was kann ich noch tun, für mich?

  • ich bin: kind eines alkoholkranken vaters.
    ich habe: mich schon vor langer zeit von meinem elternhause gelöst. gelernt, dass ich nicht helfen kann. selbst, wenn er es wollte. ich kann nur da sein, wenn er den schritt macht.
    ich habe nicht: schlimme erinnerungen der kindheit. keine gewalt. kein verheerender missbrauch. kein hass. wohl wut. aber in gemäßigten bahnen. (die schlimmen erinnerungen wollte mir mal wer einreden, aber sie sind einfach nicht da. ausser der sorge, des sich wünschens, helfen zu können)
    ich habe: trotz allem immer wieder eltern, die ich sehr lieb habe. die mir aber auch sorgen bereiten. auch wenn ich weiss, dass ich das kind bin und bleibe, bis zum ende. ich sorge mich aus der ferne um seine gesundheit, und, da er immer noch unfallfrei im besitz seines führerscheins ist, um das wohlbefinden anderer.
    ich habe: immer wieder diese kleinen stiche, wenn ich zu besuch im elternhause war.
    ich habe auch: den ein oder anderen persönlichkeitsknacks, den man halt hat, wenn man mit einem alkoholkranken vater aufwächst. zum beispiel einen gehörigen respekt vor dem alkohol. ein kleines bisschen verschliessen. ein bisschen stärker den frühen wunsch zur selbstständigkeit gespürt. kleine dinge, die ich gut im griff habe. keine zerstörerischen beziehungen. ein gesundes ego. einen hang zur sucht habe ich auch. zu zigaretten, bei allem anderen fragte ich mich eines tages, ob ich so enden wollte und habe dies mit einem klaren nein beantwortet. keine drogen, wenig alkohol (man ist das schwer, den menschen klarzumachen, keinen wein zum essen trinken zu wollen, so ganz ohne grund)
    ich habe: mehrere male mit meinem vater geredet. mit mehr oder weniger einfluss. eher weniger. helfen kann er sich nur selbst. zur therapie zwingen kann ich ihn nicht. würd ja auch nichts bringen. er kennt meine meinung. er lebt mit den konsquenzen. sehen tun wir uns eh nicht häufig. ist er zu besuch, so trinkt er nicht. tut er es doch, und merke ich, er will entdeckt werden, sage ich: vater, wenn du trinken willst, musst du das tun. wenn du das nicht willst, dann musst du dir hilfe suchen. ich kann sie dir nicht geben, ich kann nur da sein und dich auf deinem weg begleiten. (was ich auch gern möchte, wenn er denn bereit ist, auszusteigen. ist er aber nicht. also begleite ich ihn auch nicht.) wenn er nicht entdeckt werden will, sage ich, dass ich weiss, dass er trinkt. er soll es ruhig wissen. hängt mit den konsequenzen zusammen: rieche ich alkohol, weigere ich mich, von ihm mit dem auto gefahren zu werden. ich bitte ihn um die schlüssel, die er mir bisher auch immer gegeben hat. ganz vom fahren kann ich ihn nicht abhalten. auch dann nicht, wenn ich da bin. (das mit dem autofahren, ist das einzige, was ich ihm abnehme. es könnten andere zu schaden kommen und ich könnte nicht ruhigen gewissens neben ihm sitzen.)

    ich frage mich: wie geht ihr damit um? zu wissen, dass ihr richtig handelt, die sucht als krankheit versteht? euch gelöst habt. und doch immer wieder diese ohnmacht verspürt, zu wissen, dass ihr nichts tun könnt? ausser das, was ihr schon macht?
    was tut man da, ausser sich mantraartig vorzubeten, dass man nichts tun kann. schreien, brüllen, wütend werden macht die sache nicht besser. im gegenteil.
    was tut man, wenn man sieht, dass die mutter ihn schützt? und sie alles tut, ihre kinder (erwachsen, sehr erwachsen) zu "schützen" und schweigt? wegsieht? ich weiss, auch sie kann nicht helfen, versucht ihn aber immer wieder in seinen versuchen, dem alkohol zu entsagen, zu begleiten.
    eine therapie weist er weit von sich. "seelenstriptease" sei nichts für ihn.
    zwingen können wir ihn nicht. gegangen bin ich. andere zum gehen zu bewegen kann ich auch nicht. nur reden kann ich mit den menschen. sie wollen nicht gehen. (wollte ich auch nicht, aber es tat gut, zu sagen: nein, ich muss das nicht mit ansehen. und besser wir es auch nicht, wenn ich bleibe. nur mir gehts schlechter)
    was kann noch ich tun, für mich?

    ich komme wieder von einem dieser besuche, und bin wieder ein wenig traurig. wie man sich vielleicht vorstellen kann.

  • Das positive sehen.

    Ich mache gerade eine Fortbildung zum maschinenbautechniker und bin mit Abstand der Älteste in meiner Klasse. Alle meine anderen Klassenkameraden sind mindestens 14 Jahre jünger als ich.

    Alle scheinen sie seelisch vollkommen gesund zu sein, machen ihren Spaß und machen ihren Job, haben ihren Fußball und ihr sonstiges Leben...

    ...wozu auch immer wieder saufen, saufen, saufen gehört. Mir läuft es da immer kalt den Rücken runter, wenn ich sie erzählen höre: Oh Mann, am Samstag wieder dermaßen einen gebrannt...war mit Kumpels unterwegs...usw..

    Ich denke mir dann immer: Wieviele von euch wird der Alkohol einfangen? Bei wievielen von euch werden in 30 Jahren zerbrochene Ehefrauen, Kinder, Enkel stehen und sich fragen WARUM?!

    Du bist gewarnt. Du hast deine Lektion gelernt und hast Respekt vor dem Alkohol. Sei stolz darauf. Das eines der positiven Aspekte.

    Ich wünsche mir eine EDIT-Funktion...

  • marcello: vielen dank für eine so schnelle antwort.
    es stimmt schon, es gibt positive seiten.
    vielleicht sollte ich einfach stolz sein, auf das, was ich in meinem verhalten und denken erreicht habe, die wenigen positiven aspekte mitnehmen und es dabei belassen (ja, es gibt positive seiten, das offene auge, die kraft und die ruhe, die ich in mir entdeckt habe und die gesunde skepsis)
    ich glaube auch, du hast recht. ich habe mich regelrecht bewusst gegen die alkoholabhängigkeit entschieden, auch gegen den missbrauch einer anderen droge. ich vermisse sie nicht (und noch weniger den tag danach). die zigaretten werde ich auch eines tages in angriff nehmen. ich arbeite dran.
    ich glaube auch, dass man in der phase des aufwachsens und erwachsenwerdens genügend dellen erhält, da braucht man nicht noch eine alkoholsucht bei den eltern. diese scheint so fürchterlich vermeidbar und ist auch dann da, wenn man nur sehr wenige unschöne momente erlebt hat und der vater doch eigentlich immer da war und gut war. es ist immer dieser stich, der da ist, wenn ich sehe, dass er trinkt. wo er doch so ein wunderbarer mensch ist ... und es noch viel mehr wäre, würde er nicht trinken.
    was mich leider nicht immer vom grübeln abhält. dem ich gerade wieder zu verfallen drohe. dieses grübeln entsteht häufig, aber nicht mehr immer, nach der konfrontation.
    von daher, eine gute nacht, ich grüble morgen weiter. oder gebe zumindest mein bestes, dies zu tun. der kopf muss jetzt ein bisschen aus.

  • Hey superunknown,

    wenn Du es herausgefunden hast, lass es mich wissen. Ich habe auch noch kein Mittel dagegen gefunden. Allerdings grüble ich nicht mehr darüber nach. Jeder kann nur sich selber ändern, niemand anderen. Traurig macht es mich aber auch, wenn jemand sein Leben so wegwirft. Tröstlich finde ich, dass es nicht nur mir so geht ...

    LG
    Heidi

  • marcello: stimmt schon, aber das hält meinen kopf nicht davon ab, an und an einen eigenen spaziergang zu machen ;)
    allerdings hat mein eigenes leben in den letzten tagen sehr besitz von mir genommen, da hatte ich regelrecht keine zeit zu grübeln. und es macht sehr viel spass, mit vielen positiven dingen zu hantieren.
    und aussprechen hilft. einfach mal laut aussprechen bei jemandem, dem ich vertraue hat (mal wieder) einiges in die richtige bahn gelenkt.
    so ganz habe ich mich noch nicht entschieden, wie ich dem vater das nächste mal entgegentrete. ich werde nicht wegbleiben von zu hause, da ich zu sehr an dingen hänge, und ich habe gute "fluchtmöglichkeiten" dort. jetzt muss ich mir nur noch darüber klar werden, ob ich nicht einfach anfange zu schweigen. reden hat es bisher ja nicht gebracht. aber ich finde es traurig, da ich das gefühl habe, mich extrem von den eltern zu lösen, was sich trotz allem nicht fair anfühlt, mir und ihnen gegenüber. auch wenn ich rein rational weiss, dass dies nicht so sein sollte. ... na, da werd ich auch noch einen weg finden. *kopfschüttel* ..wann kommt der tag, an dem ich mir da keine sorgen mehr drüber mache? da hilft wohl nur weiter stur seinen weg gehen und zusehen, dass man sich nicht überfordert und es einem immer gut geht mit den entscheidungen.

    heidi: es tröstet mich tatsächlich, zu wissen, dass es anderen ähnlich geht. auch wenn es ein sehr trauriger trost ist.
    sollte ich einen wirklich sicheren weg finden, das grübeln zu vermeiden, werde ich das bestimmt mitteilen!

  • Superunknown,
    die Hoffnugn stirbt zuletzt und auch heute als EKA denke ich hast du immer noch die Hoffnung das er das trinken aufhört. - Für Dich - Wir geben es zwar nicht gerne zu, aber es geht doch oft auch darum, dass man sich wünscht, wichtiger zu sein als der sch... Alk. Das, das Kind, welches Sie in die Welt gesetzt haben, das Wichtigste für Sie ist. Die Erkenntnis, dass es nicht so ist .... löst jedes Mal aufs neue diese Traurigkeit in uns aus.

    So ist es zumindest bei mir. Es macht mich manchmal heute noch sehr traurig, dass Gefühl zu haben, nicht wirklich wahr genommen zu werden.

    Ich versuche mich dann selber wichtiger zu nehmen und besonders darauf zu hören, was mir gerade gut tut.

  • Vivian1: hm, du hast da grad was auf den punkt gebracht: ich hoffe heimlich, dass er für mich aufhört, auch wenn ich will, dass er für sich aufhört. total unlogisch.

    und was manchmal auch schlimm ist, dass er immer wieder die hoffnung schürt, dass es besser wird. er hatte immer wieder phasen, in denen er nüchtern (trocken kann man das wohl kaum nennen) war, aber jede neue, fremde oder unangenehme situation wirft ihn zurück. eine therapie kommt ihm aber nicht ins haus. heut hat er allerdings angerufen, das tut er nur, wenn er schon etwas länger nüchtern ist, klang gut gelaunt, lebensfroh und unternehmungslustig. das nährt immer wieder ein bisschen die hoffnung, dass er es diesmal doch schafft, dass er sich hilfe sucht. auch wenn ich weiss, dass der nächste rückfall nicht weit ist. das leben hält schliesslich beinahe täglich neue, fremde und unangenehme situationen bereit.

    ... entschuldigt bitte, dass ich hier immer von hüh nach hott schweife, aber es fühlt sich ganz gut an, dinge mal loszuwerden und das gefühl zu haben, einfach mal verstanden zu werden in seinen kruden gedankengängen

  • Du kannst dafür sorgen, dass Du selber nciht der sucht verfällst, denn gerade wir EKA sind sehr suchtgefährdet. Auch wenn Du eigene Kinder hast kannSt Du aufpassen, dass Du all diese Dinge nicht auf sie überträgst und ihnen ein besseres Leben ermöglichst. Und das fängt schon an bei der richtigen Partnerwahl. Leider sind wir EKAs ja auch gerade von ebenso angeknacksten Persönlichkeiten angezogen.
    sich Loslösen vom Elternhaus und ein eigenes 'heiles' Leben zu leben, auch immer wieder dabei zu bleiben, ist schon eine sehr große Sache. Das kann man vergleichen mit ienem zufriedenen trockenen Leben eines Alkoholikers. Wir müssen immer auf uns selber aufpassen, versuchen selber im Lot zu bleiben. Auch ich arbeite da ständig dran.
    Manchmal geht es auch mir so, dass alte wunden aufgebrochen werden. Dann versuche ich schnell wieder mich mit anderen Dingen zu beschäftigen, denn man braucht auch zeit um die Dinge zu verarbeiten. Wunden heilen auch nicht an einem Tag. Alles zu tun, was den eigenen bedürfnissen entspricht ist gut. Und überhaupt, seine eigenen bedürfnisse wahrzunehmen ist der erste schritt.

  • hallo, ich kenne die gefühle, inzwischen hab ich die hoffnung begraben dass er aufhört. trotzdem ist es immer wieder schwer es mitanzusehen und auch meine mum die so drunter leidet und den absprung nicht schafft. aber sie wollen es ja so. und das zu verstehen fällt mir unendlich schwer. fühle mich dann auch immer ausgebrannt, kann den abend das grübeln nicht stopppen wenn ich nachmittags dort war. erst wenn ich wieder mein leben paar tage für mich hatte wirds wieder besser und die gedanken verschwinden. also mir hilft etwas drüber zu grübeln und mich dann aber wieder mit meinen hobbies etc abzulenken. ob sich das je ändert?
    manchmal frag ich mich wie es ist wenn sie mal nicht mehr da sind? hört sich zwar makaber an, aber so gedanken gehen mir im kopf rum. ob ich dann freier lebe?

  • Versuch geglückt. Ich hab dem Grübeln jetzt eine Art "Platz" eingeräumt. Sozusagen Sprechzeiten. Da kann es kommen mit seinen Sorgen und Ängsten. Scheint zu funktionieren. Das Grübeln nutzt die Sprechzeiten grad sehr selten ;)

    shirley: nein, ich finde dich nicht makaber. Ich frage mich auch viele Dinge: eg, wer kümmert sich, wenn sie einfach nicht mehr können? Wie sauer bin ich, wenn es wirklich am Alk lag? Werde ich mich in einem hätte-wäre-wenn-Kreis drehen, wenn sie nicht mehr da sind? Das ich sie vermissen werde, ist klar, auch wenn der Vater trinkt.

    Frozen: Ja, ich achte schon auf mich und meine Süchte. Ich weiss, dass ich suchtgefährdet bin, und achte sehr darauf, dem nicht zu verfallen und Dinge einfach nicht zur dummen Gewohnheit verkommen zu lassen. Ansonsten merke ich immer wieder, wie schwer es ist, Leuten klar zu machen, dass man zb nichts trinken will, weil man das doch früher auch immer gemacht hat. Und keinen Grund braucht, um nicht zu wollen. Mein Freundeskreis hat sich da schon verkleinert.

    wie meinst du das mit der richtigen Partnerwahl? Davon mal abgesehen, dass ich glaube, sehr gut gewählt zu haben obwohl er eine angeknackste Persönlichkeit hat, denke ich, dass es kaum noch jemanden gibt, der nicht einen Knacks hat. Die Frage ist, wie man damit umgeht ;)

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