Der "Drei-Jahres-Faden"

  • Hallo Petter,

    ich hab mich jetzt schon eine Ewigkeit nicht mehr eingeloggt, aber als ich es denn heute machte, fiel mir deine Überschrift sofort ins Auge. Ich bin nämlich selbst ziemlich genau drei Jahre trocken und was gibt es besseres, mal zu lesen, wie es anderen so ergangen ist?

    Das ist viel Stoff, den du geschrieben hast und ich bin erst auf Seite 6 (vom Datum: Ende 2009). Ich werde nicht alles in einem Rutsch lesen können, denn dann käme ich mit der Verarbeitung nicht mehr hinterher. So gefühlsmäßig denke ich, dass es dir auch mal gut tut zu lesen, dass es noch Andere geschafft haben - wenn auch nicht mit sovielen Tiefen, wie du sie erlebt hast. Ich weiß auch nicht, ob ich deine "Probleme" gemeistert hätte - jeder ist woanders schwach. Und da ich ein gutes soziales Umfeld um mich herum habe, bin ich auch ein wenig geschützter vor dieser "ach so bösen Welt".

    Zur Zeit bewegt mich der Abschnitt, Gefühle zuzulassen. Was ist das für eine Größe, sich weinend vor jemand hinzustellen und zu sagen: "ich bin verletzt - du tust mir weh" ? Ja, ich kann das. Weil mir Ehrlichkeit wichtiger ist als das Gefüge meiner Maske. Weil ich erlebt habe, dass es nicht Schwäche, sondern Stärke ist. Und weil ich in den Augen der anderen oft lesen kann: "das würde ich auch gerne können - aber ich habe Angst".

    Ja die Angst.. vor dem Aufhören, vor dem Neuen, vor dem Ungewissen, vor dem eigenen Charakter, vor dem Umfeld und den Außenstehenden - vor der eigenen Familie.. die beschäftigt mich heute noch immer. Ich werde zeitlebens Angst haben, aber sie nicht jedem zeigen.

    So, das soll mal genug sein. Ich hoffe, du freust dich über meine Nachricht..
    Gruß Sandmann

    Aus Steinen die man dir in den Weg legt, kann man auch was Schönes bauen (Johann W.v.Goethe)

  • Hallo Petter (noch mal),

    habe es doch nicht lassen können, deinen Thread bis zum heutigen Ende durchzulesen.
    Als erstes bekommst du von mir mal eine (virtuelle) Watsch'n, weil du vergangenes Weihnachten ohne Geschenk zu deiner Mutter gefahren bist. Auch wenn herauszulesen ist, dass du ein Teil deines Schicksal's auf ihren Schultern suchst - wie oft wird sie auch um dich geweint haben, die letzten 15 nassen Jahre?? ..Und ob du nochmal eine Gelegenheit dazu findest ein bißchen Dankbarkeit zu zeigen, weiß ich ja nicht..

    Der letzte Teil deiner Erzählung ist ja übersäht mit einem Arbeitsplatz- und Wohnwechsel nach dem anderen. Ja, ich komme mir auch wie ein Kind vor, der die anderen Erwachsenen nie so richtig verstehen wird. Ich glaube, dass die Abhängigkeit von dem Mammon, und die damit verbundene Lug- und Trugwelt viel schlimmer ist, als meine Alkoholabhängigkeit.

    Wie oben schon geschrieben, sind meine drei Jahre recht unspektakulär verlaufen. Ich habe die Zeit, die dir fehlt, und brauche sie genauso. Ich beschäftige mich mit mir selbst und meide Kneipen und Saufgelage. Ich hatte noch nie einen Saufdruck und bin dankbar dafür, dass ich es so leicht gemacht bekam..
    Natürlich ist das Stärkste an mir der Wille. Trocken bis ans Ende meiner Tage, aber das Wichtigste ist das JETZT und HEUTE.

    Wünsche dir für deine Prüfung und neue Arbeit alles Gute. Versemmel es nedd..
    Gruß Sandmann

    Aus Steinen die man dir in den Weg legt, kann man auch was Schönes bauen (Johann W.v.Goethe)

  • Hallo zusammen,
    hallo Sandmann!

    Danke für die Watsch´n... Ich glaube, sie war richtig! Mittlerweile gehe ich nicht mehr ohne Geschenk dorthin und die Last meines Schicksals nehme ich auch nicht mehr von mir herunter. Sie ist Sie und Ich bin Ich. Irgendwann muss auch mal Schluss sein mit dem Schuld suchen bei den anderen Menschen. Bis zu einem gewissen Maß hatte sie Anteil dran, aber den meisten Teil in meinem Leben habe ICH allein selber vergeigt. So ist das und mittlerweile habe ich das auch begriffen. Hat aber seine Zeit gedauert - wie alles im Leben bei mir.

    Meine vielen Wechsel von Arbeits- und Wohnort haben sowohl mit mir, als auch mit den Umständen zu tun. HEUTE weiss ich, dass ich mich nicht überall zuhause und wohlfühlen kann. Früher dachte ich das immer - dem ist aber längst nicht so. Heimat ist für mich etwas Wichtiges geworden, auch wenn ich noch nicht weiss, ob ich hier richtig ankomme, das muss die Zeit zeigen.
    Was ich aber mit meiner flexiblen Lebensweise erreicht habe, ist ein enormer beruflicher Aufstieg, den ich nie und nimmer an einem Ort hätte leisten können. In dieser Hinsicht bin ich ungeheuer stolz auf mich! *Schulterklopf*

    Meine Hauptbaustellen sind mindestens drei Dinge. Das Erste ist: Nähe zulassen, das Zweite ist: Nähe zuassen und das Dritte ist: Nähe zulassen. Ich möchte Bereitschaft zeigen, ich möchte Verantwortung übernehmen. Für mich selbst in erster Linie, aber auch für andere mal, wenn es so sein soll. Ich möchte nicht dauerhaft alleine leben und denke, der Mensch ist als soziales Wesen, das er nun mal ist, auch nicht dafür geschaffen. Mich wieder selber zu lieben, nicht mehr vor mir selber weglaufen und mich in neue Abenteuer stürzen. ANKOMMEN bedeutet so verdammt viel: ich kam an im trockenen Leben und war noch längst nicht nüchtern. Und doch habe ich mit trockenem Kopf soviel geschafft und mich aus so vielen Löchern wieder herausgebuddelt.

    Meine eine wichtige Hauptbaustelle gleich zu vervielfachen, hat einen Grund: ich bete sie immer wieder vor mir her, ich WILL endlich an mich heran und mein Leben mit Menschen leben. Es wird Zeit dafür und meine Angst davor ist fast weg. Ich habe gesoffen, weil ich Angst hatte: Angst vor mir selber und Angst vor den Menschen. Angst vor den Reaktionen anderer und Angst vor allem vor Zurückweisung. Mittlerweile ist mein Selbstbewusstsein eine ganze Ecke stärker und ich nicht mehr hilflos benebelt. Ich weiss, was ich kann. Ich bin genauso gut und mit Fehlern behaftet wie alle anderen auch. Gefühle zu zeigen ist großartig.

    Sandmann - ich mache mit und ich danke Dir für Deinen tollen Beitrag. *Gut wachgerüttelt" kann ich da nur sagen!

    Danke fürs Lesen! Hier geht es weiter.

    Peter

  • Peter hier, der "rollende Stein" aus Regensburg. Ich bin ein Alkoholiker und trocken und nüchtern im Kopf. Ein gutes halbes Jahr habe ich hier geschwiegen... Zuviel ist passiert und wieder einmal haben mich die Ereignisse mehr getrieben, als mir das lieb war: "Wahnsinn" kam mir gerade in den Kopf. Auch, weil sich bei mir Hoffnungen und Enttäuschungen manchmal in einer Geschwindigkeit abwechseln, die mir Angst macht. Ich denke, daß ich keine ungewöhnliche Sache bei einem Suchtkranken.

    In zwei Wochen beginne ich meine Arbeit in der neuen Firma im Norden. Wie schnell das alles gegangen ist ... Ich komme ja kaum hinterher! Vor gut einem Jahr meine Entscheidung für die Firma Innsbruck und Mitte Dezember der Umzug dorthin in Eiseskälte und im Schneechaos. Dann die sich schnell einstellende Enttäuschung über unglaublich dreist veränderte Arbeitsbedingungen nach dem Motto: "Sind die Leute erstmal hierher gezogen, können sie nicht so leicht wieder weg." Mit 13 und 14-Stunden-Diensten befrachtet machte ich mich - stinksauer, wie ich war - auf die Suche nach Alternativen und fand gleich in der ersten Januar-Woche eine Stelle in Regensburg. Ich bewarb mich, durchhechelte das anstrengende Aufnahmeverfahren in München und Rosenheim und bekam den Job in Regensburg. Meine Schwester half mir beim Umzug im April und es lief gut an. Im Juli dann dieses undefinierbare Völlegefühl und meine Schlappheit, die ich auf zuviel Süsses geschoben hatte. Aber es war die Milz, groß wie ein Luftballon, die mir den Platz im Bauch und die Luft nahm. Die Leukämie war plötzlich da und zwei Tage später hing ich am Tropf der Chemie. Nach einem Zyklus dieses Wunderzeugs war ich zwar irgendwie neben der Spur, aber merkte auch, daß sich etwas tat. Die Milz schrumpfte und ich wurde langsam wieder fitter. Mir war klar, daß die Firma eine Krankmeldung über zwei Monate und länger in der Probezeit kaum hinnehmen würde. Wieder schrieb ich Bewerbungen, die gleiche Arbeit, eine andere Firma. Es klappte im Norden; vor ungefähr drei Wochen bekam ich die Zusage und nun geht es am 1.12. los, mit viel Motivation, einem unbefristeten Vertrag und einem nach der letzten Untersuchung vor einer Woche gesunden Peter.

    Ohne Übertreibung kann ich sagen: das war ein Turbojahr und ich brauche das nicht so schnell wieder. Was hat es gebracht, was hat es mit mir gemacht? Ich, der super Empfindliche, der früher immer sofort über alles und jedes eingeschnappt war, der sich jeden Mut schon mit einem leichten Wehen des Lebenswindes nehmen ließ? Der früher bei jedem Steinchen auf dem Weg beim Supermarkt oder einer Kneipe einkehrte, um sich die Welt schön zu trinken?

    Dieses Jahr schliesst sich an wie jedes Jahr: Eine Menge unerfreuliche Dinge, eine Menge erfreuliche Dinge. Viele Steine. Aber seit ich trocken bin und irgendwann auch im Kopf nüchterner wurde, habe ich mehr Mut bekommen. Ich lasse mich nicht mehr so schnell unterbuttern und gebe nicht mehr so schnell klein bei. Ein trockener Freund sagte mir am Anfang meines hoffnungsvoll begonnen neuen Lebens mal: "Dein Leben wird trocken nicht einfacher. Aber für Dich wird es einfacher zu händeln sein." So ist es auch gekommen und wenn ich die fünf Jahr zurückblicke kann ich nur feststellen, daß da etliche große Steine im Weg lagen, manchmal auch von anderen Menschen dorthin gerollt. Ich räume sie auch nicht immer weg - ich gehe manchmal einfach daran vorbei. Ja, es ist tatsächlich so: ich nehme die Dinge nicht mehr so tragisch und versuche, sie niedriger zu hängen und vor allem nicht persönlich zu nehmen. Das klappt nicht immer, aber meistens schon. Ein paar Dinge habe ich mir vorgenommen, die ich nicht erst mit dem neuen Jahr 2012 angehen will, sondern jetzt, zum Umzug nach Niedersachsen. Ich "bastele" mir einen Neuanfang, mit allem drum und dran. Ich werde ANkommen und alles, was ich vorhabe, so gut wie möglich machen. Ich werde GUT zu mir sein, ich werde mich mehr mögen und ich werde mehr Menschen um mich haben. Ich werde mehr Sex haben und ich werde mich beim Sport wieder austoben und abreagieren. All das, was im Jahr 2011 zu kurz gekommen ist, durch die Jobs, durch die Krankheit und durch mich.

    Danke fürs Lesen :)

    Peter

  • glück auf peter

    du machst zeug, von nord nach süd und wieder zurück, und dann auch noch ne leukämie.

    ich freu mich, dass du das alles trocken überstanden hast und das du wieder gesund bist.

    die zukunft kann eigentlich nur besser werden?

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo Matthias,

    danke Dir :)

    die Leukämie "schlummert" ja schon seit Jahren in mir, nur ist sie diesen Sommer "aktiv" geworden. Ein Gutes hat das aber auch: aller Wahrscheinlichkeit nach habe ich "es hinter mir" und brauche nicht mehr mit dieser Gedankenschranke im Kopf herumlaufen, wann diese Krankheit wohl zuschlägt. Nun ist es passiert, die Ärzte konnten handeln und ich habe es geschafft.

    Die Zukunft wird immer besser, Matthias! :D
    Vor allem, weil wir klar im Kopf sind, nüchtern und ohne das Gift Alkohol!

    Dir auch eine schöne Zeit!

    Peter

  • Gute Morgen zusammen,

    es ist mal wieder so weit: Ein letzter Tag bricht an, für mich nun der letzte Tag in Bayern. Morgen früh kommt die Spedition und der Umzug in seine letzte Phase.

    Ich habe gern hier gelebt.
    Ich bin mit einigen Hoffnungen und Erwartungen hierher gekommen, von denen sich leider nicht viele erfüllt haben.
    Dennoch lief es im Grunde gut für mich: ich bin wieder gesund, ich habe eine neue Stelle und ich ziehe zurück in die Heimat.
    Noch bin ich in Regensburg gar nicht heimisch geworden, da bin ich auch schon wieder fort.

    Daß ich dieses Jahr trocken und nüchtern so gut bewältigt habe, macht mich ganz schön stolz.
    Es war anstrengend, es war in einigen Dingen sehr enttäuschend und ich habe ein paar Erfahrungen mehr auf dem Konto.

    Das Wichtigste an jedem Tag war: "Gesoffen wird nicht!" und dadurch frei zu sein in meinen Entscheidungen.


    Peter

  • Hallo Petter,

    danke für's Schreiben und somit teilhaben lassen :-).

    Dir wünsche ich weiterhin gute Bewegung(en). Einen guten und möglichst reibungslosen Umzug und dann einen Start, wie du ihn dir wünscht.

    Liebe Grüße
    Maria

  • Hallo zusammen,

    Peter hier. Ich bin ein Alkoholiker und heute trocken.

    Seit einer Stunde bin ich hellwach, weil betrunkene und gröhlende Jugendliche vor dem Haus herumstehen und trinken. Die geschlossene Dorfdisco- und kneipe macht sie anscheinend sauer: sie treten gegen Mülleimer und Autos, schmeissen ihre Flaschen einfach auf den Gehweg und so weiter... Es ist hier fast schlimmer, als in meiner letzten Berliner Wohnung in Neukölln - da soll noch mal jemand auf der Elend der großen Stadt schimpfen ;) Ich halte hier aus und durch, solange meine betriebliche Ausbildung läuft und suche mir dann etwas ruhigeres.

    Ich bin erkältet, habe einen dicken Kopf und schniefe mich durch den Tag. Drei Wochen bin ich nun fort aus Regensburg, drei Wochen wieder in der niedersächsischen Heimat. Nachwievor habe ich nichts zu bekritteln an der neuen Firma, nachwievor läuft alles sehr ordentlich. Vielleicht "ernte" ich ja tatsächlich mal den Lohn für meine hartnäckige Suche nach dem richtigen Job in der richtigen Firma, und muss aufgrund dessen nicht schon wieder umziehen. "Der rollende Stein", wie mich ein Freund mal nannte, will auch irgendwo liegen bleiben! Als meine Schwester neulich bei einem gemeinsamen Kaffee einen Zettel nahm und meine Wohnorte seit meinem trocken werden aufschrieb, wurde mir erst ganz mulmig: ich kam mir unstet vor, etwas verrückt - nein, ich dachte zuerst: "Du bist ja völlig wahnsinnig, Peter!" .. Es wurden immer mehr Orte und Firmen, mit denen ich Bekanntschaft gemacht hatte und bei jedem Umzug und jeder neuen Arbeitsaufnahme meinte ich, das Richtige gefunden zu haben. Die emotionalen Abstürze nach den wiederkehrenden Enttäuschungen waren heftig, aber ich habe nie an Alkohol denken müssen - nur bei der ersten Enttäuschung: ich saß in Norwegen, nördlich von Bergen, in einem kleinen Nest und hatte gerade durch meine mit ausgewanderten Freunde erfahren, daß die Firma, in der wir anfangen sollten, Konkurs machte. Am selben Tag brachte die Spedition meinen gesamten Hausstand früher als vereinbart aus Berlin: ich hatte keine Arbeit mehr, und saß in einem keinen Dorf fest mit nur einem kleinen überteuerten Zimmer. Die Möbel wurden in einen alten, feuchten Stall gebracht. Abends saß ich in meinem 9-Quadratmeter-Zimmer (450 Euro ;-)) und dachte: "Wein!" Es war MEIN Glück, daß es in Norwegen Wein nicht im Supermarkt gibt, sondern nur im "Vinmonopolet", und das war 90 Minuten weg und schon geschlossen. Bier gab es in der Zeit auch nicht im Supermarkt und an Tankstellen ist der Alkoholverkauf schon gar nicht gestattet. Es gab keine Chance, an Alkohol zu kommen. Dieser äußere Zwang war gut - aber woanders und unter leichteren Bedingungen hätte ich vermutlich etwas gekauft und getrunken.

    Noch in der Nacht habe ich genau das erkannt und dachte: "Du bist noch lange nicht fest, Dein Denken ist längst noch nicht nüchtern." Ich packte meine Sachen und sagte meinen Freunden, die am nächsten Tag gemeinsam mit ihrem Säugling zum Sozialamt wollten, daß ich wieder nach Deutschland gehen würde. Am nächsten Morgen um vier Uhr fuhr ich in die Stadt und stellte mich mit dem Auto in die Schlange "Avgang" der Fähre und wartete. Um acht Uhr ging ich zur Bank und löschte mein Konto, dann schickte ich SMS an die für mich wichtigsten Menschen und fuhr aufs Schiff. Mein spontaner Gedanke an Alkohol hatte mich mehr erschüttert, als die ganzen Umstände meines Umzuges nach Norwegen. Ich war erschrocken und ängstlich und wollte nur noch eines: weg und nach Hause.

    Ich habe nie wieder so einen Druck gehabt, wie damals in Norwegen. Weder bei der Leukämie-Diagnose, noch bei neuen Entäuschungen bezüglich eines Jobs, noch bei den größten emotionalen Abstürzen: meinem Liebeskummer. Alles ging gut; ich habe durch Norwegen viel gelernt und weiß: mein erstes Glas ist ganz nah. Meine Kapitulation vor dem Alkohol im Juni 2006 war für mich ein so brutales und einschneidendes Erlebnis, ein totaler Kollaps meines bisherigen Lebens und gleichzeitig eine Wiedergeburt des so ganz anderen, des liebenswerten Peter, daß ich nie wieder dorthin zurück möchte, wo ich als nasser Peter war.

    Mit meiner kompromisslosen Art bei der Suche und vor allem dem BEHALTEN eines Jobs lege mir so einige große Steine in den Weg. Aber: ich brauche einfach eine Arbeit und eine Firma, in der ich mich weitgehend wohl fühle und auch aufgehe. Wenn etwas im Argen liegt, wenn gelogen wird bei Vorstellungsgesprächen und Arbeitsbedingungen (wie in Innsbruck), dann gehe ich wieder. Ich bin sowas von frei, das ahnen die Arbeitgeber gar nicht: schwul, ohne Partner, ohne Kinder. Ich kann mir erlauben, was viele gebundene Menschen kaum leisten könnten: ich kann einfach wieder gehen :) Das ist auf die Dauer zwar anstrengend, aber nun.. irgendwann finde auch ich ein Nest! Im Augenblick jedenfalls ist alles im Lot was die Firma und den Job angeht. Der Rest ist Gelassenheit und aus einer gewissen "Anfangszufriedenheit" (schönes Wort ... lach) heraus klappt auch der Rest. Denn: nur wenn ich mich mag, mögen mich auch andere so, wie ich gemocht werden will. Wie auch immer: Das erste Glas bleibt weiter stehen.

    Allen einen schönen weiteren Advent.

    Peter

  • Hallo Petter

    Beste Genesungswünsche.
    Kräuter und Vitamine und einen erholsamen Schlaf
    mit einem Erwachen zum Bäume ausreissen.

    Liebe Grüsse

    OF

  • glück auf peter

    gute besserung

    Zitat von Petter

    ich brauche einfach eine Arbeit und eine Firma, in der ich mich weitgehend wohl fühle und auch aufgehe.

    hoffentlich is es diesmal die richtige - daumen gedrückt.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Guten Morgen zusammen,

    Peter hier. Ich bin ein Alkoholiker und heute wieder trocken und klar.

    Noch immer bin ich mit einer ausklingenden Erkältung beschäftigt und darum leider nicht ganz so klar und kopfschmerzfrei erwacht, wie ich das sonst kenne, seit ich nicht mehr saufe. Ich benutze dieses drastische Wort neben dem Begriff "trinken musste" ganz bewusst, weil es gut ausdrückt, wie ich als nasser Mann gelebt habe. Denn das Wort "saufen" zeigt mir, wie runtergekommen ich gelebt habe, wie asozial ich gegenüber anderen Menschen war, insbesondere denen gegenüber, die mich kannten, mochten und liebten. Ich habe - symbolisch gesprochen - um mich geschlagen, ich habe so ziemlich alles zertrümmert, was es zu zertrümmern gab. Umso erstaunlicher, daß ich bei fast allen eine zweite Chance bekam, die ich auch genutzt habe. Nach dem langen und traurigen Absturz während meiner fast 20-jährigen Saufzeit ist das für mich ein Wunder, weil ich immer dachte, daß ich die meisten Menschen verloren hatte - oder besser gesagt: mit meinem Verhalten so abgeschreckt, daß sie mir den Rücken kehren würden. "Verloren" hört sich so passiv an - aber letztlich war ICH es, der die Menschen weggestoßen hatte. "Glück gehabt" denke ich mir dann.. Und das ist wohl wirklich so.

    Dieses Jahr war für mich extrem. Enttäuschungen und Freude lagen eng beieinander und manchmal war ich zu nah am sonnigen Töpfchen der Freude und habe die schattigen Seiten dahinter wieder mal nicht gesehen. Wenn irgendwas das Jahr 2011 bei mir kennzeichnet, dann die Chemotherapie im Sommer und die drei Umzüge und Arbeitsplatzwechsel. Das hat eine Menge Kraft gekostet und mich oft auch sprachlos gemacht. Aber kein einziges Mal war ich dem Alkohol nahe, und kein einziges Mal hat mich irgendwas in diesem Jahr an den Rand meiner Welt gebracht. Anscheinend verfüge ich wieder über ganz gute Nerven :)

    Ich wünsche uns allen einen schönen Ausklang im Jahr 2011 und einen sehr guten Start ins neue Jahr 2012.

    Peter

  • Guten Morgen zusammen,

    das Monat ist noch jung, aber schon so voller Ereignisse, daß sich das Aufschreiben "lohnt" :)

    Draussen vor der Tür stehen junge Leute aus der Kneipe um die Ecke und gröhlen betrunken durch die Nacht. Seit ich hier wohne, verging kein Wochenende ohne Krakeele und Lärm zu diesen Uhrzeiten. Es beginnt spät abends und setzt sich mit kleinen Pausen die ganze Nacht fort bis in den frühen Morgen, wenn die Kneipe um sechs Uhr schliesst. Zerdepperte Flaschen, kaputte Parkbänke und Müll sind dann am nächsten Tag die Spuren. Es ist nicht besser, als in Berlin!

    "Zur Ruhe kommen", "Ankommen" und solche Ziele waren eigentlich meine festen Vorsätze für das neue Jahr. Dass ich selber, und nur ich selber, derjenige sein kann, der sich das gönnt und auch lebt, habe ich nun verstanden. Mit meinem Schwenk zu einem neuen Arbeitgeber und mit einem geplanten erneuten Umzug habe ich genau das Gegenteil getan. Nach einer Reise zur Wohnungssuche nach Süddeutschland bin ich vorgestern zurück gekommen und habe noch einmal alles umgeschmissen, meine Kündigung beim jetztigen Arbeitgeber rückgängig gemacht und mich besonnen, hier zu bleiben. Wenn ich mein Ziel, irgendwo anzukommen, immer wieder selber umschmeisse, dann ist das auch eine Flucht. Auch wenn es scheinbar objektiv immer wieder gute Gründe gibt, zum nächsten Ort aufzubrechen, muss ich mir doch an die Nase fassen und erkennen, daß man nicht immer "noch was besseres" oder schon wieder eine Veränderung braucht, um zu leben. Es hat "klick" gemacht bei mir.

    Beide Arbeitgeber sind gut, da muss ich mir nichts vormachen. Daß ich nach meiner Lebensgeschichte überhaupt noch so weit gekommen bin, bei diesen Unternehmen arbeiten zu können, ist ein Wunder. Ich weiss das und ich schätze das sehr.

    In Süddeutschland habe ich sofort gemerkt: "Das ist nicht meine Stadt!". Dieses Gefühl ging nicht mehr weg und die sich schwierig gestaltende Wohnungssuche hat mein negatives Gefühl noch verstärkt. Nach zwei Tagen und vielen Wohnungen mehr habe ich morgens im Bett gedacht, daß es keinen Sinn macht, irgendwo hinzugehen, wo man sich nicht wohl fühlt und dafür auch noch sehr viel Geld auszugeben. Ich habe geduscht und mir im Hotel ein fulminantes Frühstück gegönnt und bin dann abgefahren. Als ich im Zug saß wusste ich, daß ich nie wieder in diese Stadt zurückkehren würde. So schnell kann das gehen.

    Hier in der Lüneburger Heide wieder zurück habe ich versucht, mich zu entspannen und wieder runterzukommen. Es hat gut geklappt; ich habe meine Kündigung am nächsten Morgen wieder zurückgenommen (oder besser: zurücknehmen können!).

    Die Kündigung meiner Wohnung aber habe ich beibehalten. Ich suche nach etwas ruhigerem, auch auf dem Land. Ich werde mir dann ein kleines Auto zulegen und mir die Ruhe gönnen, nach der ich mich sehne.

    Montag früh geht es weiter. Die Firma freut sich, daß ich zurückkomme und allein das ist es doch wert!

    Als mir neulich mein Vorgesetzter auf die Schulter klopfte und sagte "Das wird was mit Dir!" war ich richtig glücklich und wusste: zumindest Job-mäßig habe ich mich goldrichtig entschieden!

    Ich werde rangehen an mein Thema, daß anscheinend "Flucht" heisst. Ich kann es mir selber kaum erklären; vielleicht ist es ein in meiner nassen Zeit angelernter Mechanismus, nichts zuende zu machen und nichts durchzustehen. Vielleicht ist es auch einer der Gründe für meinen Weg in den Alkoholismus. Ich werde das aufmerksam beobachten.

    Das neue Jahr kann kommen :)

    Ganz lieben Gruß
    Peter

  • Hallo Peter,

    ich glaube, wenn man bei sich angekommen ist, braucht man auch nicht mehr umziehen.

    Ich lese oft bei Dir mit und denke immer, wie stressig die ganze Umzieherei und Neuanfänge doch sind, wieviel Energie sie doch rauben müssen.

    Ich überlege mittlerweile 3 x bevor ich die Koffer packe und schaue, woran es liegt, dass ich weg will. Meist sind es nur Hoffnungen, dass alles besser wird - aber im Endeffekt bin ich immer an einem Ort gelandet, wo ich nicht sein wollte: bei mir.


    Gruß

    BC

  • Lieber Petter,

    ich kenne dich ja noch aus der Zeit, da ich hier neu ins Forum einstieg. Deine Geschichte habe ich bis zum gescheiterten Norwegen-Raid noch verfolgt, & dich erst heute (!) hier wiedergefunden.

    Als ich diesen Thread durchlas, dachte ich bei mir: "Der ist ständig auf der Flucht vor sich selbst." Die einzige Zeit mit einer gewissen Kontinuität in deinem erwachsenen Leben war deine Saufzeit.

    Es dürfte klar sein, dass es IMMER irgend etwas auszusetzen gibt an Arbeitsplatz, Mitmenschen, Wohnung etc., & wenn nicht, dann findet sich im Laufe der Zeit etwas.
    Beschaff dir ein kleines Auto & bleib am (Arbeits)platz! Da HH ja nicht so weit weg von dir ist, lohnt sich der Gedanke, wieder eine Psychotherapie aufzunehmen. Das kann dir helfen, dich zu stabilisieren.

    Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns.
    Vor uns liegen die Mühen der Ebenen. (Bert Brecht) 8)

  • Hallo zusammen,
    hallo Dante!

    Danke für Deine Rückmeldung! Du hast ja so recht :)

    Es ist nicht so, daß ich ständig etwas auszusetzen habe an dem, was ich vorfinde. Vielmehr habe ich das Gefühl, ich bräuchte immer noch etwas besseres, etwas, daß ich vielleicht in meinem Säufer-Leben verpasst habe und das ich nun auf keinen Fall mehr verpassen möchte.

    Natürlich habe ich mich gefragt "Warum machst Du das eigentlich?", warum habe ich ernsthaft in Erwägung gezogen, schon wieder umzuziehen? Das ist doch Wahnsinn. - Ich glaube, ich bin jetzt diesbezüglich etwas weiter. Seit ich 2006 nichts mehr getrunken habe, bin ich im Schnellzug durch mein privates und berufliches Leben gerast; ich habe alles nachholen wollen, was ich in fast 20 Jahren Suff versäumt hatte: menschliche Beziehungen, Sexualität, Selbstbewusstsein, beruflichen Erfolg. Eigentlich war ich mir sicher, das Richtige zu tun und wenn ich versuche, diese 5 Jahre Revue passieren zu lassen, ist mir unglaublich viel gelungen. Aber der Schnellzug fuhr weiter; ich konnte ihn nicht anhalten und bin bei jeder sich bietenden Gelegenheit wieder aufgesprungen: wenn es beruflich auch nur ein bisschen hakte, war ich wieder weg und suchte etwas besseres. War es etwas persönliches, war ich auch wieder weg. Ich hatte meinen Schnellzug nicht nur als Mittel der Fortbewegung genutzt - ich habe ihn vor allem wieder zur Flucht benutzt. Flucht aber war doch genau DAS, was ich nach meiner Kapitulation von dem durch meinen Alkoholmissbrauch verdorbenen Leben nicht mehr wollte...

    "Es ist, wie es ist." hat mir mal ein norwegischer Beamter auf einer norwegischen Behörde in bestem deutsch lächelnd gesagt, als ich nicht wusste, warum ich ein gewisses Papier zu irgendwas brauchte. Dieser kleine Satz hat es in sich und mittlerweile gehört er zu meinem Leben, wenn ich mich endlich auch mal herablasse, etwas HINZUNEHMEN, ANzunehmen wenn mir etwas nicht gefällt oder nicht behagt und nicht immer nur wegzulaufen auf der Suche nach der nächstbesten Alternative, die vielleicht gar keine ist.

    Draussen ist es dunkel, es regnet in Strömen, junge Leute laufen lallend an meiner Wohnung vorbei nach Hause, die Kirche läutet. Ein ganz normaler Morgen im Januar. Ich muss nicht umziehen, ich kann mich nun endlich auch zurücklehnen, mir auf die Schulter klopfen und sagen: "Du hast etwas gelernt in diesen Tagen - gut gemacht."

    Danke fürs Lesen!
    Peter

  • glück auf peter

    ich denk deine "flucht" war auch immer ne "suche". ne suche nach deinem platz im leben, z.b. nach ner arbeit die zu dir passt, aber auch ne suche nach dir selber. die arbeit scheinst du gefunden zu haben. du selber bist sowohl auf der flucht als auch bei der suche immer dabei. ich denk das hast du inzwischen erkannt und darfst dich jetzt damit befassen deinen platz einzurichten, gut und besser und noch besser, bis er dir gefällt und vieleicht auch einem anderen, den du nochnich kennst.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo zusammen,

    ich melde mich mal wieder! Heute hatte ich ein schönes Treffen von verschiedenen SHG aus der Umgebung. Allein unter so lieben und trockenen Menschen sein zu können zeigt mir wieder mal, wie wichtig und lohnenswert ein trockenes und nüchternes Leben für mich ist. Nach meinen vielen Stationen der letzten Jahre ist es für mich auch wichtig, hier vor Ort in einer guten Gruppe aktiv zu sein. Ob vorher in Norwegen, in Hamburg, Innsbruck, Regensburg und so weiter - überall war ich irgendwie nur ein Gast. Nicht, weil man mich so behandelt hätte, sondern weil ich schon den nächsten Umzug im Kopf hatte ;)

    Ich bin ein ganzes Stück mehr ANgekommen - hier im Ort und auch bei mir selbst. Mein WEGmachen durch Alkohol liegt schon ein paar Jahre zurück und doch habe ich nie vergessen, wie dunkel und schrecklich diese Zeit war. Dorthin möchte ich nie wieder zurück und darum arbeite ich weiter an mir und in der Gruppe. Manchmal habe ich den Verdacht, daß ich damit nie "durch" bin, sondern immer weiter voran komme. Was ich zu Beginn meiner Trockenheit als Schreckgespenst sah, nämlich eine langjährige Arbeit an mir selbst, nehme ich nun immer mehr als eine großartige Chance für mich wahr, mit mir weiter zu kommen.

    WARUM ich gesoffen habe kann ich nur ahnen, und so wichtig ist das für mich auch nicht zu wissen. Wie ich hineingeschlittert bin in das Dunkel der Alkoholabhängigkeit, ist mir wichtiger. Noch wichtiger ist das Vorbeugen - die geistige Arbeit an mir, den Tücken des Teufels Alkohol auch in den Augenblicken zu widerstehen, in denen ich nicht damit rechne, von dem Gedanken an Alkohol überfallen zu werden. Manchmal glaube ich, alles ist Vorbeugung auf den Augenblick, der gefährlich werden könnte. So verstehe ich die Arbeit an mir selbst jedenfalls gerade. Die Arbeit in meiner Gruppe ist mir das Wichtigste geworden. In ihr erkenne ich mich wieder: in allen Freunden dort, die ebenfalls in dieser Hölle waren und mit Allen, die dort herausgekommen sind oder herauskommen wollen. Zu begreifen, daß ein trockenes, nüchternes und zufriedenes Leben nicht selbstverständlich und vor allem kein Geschenk ist, war für mich nicht einfach.

    Ich habe hier öfter davon geschrieben, wie dankbar ich für mein vom Alkohol befreites Leben bin. Heute fragte mich jemand: "An wen richtet sich Deine Dankbarkeit, Peter?" Ohne diese Frage jetzt gleich beantworten zu wollen, richte ich diese Frage einfach mal an Euch weiter, denn ich finde sie richtig gut :)

    An wen richtet sich Eure Dankbarkeit?

    Danke fürs Lesen und mitmachen!

    Petter

  • Hallo Petter

    Zitat

    An wen richtet sich Eure Dankbarkeit?

    Dankbar bin ich für jeden der mich unterstützt hat trocken zu werden und für jeden der mich in Form meiner Selbsthilfe weiter unterstützt diese zu erhalten :)

    Nun bin ich ein Pragmatiker und halte wenig von Dankbarkeit einer höheren Macht gegenüber , mir selbst oder von Demut. So wie ich sie heute hier im jetzt für mich verstehe.


    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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