Hallo zusammen,
ich habe schon mehrfach in diesem Forum gelesen, seitdem mir klar geworden ist, dass ich ein EKA bin. Ich habe mich entschlossen aktiv teilzunehmen, statt still und heimlich zu lesen. Selbst nach so vielen Jahren, ich bin 46, wirkt das Schweigegebot noch in mir, als würde ich meine Nest, meine Familie beschmutzen. Doch das Gefühl wird zunehmend schwächer, seitdem ich weiß, woher es kommt.
Wenn ich auch immer das Gefühl hatte nirgends so wirklich dazu zu gehören, so finde ich mich in vielen Beschreibungen von EKAs ziemlich genau wieder. Hier bin ich richtig. Wenn ich über EKAs lese ist es, als würde mir jemand anderes mein eigenes Leben beschreiben. Es ist noch sehr neu und verblüffend für mich.
Nicht das mir schon vorher bewusst war, dass ich aus einer Familie mit einem alkoholkranken Vater komme und mein Leben selbstverständlich dadurch beeinflusst wurde, sehe ich mich und meinen Lebenslauf heute aus einer neuen Perspektive und stehe mir, was für mich sehr ungewöhnlich ist, nun wohlwollend gegenüber.
Ein berufliches Coaching hat mich zu meinen Wurzeln zurückgeführt. Es war eine große Angst die ich hatte und die ich diesmal in Kauf nahm. Mein Leben war im Innern leer, ziellos, frustriert und resigniert, ich fühlte mich, wie so oft abgeschnitten vom Leben. Mein Außenleben war anders, dort zeigte ich alles was eben so erwartet wurde. Nach 3 Monaten war vieles geklärt, ich war erstaunt. Erstaunlich waren allerdings auch meine massiven Angstblockaden. Eine Angst die durch keinerlei Bezüge meines Erwachsenenlebens nachvollziehbar war, da ich wirklich sehr viel (und das sehe ich heute) gute Erfahrungen machen durfte. Ich habe nie wirklich versagt und alle Menschen privat und beruflich waren wohl überwiegend zufrieden mit mir.
Die Zusammenhänge sind mir erst hier klargeworden. Die Angstkreisläufe und alles was notgedrungen in meiner Innenwelt als Kind geprägt wurde um das Grauenhafte zu überstehen behindern mich heute als Erwachsener.
Ich bin meiner Coachingfrau sehr dankbar, vielleicht hätte ich sonst nie mehr realisiert, woher ich komme und was es mit mir machte.
Ein alkohllkranker Vater der extrem stark zur Aggression und Gewalttätigkeit gegenüber meiner Mutter mutierte, danach ein hilfloses Wesen zu sein schien, bis es wieder von vorne anfing. Das Leben drehte sich bis zu meinem Auszug und auch noch danach immer um die Alkoholsucht des Vaters, den Problemen meiner Mutter und den Konflikten die beide daraus hatten.
Ich selbst war soetwas wie der "Held" der Familie in den vielen akuten Phasen, meines quartalstrinkenden Vaters, der später nur noch trank. Danach wurde die bürgerliche Fassade weitergelebt und ich hatte zu funktionieren und blieb mir überlassen. Ich war der ruhende Pol in diesem entsetzlichen Chaos, der Vermittler, der Vernünftige, der Kluge und Verständnisvolle Tröster der Mutter und vieles mehr. Ich litt Höllenqualen. Eine Kindheit habe ich nicht erlebt, das ist nicht mehr zu ändern. Und wie ich heute weiß war ich völlig überfordert mit den typischen Schädigungen die sich bereits damals zum Überleben einstellen mussten. Es passierte außerhalb meiner Macht und Verantwortung.
Für meine Umgebung sind die Schädigungen heute, selbst für den Partner kaum ersichtlich. Ein Meister der Tarnung, was ich in Zukunft und auch schon heute stückweise abbaue.
Nachdem ich im Internet nach Kindern aus Alkoholikerfamilien recherchierte und auf Seiten von Nacoa Deutschland, den Al-Anon usw. stieß wollten die Tränen und Schmerzen nicht mehr aufhören als ich Texte las, die genau mich beschreiben. Seitdem wird alles in mir anders und ich gewinne zunehmend Klarheit über mich.
Ich hatte völlig vergessen wo ich herkomme und stelle nun fest, dass ich damit keineswegs, wie ich immer dachte, allein bin.
Ich entwickle gerade ein sehr tiefes Verständnis für mich und mein "inneres" Kind und kann unmittelbar seit dem Erkennen der Zusammenhänge damit aufhören, mich selbst für das Geschehene, das außerhalb meiner Macht und Verantwortung lag, zu zerfleischen.
Ich überlege zu einer Al-Anon Gruppe zu gehen. Auch wenn ich mit Gott, von dem ja in den Büchern auch viel die Rede ist, nicht soviel anfangen kann.
Ich habe momentan sehr viel Hoffnung....
Bis bald...
sunwalker