplan für die nächsten 6 Monate erarbeiten, um für den Fall einer Scheidung gewappnet zu sein und das Sorgerecht für die Kinder zumindest vorläufig alleine zugesprochen zu bekommen").

    Du siehst, es geht in eine andere Richtung als beim Alkoholiker selber, aber es ist immer mit aktivem Handeln verbunden - ich ändere etwas an mir und meinem Einflussbereich.

    Was das für Dich ist - nun, ich wünsche Dir viel Kraft, das herauszufinden und dann auch umzusetzen.

    LG
    Spedi
    LG

  • besten dank spedi,

    hatte das mit dem handeln tatsächlich falsch verstanden.

    ich werde wohl den weg über den anwalt gehen müssen. sonst komme ich nicht weiter. einen kräftiger tritt in den hintern, den brauche ich jetzt und werde ihn mir heute - mental natürlich - im laufe des tages verpassen.

    mein mann bekommt keine therapie mehr. nach klinikaufenthalt die shg abgelehnt, also abgebrochen und dann wird er demnächst sechzig. sollte aber nicht mein problem sein.

    spedi, schreib bitte eifrig weiter. deine beiträge und die von erdling treiben mich kräftig nach vorne.

    einen schönen sonntag - emz

  • Servus lichtwind,

    ich hoffe mal ganz stark, dass das

    Zitat von lichtwind

    ...warum du von vielen, die dich anscheinend schon lange kennen, wie "eine heilige Kuh" verteidigt worden bist...


    nicht der Fall ist, sondern einfach die Argumentation "verteidigt" wurde. Schließlich geht es hier nicht darum was ich finde, sondern was uns hilft.

    Und heilige Kühe lasse ich lieber da, wo sie hingehören - in Indien z.B... :shock:

    Aber ich weiss auch, dass mein sehr direktes Auftreten hier im Forum so manchen vor den Kopf stösst...Dein letzter Absatz trifft genau den Punkt:

    Zitat

    ...so wie ich in einem meeting auch das stehen lasse, was für mich nicht gilt ,bzw. mir nicht jeden Schuh anziehe...


    Nur: das haben manche halt noch nicht für sich verinnerlicht. :)

    LG
    Spedi

  • Hallo Ihr Lieben,
    ich vermute mal, auch wenn wir einen etwas rauheren Ton nicht so gerne hören, so dürfte er doch der einzige sein, den wir als co verstehen könnnen.

    Sind wir doch Meister im schönreden und finden von Erklärungen oder Entschuldigungen, so kann eigentlich nur ein klares Wort sagen was Sache ist. Zumal ich für mich nach wie vor der Meinung bin, Sucht nicht zu verstehen, auch wenn ich mich wohl informiert habe und wahrlich Bücher gefressen habe. Aber das ist Theorie aus einem sauber geschriebenen Buch.

    Nur muss ich für mich verstehen, dass die Sucht den Menschen verändert und ich nur nach mir sehen kann - jegliche Hoffnung macht mich als Begleiter nur noch schwächer und verhindert den eigenen Aufbau.

    Gerne hätte ich verstanden warum gelogen wird, gerne hätte ich kapiert warum geflüchtet wird statt sich Problemen zu stellen, gerne hätte ich begriffen, warum nur noch negative Gefühle wie Wut oder Unzufriedenheit in meinem Ex existieren. Aber nun gut, seine Sucht - eine Krankheit - die entgegen aller Logik geht, somit sind auch leider bei uns keine Gespräche oder kein friedliches Ende möglich. Ich knabbere daran, aber ich muss es hinnehmen.

    Wißt Ihr, so ein bischen kann ich den Sarkasmus von Spedi verstehen. Weiß er doch nur zu gut wie leicht wir unsere Knöpfe und Hebel anwerfen lassen. Ich denke, wenn ein Suchtkranker trocken wird, so kommen manche Erinnerungen zurück daran, wie andere Menschen manipuliert wurden (deshalb vielleicht auch bei manchen die
    Scham). Und wer, wenn nicht ein Betroffner, kann überdeutlich zur Sucht und dem Verhalten von Süchtigen Stellung beziehen.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Zitat von dagmar007

    Und wer, wenn nicht ein Betroffner, kann überdeutlich zur Sucht und dem Verhalten von Süchtigen Stellung beziehen.

    Guten Morgen,

    wenn es um das Verstehen von Sucht geht, gibt es eine ganz einfache Frage. Ich bitte ernsthaft um Antworten auf diese Frage: Warum bekommt man bei Masern rote Flecken?

    Da ich, wie von Dagmar zitiert, genau wie ihr, Betroffene UNSERER Sucht bin, nehme ich für mich in Anspruch, einige typische Co-Verhalten zu lesen. Und viele Lippenbekenntnisse – d. h. in epischer Breite wird oftmals darüber nachsinniert, wie ein selbstbestimmtes Leben aussehen könnte und doch dreht sich die Mehrzahl der Postings um die bösen, bösen Alkis. Ich kann das gut verstehen, denn zu Anfang, als ich mich von „meinem Alki“ trennt, war er mein einziges und immerwährendes Gesprächsthema. Das was er mir angetan, wie er sich verhalten hatte und, natürlich, wie ich mich von diesem Albtraum befreit hatte. In meiner realen SHG sagte damals eine Frau zu mir, dass ich nach wie vor Macht über ihn haben möchte und Kontrolle ausübe. Ich konnte es damals nicht verstehen. Inzwischen habe ich verstanden, dass meine Gedanken immer nur um ihn kreisten, weil ich nach wie vor wissen wollte was er macht, ob er trinkt, eine neue Frau hat oder womöglich irgendwo in der Gosse liegt, egal, ich wollte es wissen. Bei den Dingen, die wir noch zu regeln hatten, musste es nach meinem Kopf gehen, egal, was er mir vorschlug. Er hat verstanden, dass diese Kontrolle, Manipulation und Machtgehabe einfach Symptome meiner Krankheit, der Co-Abhängigkeit, sind. Dadurch hat er nicht nur mich, sondern auch meine Krankheit verstanden.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Ihr Lieben !

    Laßt es mal gut sein.

    Da ich nun Auslöser dieses Threads war, können wir ihn ja nun schließen.

    Stimme Euch zu das Spedi als "Alter Hase" immer gute Argumente liefert und manchmal kann ich ihn sogar verstehen, wenn man die x-te Co-Geschichte Iit denselben Worten immer wieder liest ( Er tut mir so leid. Mir geht es so mies, möchte soooo gerne helfen usw.)

    Rauher Tonfall, harte Worte oder Direktheit sind die eine Sache. Beleidigungen oder Unhöflichkeit eine andere.

    Aber ich will das auch nicht für andere entscheiden oder hier für jemanden in die Bresche springen, da habt ihr Recht. Also lieber Spedi nehme ich das hier mit dem "hau nicht so drauf" einfach mal zurück.

    Liebe Grüße

    Emma

    In every heart, there ist room - A sanctuary safe and strong
    To heal the wounds of lovers past - Until a new one comes along

    (Billy Joel)

  • Hi alle zusammen,

    ich finde es trotzdem wichtig, dass wir darueber sprechen und ich hab jetzt stark in den letzten Tagen auch ueber diesen Thread und das was Spedi geschrieben hat, nachgedacht.

    Wir muessen uns nunmal wirklich ins Gedaechtnis rufen, dass das hier eine SHG ist und das wir hier gesund werden wollen und nicht das Forum missbrauchen, um Mitleid zu erhaschen oder den alkoholkranken Partner als Buh-Mann darzustellen. Das ist hier ein Austausch von Erfahrungen und wenn nun jemand, der die Sucht gestoppt hat nunmal etwas fuer manchen Leute im Geschmack haerter schreibt, dann bin ich demjenigen dankbar und zwar deswegen, weil er naemlich die Wahrheit sagt und nicht mit Mitleid kommt und "eiei" um denjenigen zu Troesten, denn Trost hilft bei Suechtigen nun gar nicht. Wir alle kommen hierher, weil wir nicht wissen wie wir aktiv etwas tun koennen, weil wir uns in einer Opferrolle befinden und aus der muessen wir raus. Wird die Opferrolle genaehrt, dann naehren wir die Abhaengigkeit desjenigen und somit verzoegern wir, dass derjenige tatsaechlich erkennt, dass er wirklich und wahrhaftig krank ist und er alleine nur etwas fuer sich selbst tun kann.

    Ich hatte schonmal in einem anderen Thread geschrieben, wir sind hier um aus der Co-Abhaengigkeit herauszutreten und uns unseren Themen zu stellen und nicht damit wir unsere Opferhaltung und Krankheit hier unterstuetzen und verstecken.

    Alles Liebe,

    Jenny

  • Hallo,
    ich möchte mich Ette, Dagmar, Jenny und Spedi anschließen.

    Und ich möchte bei dieser Gelegenheit betonen, daß mir vor allem die Beiträge von Jenny und Spedi ganz oft schon weiter geholfen haben, weil sie mir die Augen geöffnet haben! Vielen Dank euch Beiden!

    Nun bin ich jemand, die gut mit Kritik umgehen kann, wenn ich sie denn berechtigt finde.
    Und ich bin mit Spedi der Meinung, das nicht nur die Alkis, sondern auch wir Cos manchmal offenbar die Methode "Holzhammer" brauchen, um wach zu werden. Vielleicht traurig, aber ist so...

    Also liebe Jenny und Spedi, bitte weitermachen! :wink:

    LG
    Feuervogel

  • als ich hier ins forum angekommen bin, war spedi einer derjenigen, die mich hier begrüßt und im offenem begleitet haben, bis ich in den geschützen ging.

    da der alk mich gut in watte gepackt hatte und ich super empfindsam dadurch war, war es gut das mir nicht noch puder entgegengebracht wurde.

    natürlich hab ich mich auch mit einem herrn spedi angelegt.
    der mir dann was von dünnhäutigkeit erzählte.
    und ich mußte ihm recht geben. als dünnhäutig habe ich mich empfunden. sowieso ohne alk.

    dann kam der konstruktive austausch.
    spedi war einer derjenigen hier im forum, die mich in meinen anfängen begleitet haben. und ich ihm dankbar bin, daß er die erfahrung die ihn trocken haben werden lassen und bleiben liesen mir weiter gegeben hat.

    das gute in der realen oder auch hier in der online shg ist für mich, daß es nicht nur ein entweder oder gibt. denn meine kaputte seele wurde auch von forenmitgliedern mit verständnis, mitgefühl, mutmachenden worten gestreichelt und getragen. die unterschiedlichen charaktere die aufeinander treffen und sich einbringen machens. der harte ton sowie der softe. wobei ich meist es hart empfunden habe, wenn auch stück wahrheit drin war. so mußte ich lernen, daß wenn mich sachen anpicksen, was mit mir zu tun haben.

    denn bei mir beginnt es und bei mir hört es auf. alles andere drumrum kann ich annehmen für mich oder nicht.

    Kompromisse bedeuten ein Rückfall riskieren
    (vor dem trink - Rückfall geht ein Verhaltensrückfall vorraus)
    nicht Trinkende seid 04.03.07

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