Co-abhängig – warum?

  • Ich habe hier mal eine Sicht aus eigenen Erfahrungen und mit Hilfe von Erfahrungen einiger ebenso betroffenen Freundinnen zusammen gestellt
    und würde mich freuen über Gedanken anderer zu dem Thema…

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    Der Umgang mit den eigenen Schuldgefühlen ist eines der schwierigsten Aufgaben eines Cos. Zum einen wird einem mehr Schuld eingeredet, als man hat, zum anderen fehlt einem noch der reale Blick auf sich selbst.

    Schließlich würden wir nicht so lange in einer unglücklichen Beziehung ausharren, wenn wir nicht immer angetrieben wären von dem Wunsch nach "Heile machen" oder dem Gefühl "Ich bin nicht gut genug" und "Ich muss kämpfen um mein Glück". Wenn wir es dann auch noch mit der Gattung "Alk" zu tun haben, sitzen wir in der Falle "Lebensaufgabe" – meist ohne Aussicht auf Erfolg.
    Doch diese Position ist uns vertraut, schließlich haben wir schon in unsere Kindheit die Ambivalenz des "Ich liebe Dich doch" zwar gehört, doch nicht gefühlt, weil das Verhalten unserer Eltern anderes aufzeigte.
    Also war Liebe immer gekoppelt mit Verlust und Ablehnung.

    Für unsere Kinderseele wäre es undenkbar gewesen, das Vertrauen und die Liebe der Eltern anzuzweifeln, denn wir waren abhängig von ihnen. So haben wir uns lange lieber eingeredet, dass diese nicht anders können oder wir Schuld daran sind, wie sie agieren.
    Genau dieses Muster nehmen wir mit in unsere Beziehungen und versuchen im übertragenen Sinne dort wieder gut zu machen, was uns bei unseren Eltern nicht möglich war – um endlich Erlösung und Liebe zu erfahren.

    Es ist also kein Wunder, dass uns gesunde Männer gar nicht erst anziehen.
    Denn ein solcher würde uns vielleicht von Anbeginn das Gefühl geben, dass er uns so mag, wie wir sind – und dann hätten wir ein Problem: Die Erkenntnis, dass unsere Eltern doch schlecht waren und uns vielleicht doch nicht geliebt haben – denn nun haben wir einen Vergleich. Und egal, wie alt wir sind – wir wünschen uns zeitlebens das Wort "Entschuldigung". Doch selten tritt das ein – und wenn doch, glauben wir es nicht mehr.

    Und nun? Nun beginnt die große Aufgabe, auch ohne auszukommen und uns zu befreien und selbst zu lieben. Dazu gehört auch, sich zu verabschieden von dem Wunsch nach der ewig helfenden Hand. Also heißt unsere Aufgabe: Aufgeben. Nicht sich, sondern den Wunsch nach dem "Übervater".
    Sich selbst komplett alleine zu organisieren und sich so anzunehmen, wie man ist. Mal ehrlich – eigentlich tun wir das doch schon die ganze Zeit – ja wir übernehmen sogar noch die Pflichten unseres alkoholkranken Partners.

    Wenn nicht der große Hunger nach Liebe wäre...
    Und die große Angst vor dem Alleine sein...
    Und der Wunsch, zu erfahren, dass man o.k. ist.

    Und wir wollen es genau von diesem kranken Menschen erfahren und hören, genau von diesem – ersatzweise für unsere Erzeuger, die auch versagt haben in Sachen Liebe und Fürsorge.

    Lg, Ettena

  • Hallo Ettena

    Sicher gleiten nicht alle mit einer ungeliebten Kindheit ins Leben der Co-Abhängigkeit.
    Das mag auch andere Ursachen haben.

    Ich gleite nur allzuoft in alte Verhaltensweisen ab.
    Gibt mir dann wieder neue Impulse am Ball zu bleiben, denn das wird wie beim ALKI selber ein leenslanger Kampf/Aufgabe bleiben, denke ich.

    Ich find mich extrem O.K.
    Und ich bin stolz darauf heute "ich" sein zu können.

    LG

    vergissmeinnicht

  • Servus Ettena,


    ich bin Alkoholiker, trocken seit gut fünf Jahren. Was ändert mein Wissen um mein "warum" an meiner Krankheit?

    Nichts.

    Ich bleibe Alkoholiker, ein Leben lang. Ich kann trocken leben, ohne Frage, aber daran muss ich einfach täglich arbeiten.

    Auch hieran ändert ein Wissen um das "warum'" nichts.

    Wozu sollte ich nun also meine Energie auf das Ergründen des "warum" ver(sch)wenden, wo ich die ganze Energie doch für das "wie" meines täglichen Lebens viel angenehmer einsetzen kann?

    LG
    Spedi

  • Hallo Ettena,

    also ich möchte mal Spedi und f_m_k beiden zum Teil Recht geben!

    Ich denke, daß es zu einem gewissen Zeitpunkt schon wichtig ist, sich der Grundlage der eigenen Sucht bewußt zu sein. Aber wann es sinnvoll ist, sich damit zu beschäftigen, liegt bei jedem selbst.

    Ich kann dazu nur sagen, daß mich meine jahrelange Suche nach dem *WARUM*, mich davon abgehalten hat, endlich zu kapitulieren. Ich habe fast 12 Jahre lang die kostbare Zeit versäumt, zu erkennen, den Weg nach Vorne zu gehen.
    In diesem Jahr war ich dann nach meinem Tiefpunkt in der Klinik (als CO!), in der ich innerhalb von 8 Wochen den Grund bei mir erfuhr, aber das war nicht mehr wichtig! Nur die Erkenntnis, daß es so nicht mehr ging, rettete mein Leben. Und seitdem lebe ich jeden Tag nur noch in der Erkenntnis, nicht mehr nach hinten zu sehen!

    Es mag sein, daß ich irgendwann vielleicht wieder nach hinten sehen muß, so manch einer hier auch. Aber ganz am Anfang sollte nur stehen, sein Leben endlich grundlegend zu ändern. Wenn ich dann stabil genug bin, sich neue Verhaltens- und Denkmuster eingestellt haben, dann kann ich vielleicht nochmal erfragen, warum, weshalb und wieso.

    Insofern gebe ich Spedi Recht, daß es in erster Linie darauf ankommt, sein Leben zu ändern, sein Suchtmittel aus dem Leben zu verbannen. Dafür brauche ich nicht zu wissen, warum ich abhängig bin....Wie in meinem Fall kann die permanente Suche danach auch nur ein Mittel sein, um mich krampfhaft daran festzuhalten, ja noch nicht wirklich loszulassen, weil ich ja noch auf der Suche nach den Gründen bin...


    Lieben Gruß

    S.Käferchen [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks/www.cosgan.de/images/smilie/tiere/k025.gif]

  • Hallo Zusammen,

    ich seh das ähnlich wie Käferchen.

    Am Anfang war es für mich unwichtig über das "warum" nachzudenken, da galt es zu handeln.

    Jetzt nach einem Jahr schau ich mir bestimmte Verhaltensweisen von mir an und schau hin woher sie stammen, denn es finden dabei oft Übertragungen statt. Wenn ich weiß warum ich so reagiere dann kann kann ich schauen wie ich es am besten lösen kann.

    Es ist für mich nicht wichtig warum meine Eltern oder andere Personen so gehandelt haben, mir ist wichtig zu sehen warum ich so reagiere.

    Das Verhalten im HIER und JETZT hat seinen Ursprung im GESTERN ich schau es mir an damit ich mich im MORGEN nicht mehr so verhalten muss.

    Dies bringt mir am Anfang des Ausstieges aber nichts da sollte ich vertrauen und annehmen was mir die "alten Hasen" berichten.

    Denn es kostet Kraft und Zeit zurück zu schauen.

    Liebe Grüsse
    Elocin

  • Oh Elocin, du hast ja so recht, mit dem was du schreibst. Das trifft den Nagel auf den Kopf.

    In der Suchthilfe sagt man: Es ist kein Kampf gegen den ALK, sondern ein Kampf gegen die Ursache.
    So ist es sicher auch bei uns Co,s.
    Sicher bei uns ist die Sucht nicht so lbensbedrohlich wie bei den ALKI,s, aber es zeigt sich viel Gleiches. Wie bei jeder Sucht eben.

    Seine Herkunft kann man nicht einfach ablegen wie ein altes paar Schuhe. Genausowenig wie unsere Verhaltensweisen die bis jetzt unser Leben mehr oder weniger geprägt haben.
    Wir können versuchen daraus zu lesen und verstehen lernen und so vielleicht Frieden finden in uns.

    LG

    vergissmeinnicht

  • Wieso nicht?

    Wenn wir unsere Vergangenheit aufarbeiten, können wir mache Lebenssituationen entdecken in denen falsch reagiert/agiert haben.
    Wir können das jetzt vertsehen lernen und in Zukunft besser handeln, oder gewisse Dinge sein lassen. Wir sollten Alternativen suchen um nicht wieder in alte Muster zu fallen.

    Das trinken ist doch ein Symptom für das es einen Grund gibt.
    Es sind viele Dinge zusammen die uns auf unseren Weg geführt haben und es bedarf vieler Dinge da wieder rauszufinden.
    Das nenne ich Kampf.

    LG

    vergissmeinnicht

  • Hallo vergissmeinnicht,

    ich kämpfe nicht, ich habe kapituliert d.h. für mich das ich es akzeptiert habe das es so ist wie es ist, wenn ich kämpfe dann bin ich blind für das Ganze.

    Bei der Kapitulation kann ich mir aber das Ganze anschauen und handeln.

    Liebe Grüsse
    Elocin

  • Hallo,

    also Kampf bedeutet für mich, mich einem Partner gegenüber zu stellen, dem ich nicht gewachsen bin.

    Zitat

    Es sind viele Dinge zusammen die uns auf unseren Weg geführt haben und es bedarf vieler Dinge da wieder rauszufinden.
    Das nenne ich Kampf.

    Es bedarf meiner Meinung nach nur einer Sache, nämlich von heut auf morgen anders zu leben, das *HINTEN* hinten zu lassen, und den Weg nach Vorne zu gehen.

    Wie ich schon schrieb, habe ich dies jahrelang getan und mich dadurch meinem unfairen Gegner in den Weg gestellt. Nur wenn ich anerkenne, daß ich immer wachsam sein muß, mir immer bewußt sein muß, daß mich die Krankheit begleitet, kann ich erkennen, wenn meine Gedanken in eine verkehrte Richtung gehen. Im Hier und Jetzt..nicht in der Vergangenheit.


    Wie Elocin schrieb:

    Zitat

    Dies bringt mir am Anfang des Ausstieges aber nichts da sollte ich vertrauen und annehmen was mir die "alten Hasen" berichten.


    Lieben Gruß

    S.Käferchen [Blockierte Grafik: https://beispiel.rocks/beispiel.rocks/www.cosgan.de/images/smilie/tiere/k025.gif]

  • Natürlich meine ich mit kämpfen nicht, das ich meine Vergangenheit besiegen muss oder möchte. Das kann ich ja auch gar nicht.
    Ich meine vielmehr die Arbeit an mir selber, meine Weiterentwicklung, meine Fortschritte. Das ist nicht einfach, deshalb nenne ich es Kampf.
    An meiner"Arbeit mit mir" kann ich erkennen warum ich so bin wie ich bin. Wenn ich das erkannt habe kann ich mich akzeptieren, kann ich neu anfangen.
    Mich lieben lernen wie ich bin.

    LG

    vergissmeinnicht

  • Ich hab hier mal so ein bisschen mitgelesen... Und ich wollte eigentlich nur mal einen Dank an die "alten Hasen" hier lassen. Es erscheint mir tatsächlich so, dass sich gewisse Muster (vielleicht sogar alle?!) der Krankheit Co immer und immer wiederfinden, eine Wiederholung bei unabhängig von einander lebenden Menschen. Deshalb denke ich hier, tatsächlich: ich kann darauf hören, was man mir sagt, denn das Muster, was ich gerade durchlebe, den Weg, den ich gerade gehe, den hat schon jemand anders mit dem gleichen Muster vor mir beschritten: der alte Hase ... und der weiß, wovon er redet, innen tief in sich ...

    kk.

  • Hab jetzt auch hier durchgelesen. Ich komme gerade zur Einsicht, man darf nicht über warum und wieso nachdenken. Es hilft nichts mehr, wenn man sich schon entschieden hat. Dann sieht man nur noch nach vorne und stellt sich neuen Aufgaben. Und das geht halt langsam. Es ist ja auch nicht an einem Tag entstanden. Braucht halt auch länger und man darf nicht zu große Erwartungen haben, daß die Welt sofort wieder strahlend wird, wenn man sich zu einem neuen Leben entschieden hat. Mir hat der heutige Chat viel gebracht zum Nachdenken und noch mehr verstehen. Und vor allem es zu akzeptieren, daß es ist, so wie es ist. Gehe es jetzt ein wenig langsamer an.

    rg

    Ein Nein aus tiefster Überzeugung ist besser und größer als ein Ja, das nur gesagt wird, um zu gefallen oder Schwierigkeiten zu vermeiden.

  • Liebe rg,

    Zitat

    Gehe es jetzt ein wenig langsamer an.

    Vorher waren wir ja immer auch ein Stück auf der Flucht vor uns. Es ist gut so, daß Du jetzt etwas langsamer daran gehst..aber immer vorwärts :wink: ..Mehr morgen bei Dir, ok?

    Gute Nacht


    Lieben Gruß

    S.KäferchenGehe es jetzt ein wenig langsamer an.

  • Liebe Leute,

    ich habe nicht damit gerechnet, welchen Verlauf mein Beitrag nimmt.
    Eigentlich habe ich damit gerechnet und gehofft, dass der/die eine oder andere zumindest Bezug auf meinen Text nimmt oder vielleicht auch eine andere Auffassung vertritt, was die Ursache für unser heutiges Verhalten sein könnte.

    Ist es jetzt so, dass es keiner von Euch wissen will oder seit ihr wirklich der Meinung, dass Veränderung möglich sei, ohne die Ursache zu kennen oder sich selbst zu analysieren? Alles hat doch eine Herleitung. Keiner wird doch abhängig geboren und muss sich seinem Schicksal ergeben. Und Kapitulation heißt für mich nicht damit abfinden, sondern auch “Aufgeben”.

    Und sind wir nicht auch hier, um aus unseren vergangenen Fehlern zu lernen und unsere Muster aufzubrechen?
    Ich glaube, ohne dabei auch die Vergangenheit zu betrachten, geht es nicht.
    Um vorwärts zu kommen, muss ich doch wissen, was “hinten” und was “vorne” ist.

    Bei allem, was ich tue, muss ich verstehen, warum ich es tue. Ohne Wissen kein Fortschritt.
    Ich sage das mit Gewissheit, ich habe eine Analyse hinter mir und meine jetzige Verhaltenstherapie baut darauf auf und gibt mir nun das “Werkzeug”, mein Wissen auch ins Gefühl zu bekommen und meine alten Verhaltensmuster Stück für Stück durch neue Erfahrungen verändern zu können. Das wäre definitiv vorher nicht möglich gewesen.
    Das wäre so ähnlich, als wenn man vom Kopf her weiß, was das Wort “Liebe” heißt, aber es nicht fühlen kann.

    Ja, es tut erst einmal weh, in die Vergangenheit zu schauen. Aber genau diese Gefühle hat das Kind in uns begraben wollen. Deswegen stehen wir ja nun da, wo wir stehen. Doch man kann kein Haus auf einem besetzten Grab aufbauen.

    Dieses Forum hat mir sehr geholfen, weil es Denkanstöße gibt – aber jeder Weg fängt nie in der Mitte an, sondern hat immer auch einen Anfang: Der Start. Und das genau ist meine Orientierung: So weit bin ich nun schon gegangen, soviel habe ich nun schon erreicht. Dahin möchte ich nicht mehr zurück – in diese Richtung will ich gehen – nach vorne.

    LG, Ettena

  • Servus Ettena,

    vielleicht ist das einer der gravierenden Unterschiede in der Auffassung. Ich vertrete die Auffassung, nur ein radikaler Wechsel meiner Einstellung und meines Lebens hat dazu geführt, dass ich heute trocken lebe.

    Damit "sattle ich nicht auf" auf der bestehenden Erfahrung, auf der Vergangenheit, sondern ich beschreite -für mich- zum großen Teil völlig neue (trockene) Wege, die ich in der (nassen) Vergangenheit nie beschritten habe.

    Also ist auch die Vergangenheit nicht mehr so wichtig für mich, ich will gar nicht aus "alten Fehlern" lernen, sondern auf neuen Wegen ganz anders an manche Themen herangehen.

    Dazu genügt mir, zu wissen, dass ich in der Vergangenheit "falsch" reagiert/gehandelt/gedacht/etc habe. Ich muss das "wie" nicht in epischer Breite beleuchten.

    Oder, um es etwas "greifbarer" zu machen: mir genügen 10% "Rückschau", um 80% im "Hier und Jetzt" zu leben und 10% um die "Zukunft" zu planen...

    Vielleicht ist das etwas einfacher zu verstehen.

    LG
    Spedi

  • Lieber Spedi,

    mag sein, dass für Alkoholiker eine andere Herangehensweise und Therapieform besser ist. Da fehlen mir die Erfahrungen. Da kennst Du Dich besser aus und es würde mich freuen, mehr über Deine Therapie-Form zu erfahren.
    Ich kann nur als Co berichten. Und auch wenn wir uns in vielen Mustern und Verhaltensweisen ähnlich sind, so glaube ich, ist die stoffgebundene Sucht noch mal anders zu behandeln und zu bewältigen.

    Doch generell Teppich rüber und gut ist – weiß nicht, ob das förderlich ist, weder für Dich, noch für mich.
    Ich glaube aber eher, wir reden ein wenig aneinander vorbei. Weder schwarz noch weiß oder gar in Prozenten oder Promille lässt sich das Gestern vom Heute trennen. – Ein “Heute” gibt es nur, weil es auch ein “Gestern” gab. Und wenn ich darin keinen Unterschied sehe, dann ist heute gleich gestern. Und den Unterschied kann ich nur im Vergleich finden.
    Und um zu wissen, ob ich es heute besser mache, muss ich wissen, warum ich gestern anders machte.

    Außerdem hingen außer mir noch viele andere Beteiligte mit dran. Und die möchte ich nicht einfach ins Nirwana schicken, sondern kann aus heutiger Sicht auch mehr Verständnis für andere aufbringen, die auch unter MEINEM Verhalten litten. Ich will keine Scheuklappen tragen und nur in eine Richtung schauen und nur meinen Stiefel fahren, sondern TROTZ aller Selbsthilfe auch weiter offen, empathisch und kritikfähig bleiben gegenüber allen, die mich ein Stück auf meinem Weg begleitet haben und werden. Dazu gehört auch: Hinschauen, wo ich verletzt habe – nicht nur, wo ich verletzt wurde. Sonst trage ich zeitlebens die Maske “Opfer”, die mich blind macht für mich selbst und andere. Selbstreflektion geht nicht ohne 180-Grad-Umschau.

    Aber wie gesagt, ich glaube, dass erste Glas nie mehr anzurühren, bedarf mehr Konzentration auf das Jetzt –
    bei mir als Co lauert die Gefahr da, wo ich sie selbst erzeuge – aus mir heraus und in mir drin – da muss ich arbeiten.
    Den Alkohol selbst muss man nicht analysieren – der war gestern genauso hochprozentig wie heute – aber meine Partner (meine Sucht) waren nicht alle genau gleich und trotz allem bedienten sie mein Muster. Das zu unterscheiden und rechtzeitig zu erkennen, wer mir gut tut und wer nicht, ist noch mal schwieriger.
    Du weißt: Alkohol ist Alkohol. Mann ist jedoch nicht gleich Mann.

    Ich merke gerade, mir wir kalt und ich muss doch schon die Heizung anmachen…
    Ich gehe erst einmal in die Badewanne und wärme mich auf…

    Bis später…
    Ettena

  • Servus Ettena,

    nun, wie auch immer, Du wirst Deinen Weg schon so gehen, wie Du es für richtig befindest.
    Ich sag einfach nur, für mich wär's nix, weil ich meiner Sucht gar nicht so viel Raum gewähren möchte. Den Raum gebe ich lieber meinem jetzigen Leben.

    Sucht und Suchtmittel sind ja zwei Paar Stiefel. Ich spreche hier immer nur von der Sucht. Die ist uniform, egal, ob stoffgebunden oder nicht.

    LG
    Spedi

  • Ja, liebe Ettena - warum - wieso - was lässt sich wie ändern. Ich mach(t)e mir auch eine Menge Gedanken darüber, habe sicherlich auch einige Ansätze, nur befürchte ich für mich allein über das Wissen der Auslöser komme ich bei mir nicht weiter.

    Ich müsste für mich mir selber mehr vertrauen - denn in jeder meiner Beziehung hatte ich am Anfang genau die Ahnung, die sich später bestätigte. Somit traue ich mir selber nicht - wodurch das ausgelöst wurde kann ich nicht mehr nachvollziehen, weil es ganz viele Möglichkeiten dazu gibt die ich also nicht mehr verändern kann.

    In meinem Fall ist es ganz sicher der Punkt in sich selber zu ruhen ohne die Bestätigung des Umfeldes zu benötigen. Komme ich mit mir selber klar, benötige ich auch nicht den Partner (von dem ich mich abhängig mache) um ihn quasi regelmässig in meiner Nähe zu haben um ihn zu befragen.

    Es ist ein sehr schweres und schwieriges Thema, es benötigt Zeit und Aufarbeitung, die bei mir über den Schmerz läuft. Warum fühle ich jetzt Schmerz, woran erinnert es mich und was ist Fantasie, Wunschvorstellung oder real.

    Eine meiner größten Gefahren ist der Selbstbetrug und alles bei anderen zu verniedlichen und bei mir selber schwerer zu nehmen. "Nein, er hat kein Problem, das sehe ich falsch" aber ich "ich habe das falsch gemacht".

    Klasse finde ich: ich will der Sucht keinen Raum geben was Spedi sagt. Das muss ich noch lernen, wobei ich meine Rückschläge schneller und besser verkrafte wenn ich wieder in meine Suchttendenzen zurück falle.

    Ich habe für mich gespürt wenn ich lebe, mich lebe und der Gedanke ans Suchtmittel fern ist, dann beginne ich jemand zu werden.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Liebe Dagmar, lieber Spedi, vergissmeinnicht, Elocin, Käferchen u.s.w. …

    das Jetzt und Hier ist das wichtigste und wir müssen immer wieder schauen, nicht in alte Muster zu verfallen und uns nicht verlieren – alles komplett richtig – loslassen und kapitulieren und uns annehmen u.s.w..
    Das dieses das wichtigste ist, keine Frage. Und nach vorne schauen ist auch gut und richtig.

    Mir jedenfalls hat es auch geholfen, dass ich irgendwann entdeckte, wo und wie und warum ich mich so entwickelt habe.
    Noch während meiner Beziehung zu meinem Alki meldete sich plötzlich mein Vater nach 30 Jahren wieder. Anfänglich wollte ich keinen Kontakt, aber da er nicht locker ließ, nutzte ich irgendwann die Gelegenheit, noch mal hin zu schauen und konnte einiges aufarbeiten. Ich habe es immer vermutet, aber dann spürte ich es sehr schnell, dass mein damaliger Freund in seiner Ambivalenz meinem Vater sehr ähnlich war. Inzwischen ist mein Vater alt und konnte seine Fehler eingestehen und mich sogar loben und sagen, dass er stolz auf mich ist. Auch wenn sich das für mich noch fremd anfühlt, es hat etwas bewirkt.
    Nun – keine Wunder, dafür ist es zu spät – aber der lebenslange Glaube, dass ich Schuld war oder nicht gut genug, was meine Kindheit anbetrifft – das ist weg und somit konnte ich zumindest mit dieser Vergangenheit Frieden schließen.

    Diese “Absolution” habe ich natürlich nicht von all meinen Partnern bekommen, werde ich auch nie, darf ich auch nicht – es soll ja auch ohne möglich werden. Ich will mich ja nicht mehr davon abhängig machen.

    Aber zumindest weiß ich jetzt mit Sicherheit, dass meine Männer immer für meinen Vater standen und ich zeitlebens um diese Aufmerksamkeit buhlte. Das ist jetzt nicht mehr nötig. Dennoch ist mein Muster seit so vielen Jahren antrainiert, ich kenne ja kein anderes, das ich trotzdem noch gefährdet bin – aber ich erkenne es jetzt viel schneller und weil ich weiß, warum mich immer solch Männer anzogen.
    Das ist nur eine Vermutung – genau weiß ich es erst, wenn ich mich irgendwann wieder verliebe, ob ich immer noch die Sucht nach so viel Anerkennung spüre, gekoppelt mit meinem Helfersyndrom – oder mal alles etwas anders läuft…

    LG, Ettena

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