Angehörigenseminar in der Therapie

  • Hallo zusammen,

    ich habe ein Problem und hoffe hier kann mir jemand einen Rat geben.

    Ich bin Tochter einer alkoholkranken Mutter. Im Februar hatte sie zum Glück selbst etwas Einsicht und einen Entzug gemacht. Leider lagen zwischen Entzug und Therapieplatz 3 Wochen Pause, in denen sie prompt rückfällig wurde.

    Jetzt ist sie in zwölfwöchiger Therapie und nun, nach 4 Wochen, steht das erste Angehörigenseminar an. Das soll eine Gesprächsrunde mit allen Patienten der Gruppe, sowie deren Angehörigen sein. Ich habe auch sofort zugesagt, schließlich möchte ich meine Mutter so gut es geht unterstützen. Sie war vorher am Telefon schon so komisch und sagte Sachen wie "Du lässt mich doch nicht hängen, oder?" oder "Du wirst mich doch nicht angreifen, oder?"

    Ich habe erst nicht verstanden warum sie das sagte. Aber nun hat sie mir schriftlich mitgeteilt, was sie dort in ihren Lebenslauf geschrieben hat. Das was sie geschrieben hat entspricht nicht der Wahrheit. Unter anderem steht darin, dass sie erst nach dem Tod ihres Mannes vor einem dreiviertel Jahr angefangen hätte zu trinken. Dabei trinkt sie schon über 30 Jahre! Sie verlangt von mir, dass ich ihre Version bei dem Angehörigenseminar bestätige, da die Therapeuten ihr ohnehin das Leben schon zur Hölle machen würden.

    Natürlich weiss ich, dass es falsch wäre ihr Lüge zu decken und dass die Therapie wenig Sinn macht, solange sie nicht ehrlich ist. Ich weiss aber nicht was ich jetzt machen soll. Soll ich hingehen und ihr dort in den Rücken fallen? Oder soll ich dem Seminar lieber fernbleiben. Letzteres wäre mir eigentlich im Moment lieber, da ich sehr niedergeschlagen bin, nachdem ich weiss, dass sie bei der Therapie gar nicht richtig mitmacht.

    Vielleicht kann mir jemand raten was jetzt wichtig wäre, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Therapieerfolg.

  • Hallo Sydney,

    danke für Deinen Beitrag. Du liest selbst, dass etwas bei Deiner Mutter nicht stimmt und sie einen weiten Weg vor sich hat.

    Als Angehörige die etwas für sich tun will und deshalb bist Du ja hier, frage ich Dich einfach mal: wenn Du weißt, dass da was nicht stimmt, wenn Du fühlst, dass Dir das nicht gut tut, wenn es Dir danach ist nicht hinzugehen, warum machst Du das dann nicht auch so?

    Du kannst für Deine Mutter wenig tun, aber für Dich.

    LG Kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Zitat von kaltblut

    Als Angehörige die etwas für sich tun will und deshalb bist Du ja hier, frage ich Dich einfach mal: wenn Du weißt, dass da was nicht stimmt, wenn Du fühlst, dass Dir das nicht gut tut, wenn es Dir danach ist nicht hinzugehen, warum machst Du das dann nicht auch so?


    Vielen Dank für deine Antwort, kaltblut.
    Ja warum? Ich weiss, dass ich für sie nichts tun kann. Allein schon deshalb weil ich das ganze mit meinem Vater auch schon mal durch hatte. Er ist nach der Therapie rückfällig geworden. Ich habe es dann irgendwann geschafft den Kontakt komplett abzubrechen. 10 Jahre später ist er dann an den Folgen des Alkoholkonsums gestorben.
    Ich weiss zwar, dass ich nichts tun kann und sie sich nur selbst helfen kann. Aber ich denke ja schon, dass diese Angehörigenseminare schon irgendeinen therapeutischen Sinn haben, wenn diese innerhalb der Entwöhnungstherapie durchgeführt werden. Ich möchte die Therapie nicht gefährden. Zwar sehe ich, dass meine Mutter selbst die Therapie gefährdet, aber das ist dann ihre eigene Entscheidung. Ich selbst möchte den Therapieverlauf aber nicht ungünstig beeinflussen.

  • Hallo Sydney

    hm.. sehr schwierige Situation, wie ich finde.
    Aber... wenn du jetzt zu diesem Treffen gehen würdest und die Geschichte deiner Mutter bestätigst, fällst du "wieder" in das Co-Verhalten zurück (sieht auf jedenfall für mich so aus)
    Wenn dir dein Gefühl sagt, dass du nicht dort hin gehen möchtest, dann lass es.
    Du kannst doch auch dort anrufen und dem Zuständigen Therapeuten erklären, weshalb du dich nicht in der Lage fühlst, daran teil zu nehmen. Dort wird dir keiner Vorwürfe machen (denke ich)
    und ich bin der Meinung, dass du keinem irgendeine Rechenschaft schuldig bist.
    Tu was dir gut tut.
    Wenn es dir gut tut, schreib deiner Mutter einen Brief, in dem du ihr mitteilst, wie es dir geht.
    Ob du den Brief dann auch abschickst, bleibt dir überlassen.
    Manchmal tuts auch einfach nur gut, einen Brief zu schreiben und den danach weg zu schmeißen oder zu verbrennen.

    Ich wünsche Dir viel Kraft und schau auf dich. Deine Mutter ist selber groß.

  • Hallo Sydney,

    die Lügen des Alkoholikers decken heisst, sich zum Werkzeug zu machen und seine Spielchen mitzuspielen. Es ist ihre eigene Lüge, nicht Deine!
    Du gefährdest höchstens Dich selbst, wenn Du nicht bei Deiner Wahrheit bleibst, sonst niemanden.
    Das einzige, was man für den Alkoholiker tun kann, ist, ihm zu zeigen, dass es SO NICHT LÄUFT - mit allen Konsequenzen und der Rückbesinngung auf sich selbst, den eigenen Zielen, Bedürfnissen und Wünschen!

    LG,
    Lavandula

  • Hi Sydney

    du kannst für deine Mutter auf das Angehörigenseminar gehen...

    du kannst für dich auf das Angehörigenseminar gehen...

    du kannst für dich zu hause bleiben...

    Wie du siehst, gibt es viele Möglichkeiten und jede kann die "Richtige" sein :)

    Ich war schon auf nem Angehörigenseminar und fand's gut. Ich hab dort einiges lernen können über die alkoholkrankheit, gab gute Gespräche, sei's jetzt innerhalb der Familie oder in der Gruppe... ich bereue es nicht hingegangen zu sein. Vielleicht mag hier manch einer andere Erfahrungen gemacht haben, aber ich persönlich empfand das Angehörigenseminar nicht nur für den Alkoholkranken sondern auch für uns Kinder (also meine Geschwister und mich) hilfreich.

    Vielleicht magste dich ja auch mal erkundigen, ob innerhalb der 12 Wochen noch ein Angehörigenseminar stattfindet an dem du teilnehmen könntest?

    Was sagt dir denn dein Bauch zu dem Thema? Nicht für deine Mutter sondern für DICH:!:

    lg Dani

  • Tut mir leid, ich hab mich oben glaub ich etwas verwirrend ausgedrückt. Ich habe definitiv nicht vor ihre Lügen zu decken. Für mich gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten.

    1. Hingehen und die Wahrheit sagen. Was zur extremen Konfrontation mit meiner Mutter führen könnte, die sich von mir verraten fühlen würde.

    2. Ich gehe nicht hin. Hätte aber irgendwie ein schlechtes Gewissen, weil nicht nur sie, sondern auch ich die Therapie boykottiere. In dem Einladungsschreiben aus der Suchtklinik heisst es wortwörtlich: "Das gemeinsame Gespräch mit den Angehörigen ist aus unserer langjährigen therapeutischen Erfahrung für den Behandlungsverlauf ausgesprochen hilfreich.". Da wird man als Angehöriger also wieder an die Verantwortung genommen.

  • Hallo Sydney,

    nicht du boykottierst die Therapie, das macht deine Mutter schon selbst...

    Nicht du bist verantwortlich für den Behandlungsverlauf, sondern deine Mutter.


    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Zitat von summerdream

    Vielleicht magste dich ja auch mal erkundigen, ob innerhalb der 12 Wochen noch ein Angehörigenseminar stattfindet an dem du teilnehmen könntest?


    Hallo summerdream,
    danke für deine Antwort, die fand ich sehr hilfreich. Dieses Seminar soll laut meiner Mutter alle 4 Wochen stattfinden, es gäbe also noch zweimal diese Möglichkeit.

    [/quote]
    Was sagt dir denn dein Bauch zu dem Thema? Nicht für deine Mutter sondern für DICH:!:
    [/quote]
    Mein Bauch, sagt mir eigentlich in doppelter Hinsicht (ich bin zur Zeit schwanger), dass ich eigentlich nur meine Ruhe haben will und mein Leben leben will, mit meinem Mann und meinen bald zwei Kindern. Sicher ist nicht nur, aber auch meine Schwangerschaft ein Grund dafür, dass ich eine harte Konfrontation im Moment vermeiden möchte.

  • Hey Sydney

    Zitat

    Mein Bauch, sagt mir


    Voila, da hast du deine Antwort :D

    Unser Bauch is nämlich verdammt schlau (wenn auch meiner ohne Kind, glückwunsch dazu :wink: ), wir müssen "nur" (wieder?) lernen auf ihn zu vertrauen.

    lg Dani

  • Hi Sydney,
    diese Zwickmühlen machen das Verhältnis zu einem alkoholkranken Angehörigen aus. Es scheint aussichtslos, egal was Du tust, es wird Dir angelastet. Welch hervorragende Strategie, die Veranwortung an Dich zu übertragen.
    Die Therapeuten wollen sicher nur mitteilen, dass sie es begrüssen würden, wenn....

    Du musst gar nichts. Es ist ihr Leben. Sie ist erwachsen und hat die Verantwortung für sich und ihre Therapie selbst zu tragen.

    Noch dazu, wenn Du gerade ganz ausdrücklich mit Deinem Leben beschäftigt bist, ist es umso wichtiger eine für Dich positive Sache daraus zu machen.
    Vielleicht kannst Du ihr ja sagen, dass Du ihr viel Erfolg bei der Therapie wünschst und dass die Therapeuten ihr sicher helfen, egal, wie viel sie von sich preisgeben möchte...
    Du kannst ihr auch sagen, dass Du stolz darauf bist, dass sie eine Therapie angefangen hat.
    Und Dich dann in Ruhe um Dich und Deinen Bauch :) kümmern.

    Du weisst ja, ich wünsche mir sehr, so einen zu haben ;)

    Liebe Löwengrüße.

  • Nachtrag:
    Es steht Dir völlig frei, was Du machst und es gibt nichts, was diese Therapie von Dir fordern dürfte!

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