Hallo,
ich habe hier schon einige Beiträge zu meiner Situation platziert. Ich glaubte fest, dass ich mich nach allem, was ich in diesem Forum über Alkohol- und Coabhängigkeit bisher gelernt habe, stark genug zu sein, um mich von meinem trinkenden Freund zu distanzieren. Bin die Tochter eines Alkoholikers und beginne nach ersten Probesitzungen im August mit einer Therapie. In den Vorgesprächen wurde mir erneut bewusst, dass alles (Verhaltensmuster, Wunden) in meiner Kindheit gewissermaßen „vorprogrammiert“ wurde und ich unbewusst immer wieder die alte Problemsituation mittels gestörter Partner herzustellen versuche, um diese endlich (Sehnsucht) zu lösen und meinen Frieden zu finden. Logischerweise werde ich nie Frieden finden, wenn ich so weitermache.
Dennoch emotional hinke ich total hinterher. Während mein Kopf alles weiß, komme ich anscheinend gefühlsmäßig nicht los von diesem Menschen, diesem meinen Problem. Ich gehe immer wieder auf Abstand und nach erstem Trennungsschmerz geht es mir von Tag zu Tag besser. Wenn er sich nicht meldet, denke ich. Jetzt ist es ausgestanden und ich habe meine Ruhe.
Dann ruft er wieder an. Wir wohnen 30 km entfernt. Lallt mir besoffen auf den AB: „Hallo Schatz, ich war gerade auf dem Fest in deiner Stadt. Hatte gehofft, dich zu sehen. Das Fest war super.“ Oder ich kriege eine SMS: „Wenn du gut drauf bist. Bei uns ist Dorffest. Ich fahre beim Umzug mit. Meine Wagentür steht dir offen.“ Ein anderes Mal: Hallo. Wie geht’s? Du fehlst mir.“ Ich bin dann emotional hin- und hergerissen.
Vor 2 Wochen habe ich mich erneut auf ihn eingelassen. Ich habe tatsächlich daran gezweifelt, dass er nach bereits erlebten Exzessen ein Alkoholproblem hat oder aber auch nur verdrängt, um ein paar Stunden des Glücks zu genießen. Es war ein Sommertag. Wir waren zusammen am Meer. Anschließend noch Fisch essen. Er hat sich eine Cola bestellt – um nicht gleich beim ersten Abend die Stimmung durch Alkgenuss zu trüben. Am nächsten Tag sind wir zu ihm gefahren. Sein Haus ist eine Baustelle – seit Jahren. Leute, die ihm beim Bau helfen wollten, sind auch fast alle Trinker und lassen ihn nach einer durchzechten Nacht im Stich. Er hat so wieder einen Grund, sich aufzuregen und die anderen als die Bösen zu bezichtigen. Dann rückt er das Bild des Alkis wieder gerade. Er ist keiner, dann müsste er ja andauernd trinken. Beim Einkauf für den Grillabend hat er sich einen 6er Träger Bier gekauft und mich gefragt, was ich schönes Trinken möchte. Um nicht alleine zu trinken, bietet er jedem, der auf seinen Hof kommt, uhrzeitunabhängig Alkolisches an. Der Maler, der seine Küche renovieren sollte, ist auch alkoholabhängig. Um ihn bei Laune zu halten, hat er eine Kiste Bier („für den kaufe ich nur das billigste“) gekauft. Der hat ihn hängenlassen. Die Kiste war trotzdem innerhalb von wenigen Tagen leer.
Ein weiteres Beispiel. Ein Bekannter, der ein Dorf weiter wohnt, nutzt jede Gelegenheit, um mit ihm zu trinken. Alleine trinke er nur Bier mit Kirschgeschmack. Als ich dabei war, wollten Beide unbedingt, dass ich „Wassertrinkerin“auch etwas Prozentiges trinke. Zudem hatte der Bekannte, nachdem mein Freund ihn einmal nach etwas Kaltem nach dem Kaffee gefragt hat, die Bemerkung gemacht: „du bist ne Brandkanne“. Der selbe Bekannte hatte aber 5 Min. später beschlossen, dass wir am nächsten Tag gemeinsam grillen. Zuerst wurde erwähnt, dass Bier gekauft werden muss. Mir wurde kotzübel und bewusst, wie krass das ist - in seinem Umfeld trinken alle und die Frauen machen mit und kuschen, um den Frieden zu wahren.
Als wir vom Nachbarn zurück waren, habe ich ihm gesagt, was ich von allem, was ich in den letzten Tagen beobachtet habe, halte und wir hatten Streit. Er ist rausgegangen. Aus dem Küchenfenster habe ich gesehen, dass eine Jackentasche runterhing. Da ist ein Bier drin, überkam es mich. Plötzlich kriegte ich Panik - mein zukünftiges Leben lief in Bildern vor meinen Augen ab. Ich habe meine Sachen gepackt, mir Geld von ihm genommen (hatte nicht mehr genug) mir ein Taxi bestellt, bin zu ihm in die Scheune gegangen, wo ich ihn mit seinem Bier in der Hand fand, habe ihm gesagt, dass er zukünftig soviel Saufen kann, wie er will – ohne mich. Dann bin ich gegangen. Er ist mit dem Auto hinter mir hergefahren und hat mich angeschrien, ich solle sofort einsteigen. Das habe ich nicht gemacht. Ich bin nach Hause gefahren. Noch während der Taxifahrt erhielt ich eine SMS: „Das glaub ich ja wohl nicht, bring sofort die Kohle zurück.“ Ich habe nur geantwortet: „Ich komme nicht mehr zurück.“ Am nächsten Tag fühlte ich mich mies wegen allem, auch wegen meinem Verhalten. Mir fiel es schwer, im Streit objektiv zu bleiben. Ich habe ihn übelst beschimpft. Dafür habe ich mich per SMS entschuldigt und ihn informiert, dass ich die Geldforderung in den nächsten Tagen begleichen werde. Habe es bereits in die Post gegeben.
Jetzt sitze ich hier, wieder bei Punkt 0 und ich ärgere mich, dass ich selbst nicht sehend war und vor allem schon zum Xten Male inkonsequent, wo ich doch genau spüre, dass mit jeder Rückkehr mehr von meiner eigenen Kraft schwindet. Außerdem war ich naiv. Ich habe geglaubt, er gibt mir eine ehrliche Antwort auf die Frage, ob er ein Alkoholproblem hat.
Mein Therapeut hat gesagt, dass es keinen Sinn macht, in einem Boot mit einem oder mehreren Löchern zu fahren, in der Hoffnung, dass es nicht untergeht. Zuerst muss man die Löcher beseitigen.
Das heisst für mich: Die Therapie bringt mir gar nichts, wenn ich meinen Ex nicht endgültig aus meinem Leben verabschiedet habe.
Grüße Kopfmensch