• Hallo,

    vom "schlechten Gewissen" ist gerade in der Weihnachtszeit oft zu lesen hier.

    Was ist das eigentlich genau, das "schlechte Gewissen"?

    Hat das etwas mit Angst zu tun, zu dem zu stehen, was man selber für richtig findet?

    Spricht da eine verinnerlichte Stimme? Wenn ja, welche?

    Ist das "schlechte Gewissen" für irgendetwas gut? Wenn nicht, wie kann man sich davon lösen?

    Es gibt ja auch noch das "gute Gewissen" und die "Gewissenlosigkeit". Was bedeuten diese Begriffe?


    Was ist das für euch, das "schlechte Gewissen"?

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Für mich - ganz persönlich - ist das Gewissen allgemein mein persönliches Empfinden von Recht und Unrecht, Gut und Böse.

    Ein "schlechtes Gewissen" habe ich, wenn ich etwas getan (oder auch gelassen habe) und dies mit meinen eigenen moralischen Grundsätzen nicht konform geht.
    Wobei die Frage erlaubt ist, von wem man diese moralischen Grundsätze übernommen hat und ob man sie weiterhin auf sich selber anwenden möchte.
    Kleines Beispiel, bewusst harmlos gewählt: Hab mich mit ner Freundin verquatscht, und meinem Männe den Großteil an Haushalt liegen lassen. Nun ist er selber müde und räumt und spült, bevor er Platz hat, sich selber überhaupt was zu essen zu machen.

    Ein "gutes Gewissen" ist das, was mich antreibt, etwas zu tun (oder auch zu lassen), damit mein Handeln meinen eigenen moralischen Grundsätzen entspricht.
    Beispiel: Ich quatsche mit ner Freundin und sehe den Spül in der Küche, die Kleine quengelt rum und ist noch immer nicht im Schlafanzug. Mein gutes Gewissen mahnt, ich beende nett das Gespräch, richte Kind und Wohnung schnell her, und mein Mann muss sich zwar immer noch selbst sein Essen kochen, findet beim Heimkommen aber schon alles so weit vorbereitet und freut sich.

    Gewissenlosigkeit ist die große Schwester der Gedankenlosigkeit. Wer sich keine Gedanken macht, ist bestenfalls schusselig. Wer aber genau weiß und bedenkt, was er tut, ist gewissenlos.
    In meinem bewusst harmlosen Beispiel würde ich mich also gemütlich aufm Sofa räkeln und quatschen, die Kurze mit Gummibärchen gefügig füttern und erwarten, dass mein Mann von der Maloche kommt und alles pflegt, räumt, putzt und säubert, ohne dass sich bei mir ein Gewissen regen würde.

    Soweit die Theorie.
    Und die Praxis?

    Als mein guter Freund besoffen nen Unfall (zum Glück ohne Schäden ausser an seinem eigenen Auto) baute, stand ich da und hab der Polizei gewunken. Es war richtig, das zu tun, nach allen rechtlichen und moralischen Maßstäben.
    Genaugenommen war es auch ihm eine Hilfe und ein Schutz der Schulkinder, die wenig später da lang laufen.
    Dennoch fühlte ich mich wie ein Verräter.

    Als er Heiligabend die gut versteckte Flasche leerte, hab ich ihm tags darauf die Freundschaft gekündigt und bin gegangen, eine völlige und unbefristete Kontaktsperre verhängend. Es war richtig, das zu tun.
    Dennoch fühlte es sich an wie Im-Stich-lassen.

    Fazit: Es ist gut, auf sein Gefühl zu hören.
    Schadet es mir jedoch - wie tanja1977 beschreibt - muss ich dessen Ursache überdenken.

    - edit, bitte auf Wortwahl achten, danke, Linde -

    Zum Thema zurück: Das, was ich da der Tanja in Grün geschrieben habe, entspricht meinem ehrlichen, tiefsten Gefühl und meiner Überzeugung. Dennoch will sich da ein Gewissen regen, weil man "sowas" doch nicht schreiben kann.

    Genau das meine ich: Hinhören aufs Gefühl - aber auch gelegentlich überdenken.

    Hoffe, irgend jemand konnte jetzt meinem Schmu folgen.

    Freundliche Grüße,

    Ute

  • Liebe Linde

    Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht nach meinem Gewissen entscheide.
    So geht es mir oft bei meinen Eltern, würde es auch als eine Art Angst bezeichnen.
    Mich nicht verhalten wie erwünscht. Undankbar. Ich wurde erzogen höflich zu sein, es jedem
    Recht machen, ich weiß das ist immer noch typisch Co. Dieses Weihnachten habe ich es geschafft,
    mich dann doch fern zuhalten und fühle mich gut, aber nagen tut es noch an mir.
    Das Gewissen. Ich weiß für mich richtig gehandelt zu haben, aber darf man nur an sich
    Denken?
    Die innerliche Stimme die verfälscht ist von außen, so würde ich es für mich bezeichnen.
    Für mich persönlich hat es nichts gutes, denn es hat was mit meinem Selbstwert zu tun,was dann im Keller ist,
    ich kann es vielleicht trainieren, wenn ich mir sage:
    Ich habe die Kraft zu …
    Ich werde …
    Ich habe die Fähigkeit zu …
    Ich bin überzeugt, dass …
    So ähnlich habe ich dieser Tage gedacht.
    Allein schaffe ich es noch nicht immer, aber auch Hilfe von außen kann ich annehmen.
    Deshalb werde ich ja nicht gleich gewissenlos-erbarmungslos-niederträchtig-skrupellos .
    Aus schlechten ein gutes Gewissen machen nur für mich.


    röschen

    Gehe auch die Wege die dich ängstigen, denn auch sie haben ihre Berechtigung

  • In der Beziehung zu den Eltern ist es so schwer zu entscheiden, 'was man für richtig findet'.

    Es gibt Anteile, die wollen Abstand, andere trauen sich das nicht oder warten auf die Erlaubnis de Eltern dazu.

    Man darf wohl die Eltern nicht 'böse' oder 'traurig' machen.

    Erwachsen sein sollte aber auch bedeuten, dass jeder für seine Gefühle selbst verantwortlich ist, nicht wahr?

    Wenn Eltern immer schon und immer noch 'traurig' über das Verhalten / Benehmen / Leben ihres Kindes sind, ist das heute ihr Problem, damals war es ein Vergehen am Kind, immer von sich aus zu gehen, nie vom Kind.

    Zitat

    ich habe den ganzen Abend neben mir gestanden und nur geweint

    Hallo Tanja,

    wenn es für dich so heftig 'wie damals' ist, dass du neben dir stehst, ist es m.E. zu heftig. Ich wünsche dir, dass du mehr und mehr anfängst, dich zu beschützen 8)

    liebe Grüße,
    Mikesch


    - Es gibt Augenblicke, in denen eine Rose wichtiger ist, als ein Stück Brot! - (R.M. Rilke)

  • Hallo Linde,

    interessantes Thema, mal wieder :) .

    Bevor ich mir Gedanken über ein „schlechtes“ oder ein „gutes“ Gewissen machen kann, muss ich ja erst mal wissen, was ein Gewissen überhaupt ist.
    Die erste Gewissensbildung beginnt ca. im dritten/vierten Lebensjahr, nämlich durch Ver- und Gebote der Eltern. Wenn das Kind beispielsweise immer hört „Du darfst andere Kinder nicht hauen“, dann internalisiert es das mit der Zeit. Irgendwann fasst es dies nicht mehr als das Verbot seiner Eltern auf, sondern als seine eigene innere Einstellung. Gewissensbildung geschieht demnach erst einmal durch das nahe Umfeld des Kindes. Eine Ablösung von den Eltern in der Pubertät ermöglicht eine Änderung des Gewissens durch den Einfluss von Gleichaltrigen, Lehrern usw. In dieser Zeit werden nämlich auch die Normen und Werte der Eltern überprüft und entweder übernommen oder abgelehnt.
    Eigentlich übernehmen wir also nur vorgelebte Werte in unser eigenes Gewissen. Das einzige, was wirklich ganz von dem Individuum abhängt, ist, welche Werte, aus der vorgelebten Auswahl ins eigene Gewissen integriert werden.
    Es ist also schwierig das Gewissen, als die „absolute Instanz“ zu betrachten, da es massiv von unserer Außenwelt geprägt ist, ohne dass wir uns darüber bewusst sind.
    Als Beispiel nenne ich an dieser Stelle mal die Selbstmordattentäter. Diese handeln mit gutem Gewissen, weil sie entsprechende Normen internalisiert haben. Aus diesem Grund halte ich das Gewissen für absolut subjektiv und hochgradig manipulierbar.

    Ein schlechtes Gewissen hat man demnach immer dann, wenn eine Handlung nicht unseren internalisierten Normen entspricht. Diese Normen können aber ruhig hinterfragt werden, denn sie sind nur subjektiv. Beim nächsten Mal schlechtes Gewissen haben also mal in sich reinhorchen, wessen Stimme da gerade zu einem spricht :wink: .

    Zitat

    ist das Gewissen allgemein mein persönliches Empfinden von Recht und Unrecht, Gut und Böse


    Da würd ich jetzt dann wiedersprechen :wink: . Ich denke, manchmal ist uns gar nicht bewusst, wie stark wir von der Umwelt beeinflusst werden.

    Achso, und zum Thema "Gewissenlosigkeit". Die kann's dann doch gar nicht geben. Als geiwssenlos kann man immer nur einen anderen bezeichnen, der ein gänzlich anderes Wert- und Normensystem vertritt als wir selbst. "Der ist aber gewissenlos" ist nur eine subjektive Verurteilung.
    Ein Gewissen ist aber immer vorhanden, egal in welcher Ausprägung.

    Viele Grüße
    Fleur

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!