Der "Drei-Jahres-Faden"

  • glück auf peter

    ich freu mich ganz sehr, dass du hier geblieben bist
    du, also deine menschlichkeit hat mich ins forum gebracht.
    nachdem ich deine faden gelesen hatte, hab ich mich angemeldet.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo zusammen,

    seit über 19 Monaten bin ich ohne Selbsthilfegruppe. Ich weiss natürlich, daß ich so nicht leben sollte und bekomme das auch nicht mit meinem Anspruch überein, daß meine Nüchternheit zuerst kommt. Ich bin seit Juni 2006 trocken und habe einige Höhen und Tiefen in dieser Zeit überstanden, aber ich hatte immer eine Gruppe, egal, wo ich gerade beruflich war.

    In meiner letzten Gruppe in einer Kleinstadt im Norden habe ich mich gut aufgehoben gefühlt. Aber ich fühle nach einer gewissen Zeit leider auch eine Art Überdruß. Entweder gegen die Art der Organisation (zuviele Regelungen oder zuwenige) oder gegen einige Freunde in der Gruppe. Dabei war es unerheblich, ob ich in einer Onlinegruppe oder in einer "realen" Gruppe in irgendeinem Ort war. Ich muss immer noch lernen, daß ich mich auch bei diesen verschiedenen Gruppen zusammenreißen muss und dabei bleiben - auch wenn manchmal vermeintlich nervige Freunde immer dasselbe beitragen oder einige dabei sind, die nie trocken werden (wollen oder können). "Ich bin nicht der Nabel der Welt.", denke ich dann. Und ich muss auch aushalten, daß ich manchmal nichts zu sagen habe - wirklich rein gar nichts. Mich nur zu melden um etwas zu sagen - das mag ich überhaupt nicht und fühle mich dann ausgesprochen unwohl in meiner Haut. Ich lasse entweder meinen Gedanken freien Lauf oder ich lasse es. Schließlich gibt es auch Tage, an denen ich mich rundweg wohl fühle und wenig zu sagen habe ;)

    Eines weiss ich sicher: das ich, egal was kommt, immer irgendwo eine Gruppe brauche, zu der ich jederzeit hin kann. Hier vor Ort habe ich nach Gruppen geguckt, bin aber nicht fündig geworden. Ich lebe mitten in einem der größten Weinanbaugebiete Deutschlands - und ausgerechnet hier soll es keine Alkoholiker geben? Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich werde mich wohl drauf einstellen müssen, längere Wege zu einer Gruppe zu haben und das ist auch nicht schlimm. Ich arbeite ohnehin in Schichtdiensten und kann nicht regelmäßig in eine Gruppe gehen. Das hört sich alles etwas durcheinander an, aber das macht nix. Ich muss ja auch mal durcheinander schreiben dürfen... Beim Schreiben kommt mir ab und zu der zündende Gedanke und es trägt dazu bei, die Gedanken zu ordnen. Genau das hatte ich auch vor, als ich diesen Faden aufgemacht habe: zu berichten und mich und meine Gedanken selber auf die Reihe zu bekommen, wenn es nötig ist.

    Nun mache ich mich wieder auf die Suche nach einer Gruppe. Danke fürs Lesen!

    Peter

  • Hallo Martin,
    hallo zusammen -

    Du hast natürlich recht!! Ihr seid auch immer da und Ihr seid ja auch meine erste Selbsthilfegruppe ;)

    Was ich meinte war eine SHG vor Ort, in einem Raum und nicht am Computer. Aber ich denke, das ist schon verstanden worden.

    Den Luxus einer Online-SHG wie hier weiss ich sehr wohl zu schätzen :P - aber hallo!

    LG Peter

  • Hallo zusammen - oder noch besser: Mein lieb gewonnenes Forum!

    Natürlich bleibe ich diesem Forum gewogen, Spartacus. Es liegt nicht nur mir am Herzen und ich weiss, was ich in diesem Forum gefunden hatte, als ich nicht weiter wusste. Danke für Deine Nachricht - sowas berührt mich sehr.

    Heute ist mein neunter Geburtstag, mein neuntes Jahr ohne Alkohol. Es ist so normal geworden, ohne Alkohol zu leben, daß ich mich wundere. Dennoch denke ich jeden Tag daran, daß ich keinen einfachen Weg hatte, um da hinzukommen, wo ich heute bin. Wir Alkoholiker sind auf eine besondere Art eben keine normalen Menschen ;) ...

    Vor einigen Wochen habe ich eine alte Freundin besucht, die nun über 40 Jahre trocken ist. "Ach Gott, Alkohol" rief sie aus, als ich auf unser gemeinsames Thema zu sprechen kam. Sie ist aus allen Gruppen raus, in denen sie mal war und ich denke, sie kann ihr nun gruppenloses Leben glaubhaft vertreten. Ihre Standpunkte aber und Ihre Sichtweise auf unsere Krankheit sind noch genauso wie an den ersten meiner Tage, als ich mich in eine Gruppe traute: Nur wirkliche Abstinenz kann uns zu einem erfüllten Leben verhelfen. Das habe ich von Anfang an begriffen und es gab keinen anderen Weg für mich. Natürlich habe ich davor auch Angst gehabt und befürchtet, ich würde alle Freunde und Kontakte verlieren. Aber meine Angst vor einem weiteren Leben in Suff und Unglück war größer und so gab ich mir an diesem Tag im Juni vor neun Jahren einen Ruck. Dieser Ruck entstand aus purer Verzeiflung und Angst. Aber das kann man ja in meinem Thread am Anfang ganz gut nachlesen, denke ich.

    Während ich heute Vormittag so meinen positiven Gedanken zu meinem alkfreien Leben nachhing, starb um viertel nach zwölf ein paar Meter weiter ein 14-jähriger bei einem Verkehrsunfall. Das sind natürlich zwei vollkommen verschiedene Dinge und dennoch hat mich das sehr angefasst. Auf der einen Seite ich, der sein Leben als nasser Alkoholiker fast weggeworfen hatte. Und hier und heute dieser junge Mann, der noch nicht einmal eine Chance auf sein Leben hatte. Es ist grausam und ungerecht, vor allem aber habe ich tiefe Scham empfunden, wieder mal, als ich über meine nassen Jahre nachdachte. Meine Jahre voller Selbstgerechtigkeit, Selbstmitleid und was noch alles. Um ein Haar hätte ich mir mein Leben selber genommen, es weggeschmissen ohne jede Achtung davor. Es ist gut und schön, daß es nicht so gekommen ist und ich mir mein Leben zurückholen konnte.

    Jeder Tag dieser neun trockenen Jahre hat sich gelohnt, einfach jeder Tag. Ich wünsche uns allen viele schöne trockene Stunden und unseren neuen Freunden Mut und Kraft für einen neuen, wunderbaren Lebensabschnitt.

    Danke fürs Lesen!

    Peter

  • Liebe Freunde,

    an so einem Tag weiss ich kaum, wie ich anfangen soll. Ich habe es schon mehrfach probiert ;) Eigentlich ist dies ein ganz normales Jubiläum, aber irgendwie auch nicht. Zehn Jahre bin ich heute trocken und nüchtern. Zehn unglaubliche Jahre...

    Gestern ging mir den ganzen Tag durch den Kopf, wie es mir vor zehn Jahren ging. Das muss ich heute nicht weiter ausführen, es steht ja in meinem Thread ganz zu Beginn. Je mehr ich darüber und auch die dann folgende Zeit nachdenke, desto mehr Achtung steigt in mir. Es ist wirklich ein Wunder, ich habe allen Grund, mir immer wieder auf die Schultern zu klopfen.
    Allein und nicht allein - zusammen mit den Selbsthilfegruppen aber aus eigenem Antrieb und dem Willen, mein fürchterlich dunkles Suffleben beenden zu wollen, habe ich den Schritt in die Freiheit gehen können.

    Jeden Tag sehe ich während meine Arbeit die verlassenen, einsamen und todtraurigen nassen Freunde. Jeden Tag habe ich vor Augen, wo ich heute stünde, wenn... Jeden Tag bin ich dankbar, daß dieser grausame Weg nicht meiner sein muss.
    Von meinen damaligen Trinkfreunden aus Berlin Kreuzberg lebt nur noch einer - und der ist fast am Ende seiner Trinkerlaufbahn.

    Ich wünsche uns allen, den "Alten" und unseren neuen Freunden, die noch ganz am Anfang ihres neuen Lebens stehen, alles Gute. Vor allem den Mut nach vorne zu sehen, das Vergangene vergangen sein zu lassen und alle Kraft auf ein trockenes und nüchternes Leben zu verwenden.

    Mir selber wünsche ich, daß ich mich hier im Forum wieder mehr einbringe ;)

    Danke fürs Lesen!

    Peter

  • Hallo Peter,

    herzlichen Glückwunsch zu 10 trockenen Jahren! Ich habe deinen Faden auch ziemlich zu Anfang meiner Forumszeit gelesen, und danke dir, dass du das hier teilst.

    Über mehr Beteiligung von dir auch in der Gegenwart würde ich mich natürlich zusätzlich auch freuen.

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hallo!

    Das ist schon eine Hausnummer. Gratulation.

    Aber die Andeutung, dich hier stärker einzubringen, kann ich nur nachdrücklich unterstützen. Von wem sollen denn die Neuankömmlinge lernen? Von den Langzeittrockenen. Die wissen genau, wie es geht.

    Gruß Carl Friedrich

  • Hallo zusammen,

    und ein ganz großes Danke an Euch. Matthias, Karsten, Thalia und und und - natürlich auch an die anderen, die ich noch in Erinnerung habe, als ich hier ganz vorsichtig meine ersten Schritte begann. Ja, Carl Friedrich, du hast recht: das ist schon eine Hausnummer und heute, am Tag danach, bin ich so richtig stolz auf mich :)

    Ich will aber nicht weiter irgendwelche Superlative wie Wunder und so weiter beanspruchen, das wäre dann auch zuviel. Wichtig ist mir, daß ich es alleine nicht geschafft hätte, da bin ich ganz sicher. Das soll für heute auch mein Anliegen an alle Neuen und Interessierten hier sein: es ist gut, wenn Ihr allein auf den Gedanken kommt, Euer Leben wieder selber in die Hand zu nehmen - aber bitte holt Euch Rat und Kraft in Selbsthilfegruppen.

    Ein guter Freund war ähnlich lange trocken wie ich heute. Dann begang er einen beruflichen Fehler und wurde seinen Job los. Es dauerte keine Woche, bis bei ihm zuhause auf dem Tisch die Wodka-Flaschen standen. Wir haben Jahre zuvor mehrfach über Selbsthilfgruppen geredet, aber er hat das entschieden als "Geschwafel" und "überflüssig" und "Brauch´ich nicht!" abgelehnt. Ich habe ihm gesagt: "Es kann der Tag kommen, an dem Du schwach wirst - und dann bist Du nicht vorbereitet." Er wollte das nicht hören. Nach ca. zwei Monaten kam er als seelisches und körperliches Wrack ins Krankenhaus und entzog. Nun ist er wieder trocken - aber eine Selbsthilfegruppe lehnt er weiter ab.

    Er wollte es auf seine Weise machen, wie schon so viele vor ihm - und ist gescheitert.

    Niemand kann sagen, ob und wann es einen erwischt. Saufdruck kann von jetzt auf gleich kommen. Er wird sicher weniger im Laufe der trockenen und nüchternen Jahre - aber wer weiss schon, welche neue Lebenssituation einen morgen überfällt. Man kann sich vorbereiten: mit Hilfe dieses Forums, mit Hilfe anderer Selbsthilfegruppen und vor allem, in dem man sich öffnet. Vor allem kann man, wenn es einen ganz schlimm erwischt, sich sofort hier einloggen und seine Last mitteilen. Hier ist man nie allein und allein das Mitteilen hilft, den Saufdruck zu verringern.

    Danke fürs Lesen!

    Peter

  • Hallo Peter, ich möchte mich herzlich bedanken für Deinen offenen, schonungslosen Bericht. Ich muss sagen, ich bewundere Deinen Mut, wie ehrlich Du damit umgehst und Dich dann auch in den schwierigen Zeiten danach durchs Leben bewegt hast. Ich kann (zum Glück?) die Tiefpunkte nicht unmittelbar aus eigener Erfahrung nachvollziehen, mir aber eine dicke Scheibe von Dir abschneiden, wenn es um den zuversichtlichen Blick in die Zukunft geht und darum niemals aufzugeben. Das ist wirklich das schöne am Forum, dass diese Erfahrungswerte auch nach vielen Jahren noch wirken können.

  • Hallo Peter,

    ich gratuliere dir herzlich zu 10 Jahren Trockenheit.

    Für viele Alkoholikern scheint die SHG ein "rotes Tuch" zu sein. Ich bin beruflich in diesem Bereich tätig und habe diese Erfahrung gemacht.
    Vielleicht ist es die "Angst, durchschaut" zu werden. Den Menschen, die in diesen Gruppen sitzen und länger trocken sind, kann man ja nichts "vormachen".
    Ich bin keine Alkoholikerin, habe nur im Laufe der Jahre diesen Eindruck gewonnen.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo zusammen,

    danke für Eure netten Antworten :) Nun sind wieder einige Monate vergangen, ich kann es gar nicht glauben. Dabei wollte ich doch mehr im Forum schreiben... Vielleicht ist das heute ja ein Anfang.

    Nach viel zu vielen Jahren habe ich es endlich fertig gebracht, mir eine Kur zu beschaffen. Immer habe ich das wieder verdrängt, gar nicht mal bewusst, sondern das Thema irgendwie liegen lassen. Wenn ich aber hier in meine Texte schaue, schaudert mich ein wenig, daß ich mich nicht mehr um mich gekümmert habe.
    Die zeitliche Dichte meines Lebens über viele Jahre hat Spuren hinterlassen. Es geht mir nicht schlecht, aber ich fühle mich oft schnell erschöpft und werde schnell von Infektionen "überfallen". Außerdem werde ich ja auch älter...

    Dieses Jahr hatte ich zwei Lungenentzündungen, eine im Anfang und eine richtig antrengende. Nochmal brauche ich das nicht. Eines Tages habe ich meine Hausärztin angesprochen und dann die Bögen eines Kur-Antrags ausgefüllt und nur kurze Zeit später bekam ich die Zusage. Mitte Januar gehe ich für fünf Wochen in eine psychosomatische Kur-Klinik und freue mich. Ich werde versuchen alles anzunehmen, was man dort anbietet :)
    So oft bekommt man so eine tolle Möglichkeit schließlich nicht!

    Eine Nachbarin aus dem Dorf in dem ich lebe, trinkt seit Jahren. Sie trinkt soviel, daß sie stets mit einem knallroten Gesicht herumläuft. Mit dem Mann gibt es immer Streit, sie schreien sich manchmal sehr laut an. Nüchtern aber natürlich auch betrunken.
    Ihr Mann hat seit wenigen Monaten Lungenkrebs und in dieser kurzen Zeit eine Wandlung zum Greis durchlebt. Auch er hat viel Alkohol getrunken.
    Beiden kann ich immer nur Guten Tag und Wie geht´s und Auf Wiedersehen sagen. Mehr bekomme ich nicht über Lippen und Herz. Sie auf Ihren Alkoholkonsum anzusprechen würde ich als Grenzüberschreitung empfinden und das will ich nicht.
    Vielleicht liegt hier (m)eine Grenze? Einmischung - Hinweise - Zurückhaltung..., keine leichte Abwägung. Wahrscheinlich bleibt es bei meinen Gedanken. Ich lasse es mal reifen, oder wie auch immer ich das nennen kann.

    Ich danke Euch fürs Lesen!

    Peter

  • Hallo zusammen,
    hallo Matthias!

    Danke für Deine netten Worte :) Ich denke auch, daß es mir gut tun wird. Ich will versuchen, offen zu sein und mitzunehmen, was mir hilft. Einfach mal sich nur um sich selber kümmern zu können, ist eine große Hilfe und eine ganz tolle Sache.

    Eine gute, trockene Zeit

    Peter

  • Hallo liebe Freunde,

    heute früh habe ich mich etwas durchs Forum gelesen und bin wieder mal erstaunt, wie viele schöne und aufmunternde Sachen ich sehen konnte.

    Vergangenes Weihnachten war mein 10. suchtfreies Weihnachten. Wie ich die vergangenen Jahre Weihnachten gefeiert habe, weiss ich gar nicht mehr so genau - früher war ich nämlich ein garstiger Weihnachts-Hasser ;) Das hat sich glücklicherweise geändert, auch durch mein alkfreies Leben, in dem ich mehr Toleranz, Liebe und Geduld mit anderen und auch mir selber lernen durfte.

    Letztes Weiihnachten nun war ich wieder mal in Berlin, der Stadt, in der ich das Saufen lernte und auch mir meine Freiheit vom Suff wieder zurückerobert habe. Ich hatte mir einen Plan für jeden Tag gemacht, wen ich wann wiedersehen wollte und ich habe mich daran gehalten. (Plan und planen ist ein wichtiger Bestandteil meiner Trockenheit geworden.). Ich habe alte Freunde getroffen, die ich bereits vor meiner langen Trinkerzeit kannte, die mich also während aller drei Phasen kannten: vor, während und nach meiner Trinkerzeit.
    Es waren schöne und bewegende Tage. Bewegend vor allem, weil ich in Berlin immer erkennen kann, wie ich mich seit meinem Leben ohne Alkohol verändert habe. Das dies nicht selbstverständlich ist und das ich mich daran auch nach über 10 Jahren ohne Alkohol immer wieder erinnere, gehört genauso zu meinen Bausteinen des Trockenbleibens, wie der tägliche Umgang mit der Sucht.

    Besonders aber erwischt mich in Berlin immer wieder, wie schlimm, wie dunkel und wie trostlos mein Leben war. Natürlich bin ich an den Orten vorbei spaziert, an denen ich die schlimmsten Jahre meines Lebens verbracht habe. Auch das gehört für mich dazu - diese Orte ganz bewusst aufzusuchen. Ich erschaudere, mich fröstelt und es ist ziemlich einnehmend für den Augenblick. Aus diesem entsetzlichen Leben rausgekommen zu sein, ist nicht selbstverständlich, das erfahre ich bei jedem dieser mittlerweile sehr seltenen Berlin-Besuche.

    Aufgefallen ist mir diesmal wieder, wie viele Freunde auf der Straße leben, unter den Brücken, in Hauseingängen und auch in den U-Bahnhöfen. Es war kurz nach dem Brand-Anschlag von jungen Ayslbewerbern auf einen obdachlosen Mann im U-Bahnhof Schönleinstraße in Neukölln, als ich genau dort vorbeikam - eine meiner alten Wohngegenden in Berlin. Dieser Anschlag hat mich tief bewegt, ich war fassungslos über die Brutalität gegenüber einem schwachen und hilflosen Menschen, der auch ich hätte sein können. Und noch wütender war ich, als ich später in den Überwachungsvideos der Polizei die lachenden und feixenden Täter nach Begehung der grausamen Tat sah.
    Wie gefährlich Sucht ist und wohin sie führt, wissen wir alle. Wie gefährlich das Leben auf der Straße ist, wissen wir auch: Kälte, Feuchtigkeit, Entzug, körperliche Gebrechen, kein Selbsterwertgefühl, die Hartherzigkeit der Mitmenschen und so weiter. Aber wie niederträchtig ist es erst, einen Menschen anzuzünden, der besonders hilflos und am Ende ist. Ich habe mich selber angegriffen gefühlt, ich war entsetzt und ich war extrem wütend. Gottseidank wurden diese Menschen gefasst, die aus Not zu uns gekommen sind und unsere Hilfe zurecht verdienten. Mehr muss ich an dieser Stelle nicht sagen außer daß ich mich freue, daß der obdachlose Freund gerettet wurde. Über ihn selber wurde mir zu wenig berichtet: was macht er jetzt? Wie geht es ihm? Wurde ihm geholfen? Hat ihm diese grausame Tat zu Weihnachten am Ende etwas Gutes beschert?

    Als ich zu Ende des Berlin-Besuches in meinen Zug nach Hause stieg, hatte ich nicht das Gefühl, meine ehemalige Heimat zu verlassen. Im Gegenteil - ich setzte mich hin und atmete tief durch. Im Zug gönnte ich mir ein Abendessen und ließ die Stadt an mir vorbeigleiten. Lange noch arbeitete in mir, was ich erlebt und gesehen hatte. Ich kann euch sagen: tiefe Dankbarkeit, das Gefühl der sich endlich eingestellten Ruhe und des inneren Friedens ist in mir. Das ist so wunderbar und kann ein Mensch, der niemals süchtig war, kaum verstehen. Wenn das nicht ein Vorteil der Sucht ist ;)

    Danke fürs Lesen!
    Peter

  • glück auf peter

    ich bin wieder versucht gaaaaanz viel zu zitieren - ich lass es :wink:

    offenbar gehts dir da wo du jetzt wohnst besser als in berlin - ich freu mich.
    wie is deine kur gelaufen? was hat sie dir gebracht?

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

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