Hallo,
meine Mutter war Alkoholikerin. Sie starb daran.
Ich habe jetzt 10 Minuten vor dem PC gesessen und mit mir gekämpft. Ich schäme mich. Ich bin 45. Meine Mutter starb als ich 15 war. Und ich schäme mich, weil ich noch immer darunter leide. Daß sie so früh starb und daß der Scheiß-Alkohol unser Leben so gestaltet hat, wie es war. Und daß sie mich mit dem jähzornigen Mann und den nur-mit-sich-selbst-beschäftigten-viel-älteren-Brüdern allein gelassen hat. Und diese verlogene erzkatholische Erziehung, die nur aus Drohung und bunten Bildern der Höllen bestand. Gott macht etwas ganz anderes aus, als es diese "Gemeinden" früher den Menschen glauben machen wollten.
Und ich schäme mich, weil es mein Leben noch heute beeinflußt und ich es nicht endlich loslassen kann.
Wieso schäme ich mich? Dann ist es eben so!
(Mensch, das Schreiben hier im Forum hat es aber in sich. Da kommt ja schon beim Schreiben so einiges zu tage!)
Ich kann mich nicht erinnern, sie mal nüchtern erlebt zu haben. Mein Vater wurde mit jedem Tag agressiver, jähzorniger und wollte sie mit Gewalt vom Alkohol abbringen. Funktionierte natürlich nicht. Seine Wut bündelte sich und er ließ sie an uns Kindern aus.
Meine Mutter war unberechenbar. Wenn der Pegel stimmte, war sie liebevoll und fürsorglich. War der Pegel zu gering oder zu hoch, ging Schuldzuweisung für Nichtigkeiten los und die Konsequenz war Liebesentzug für uns Kinder.
Im Nachhinein kann ich nicht sagen, was mit als Kind schlimmer war.. doch, ich kann. Vor ihm hatte ich ANGST, Todesangst. Nach ihr habe ich mich gesehnt - obwohl sie neben mir saß. Versteht Ihr, was ich meine.
Alles wurde tot geschwiegen. Unter Androhung von Strafe durften wir mit niemanden über den Alkohol sprechen.
Ich habe vor 10 Jahren eine Therapie gemacht. Eigentlich bin ich nur zum Psychologen gegangen, weil ich dachte, mit mir stimmt was nicht, weil ich in vielen Situationen so reagiert habe, wie ich nicht reagieren wollte. Es war als stünde ich neben mir, sah und hörte, was ich machte und konnte nichts dagegen tun. Ich wurde schnell laut, wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte oder wenn ich mich in die Enge getrieben fühlte. Dieses Gefühl hatte ich oft und in völlig banalen Situationen. Na ja, auf jeden Fall kam dann bei der Therapie zu Tage, daß ich vieles nie gelernt hatte, was man als Kind normalerweise so lernen sollte. Aber wem sage ich das?!! Ich weiß, daß ihr wißt, wovon ich spreche.
Die Therapie war sehr erfolgreich. Ich habe viel gelernt und mich viel viel wohler gefühlt. Fühle mich noch immer wohler als vorher. Aber in letzter Zeit habe ich das Gefühl, daß das noch mehr ist, was mich belastet, hindert, "fehlsteuert".
Beim Lesen der Beiträge hier ist es mir so was von klar geworden... Bei einigen Beiträgen, bekam ich Herzrasen, Schweißausbrüche und ein Gefühl, Weglaufen zu wollen. kennt Ihr das? Ich mußte mich bewußt ins Hier und Jetzt holen, weil ich bei den Beschreibungen der Erlebnisse anderer Menschen hier, viele Gefühle meiner Kindheit wieder hatte. Puuhh. Nix schön. Gut, daß ich erwachsen bin und "da" nicht mehr leben muß! Und gleichzeitig zeigt es mir, daß ich noch mitten auf dem Weg bin und keineswegs am Ziel...
Also, weshalb ich hier eigentlich schreibe... Hat jemand von Euch auch das Problem, daß er manchmal gar nicht erkennt, daß er sich innerlich in einem ungeheuren Streß befindet und sich nach einer Weile völlig erschöpft fühlt und dann krank wird oder ständig Angst/Panik hat, daß er krank wird?
Es würde mir unendlich helfen, wenn Ihr Eure Erlebnisse/Gefühle dazu mit mir teilen könntet.
Liebe Grüße
Hanna