Aufhören zu Lieben oder Angst vor dem Tod

  • Hallo,

    Es wurde viel zu dem Thema Liebe geschrieben.
    Ich richte mich vor allem an die, die ihren Partner verlassen haben, oder auf dem besten Weg dahin sind, aber ihren Partner trotzdem auch noch liebevolle Gefühle entgegenbringen.
    Bzw an Partner die einen Schlussstrich gezogen haben, weil sie ihre Grenze erreicht haben und bewusst ausgestiegen sind.

    Das geht. Natürlich kann man sich wieder um sein eigenes Leben kümmern und trennen.

    Aber mir ist klar geworden, dass Ich trotzdem Angst habe und dass diese Angst diese Liebe irgendwo auch aufrecht erhält.
    Es ist die Angst vor dem Tod, die Angst irgendwann die Nachricht zu bekommen dass es eben passiert ist.
    Und Ich glaube, dass in einer bestehenden Beziehung diese Angst beim Co auch eine grosse Rolle spielen kann, warum wir das Spiel weiter spielen mit dem Helfen wollen.
    Es ist erpresserisch, aber die Realität, dass der andere sich zu Tode säuft ist da und dieses Bewusstsein oder diese unbewusste Angst, lässt uns auch schwer gehen.

    Das zu akzeptieren, finde Ich sehr schwer.
    Es ist dramatisch.
    Ich spreche hier nicht von der Schuld sondern von dem Entgültigen, dem totalen Verlust.
    Wenn man sich von jemanden trennt, z. B. weil der fremdgeht, ist es etwas anderes, man hat vielleicht erstmal eine Wut und totales Misstrauen und irgendwann kann man das abhaken, bei jemanden Gesunden.

    Danke

  • Guten Morgen Sinnenrausch,

    es geht nicht nur, sich um sein eigenes Leben zu kümmern, es ist auch ausgesprochen wichtig. Wenn ich lese, dass du meinst, die Liebe entsteht aus der Angst vor dem Tod des trinkenden Partners, dann fallen mir die Zeiten ein, in denen ich ähnlich dachte. Und zwar solange, bis ich mehrfache Suizidandrohungen und die damit verbundenen Aufregungen mitmachen musste. Irgendwann war ich soweit, dass ich sagte, er solle es endlich tun, damit dieser Stress endlich vorbei ist.

    Die Allmachtsphantasien, dass ich meinen trinkenden Partner durch Liebe, Verständnis und in Watte packen davor retten kann, sich zu Tode zu saufen, hatte ich auch. Ich habe sie erst aufgeben können, nachdem ich selbst krank wurde und psychologische Hilfe annehmen musste.

    In meinen Augen ist es keine Liebe, wenn sich die Angst vor dem Tod als ihr Motor darstellt. Sondern dieses „Lieben“ ist Mittel zum Zweck, die dazu dient, den Anderen zu retten in der Hoffnung, er wird dafür ewig dankbar sein und uns dafür lieben und niemals verlassen.

    Ich weiß nicht mehr, wer hier eine solche dysfunktionale Beziehung als eine Art Film bezeichnete. Ein sehr gutes Bild, wie ich finde. In einem solchen dramatischen Film, in dem es um Leben und Tod geht, spielt der oder die Co-Abhängige die Hauptrolle - Retterin durch Liebe. Und wer spielt nicht gerne eine Hauptrolle? Dass der Preis dafür die Aufgabe eines eigenen Lebens ist, wird allzu leicht aus den Augen verloren.

    Aber solange Co-Abhängige sich mit dem Retten und Sorgen um andere beschäftigen, müssen sie sich auch nicht mit sich selbst, ihren eigenen Defiziten und Fehlern auseinandersetzen. In der Regel ist das Chaos, der Thrill, der mit einer Suchtbeziehung einher geht, auch das beste Ablenkungsmanöver, das davor bewahrt, sich um sein eigenes Leben, seine eigene Persönlichkeitsentwicklung zu kümmern. Von der Tatsache, dass man dem trinkenden Partner die Verantwortung für sein Leben abnimmt, ihn quasi auf die Stufe eines unmündigen Kindes stellt, einmal ganz abgesehen.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • GuMo Sinnesrausch,

    ich kann Ettes´s Ausführungen fast nichts mehr dazu fügen, nur noch voll unterstreichen.
    Und wer spielt denn gern die Hauptrolle in einem Film, der langweilig ist.
    Nee, da brauchen wir schon einen Kick, da muss es eben um Leben oder Tod gehen.
    Und so puschen wir ja auch teilweise selber vieles auf.
    Auch wenn wir oftmals die Erpressung beim Ankündigen des Suizidversuch ahnen, handeln wir dennoch nicht konsequent.
    Mein Mann hab ich bei der letzten Androhung auch geholfen, zwar nicht so, wie er es geplant hatte ( wollte wieder mit nach Hause ) sonder hab ihn direkt ins KKH gefahren. Und nach null komma nix, war die Sache vor der Ärztin vom Tisch...keine Rede mehr von Suizid.
    Was ich meine ist, das hätte ich schon viel früher machen sollen, aber ich habe ja da eine für mich plausible Entschuldigung gehabt...nimmt sich ja sonst das Leben...
    Hörte sich auf jeden Fall besser an wie ...sonst trinkt er halt weiter..

    Also hab ich meinem Film eine gewisse Dramarturgie dazu gefügt, damit ich "mein" Handeln für mich und auch nach außen hin plausibler erklären konnte.
    Aber es ist wie es ist : jeder hat nur die Verantwortung für sein Leben,
    und davon ablenken, indem man den Focus auf andere richtet zählt nicht.
    Das einzigste was man machen kann, ist den anderen auf seine Verantwortung aufmerksam machen..."das musst Du alleine regeln.." "da musst Du Dir Hilfe holen.."
    Liebe Grüße,
    nici :wink:

  • Guten Morgen Ette,
    Guten Morgen nici,


    Danke fürs wachrütteln!!

    Auf einmal ist mir klar geworden, warum Ich es geschrieben habe.
    Ja, es ist auch richtig die Antwort, wir müssen uns um unser eigenes Leben kümmern.
    Und Ich fürchte, dass habe ich getan, aber unbwusst, habe Ich aus dem schlechten Gewissen heraus und trotz räumlicher Entfernung, mich immer noch viel zu sehr mit Ihm auseinander gesetzt.
    Er wohnt seit seinem letzten Entzug weiter weg und was ich am anfang nicht wusste, war, dass er in diesem Ort, in dem er früher schon mal gewohnt hatte, seine alten Saufkumpanen wohnen, aber wohl einer der älter ist als er und ihn auch noch irgendwie manipulativ in der Hand hat. Diesen Leuten hat er sich wieder nach all den Jahren angenähert.
    Ich hatte hinter her von seinen Familienangehörigen erfahren, dass es sich bei diesem Kumpanen sprichwörtlich, um den Teufel handelt.
    Ich war in dem Glauben gewesen, dass er sich nunnach dem Entzug, in diese Wohnung zur Ruhe kommt und an seiner Trockenheit arbeitet.
    Aber das war ein Irrglaube.
    Er ist wohl noch tiefer abgerutscht, als Ich es jemals erlebt hatte. Vorher war harter alc kein Thema, aber in diesen Kreise plötzlich doch. So, dass er auch nicht mehr in der Lage war zu arbeiten.
    Da wir uns selten sahen und Ich auch mit meinen Sachen beschäftigt war, habe Ich dieses Ausmass gar nicht so schnell realisiert, wie es passierte.
    Innerhalb von kürzester Zeit war er da, wo er ist.
    Nach 2 Wochen etwa bekam Ich diese Anrufe, in denen er ankündigte, dass er sich umbringen will auch seinen Plan..wie.
    Da wusste Ich, dass es ihm ziemlich schlecht gehen musste. Aber Ich dachte noch, solange er es äussert...

    Ich hatte plötzlich eine Heidenangst, weil er nicht mehr anrief und plötzlich das Gefühl in meinem Leben nicht mehr richtig zu funktionieren.
    Ich war wie gelähmt, geschockt, wie es sein kann, dass es ihm binnen kürzester Zeit so ging.

    Jetzt weiss Ich, woher diese Angst vor dem Tod kommt.

    Früher einmal, war er auch schonmal soweit,dass verheerende Detail ist, dass er vor einigen Monaten eine nahe Angehörige evrloren hat, die sehr krank war. Den Verlust hat er noch nicht überwunden.
    Das hat nichts direkt mit seiner Sucht zu tun, das ist klar.

    Auf jeden Fall hatte Ich Angst, er könnte es ernst meinen.
    Ich habe mich dann 1 Mal davon überzeugt, in dem ich hingefahren bin und sein ganzes schizophrenes Leben für einen Augenblick mitbekommen habe.
    Es war verheerend, diese Leute da, ich war schockiert, es war so, als würde ich ihn gar nicht kennen, lautes, dreckiges Lachen.
    Bei mir dann, Weinen, Verzweiflung.
    Was ich gesehen hatte war genug und Ich wollte gehen.Er wollte nicht dass ich gehe.
    Ein gewisses promiskes Verhalten hatte Ich auch wahrgenommen, es war nur noch ekelig.
    Er wurde agressiv, ich glaube es war ihm sehr unangenehm, dass ich das Ganze in voller Pracht gesehen habe.
    Angeblich war da nichts. Aber das war für mich nicht die ausschlaggebende Frage.
    Allein diese Annäherung, an eine solche Person, sei es nur kumpelhaft, sprachen für mich Bände.
    Es war so, als wurden all meine Ahnungen, in einem Bruchteil von Sekunden bestätigt.
    Ich war seitdem geschockt und wollte nicht wahrhaben, wo er da war, moralisch gesehen.
    Und immer noch mir oder sich klarmachen wollen, dass das ja sein Alkileben sei und nichts mit dem Anderen zu tun hat, das ist wirklich krank.

    Danke für eure Antworten.
    Es hilft mir zu schreiben und zu realisieren, wo Ich war und meine Aengste zu realisieren.

    Gruss
    Sinnesrausch
    ich glaube, dass Ganze hat mich mehr mitgenommen, als ich dachte.

  • Hallo
    Natürlich kann ich mich dem geschrieben voll anschließen, wollte dennoch noch was hinzufugen.

    Der Gedanke, er konnte sich was antun, oder er säuft sich zu Tode bringt mich auch nicht dazu, zurückzukommen. NICHTS und Niemand bringt mich zurück aber........ich weiß bis jetzt nicht, sollte tatsächlich was passieren, wie werde ich mit dem leben konnen?.
    Mir ist schon bewußt, dass ich nicht schuld wäre, nur weiß ich aber auch dass die Gefühle ein Eigenleben gerne führen und ja, ich habe Heidenangst davor.

    Im Moment ist es so dass ich diese Angst verdränge, weil ich nicht weiß wohin damit. Ich kann damit nicht umgehen. Mindestens jetzt nicht.

    LG Grazia

    Da, wo du nur eine Spur im Sand siehst, da habe ich dich getragen...

  • Zitat

    ........ich weiß bis jetzt nicht, sollte tatsächlich was passieren, wie werde ich mit dem leben konnen

    Hallo sinnesrausch, hallo Grazia.

    Diese Angst, machen wir uns doch nichts vor, bestand auch als wir noch zusammen lebten.
    Da was zu bewirken, ging damals, wie auch jetzt nicht,
    weil es in letzter Konsequenz nun mal nicht in unserer Hand ist.

    Sollte sich mein Mann etwas antun, werden sicher die ganze schönen Momente, die wir miteinander hatten, in mir hoch kommen, ich werde unendlich viel weinen, weil es endgültig ist. Keine Hoffnung mehr.
    Aber das ich ihn "verloren" hab, weiß ich, war leider schon viel viel früher.
    Und auch mein jahrelanges bei-ihm-bleiben hat ihm nicht geholfen, und würde es in der Zukunft ja auch nicht tun.

    Ich habe für diesen Mann soviel getan, mehr als er wahrscheinlich für mich getan hätte, mehr ging nicht.

    Liebe Grüße,
    nici

  • Nici, spricht mir aus dem Herzen!

    Einer meiner Gründe zu gehen war: was ist, wenn er mal wieder betrunken stürzt, wie ist meine gesetzliche Haftung??? Wann muss ich wie auf ein kleines Kind aufpassen, damit ich nicht wegen unterlassener Hilfeleistung drankomme???

    Aud der einen Seite jemanden liegen lassen, der sich ganz bewußt in die Bewußtlosigkeit gesoffen hat, sich also von der Verantwortung lösen und doch nicht angreifbar zu sein.

    Ihr glaubt doch nicht, dass das Gerede über die mitleidenden Partner besser wäre, wenn ihm in unserer Gegenwart was passiert wäre??? Nein Ladies, ich danke dem lieben Gott dass nun zwei Jahre vergangen sind und wenn meinem Exxi etwas passiert, dann habe ich damit nichts mehr zu tun.

    Gleichzeitig wird sein Ableben mir wohl Gedanken machen, mein Leben aber keinesfalls verändern. Ich hoffe, "ihn" losgelassen zu haben mit aller seiner Zukunft und mich freigestrampelt zu haben für meine. Denn eines ist ganz, ganz sicher: wäre mir früher etwas passiert, so wäre er nicht in der Lage gewesen irgendwie zu helfen. Somit also ein hilfloses Wesen - also auch die Kehrseite wenn es dem co schlechtgeht, die würde bei mir nicht denkbar sein.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo

    Diese bewusste Trennung von jemanden der so krank ist und dem man nicht helfen kann ist eine konsequente bewusste Entscheidung.
    Ich glaube sogar inzwischen, dass es schlimmer wird, wenn man beim alkoholkranken Partner bleibt, der eh noch nicht so weit ist, definitiv aufzuhören und sich selber alle Hilfe sucht ringsrum die es gibt.
    Eigentlicht nährt man noch seine Sucht je länger man neben ihm ausharrt.
    Es gibt ja keine Zukunft nix, was man planen könnte, die Beziehung ist auf dem Abstellgleis und das Suchtleben nimmt seinen Lauf.
    Solange er selber noch das Bier festhalten kann, braucht er ja keine Hilfe, oder??
    (Sorry etwas sarkastisch)
    Aber Ich kriege immer noch eine Wut.

    Ich habe eher Angst vor dem Schock, wenn etwas passieren würde.
    Ich habe auch keine Ahnung wie Ich damit umgehe, Es liegt stark an der Verfassung denke Ich mal.
    Aber es ist einfach so bitter, dass man sich bei der Krankheit auch mit dem Thema belasten muss.

    Manomann

    Sinnesrausch

  • Hallo Sinnesrausch,

    die bewusste Trennung von einem Menschen, der sich noch nicht entschieden hat, etwas gegen seine Abhängigkeit zu tun, ist in meinen Augen die einzig richtige Entscheidung. Bei ihm zu bleiben hat in der Regel mit Sicherheit eine noch längere Leidenszeit für beide Betroffenen zur Folge.

    Diese Angst vor dem Schock, wenn etwas passieren sollte, die kannst du im Grunde in jeder „normalen“ Beziehung auch haben. Dein Mann kann vor die Bahn aufs Gleis fallen, von einem Auto überfahren werden, von einem durchgedrehten Messerstecher aufgeschlitzt werden, oder, oder, oder..... Machst du dir um all solche Dinge auch einen Kopf?

    Ich habe manchmal den Eindruck, dass Co´s jede nur erdenkliche Möglichkeit nutzen, den trinkenden Partner nicht aus ihrem Kopf zu lassen. Irgend etwas findet sich doch immer, dass gedanklich nicht losgelassen werden kann.

    Warum fährst du hin, um nachzusehen, was er macht, wenn er dich nicht anruft? Seid ihr nicht getrennt? Dann gehen dich weder seine Aggression, seine Promiskuität, seine Moral noch die Leute, mit denen er sich umgibt, etwas an. Es sei denn, du möchtest nach wie vor Kontrolle darüber haben, was er macht und was mit ihm passiert. Und dies ist mein Eindruck. Aber natürlich war es nur Besorgnis darüber, dass er sich etwas antun könnte. Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass unsere Freunde und Helfer in solchen Fällen gern nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Das hat dann möglicherweise zur Folge, dass Jammeranrufe endgültig gänzlich ausbleiben.Die Hauptrolle in "Die Liebe und der Säufer" wäre dann jedoch nicht ganz so glamourös.

    Für mich ist das perfide an der Co-Abhängigkeit, dass sie so oft als Mitgefühl, Liebe, Sorgen und Helfen wollen deklariert wird. Die Abhängigkeit von einem Menschen lässt sich nun mal leichter leugnen als die vom Alkohol, auch vor sich selbst. Und der Rausch des Co ist nicht vorbei wenn der Alki ausgezogen ist.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette,

    Du hast Recht, dass am Anfang die Gedanken um den Trinkenden kreisen und das der Faktor Kontrolle(statt Vertauen) eine grosse Rolle spielt.

    Was meinen Ausflug in seinen Ort angeht, verhielt es sich etwas anders.
    Ich musste mit eigenen Augen sehen, was Ich bereits fühlte und irgendwie schon wusste.
    Ich hatte schon dermassen genug von den ganzen AnKündigungen und dass ganze zu sehen hat mir geholfen, zu realisierenmich wo er war in seinem leben.
    Das war hart für mich, aber lehrsam-

    Setdem konnte Ich mich zurückziehen.
    Mitgefühl hatte Ich keins mehr.
    Ich war nur enttäuscht und ziemlich sauer.

    Wir waren nicht sehr lange ein Paar und ich habe ihm klar gemacht, dass solange er trinkt, unsere Beziehung keine Chance hat. Die Beziehung wurde immer dann unterbrochen , wenn er rückfällig wurde.

    Natürlich versuchte er dann bei mir unterzukommen, wenn es ihm schlecht ging. Aber Ich habe verstanden, dass es eine absolute Zumutung ist und ich bin eine lausige krankenschwester-

    Sinnesrausch

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