Alles könnte gut sein, trotzdem tut alles weh

  • Hallo,

    ich bin Angehörige eines trockenen Alkoholikers und bin auf der Suche nach Leuten denen es ähnlich geht wie mir.

    Mein Mann ist vor guten 2 Monaten aus der stationären Behandlung gekommen. Während er früher unter Alkohol (ungefähr 10 Jahre o. mehr)oft jähzornig, antriebslos war und sich um wenig gekümmert hat, versucht er jetzt alles gut zu machen. Diese Probleme sind jetzt eigentlich scheinbar gebannt.
    Mein Problem ist, dass ich mich kaum noch auf ihn einstellen kann, dass ich seine Nähe nicht wirklich ertragen kann, weil einfach zu viel passiert ist. Er gibt sich jetzt Mühe, aber bei mir bloggt alles, wobei ich aber auch schlecht ertrage, ihm wehzutun.
    Ich wollte mich eigentl. trennen, hatte schon eine Wohnung. Kurz vorm Umzug bekam ich Panik und es ging mir noch schlechter. Ich habe alles abgesagt und bin nun immer noch hier. Ich konnte nicht von meinem zu Hause loslassen (Haus u. Garten) u. hatte das Gefühl, meine ganze Familie in die Katastrophe zu schicken, meinen Mann selber und mein Kind (noch in Ausbildung), weil das ganze uns finanziell wahrscheinlich in Richtg. Zwangsvollstrecker geführt hätte. Auf die Art konnte ich das nicht und habe gedacht, wir könnten nach der Therapie erstmal beobachten, wie es uns dabei geht und versuchen wieder zueinander zu finden. Tatsache ist, dass es mir dabei immer schlechter geht und habe das Gefühl nichts für mich entscheiden zu können.
    Ich war bisher ein lebenslustiger optimistischer Mensch mit vielen Interessen, trotz der vielen Probleme. Ich habe viel für mich gemacht, dass ich selber nicht untergehe. Vor ca. einem Jahr hörte das auf. Ich hatte es zunehmend schwerer, meinen Tag zu bewältigen, die Kraft reichte gerade so für meine Arbeit oder für schöne Unternehmungen, wo ich von zu Hause weg konnte. Zu Hause bekam ich wenig auf die Reihe und war nur noch depri.
    Als er noch getrunken hat, war klar, dass ich irgendwann meine Konsequenzen ziehen muss. Jetzt weiß ich gar nichts mehr. Es tut alles einfach nur noch weh. :cry:

    Über Antworten von euch würde ich mich sehr freuen.

    LG Eklisee

  • Hallo Eklisee,

    obwohl ich noch nicht lange im Forum bin, wage ich mal, unter Vorbehalt, was zu Deiner Frage zu schreiben, weil ich denke, zumindest im Ansatz ähnliches wie Du erlebt zu haben.
    Du schreibst, daß Du 10 Jahre lang mit Deinem Mann, einem nassen Alkoholiker zusammenwarst und dann nach 9 Jahren dieses Leben kaum mehr ertragen konntest.

    Zitat

    Vor ca. einem Jahr hörte das auf. Ich hatte es zunehmend schwerer, meinen Tag zu bewältigen, die Kraft reichte gerade so für meine Arbeit oder für schöne Unternehmungen, wo ich von zu Hause weg konnte. Zu Hause bekam ich wenig auf die Reihe und war nur noch depri.

    Ich denke, Du bist zu dieser Zeit einfach an den Punkt gekommen, wo Du völlig ausgelaugt warst, wo Du einfach nicht mehr konntest. Alle Kräfte völlig erschöpft. Das ist bei Deiner Geschichte, nach 9 Jahren Ehe mit einem nassen Alkoholiker, nur zu verständlich.

    Davon hast Du Dich ganz bestimmt noch nicht erholt.

    Nun ist Dein Mann also seit 2 Monaten trocken und Du vermutlich noch immer erschöpft und zudem auch mißtrauisch. Du fragst Dich wahrscheinlich, ob er es schafft, trocken zu bleiben.

    Zudem kam da vermutlich ein anderer nach Hause, als der den Du kennst. Er will nun vielleicht mehr Verantwortung übernehmen, läßt sich nicht mehr alles einfach so von Dir sagen und vorschreiben. Eigentlich müßtet Ihr, Dein Mann und Du, Euere altgewohnten Rollen, die Ihr in der Ehe gespielt habt, aufgeben und neue finden. Das ist gar nicht so leicht für ein Paar, dieser Umbruch.

    Hilfreich dabei könnten Gespräche sein. Vielleicht mit einem Sucht- oder Paartherapeuten, vielleicht auch in einer Gruppe von trockenen Alkoholikern und deren Angehörigen.
    Gibt es diesbezüglich Ansprechpartner, an die Du Dich wenden könntest?

    Herzliche Grüße
    Leonia

  • Hallo Eklisee,

    erstmal "Hallo" hier im Forum!

    Mir ging es damals so ähnlich, ich entschloss mich zur Trennung, nahm mir eine Wohnung. Und mein Ex wurde trocken... Ich habe aber meine Wohnung behalten, denn ich dachte, Abstand wäre erstmal gut. Aber ich hatte massig Schuldgefühle, und so eierten wir noch ca. 1 Jahr umeinander rum. Bis ich endlich mir eingestehen konnte, dass es keine Liebe war, die ich empfand. Nicht mehr. Sondern dass es alles mögliche andere war, was mich hielt. Trotz der getrennten Wohnungen hingen wir zu oft zusammen. Und obwohl er mir schon nach kürzester Zeit auf den Geist ging, ich innerlich aggressiv wurde, zornig, traurig usw., hatte ich nicht den Mut, erstmal, Konsequenzen daraus zu ziehen...

    Zitat

    Als er noch getrunken hat, war klar, dass ich irgendwann meine Konsequenzen ziehen muss. Jetzt weiß ich gar nichts mehr.


    Überlege doch mal, ganz ehrlich, warum das so ist.
    Als er trank, hättest du dich trennen können. Jetzt nicht mehr. Aha, warum denn?
    Liebst du ihn noch? Ganz ehrlich...
    Was hält dich wirklich fest, wovor fürchtest du dich?
    Ganz ehrlich hinsehen, denn das wird dir ein Stück weiterhelfen können. Ich weiß das! Ich habe das auch hinter mir. Ehrlichkeit sich selbst gegenüber zu haben, das ist wichtig. Und zuzulassen, dass es weh tun wird, da hinzuschauen.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Guten Abend Eklisee,

    Willkommen im Forum!

    Du findest sicher viele,die ähnliches oder gar fast Gleiches wie Du erlebt haben.

    Das finde ich schon mal eine gute Stütze für Dich.
    Dein Tread hilft Dir sicher auch .

    Und aus alledem kannst Du genau das herausziehen was Dir am meisten hilft.

    Wir sind so viele,dass Du bestimmt dasfindest das gut ist für Dich und von nun an gut um Dich sorgen.
    Das ist nicht einfach,aber möglich schon :wink:

    Ganz herzliche Grüsse
    Yvonne

    ichbinda123

  • Hallo Leonia,
    danke für die Antwort.
    Es stimmt, ich bin nach all den Jahren ausgelaugt. Irgendwann kann man einfach nicht mehr.

    Mein Mann ist noch ambulant in Betreuung. Darüber könnten wir evt. eine Paartherapie machen, wovor ich aber Angst habe und momentan auch keine Kraft da ist, weil ich nicht weiß, ob ich das alles noch kann.
    Ich muss mal was richtig stellen. Er ist seit 2 Monaten aus der REHA zurück. Trocken ist er schon seit November 2011. Das hat er ganz allein geschafft nach dem Schock eines gewissen Ereignisses. Ich hatte ihn dazu gekriegt eine ambulante Therapie zu machen. Er hat gedacht, er macht das und alles ist gleich wieder i.O zwischen uns. Ich wollte Abstand. Er sollte erst zeigen, dass er das wirklich macht und durchhält. Leere Versprechungen und Enttäuschungen gab es zu viele.
    Damit ist er nicht klar gekommen. Er hat sich dann in stationäre Therapie begeben, so dass ich meinen Freiraum habe und er intensiver betreut ist. Für ihn fand ich es richtig. Ich habe mich wieder festgesetzt gefühlt, nichts für mich entscheiden zu können. Zu dem Zeitpunkt wollte ich eigtl. schon ausziehen.

    Ich habe mir erlaubt, etwas in deinem Thema zu lesen. Deine Geschichte ist ähnlich aber auch etwas anders. Anders als du habe ich das Helferbedürfnis und den Wunsch die Starke in der Beziehung sein zu wollen nur bis zu einem gewissen Grad. Irgendwann suche ich auch mal Geborgenheit u. einen Partner, an den ich mich anlehnen kann.
    Mein Partner war auch ein Spiegeltrinker, war aber aggressiv und anstrengend und nicht lustig. Ruhiger ist er trocken und will mir jetzt fast alles recht machen.
    Ich habe aber leider, dadurch dass es permanent nur Stress gab und alles, was Familie und Haus betraf, in meiner Verantwortung lag , das Anlehnungsbedürfnis bei ihm nicht mehr und irgendwie kein Gefühl. Ich weiß nicht, ob das alles noch einen Sinn macht. Ich fühle eher sowas wie Freundschaft, weil wir jetzt reden können, was es vorher nicht gab, und Verantwortung für ihn und Mitleid.

    Bei mir gab es auch einen Interessenten, als mein Mann noch getrunken hat. Durch ihn ist das alles erst ins Rollen gekommen. Ich bin ihm aus dem Weg gegangen und kenne ihn kaum. Aber diese Begegnung hat mich nicht kalt gelassen. Ich habe mich gefragt, warum ich immer lieber in mein liebloses Chaos zurückgehe ohne mir die Chance zu geben, diesen Menschen mal kennenzulernen, der ja evt. ein besseres Leben bedeuten könnte (oder auch nicht).
    Mein Mann hat das mitgekriegt, gedacht dass ich fremdgehe und ist endlich aufgewacht, hat endlich geglaubt, dass ich ihn verlassen werde, wenn er nichts tut.
    Seitdem ich beschlossen habe, doch erstmal hierzubleiben, schwirrt diese Begegnung wieder in meinem Kopf rum, obwohl das Schwachsinn. Ich glaube, es ist gar nicht er, sondern das Gefühl, das ich vermisse, was ich bei meinem Mann nicht mehr empfinden kann.
    Ich weiß nicht, ob man das nach vier Wochen schon sagen kann , ob das jemals wieder anders wird.(vor vier Wochen wollte ich ausziehen).
    Mein Mann will, das ich endlich wieder auftaue. Das geht doch aber nicht so einfach wie er das denkt. Ich tue ihm nur weh.

    LG Eklisee

  • Danke Yvonne,

    ich werde versuchen. Ich denke, dieses Forum gibt mir Kraft.
    Es hat schon viel geholfen, hier mal zu lesen und zu wissen, das es Leute gibt, die ähnlich fühlen wie ich.

    Wünsche allen eine erholsame Nacht mit schönen Träumen.

    LG Eklisee :D

  • Hallo Aurora,

    so viele Beiträge schon habe ich gar nicht erwartet. Ich freue mich, dass ihr alle da seid.

    Schön, dass du deinen Weg schon so gefunden hast.
    Ich glaube keine Liebe mehr zu empfinden, jedenfalls jetzt nicht, eher Mitgefühl.
    Nur für mich gesehen, wäre der Abstand schon richtig gewesen um herauszufinden, was für mich gut ist. Wir hätten uns aber keine zwei Haushalte leisten können. Ich hatte Angst, das alles in der Katastrophe endet und das mein Kind zu sehr leidet. Es ist zwar eigtl. erwachsen, aber ich will, dass es erst die Ausbildung beenden kann. Ich habe mir auch Vorwürfe gemacht dass ich den beiden so gar keine Wahl gelassen habe, mitzuentscheiden , wie das jetzt am besten zu lösen geht. Wir haben abgemacht, dass wir , wenns nicht geht mit uns, eine Lösung finden, mit der alle vernünftig leben können. Ich kann mir allerdings nur vorstellen, das wir dann unser Haus verkaufen müssten. Ich bin dem ganzen irgendwie noch nicht gewachsen. Aber der momentane Zustand ist auch belastend.

    LG Eklisee

  • Liebe Eklisee!

    Ich war auch schon fast weg, da ist er aufgewacht.
    In einer Woche beginnt die Therapie, 8 Wochen stationär.
    Vieles hat sich entspannt, wir können wieder lockerer miteinander umgehen. Aber ich halte meine gezogenen Grenzen ein, auch wenn er der Meinung ist dass ich jetzt mal lockerlassen könnte. Was wird?
    Ich weiss es nicht, ich kann sagen das die guten Tage wieder mehr werden, aber ich merke immer wieder wie dünn das Eis ist auf dem wir uns bewegen. Kleine Uneinigkeiten und schwups sind wir wieder im alten Muster, auch ohne Alk. Das zeigt mir dass es eben nicht reicht wenn er trocken ist. Wir müssen an uns arbeiten. Ich hatte die Hoffnung wenn er trocken ist, dann wird schon alles. So einfach ist es nicht.
    Ich mache eine Verhaltenstherapie, und das hilft mir alles klarer zusehen. Das ist mein Weg, aber vielleicht auch eine Möglichkeit für dich?
    Ich wünsche dir Kraft!
    Ganz liebe Grüße CLärchen

  • Hallo Eklisee,

    wenn ich deine Beiträge lese, sehe ich, dass du meinst, die ganze Verantwortung alleine zu tragen, tragen zu müssen.

    Du schreibst an Leonie, dass du es geschafft hast, deinen Mann zur ambulanten Therapie zu überreden. Das ging nicht so gut, deshalb macht er nun eine stationäre, und du schreibst, dass du es für ihn richtig findest so. Was sagt eigentlich dein Mann dazu? Will er denn das überhaupt? Denn was du findest, welche Therapie für ihn richtig ist oder ob er es überhaupt will, ist egal. Er muss es wollen!

    Du schreibst auch, dass alles zuhause in deiner Verantwortung lag/liegt, Haus, Familie usw. Das ist ja immer der Fall in Beziehungen zwischen Alkoholiker und Coabhängigem, der Co übernimmt die Verantwortung für alles, entmündigt sozusagen den Abhängigen. Der das auch geschehen lässt, weil es ihn in Ruhe seiner Sucht nachgehen lässt, es ist bequem. Der Co fühlt sich stark und gebraucht, ohne ihn geht eben nix... Und das geht dann so, bis es nicht mehr geht, kräftemäßig. Der Co vergisst sich selbst darüber.

    Dass du nun für ihn Mitgefühl, Mitleid empfindest, das kann ich gut nachvollziehen, denn diese Gefühle hatte ich auch! Ich habe mich auch nach der Trennung noch immer verantwortlich für meinen Exmann gefühlt! Ich habe immernoch gedacht, alles steigt und fällt nur mit mir... Ich dachte immernoch, ohne mich geht er unter. Ich fühlte mich noch immer so mächtig und unabkömmlich. Nach und nach habe ich aber begriffen und gelernt, dass ich keine Verantwortung für ihn habe, denn er ist erwachsen! Es liegt nicht in meiner Hand. Das einzige, was in meiner Hand liegt, ist mein eigenes Leben! Dein Mann ist genauso erwachsen, er kann alleine Verantwortung tragen für seine Handlungen. Auch wenn es ihm dann weh tut. Traust du ihm nicht zu, dass er es kann? Warum sollte er es nicht können?

    Du schreibst

    Zitat

    Nur für mich gesehen, wäre der Abstand schon richtig gewesen um herauszufinden, was für mich gut ist.


    Das ist der Hauptsatz! Ja, es wäre für dich richtig, Abstand zu haben um zu sehen, was du willst. Du hast da zugunsten anderer, deines Mannes und Sohnes, einfach deine eigenen Empfindungen und Bedürfnisse über den Haufen geworfen. Du willst ihnen nicht weh tun... und nimmst damit in Kauf, dir selbst weh zu tun. Denk mal drüber nach.

    Was heißt, ihr leistet euch zwei Haushalte... Genau dieses Argument hat mein Ex auch immer gehabt, damals. "Wir leisten uns 2 Haushalte, na ja, das geht schon mal. So lange, bis du wieder normal geworden bist!" :shock: Sowas hat er dauernd zu mir gesagt, damals. Ich hatte dann immer den Einwand, dass es ja einen Grund gehabt hatte, dass ich mich getrennt hatte. Und ich hatte dabei massig Schuldgefühle, weil ich mir was rausnahm, was mir anscheinend garnicht zustand...Gut, dass ich da dem Druck standgehalten habe, den ich fühlte. Einmal war ich sogar so weit, alles hinzuschmeißen und zurück zu gehen. Nur um den Druck, diese Schuld nicht mehr spüren zu müssen.

    Ich sehe es so, dass du es dir leistest, dir eine Wohnung zu nehmen, um endlich in Ruhe durchatmen und zu dir finden zu können. Oder? Na klar gibt es da finanzielle Gründe, aber da gibt es sicherlich Wege, das zu regeln. Ich kann auch verstehen, dass du an dem Haus hängst. Bei mir war es damals die Eigentumswohnung. Und in dem Wohnhaus, wo die ist, leben ja auch meine Eltern... Das hat mich lange dort gefesselt. Ich wollte doch da nicht weg! Und die Kinder, ich konnte denen doch nicht das Elternhaus kaputt machen...

    All solche Gedanken hatte ich ja auch lange Jahre! Das waren Argumente, um mich zu beruhigen, um mich zu rechtfertigen, warum ich nicht handeln musste! Denn das wäre mir damals unmöglich gewesen. Ich bin heute noch heilfroh, dass ich irgendwann, durch winzige Schritte, die ich machte, dann dazu in der Lage war, all das zu ändern. Mein Leben ist heute sehr glücklich und frei!

    Du schreibst

    Zitat

    Ich bin dem ganzen irgendwie noch nicht gewachsen. Aber der momentane Zustand ist auch belastend.


    Gut, das ist doch eine Aussage. Du fühlst dich dem Ganzen noch nicht so ganz gewachsen. Das ist doch ganz klar, Veränderungen machen immer Angst. Du kannst aber dafür sorgen, dass du ganz langsam immer ein Stück mehr weitergehst, für dich. Lernst, Grenzen zu setzen und dich selbst mit deinen Gefühlen ernst zu nehmen. Lernst, deinen Mann loszulassen, damit meine ich, ihm seine Eigenverantwortung wiederzugeben. Indem du dich hier austauschst, machst du ganz viel für dich! Du kannst dich selbst reflektieren, bekommst Feedback und dadurch wirst du immer mehr nachdenken und handeln können. Wenn du es willst!

    Ich will dich auch nicht zur Trennung überreden. Ich möchte dich einfach aufmerksam machen für dich selbst und deine Bedürfnisse. Dass du siehst, was heute für dich gut ist. Denn heute lebst du und legst deinen Grundstock für morgen. So war es jedenfalls bei mir. Ich gebe dir hier ja meine eigenen Erfahrungen wieder. Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Eklisee,

    ich persönlich denke, daß es richtig schwer für Co´s sein kann, wenn der nasse Alkoholiker trocken wird. Denn da gibt es einige Belastungsfaktoren, von denen auch ich, als Partnerin eines seit einigen Wochen trockenen Mannes, einige kennengelernt habe, z.B.:

    - das Mißtrauen. Man wurde, gerade wenn man Partnerin eines ehemaligen Spiegeltrinkers war, zu oft bzgl. des Alkoholtrinkens getäuscht. Gerade der Spiegeltrinker trinkt oft heimlich, man merkt`s ihm kaum oder stundenweise auch gar nicht an. Woher soll man nun als Angehörige die Sicherheit nehmen, dass er nun wirklich gar nix mehr trinkt?
    - die Angst, daß er wieder umkippt und das ganze Elend wieder von vorne anfängt.
    - der Umgang mit dem Perspektivenwechsel, den der nasse Alkoholiker eingenommen hat. Jahrelang hat man sich Entschuldigungs- und Rechtfertigungserklärungen bzgl. des Trinkens angehört und teilweise auch geglaubt. Nun plötzlich soll alles anders sein, sich die Denkstrukturen geändert haben. Irgendwie zweifelt man nun auch dran, ob man den trockenen Alkoholiker überhaupt noch ernst nehmen kann.
    - die Rollenveränderung. Als Partnerin eines nassen Alkoholikers übernimmt man im Laufe der Zeit immer mehr Verantwortung. Man wird automatisch der Macher, der Aktivere, vielleicht auch der Stärkere in der Beziehung. Der trockene Alkoholiker will sich nun aber seine Fähigkeiten, sein Terrain zurückerobern. Das zuzulassen, fällt oft schwer.
    - der Zeitfaktor: Oft hört der Alkoholiker ausgerechnet zu dem Zeitpunkt mit dem Trinken auf, an dem sowohl er als auch seine Partnerin am absoluten Tiefpunkt angekommen sind. So wie es auch bei Dir war. Nichts ging mehr. Du warst völlig ausgelaugt, wolltest Dich trennen, da ist Dein Partner aufgewacht. Nur: Erschöpft bist Du vermutlich immer noch und angespannt ihm gegenüber und mißtrauisch
    - Der Umgang/die Aufarbeitung der während der nassen Zeit erlittenen Verletzungen der Partnerin. Dein Mann hat Dich in seiner nassen Zeit sicher oft ungewollt massiv verbal verletzt. Nun ist er plötzlich als Trockener ganz anders, aber Dein Schmerz über das was war, Dein Groll ist damit natürlich nicht verschwunden. Eigentlich müsste die Vergangenheit behutsam und gründlich, am Besten mit professioneller Hilfe, aufgearbeitet werden.

    Fazit: Wenn ein Alkoholiker trocken wird, mit dem man jahrelang gelebt hat, als er noch nass war, ist das ein irrer Umbruch für die Partnerin und auch eine echte Belastungssituation, anfangs für einige schwieriger auszuhalten, da neu und ungewohnt, als die vorhergegangene Trinkerei des Partners.

    Nicht umsonst trennen sich viele Partner von Alkoholikern erst dann, wenn der Alkoholiker trocken geworden ist. Weil diese Veränderung des Partners einfach alles auf den Kopf stellt und außerdem noch ganz anders abläuft, als man es sich zu den nassen Zeiten des Alkoholikers romantisch vorgestellt hat. :wink:

    Ich denke, da ist der Erfahrungsaustausch mit anderen Leuten, die Ähnliches erlebt haben, ganz wichtig. Die können Dir dann vielleicht erzählen, daß es ihnen genauso erging wie Dir und Dir sagen, welche Wege sie zur Lösung dieser Probleme beschritten haben.

    Nun wünsche ich Dir aber erstmal einen guten Tag und eine gute Zeit. :)

    Herzliche Grüße
    Leonia

  • Hallo Ihr lieben,

    jetzt komme ich endlich dazu, mich zu bedanken für euren Beistand und eure Gedanken.

    Ich bin montags bis donnerstags mind. 10 Stunden unterwegs. Habe dann noch bei meiner Walkingrunde Sauerstoff durch mein Gehirn geblasen und hatte noch einiges zu erledigen.
    Ich war aber in der Frühstückspause schon mal auf eure Beiträge neugierig. Es war sehr interessant. Ich kann das gar nicht so schnell verarbeiten und weiß jetzt zu so später Stunde nicht, ob ich das alles so schnell beantwortet kriege.
    Mein Mann ist heute auch wieder etwas bockig, weil ich mich nicht auf Schritt und Tritt von ihm verfolgen lassen möchte. Er guckt immerzu was ich mache, wie ich gucke u. will an allem teilhaben.
    Ich verstehe das auch, er will jetzt wieder alles mit mir teilen, aber kriege langsam Verfolgungswahn davon.

    Hallo Clärchen,
    ja bei uns ist es auch so. Wenn einer nicht so will wie der andere, gibt’s auch ohne Alk endlose Diskussionen (nur mit mehr Niveau als früher), hauptsächlich, wenn es um unser jetziges Zusammenleben geht.
    Ich soll doch nicht ständig in der Vergangenheit rumrühren und positiv in die Zukunft schauen.
    D.h. ich soll mich wieder voll auf ihn einlassen und alles ist wieder schick. Das geht aber nicht so einfach. Ich will ihm keine Vorhaltungen von früher machen. Aber das kommt so durch, wenn er nicht versteht, dass ich jetzt so bin, wie ich bin und eben nun mal jetzt so fühle.

    Versuche die Zeit, in der dein Partner die Therapie macht, intensiv für dich zu nutzen und zur Ruhe zu kommen. Ich habe mich in der Zeit viel zu fertig gemacht, meinte ich müsste, bis er wieder da ist, unbedingt eine Entscheidung treffen. Das geht aber nicht unter Druck.
    Allerdings habe ich die Zeit auch genutzt, um alte Freundschaften aufzufrischen, die mir jetzt sehr wichtig sind. Hatte vorher auch Freundinnen. Aber jetzt habe ich wieder mehr Kontakt zu meinem früheren Heimatort. Das tut mir sehr gut.
    Erst hat mein Mann nur rumgejault, wie schlecht es ihm dort geht und hatte es schwer mit den strengen Regeln dort. Dennoch hat er dort viel für sich mitnehmen können und ist jetzt froh, dass er die Therapie gemacht hat.

    Hallo Aurora

    Zitat

    Du schreibst an Leonie, dass du es geschafft hast, deinen Mann zur ambulanten Therapie zu überreden. Das ging nicht so gut, deshalb macht er nun eine stationäre, und du schreibst, dass du es für ihn richtig findest so. Was sagt eigentlich dein Mann dazu? Will er denn das überhaupt? Denn was du findest, welche Therapie für ihn richtig ist oder ob er es überhaupt will, ist egal. Er muss es wollen!


    Das mit der stationären Therapie war die Idee meines Mannes. Er hatte den Eindruck, dass ihm die ambulante nicht ausreicht. Nicht mal wegen des Alk, aber für die Psyche. Er meinte, dann hätte ich meinen gewünschten Abstand. Zu dem Zeitpunkt begriff er aber noch nicht, dass er es für sich tun muss. Er tat es nur, um unsere Ehe zu retten.

    Zitat

    Der Co fühlt sich stark und gebraucht, ohne ihn geht eben nix... Und das geht dann so, bis es nicht mehr geht, kräftemäßig. Der Co vergisst sich selbst darüber.


    Richtig, das mit dem Gebrauchtwerden wurde mir irgendwann zu viel. Ich merke jetzt erst, wie kaputt ich eigentlich bin.

    Zitat

    Dein Mann ist genauso erwachsen, er kann alleine Verantwortung tragen für seine Handlungen. Auch wenn es ihm dann weh tut. Traust du ihm nicht zu, dass er es kann? Warum sollte er es nicht können?


    Ich traue ihm das schon zu. Aber es tut weh, ihn so zu verletzen, jetzt wo er verzweifelt versucht, alles wieder gut zu machen. Und dann noch das Gehühl, das ich Schuld bin, wenn er wieder abrutscht.( Ich weiß, das ist nicht richtig.)
    Allerdings hat uns ja auch keiner gefragt, wie es uns vorher in all den Katastrophen erging.

    Zitat

    Ich möchte dich einfach aufmerksam machen für dich selbst und deine Bedürfnisse. Dass du siehst, was heute für dich gut ist. Denn heute lebst du und legst deinen Grundstock für morgen. So war es jedenfalls bei mir. Ich gebe dir hier ja meine eigenen Erfahrungen wieder. Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.


    Das ist ein guter Ansatz. Danke dafür. Vielleicht sollte ich noch mehr auf mein Inneres hören und mit dem Tempo vorwärts gehen, das mir gut tut und mich nicht überfordert. Alles zu seiner Zeit, habe nur Angst, damit nur wieder alles aufzuschieben und zu kneifen.

    Hallo Leonia,
    ja meinem Mann hat man auch oft nicht gleich angemerkt, dass er was getrunken hat. Ab einem gewissen Punkt aber habe ich bloß in seine Augen schauen müssen, um zu sehen was los ist. Vernünftig unterhalten konnte man sich auch nicht mehr. Man konnte ihn nicht mehr für voll nehmen und hat mit der Zeit jeglichen Respekt verloren.
    Nun steht da ein völlig neuer Mensch, selbstbewusst, umgänglich und mit so viel Lebensmut, aber doch so fremd, dass ich mich nicht darauf einlassen kann.
    Und dann wahrscheinlich auch noch die versteckte Angst, es könnte doch alles wieder kippen. Und man wird ja auch nicht jünger, will doch einfach nur mal ganz ... normal… leben!

    Ja zum Thema Therapie: Ich sollte vielleicht mal drüber nachdenken, habe ich auch schon. Mein innerer Schweinehund hat es noch nicht zugelassen. Zeitlich gesehen auch schwierig zu gestalten.
    Fühle mich so ausgelaugt. Die Therapien sind alle nicht am Ort und passen schlecht zu meinen Arbeitszeiten. Aber mein Mann schafft es ja auch, die Therapie ambulant fortzuführen.
    Aber der Anfang ist, dass ich euch gefunden habe, Danke, dass ihr da seid.

    Übrigens fahren wir am Samstag in den Urlaub eine Woche. Mal sehen, ob die Nähe nicht zu viel wird.
    Das war auch solche Blitzreaktion nach meinem Entschluss, es noch mal zu versuchen. Na mal sehn...

    Schlaft schön,
    würde mich freuen, wieder was von euch zu hören.

    ganz liebe Grüße von Eklisee

  • Hallo Eklisee,

    du setzt dich ja ganz schön mit deiner Situation auseinander, das finde ich gut. Denn dadurch kann dann ja auch was passieren. Ja, wenn du auf dein Inneres, deinen Bauch, deine Gefühle hörst, wirst du viel für dich bewegen können. Einfach dich wichtig nehmen, zuerst, nicht alle anderen, das ist ein guter Schritt. Und ziemlich schwierig...

    Mir ging's ja ähnlich wie dir. Mein Exmann wurde trocken und wir eierten umeinander rum. Es waren zwei Wohnungen, trotzdem hingen wir an meinen freien Tagen ständig zusammen. Weil ich einfach zu feige war, da eine Grenze zu setzen. Denn - ich wollte ihm doch nicht weh tun. Und - ich hatte Angst, dass er dann wieder trinken würde und ich hätte dann Schuld...

    Das mit der Schuld am Trinken saß tief bei mir, aber auch das ist zu schaffen, sich von diesen Gedanken zu befreien. Ich habe viel bei den Alkoholikern hier gelesen, da habe ich viel erkennen können. An dem Muster, an dem es läuft. Und dadurch wusste ich ja auch, ich hatte niemals Schuld an seinem Trinken und würde auch niemals welche haben. Es hat schon gedauert, bis es ankam, vom Kopf in den Bauch!

    Aber indem ich mich mit mir selbst auseinander gesetzt habe, klappte das immer besser, denn der Fokus lag ja auf mir, nicht mehr auf ihm. Auch mein Ex wollte nicht reden, was mal war. Er wollte ein dunkles Tuch über all die Jahre legen und jut is. Er wollte einfach weiter machen, als wäre nie was passiert. Ich konnte das nicht, und wir hatten dann endlose Diskussionen und Streitgespräche. Und er warf mir dann wieder vor, ich wäre ja eh Schuld gewesen daran, dass er getrunken hatte, und ich rechtfertigte mich und die Trennung permanent. Beschuldigte ihn für all mein Leid, das ich "erduldet" hatte, all die Jahre. Es ging nur im Kreis. Da passierte kein Schritt. Es konnte für mich erst da was in dieser Richtung Aufarbeitung passieren, als ich es für mich machte. Nicht mehr, um von ihm Entschuldigungen zu bekommen oder das Eingeständnis, dass ich es recht getan hatte, mich zu trennen. Sondern als ich erkannte, nach welchen Mustern ich denn so gelebt hatte und wie hoch mein eigener Anteil an diesem ganzen Leben gewesen war! Das schaffte ich anzusehen, durch die Auseinandersetzung hier im Forum und durch die Therapie, die ich dann machte. Und es ging dann da um mich...

    Wichtig ist doch, ganz erstmal, dass du da lernst, Grenzen zu setzen, klipp und klar. Du machst das ja auch schon, indem du dir z.B. deine Freundschaften wieder aktivierst. Du darfst dir Freiräume schaffen und es dir gut gehen lassen, auch ohne ihn. Na klar muckt er da rum, denn das ist neu! Und unkomfortabel für ihn, vielleicht, wenn du nicht da bist. Und er muss sich mit sich selbst auseinander setzen. Auch das muss er ja lernen... Veränderungen machen erstmal Angst, und du veränderst ja gerade. Da muss er sich schon daran gewöhnen. Konsequenz und Klarheit von deiner Seite ist da sehr wichtig, und du wirst merken, wenn du konsequent und klar für dich einstehst, ihm Grenzen setzt, wird er sie auch akzeptieren. Nach der Zeit des Aufmuckens und Probierens, ob er dich nicht doch wieder aufweichen kann...

    Reden ist gut, aber die Gespräche sollen dann nicht aus Anschuldigungen oder Rechtfertigungen bestehen. Du kannst ihm doch sagen, wie du dich gefühlt hast, all die Jahre, ohne Wertung. Also nicht:"Du warst Schuld, weil dies und das war es mir so ging." Sondern:" Ich habe mich im Stich gelassen gefühlt..." oder " das hat mir weh getan..." oder so in der Art.

    Boah, deine Geschichte erinnert mich sehr an meine damals, deshalb schreibe ich dir wohl solche Romane. Ich hoffe, es kommen für dich da ein paar Denkanstöße heraus.

    Liebe Grüße von
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Ach Aurora,

    deine „Romane“ tun mir gut. Schön zu wissen, dass man nicht die einzige mit solchem Kopfsalat ist.
    Ja ich setze mich damit auseinander, weil ich es gewohnt bin meine Probleme angehen zu wollen und mich nicht unterkriegen lassen will. Ich bin eigentlich ein lebenslustiger Mensch, und hab es satt, mich fast permanent mies und ausgelaugt zu fühlen und rumzujammern. Das bin ich nicht!

    Lange Zeit ging es noch. Er hatte für kaum noch was Interesse. Da habe ich eben gesehen, dass ich mir mein Leben, früher mit den Kindern, so schön wie möglich mache. Habe mich viel mit Freundinnen getroffen, bin meine eigenen Wege gegangen. Anfangs gab es Stress, später war er scheinbar froh, seine Ruhe zu haben und ungestört trinken zu können.

    Du bist schon so viel weiter als ich. Freue mich, dass es dir dabei so gut geht.
    So wie du geschrieben hast, bist du ausgezogen, als er noch getrunken hat? Das hätte ich auch machen sollen. War immer zu feige, wegen der schwierigen Umstände. Du hast dann deine Kinder genommen und bist weggezogen, obwohl deine Eltern dort auch gewohnt haben? Naja, ich dachte ja auch mal, soll doch er gehen, hat eh kein Interesse mehr an allem. So habe ich gedacht, als die Kinder noch klein waren und meine Arbeit am Ort. Aber die haben ja unter Alk gar keine Kraft und kein Motiv, auszuziehen und ihr Leben in die Hand zu nehmen.
    Ich wollte in meinen Heimatort ziehen, der nicht weit weg ist. Dort leben meine Eltern und meine neuen alten Freunde hatten mich schon verplant. Eigentlich hatte ich mich schon gefreut auf das freie Leben. Dann habe ich ja die Panik gekriegt und sitze scheinbar in der alten Sackgasse.
    Aber etwas ist vielleicht gut daran. Ich probiere es jetzt nochmal nach der Therapie, lasse uns noch etwas Zeit. Wenn es dann nicht geht, dann weiß ich es genau. In einem Jahr hat mein jüngstes Kind die Ausbildung beendet, wird neue Wege gehen. Bis dahin werde ich hoffentlich schlauer sein.
    Oder ich halte es nicht aus, weil ich ständig gedrängt werde, es doch probieren zu müssen.

    Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, hier mal zu lesen. Wenn ich zu Hause bin, werde ich ständig beobachtet. Naja ist ja bald wieder Herbst und Winter, schrecklich.

    LG Eklisee

  • Liebe Eklisee,

    du wirst zuhause ständig beobachtet :shock: . Das finde ich krass! Kannst du dir denn da keinen Raum für dich schaffen? Da muss aber eine Grenze gesetzt werden.

    Ich habe damals auch gedacht, soll doch der Exmann ausziehen. Habe sogar nach Wohnungen für ihn gesucht und geguckt :shock: . Einen Teil meiner Geschichte kannst du hier https://beispiel.rocks/beispiel.rocks…opic7064-0.html nachlesen, aber meine ganze Aufarbeitung, mein Weg steht in meinem Tagebuch im geschlossenen Bereich.

    Ja, ich dachte, er soll machen. Er soll aufhören zu saufen. Er soll "normal" werden. Er soll was machen. Er soll ausziehen...

    Er wollte aber nicht. Er fand sein Leben gut, so wie es war. Ich fand mein Leben nicht gut, also begriff ich irgendwann, dass ich was machen muss, wenn ich was verändern will. Denn er wollte, dass es so bleibt, aber ich nicht. Das hat aber schon gedauert, bis ich das konnte. Ich habe mich nach 26 Jahren Zusammenlebens getrennt... Viele Jahre davon war ich unglücklich. Habe später gehadert, warum ich es so lange "ausgehalten" hatte. Warum ich mir hatte so lange alles gefallen lassen. Ich suchte nur die Schuld bei ihm...

    Aber irgendwann wurde mir bewusst, dass ich ja jederzeit hätte gehen können, wirklich, jederzeit! Niemand hat mich gezwungen, da zu bleiben und auszuhalten. Das war nur ich selbst, weil ich es gebraucht habe, weil ich es nicht anders konnte und wusste.
    Du musst das auch in deinem eigenen Tempo machen, niemand kann dich zur Trennung zwingen. Das ist klar. Du bist erwachsen und kannst selbst für dein Wohlbefinden sorgen. Und wenn du noch was Zeit brauchst, dann ist es eben so.

    Aber nur nicht stehen bleiben, beim Zeitbrauchen. Auch da kannst du was machen für dich. Dein Leben ganz langsam umlenken in Bahnen, wie sie dir gut tun. Und ehrlich hinsehen, was du nun willst.
    Ist da Liebe? Ist er es dir wert?
    Lernen, dich abzugrenzen.
    All sowas.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Aurora,

    ja, es ist zur Zeit schlimm.

    Er hat früher mal Schichten gearbeitet, da hatte ich ab und zu mal Zeit für mich. Während seiner Therapie habe ich mich erst recht daran gewöhnt, mein Ding zu machen. Jetzt arbeitet er nicht mehr in Schichten und ist immer da, wenn ich da bin. Damit kann ich nicht umgehen.
    Dabei verstehe ich ihn sogar. Er will jetzt alles richtig machen, mir das Gefühl geben, für mich da zu sein. Das habe ich ja früher vermisst. Aber weil ich ehrlich bin und ihm oft genug gesagt habe, dass mich das überfordert und ich im Moment nichts für fühlen kann, beobachtet er ständig meine Gemütslage und hofft, dass sich das bald ändert. Mich macht das aber wahnsinnig. Ich sage ihm, dass ich Zeit für mich brauche, dann lässt er mich auch in Ruhe, meistens mit einem zynischen Spruch. Später entschuldigt er sich immer dafür und sagt, er wüsste ja, dass ich das brauche, es fällt ihm schwer. Immerzu höre ich den Satz: Wir müssen es doch versuchen, sonst kann es doch nicht gehen. Und ich soll nicht immer alles so negativ sehen. Wie soll ich denn was versuchen, wenn ich es nicht fühle und was glaubt denn er zu wissen, was negativ oder positiv für mich ist? Ich sage ihm das auch so, aber er begreift es nicht, er will es nicht begreifen.

    Jetzt ist er gerade krankgeschrieben, hat sich den Fuß verletzt. Er hat scheinbar lange Weile, ist überempfindlich und wird immer bockiger.
    Warum ich hier geblieben bin, weißt du ja. Eigentl nur wegen meinem zu Hause, weil es weh tut u. so viel dranhängt, nicht wirklich wegen ihm. Ich drehe mich im Kreis.

    Naja, morgen habe ich frei und muss noch viel machen. Samstag fahren wir in den Urlaub. Meine Blitzentscheidung nach dem ich Umzug abgeblasen hatte. Vielleicht bin ich ja danach schlauer. Aber langsam habe ich gelernt, dass das so schnell nicht geht mit dem Entscheiden. Vielleicht geht danach gar nichts mehr. Obwohl, wenn wir was gemeinsam unternehmen, geht das ganz gut mit uns. Dann ist alles lockerer. Bei mir steht dann aber immer die Unternehmung im Vordergrund und nicht mehr die gemeinsame Zeit. Schade, aber es ist leider so.
    Auf die See freue ich mich jetzt. Wir waren nicht oft im Urlaub. War ja immer zu wenig Geld da.

    Es ist aber auch verzwickt. Jedes Mal, wenn ich auf Arbeit bin, fühle ich irgendwie anders und freue mich auf zu Hause, wenn ich dann hier bin, holt mich die Realität wieder ein. Als ich noch entschlossen war auszuziehen, Hatte ich auf Arbeit Panik davor, wusste aber zu Hause, dass ich weg muss, bis ich dann nur noch Panik hatte. Ich hatte ja schon fast eine Wohnung, hat sich nur mit der Wartezeit so lange hingezogen. Wenn das nicht gewesen wäre, würde ich wahrscheinlich nicht mehr hier sein. Ist doch bekloppt, oder?

    Ach Aurora, ich schreibe auch Romane :wink:
    Werde mal bei dir lesen, mal sehn ob ich es vorm Urlaub noch schaffe.

    LG Eklisee

  • Hallo Eklisee!

    Ich wünsche dir einen schönen Urlaub, grüß mir die See!

    Ich weiss wie du dich fühlst. Unter der Lupe......!
    Aber wenn du gar nicht mehr da sein möchtest, wenn du nur wegen deinem Zuhause da bist, hat er dann überhaupt eine Chance? Oder strampelt er ganz umsonst?
    Ich wünsche dir bald darüber Klarheit, auch für ihn.
    Ich bin ja in einer ganz ähnlichen Situation, aber ich hoffe doch auch sehr das wir einen neuen Zugang zueinander finden.

    Eine schöne erholsame Zeit für dich!

    liebe Grüsse Clärchen

  • Liebe Eklisee,

    ich kann dich gut verstehen, denn so ähnlich war es ja bei mir auch. Nur dass ich eben schon ausgezogen war.

    Mein Exmann hat alles versucht, mich wieder zurück zu holen. Er war spendabel, auf einmal, was mich sehr verunsichert hat. Denn "normalerweise" war er nicht spendabel. Er hörte mir zu, auch was Neues. Er machte Erledigungen für mich. All sowas. All das, was ich mir gewünscht hatte, viele, viele Jahre lang, das machte er auf einmal. Und - er klammerte wie eine Klette an mir. Für seine Dienste wollte er natürlich was wiederhaben. Er bestand darauf, dass wir unsere Freizeit zusammen verbrachten, bzw. meine Freizeiten, denn er ist ja frühberentet. Und er bestand darauf, dass ich die Vergangenheit ruhen lassen sollte und sehen sollte, jetzt ist er doch so viel besser. Er würde sogar inzwischen bügeln...

    All das zeigte, meiner Meinung nach, seine Angst vor der Zukunft, ohne mich. Angst vor Veränderungen.

    Und ich? Ich war unsicher, voller Schuldgefühle und Verantwortung für ihn und sein Wohlbefinden. Ich hatte Angst, dass er wieder trinken würde, wenn ich "zu hart" mit ihm umspringen würde. Ich traute mich nicht, Grenzen zu setzen, "Nein" zu sagen, "Stopp". Aber ich wusste, ich liebe ihn nicht mehr, irgendwann wusste ich das ganz klar. Ich wusste, da wird nichts mehr, was mich befriedigen könnte, was ich schön finden würde mit ihm zusammen. Ich konnte erkennen, es zählt das, was ich empfinde, ich muss nichts machen, nur damit er sich gut fühlt. Mir muss es gut gehen!

    Da lernte ich eben, "Nein" und "Stopp" zu sagen, und endlich hatte ich meine Freiräume. Ich habe mich bei den ersten "Neins" hundeelend gefühlt, aber ich habe es ausgehalten, dieses Gefühl. Und nach und nach wurde es leichter und die schlechten Gefühle weniger. Dafür fühlte ich mich immer selbstbestimmter.

    So, wieder halber Roman.

    Ich wünsche dir jetzt erstmal einen schönen Urlaub. Mit Zeiten nur für dich. Ich wünsche dir, dass du etwas sortieren kannst in deinem Kopf, dass du Klarheit bekommst. Und dass du Kraft sammeln kannst für die nächsten Schritte.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Ihr Lieben, :)

    vielen Dank euch erstmal.

    Wie immer das selbe, ich habe endlich frei, muss noch so viel machen u. wache schon fix und fertig mit Kopfschmerzen auf. Das ist oft so, an dem ersten Tag, nachdem der Stress der Woche abgeklungen ist.
    Naja, nach viel Kaffe geht es jetzt einigermaßen.

    Ach Aurora, ja ich weiss,ich muss wohl nur an mich denken, tue mich aber schwer mit dem Egoismus ihm gegenüber. Er ist ja auch nur ein Mensch, der sich einen Weg für sich wünscht.


    Ja Clärchen

    Zitat

    hat er dann überhaupt eine Chance? Oder strampelt er ganz umsonst?

    Kann sein, das ist auch so ein Problem, ich habe das Gefühl ihn hinzuhalten. Das kann doch nicht gut sein. Ich bin ehrlich mit ihm u. sage ja, dass ich jetzt nichts fühlen kann. Er wollte dann schon mal wissen, ob das zu 100% meine Meinung ist. Wie soll ich das denn wissen? Er kann mir doch auch nicht versprechen, dass er zu 100% trocken bleibt.
    Du bist ja gleich allein in den Urlaub gefahren :wink: , vielleicht besser so.
    Vor der LZT wäre ich auch nicht so lange mit ihm weggefahren..

    Na mal sehen, was der Urlaub bringt.

    Ganz liebe Grüße
    von Eklisee

  • Hallo eklisee,

    tja, die Anfangsphase, in der der vorher nasse Alkoholiker plötzlich trocken ist und unter seiner Alkoholhaube hervorschlüpft, kann ganz schön anstrengend für den Partner sein. :roll:

    Da verändert sich dann schon so einiges, z.B.: wie in Deinem Fall, dass der vorher antriebslose Partner, der vermutlich am Feierabend überwiegend geschlafen hat oder apatisch irgendwo rumhing, plötzlich wach ist, gemeinsam Zeit verbringen will, einen vielleicht beobachtet etc. Da geht erstmal ganz schön viel eigener Freiraum, den man vorher hatte, verloren und oft ist es schwierig, sich auf die neue, veränderte Situation einzustellen.

    Denn der nasse Partner hatte zwar für den Partner, der ja in der Regel nicht nur Partner sondern leider oft auch co-abhängig ist, viele Nachteile, aber eins war er bestimmt: Pflegeleicht, da er viel Schlaf brauchte oder oft alkoholbedingt wenig handlungsfähig war.

    Natürlich gibt es noch viele andere Härten und Stolpersteine für den Co, wenn der Partner trocken lebt. Die Angst, die man hat, dass der Partner rückfällig wird; die Tatsache, dass man dem trockenen Alkoholiker wieder Aufgabenbereiche überlassen muss, die man vorher in Eigenregie hatte usw.

    Ich bin ja selber auch in der Situation, dass mein Partner nun, für mich überraschend, seit einiger Zeit trocken ist und sich seitdem andauernd was verändert. Sowohl bei ihm, als auch bei mir. Ich habe sogar den Eindruck, diese Entwicklung geht so rasant, dass ich mich richtig anstrengen muss, um mithalten zu können.
    Denn ich muss ja von meiner vertrauten und nicht ganz ungeliebten Co-Rolle, die ich in der Beziehung ausgeübt habe, Abschied nehmen und glaub`mir, so einfach ist das nicht! :(

    Mir hilft dabei der Austausch in einer realen Selbsthilfegruppe, in der Angehörige von Alkoholiker sind, am meisten. Denn da erfahre ich, dass genau das, was Du und ich, wenn auch in abgewandelter Form, gerade erleben, einige andere Angehörige von Alkoholikern schon hinter sich haben und höre auch, wie sie mit dieser Situation umgegangen sind.
    Ich kann Dir nur empfehlen, da mal reinzugehen.

    Vorher wünsche ich Dir aber noch einen wunderschönen Urlaub. :)

    Herzliche Grüße
    Leonia

  • Hallo Eklisee,

    ich schon wieder :wink::lol: .

    Du schreibst

    Zitat

    ich habe das Gefühl ihn hinzuhalten. Das kann doch nicht gut sein. Ich bin ehrlich mit ihm u. sage ja, dass ich jetzt nichts fühlen kann. Er wollte dann schon mal wissen, ob das zu 100% meine Meinung ist. Wie soll ich das denn wissen?


    Du musst doch wissen, was deine Meinung ist...
    Du sagst doch selbst, du kannst jetzt nichts fühlen. Ist das 100%ig oder nicht? Du musst dich entscheiden und klar werden, sonst eierst du noch sonstwann da rum.

    Du schreibst, du kannst jetzt nichts fühlen. Das ist für mich eine klare Aussage. Also 100 %, oder :roll: ? Wenn das der Ist-Zustand ist, dann ist es so, basta. Damit musst du leben und er auch. Da musst du dann deine Konsequenz draus ziehen, das ist doch eine Grenze, die du da setzen kannst. Wieso kannst du ihm nicht sagen:" Zur Zeit kann ich nichts fühlen. Zur Zeit ist das so und nicht anders. Basta, keine weitere Diskussion oder Rechtfertigung, es ist einfach so!" Hast du Angst davor, so klar das zu sagen?

    Grüße von
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

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