Wut? Mitleid? Ignoranz? Was fühlt sich RICHTIG an?

  • Ich weiß nicht, wie es bei Euch ist. Aber meine Gefühle in Bezug auf meinen Vater (Alkoholiker) und auch auf den Rest meiner Familie sind so verzwickt und unterschiedlich.

    Einerseits bin ich total wütend auf meinen Vater. Andererseits tut er mir auch manchmal immernoch leid. Vor allen Dingen, wenn ich in Themen lese, die von Alkoholikern selbst geschrieben werden, bringt mich das oft zu nachdenken.

    Andererseits will ich nicht ständig wieder nur an IHN denken! Sondern nur mal an mich. Das gelingt mir nur nicht immer, eben ein EKA-Muster.

    Dann versuche ich es mit IGNORANZ dem Thema gegenüber und konzentriere mich nur auf mich. Komisch nur das ich mich dabei wieder EGOISTISCH fühle. Nur an mich denken? Das geht doch nicht! So das EKA-Muster.

    1. Wie fühlt Ihr Euch in Bezug auf Euren trinkenden/trockenen Elternteil?

    2. Können sich tatsächlich wieder Gefühle der Liebe einstellen?
    Wenn der Vater/die Mutter wieder trocken ist?

    3. Fühlt Ihr Euch auch manchmal so egoistisch und fies, wenn Ihr "nur an Euch" denkt?

    Danke für Eure Antworten und alles Liebe für Euch.

    Erkannt - Verstanden - Geändert

  • Hallo reset,

    ich denke, es ist ganz normal, eine Mischung der Gefühle in sich zu haben: Wut, Mitleid, Liebe, Hass...
    Die Gefühle sind eben so gegensätzlich wie das Verhalten des alkoholkranken Elternteils uns gegenüber. Jedes Gefühl hat zu dem Zeitpunkt, an dem wir es wahrnehmen seine Berechtigung.

    Nur, Ignoranz ist für mich kein Gefühl, sondern ein Verhalten. Ignoranz ist nichts anderes als Verdrängung und die bringt uns nicht weiter.

    Du möchtest nicht an ihn denken, sondern an dich und genau das ist dein Recht! Aus deinen Zeilen lese ich aber Härte gegen dich selbst: Wenn du "ignorant" bist, möchtest du wirklich an dich denken oder die negativen Gefühle, die ihn betreffen, verdrängen?

    Zu deinen Fragen:

    1. Kein Gefühl und wenn Gefühle auftauchen, eine sehr verwirrende Mischung.

    2. Ich weiß es nicht. Das hängt wohl von jedem EK ab und auch vom Elternteil. Was ist passiert in der Zeit, in der der Elternteil noch getrunken hat? Wie verhält er sich als trockener Alkoholiker? Wie weit hat sich das EK emotional entfernt?
    Ich denke nicht, dass es ein Ziel sein sollte, seine Eltern wieder zu lieben, denn Gefühle kann man nicht erzwingen!

    3. Ja. Ganz einfach deshalb, weil ich so konditioniert wurde. Tue ich was für mich, dann bin ich egoistisch. Die Stimme, die mir sagt, dass ich egoistisch bin, kommt ursprünglich gar nicht von mir. Darum zu wissen, macht es leichter, mit ihr umzugehen.

    Viele Grüße
    Fleur

  • Hallo Fleur,

    das stimmt Ignoranz ist kein Gefühl. Und ja, bestimmt ist es eher eine Art Verdrängen. Das mischt sich oft mit dem Gefühl des "egoistisch sein".

    Und stimmt auch, es sollte nicht das Ziel sein, ein Elternteil wenn es trocken ist wieder zu lieben und zu schätzen. Wahrscheinlich hängen da einfach noch die starken Wünsche aus meiner Kindheit dran, das ich ein "heiles" Zuhause haben möchte, wo ich geliebt werden. Klassisches Muster - ich weiß.

    Und wie verhalte ich mich am besten meiner Mutter gegenüber?
    Das macht mir doch große Kopfzerbrechen. Und ein "richtiges" Bauchgefühl habe ich dazu auch noch nicht gefunden. Sie ist ja Co.A als Ehefrau von IHM und auch diese Erkenntnis hat sie letztendlich wieder mir zu "verdanken".

    Auch ihr gegenüber spüre ich oft eine Wut in mir, die ich mich nicht traue so recht rauszulassen. Denn ich liebe meine Mutti wirklich sehr und vermisse sie immer schon sehr stark. Sie hat sich immer liebevoll um mich gekümmert, wenn es mir nicht gut ging. Und jetzt geht es ihr selbst eben auch nicht gut und ein bischen fühle ich mich daran schuldig. Da ich es ja war, die alles aufgewühlt und ins Rollen gebracht hat.

    Jetzt haben wir uns schon einige Wochen nicht gesehen und telefonieren aber oft. Und immer wenn das Thema "Alkoholkrankheit von IHM" aufkommt (und das haben wir natürlich IMMER) - werde ich richtig wütend auf SIE? Verstehe das oft selbst nicht und ich will IHR das auch nicht antun, das ich sie jetzt auch noch im Stich lasse.

    Fühle mich nur so verkehrt, wenn ich meiner Mutter Tipps gebe. Das habe ich ihr auch schon gesagt. Aber wirklich aus meiner Haut kann ich da trotzdem nicht. Und dann bin ich wieder sauer auf Sie!?

    Geht Euch das auch so? Dem Elternteil gegenüber, der Co-abhängig ist?
    Einerseits starke Verbundenheit und anderseits auch Wut?

    Erkannt - Verstanden - Geändert

  • Hallo redet,

    Ja, ging mir ganz genauso. Hat sich immer abgewechselt und vor allem auch zwischen den Eltern gewechselt. Kam mir total mies vor, als würde ich mein Fähnchen mit dem Wind drehen.
    Konnte mich dann nur noch räumlich und emotional distanzieren.

    Meine Mutter ist jetzt bald seit 10 Jahren trocken. Und das heisst, dass sie sich wieder wie ein gesunder Mensch verhält. Sie ist wieder sie und ja ich kann sie wieder lieben und meinen Vater genauso. Sicher wäre das Verhältnis zu meinen Eltern ohne diese miese Zeit damals heute ein anderes, aber es ist eben, wie es ist. Ich weiss, dass sie nichts absichtlich gemacht haben und ich bin mit meinem eigenen Leben absolut zufrieden (hab auch ganz viel Glück gehabt)
    Ich weiss natürlich nicht, ob das immer möglich ist, wollte nur mal sagen, dass es das gibt. Und auch nach10 Jahren stelle ich da noch Fortschritte fest. Das braucht also alles gaaaanz viel Zeit.

    Bis dann
    Gela

  • ...räumlich und emotional distanzieren hieß, ich zog 600 km weit weg. Habe mit meinen Eltern telefoniert, doch wenn meine Mutter besoffen war, hab ich ihr das gesagt und das Gespräch beendet. Nüchtern konnte sie jederzeit anrufen. Meine Eltern sind gern übereinander hergezogen und meistens musst ich es mir anhören. Lange hab ich gedacht, ich müsste jeweils beim anderen schlichten, was mich natürlich voll überforderte. Irgendwann hab ich es mir nur noch angehört und nix mehr dazu gesagt. Hab mir immer wieder klar gemacht, dass das alles ihre Dinge sind, nicht meine. Von da an, ging es mir schonmal besser...

    Tipps der Mutter geben: ja auch sehr interessant, so ein Rollentausch. Das war bei mir mit 16 so. Hab gemeint, ich müsste meine Mutter vom Alkohol weg kriegen und tausende von Gesprächen mit ihr geführt, die, wie man sich vorstellen kann, natürlich nichts nutzten. Natürlich kam ich mir ziemlich merkwürdig dabei vor. Wie gesagt, meiner Mutter gehts heute wieder gut (irgendwie hat sie es gottseidank geschafft). Aber Ratschläge hol ich mir von ihr bis heute nicht. Dieses Mutter-Tochter-Verhältnis gibts definitiv nicht mehr.

    Bis dann
    Gela

  • Liebe Reset!

    Zitat

    Und wie verhalte ich mich am besten meiner Mutter gegenüber?
    Das macht mir doch große Kopfzerbrechen. Und ein "richtiges" Bauchgefühl habe ich dazu auch noch nicht gefunden. Sie ist ja Co.A als Ehefrau von IHM und auch diese Erkenntnis hat sie letztendlich wieder mir zu "verdanken".

    Auch ihr gegenüber spüre ich oft eine Wut in mir, die ich mich nicht traue so recht rauszulassen. Denn ich liebe meine Mutti wirklich sehr und vermisse sie immer schon sehr stark. Sie hat sich immer liebevoll um mich gekümmert, wenn es mir nicht gut ging. Und jetzt geht es ihr selbst eben auch nicht gut und ein bischen fühle ich mich daran schuldig. Da ich es ja war, die alles aufgewühlt und ins Rollen gebracht hat.

    Jetzt haben wir uns schon einige Wochen nicht gesehen und telefonieren aber oft. Und immer wenn das Thema "Alkoholkrankheit von IHM" aufkommt (und das haben wir natürlich IMMER) - werde ich richtig wütend auf SIE? Verstehe das oft selbst nicht und ich will IHR das auch nicht antun, das ich sie jetzt auch noch im Stich lasse.

    Fühle mich nur so verkehrt, wenn ich meiner Mutter Tipps gebe. Das habe ich ihr auch schon gesagt. Aber wirklich aus meiner Haut kann ich da trotzdem nicht. Und dann bin ich wieder sauer auf Sie!?

    Ich schreibe nun aus der Position deiner Mutter - weil ich mich in einer ähnlichen Position befinde.

    Deine Wutgefühle entsprechen den Wutgefühlen, die gegenüber dem Alkoholkranken aufkommen. Man wüßte ja, was er tun müßte, er tut es aber nicht. Du weißt auch, was deine Mutter tun müßte - zumindest sich sehr gut abgrenzen und auf sich schauen - Aber auch du solltest dich gegenüber deiner Mutter emotional besser abgrenzen, denn das "Mitleiden" zieht dich herunter. Wenn deine Mutter und du ein so gutes, einander verstehendes Verhältnis habt, dann wird sie verstehen, wenn du klar sagst, was du fühlst und warum du es fühlst und dass du Gespräche, in denen "Er" das Hauptthema sind, nicht mehr ertragen kannst. Das ist kein in Stich lassen, deine Ratschläge kennt sie und auch, wenn sie sie nicht befolgt oder glaubt, sie nicht befolgen zu können, können sie doch in ihr weiterwirken und Veränderungen auslösen. Ich empfinde es nicht als falsch sondern bin froh, wenn meine Tochter mir Ratschläge erteilt.

    Deine Mutter wird dich verstehen, da bin ich mir sicher und zumindest versuchen, dich nicht mehr als "Anjammerpartner" zu mißbrauchen. Das Thema "Er" wird jedoch immer wieder aufkommen, denke ich mir, dann würde ich aber jedesmals meinen Standpunkt wiederholen ohne einen Zweifel aufkommen zu lassen, wie wichtig das für dich ist.

  • Hallo Oldie,

    vielen Dank für Deine Erklärungen. Es ist schon sehr verzwickt. Denn im Moment bin ich eher wieder etwas enttäuscht und fühle mich wieder alleine mit meiner Meinung.

    Jetzt ist es so, das mein Vater bei den AA's war und wohl ab kommenden Montag für 2 Wochen in die Klinik zum Entgiften geht. Soft flammte wieder ein Keim Hoffnung in mir auf, das doch wieder alles "normal" wird.

    Reaktion meiner Mutter darauf war: das sie froh darüber ist und mir gesagt hat, wie dankbar beide mir sind. Und das sie dann nächstes Wochenende wohl lieber zu ihm in die Klinik zu "Besuch" fahren will, als wie geplant hierher zu kommen :( angeblich will sie dann einen Tag vorher zu mir zu Besuch kommen. Aber ich fühle mich jetzt schon wieder zurückgesetzt und es fühlt sich eher wie eine Verpflichtung von ihr mir gegenüber an überhaupt zu kommen. So würde sie es nie sagen, aber das Gefühl hatte ich früher schon oft, wenn es immer Theater ab, das beide mal hierher kommen, immer wurde rumgedruckst und lange überlegt, sodass ich jedes Mal fragte, warum sie beide denn nicht gerne zu Besuch kommen?

    Hab dann immer extra schöne Erlebnisse und Ausflüge geplant, damit sie sehen wie toll es ist mich zu besuchen. Und wenn dann immernoch von ihm gemeckert wurde, gab ich mir beim nächsten Mal extra viel Mühe. Jetzt weiß ich das es am Alkohol lag, dennoch verhält sich Mutti heute genauso und zieht seine Probleme wieder meinem Wohlbefinden und Glück vor. Natürlich ist sie sich dabei auch wieder egal, Hauptsache er ist nicht so alleine und traurig, wenn der arme Säufer auf Entziehung ist! Mir tut er nicht leid.

    Habe das meiner Mutti noch nicht gesagt, das ich sauer bin, das sie lieber zu ihm fährt und unser Treffen (haben uns schon einige Wochen nicht gesehen) wieder in den Hintergrund rückt! Keine Rede mehr davon, das wir schön weggehen, ins Kino, ins Theater....ich mache gerne mal sowas mit ihr! Tja, das ist nicht mehr so wichtig für sie, er braucht ja jetzt ihre Unterstützung. :-(((

    Und schwups habe ich auch jeden Morgen nach dem Aufwachen, das Gefühl ICH MUSS meinem Vater dafür auf die Schulter klopfen, das er ja jetzt 1 Mal zur Beratunggstelle war und die ihm einen Termin in der Klinik gemacht haben. Zumal Mutti ihm Druck gemacht hat und alles vorgekaut hat, damit er hingeht. Hat ihm wiederkam mit Scheidung gedroht. Und wer hat Mutti Druck gemacht? Richtig -ICH!

    Am Ende bin ich doch die die alleine ist und um die sich wieder keiner in der Familie kümmert!

    Zum Glück lerne ich langsam nicht meinem oft falschem Bauchgefühl zu trauen, sondern auch mit meinem reinen Verstand zu hinterfragen, ob ICH das wirklich MÖCHTE oder nur denke ich MUSS?!

    Bin ich froh immer mehr zu verstehen, was ICH WILL und nicht was ich denke zu müssen.

    Erkannt - Verstanden - Geändert

  • Hallo reset,

    Zitat

    Am Ende bin ich doch die die alleine ist und um die sich wieder keiner in der Familie kümmert!

    Spricht da das kleine, einsame Kind? Du bist schon groß und kannst dich um dich kümmern.
    Oder du kannst weiterhin viel viel Energie in deine Familie stecken, ohne je die gewünschte Resonanz zu erhalten.

    Im ersten Fall wirst du lernen, nicht mehr von der Reaktion deiner Eltern abhängig zu sein. Du wirst selbstständig. Auch gefühlsmässig.
    Im zweiten Fall wirst du wohl früher oder später vor die Wand fahren...

    Zitat

    Zum Glück lerne ich langsam nicht meinem oft falschem Bauchgefühl zu trauen, sondern auch mit meinem reinen Verstand zu hinterfragen, ob ICH das wirklich MÖCHTE oder nur denke ich MUSS?!


    Das ist doch gut! Du entwirrst, hinterfragst.
    Das, was du als "Bauchgefühl" bezeichnest, kenne ich. Nachdem ich jetzt eine Weile beim Entknoten bin, habe ich gemerkt, dass dieses Gefühl durch eine jahrelange Konditionierung und Manipulation von meinen Eltern entstanden ist.

    Mein Bauchgefühl ist etwas anderes. Das entdecke ich gerade erst und ist sehr nützlich!

    Liebe Grüße
    Fleur

  • Zitat

    Spricht da das kleine, einsame Kind? Du bist schon groß und kannst dich um dich kümmern.
    Oder du kannst weiterhin viel viel Energie in deine Familie stecken, ohne je die gewünschte Resonanz zu erhalten.

    Im ersten Fall wirst du lernen, nicht mehr von der Reaktion deiner Eltern abhängig zu sein. Du wirst selbstständig. Auch gefühlsmässig.

    Danke, ich finde es sehr gut, wenn jemand Klartext mit mir redet. Und Du hast ja sowas von Recht! Natürlich sprach da wohl das kleine Kind und nicht ICH HEUTE. Die Erwachsene, die eigenverantwortlich für sich selbst handelt und entscheidet.

    Erstaunlich, was ich hier schon alles gelernt habe, durch so einfache Sätze und Erkenntnisse, die manchmal eben erstmal von jemand Ausstehendem gesagt werden müssen. :)

    Danke dafür :)

    Erkannt - Verstanden - Geändert

  • Mitgefühl ist nicht gleich Mitleid ...

    Mein Vater ist jetzt ja in einer Klinik für 2 bis 3 Wochen zur Entgiftung. Ist ihm wohl auch sehr schwer gefallen, was ich irgendwie auch gut nachfühlen kann.

    Ist es denn RICHTIG Mitgefühl mit einem Alkoholiker zu haben?
    Mitleid ist für mich nicht das richtige Gefühl, da ich dann schnell ins Muster verfalle, etwas für IHN tun zu wollen - zu helfen.

    Aber ich kann gut nachfühlen, wie schwer es auch sein muss, zu erkennen, das man sein Leben so verschenkt - versoffen - hat. Mein Vater trinkt ja schon seit seeeeehr langer Zeit. Wie lange wirklich auch täglich, weiß wohl nur er selbst.

    Ich frage mich jetzt, wie ein Alkoholiker sein Leben betrachtet, wenn er plötzlich nichts mehr trinkt? Auf einmal so viel Zeit hat, über sich und seine Umwelt nachzudenken?

    Mein Vater ist sowieso "von Natur aus" schon nie in der Lage gewesen, sich selbst zu reflektieren oder an sich selbst was zu ändern. Sonst wäre er wohl auch nicht Alkoholiker geworden, nehme ich an.

    Ich wünsche für IHN als Mensch - nicht als mein Vater - das er sein Leben anpackt und sich jetzt endlich weiterentwickeln will.

    Oder ist es nach 20, 30, vielleicht sogar 40 Jahren Sauferei überhaupt noch möglich ANDERS zu sein? OHNE den "einzigen Freund" Alkohol? Er ist ja 60 geworden und mir fällt es schwer zu glauben, das ER jetzt noch bereit ist wirklich zu ändern, was geändert werden MUSS.

    Darf man hoffen? Oder sollte ich lieber von vornherein zu mir selbst sagen "vergiss es, setze keine Hoffnung in Deinen Vater, es wird eh nichts werden"... leider tendiere ich deutlich zum letzteren... auch wenn mir es für IHN als MENSCHEN seeeeeehr leid tut...

    Und da ist es doch ... das Mitleid... :( da werde ich wohl nie aus meiner Haut können...

    Etwas gutes gibt es doch noch: meine Mutti kommt nun doch dieses Weekend zu Besuch, wie geplant und fährt nicht "lieber" zu IHM in die Klinik. Sie hat auch diese Woche einen Termin bei der Beratungsstelle und hat mittlerweile schon so viel Mut bewiesen, wie ich es mir kaum vorstellen konnte.

    Sie hat mit ihren Kolleginnen und der gesamten Familie schon offen darüber gesprochen und steht endlich zur Wahrheit und zu sich selbst! WOW - darauf bin ich wirklich stolz. Und auch darauf, das öfter auch von ihren Kolleginnen Aussagen kamen wie "Deine Tochter hat das genau richtig gemacht, ich hätte auch den Kontakt zu IHM abgebrochen"... und meine Mutti selbst hat sich bei mir bedankt und überall erzählt, das sie mir dafür unendlich dankbar sei, durch meine Beharrlichkeit und konsequente Haltung zu diesem Thema, sie dazu bewegt zu haben, ENDLICH was zu unternehmen! Sie selbst hat schon seit Jahren darüber nachgedacht, aber sich nie getraut es zu wagen oder auszusprechen...

    STOLZ ist auch ein schönes Gefühl...!!! Und das bin ich heute zumindest...!

    Danke fürs zuhören.. bzw. lesen...

    Erkannt - Verstanden - Geändert

  • hallo reset,

    mir brachte das mich ausseinandersetzen mit dem mitleid und mitgefühl soweit weiter, als ich erkennen musst, das beide gefühle das gleiche auslösten. hilflosigkeit, angst und sorge um den andeen. ich spürte förmlich das leid des anderen und versuchte für ihn was zu verändern, damit es ihm wieder gut geht. das war nicht der gesunde weg ich wurde krank.

    als ich dann das mitgefühl und mitleid dann aufarbeitete und versuchte mich dafon zu löse kam bei mir dieses andere das emphatische hoch. mit emphatie distanciere ich mich automatisch vom anderen, bleibe einfühlsam, dennoch sind das dann meine gefühle und nicht mehr die des anderen die mich bewegen. da bleibt auch seins bei ihm. damit kann ich inzwischen besser umgehen.mit meinen eigenen gefühlen komme ich inzwischen soweit klar. die sind teil meines lebens.daran kann ich auch gennerell selbst arbeiten.

    lieben gruß melanie

  • Hallo reset,

    Ich weiß nicht, ob es für mich einen Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl gibt. Ich glaube, ich empfinde da ähnlich wie Melanie. Egal wie ich es nenne, es löst das gleiche aus. Ich will solche Gefühle zurzeit nicht an mich ranlassen, weil ich dann helfen will, und werde wieder enttäuscht, weil ich nicht helfen kann. Dadurch sag ich grad sehr viel „ist mir egal“, und vermutlich nervt es einige schon. Aber damit müssen sie leben. Sicher wenn jemand ein Problem hat, hör ich zu, und weise ihn nicht ab, aber ich pass auf, dass ich nicht anfangen, helfen zu wollen.

    Ich kann deine Gedankengänge aber gut verstehen. Weil es scheint, als seien auch deine Eltern dabei, eine Veränderung vorzunehmen. Ich überlege viel, ob ich mit meiner Mutter Mitleid habe. Immerhin hat sie erkannt, dass es nicht das Beste für uns war, mit meinem Vater zusammen zubleiben, und ist der Meinung, dass alles ihre Schuld ist. Diese Schuld würde ich ihr gerne abnehmen, weil ich schon mitfühlen kann, wie sie sich fühlt und wir uns sehr nahe stehen. Aber das kann ich nicht. Ich kann nicht so tun, als sei alles gut. Deshalb sage ich, wir müssen nicht darüber reden, aber wenn sie darauf besteht, werde ich das sagen, was ich denke und fühle. Dennoch will ich ihr nichts vorwerfen. Weil was nützt mir Schuld?

    Mit meinem Vater Mitleid habe ich nicht, warum auch, er lebt ja weiter wie bisher. Er will gar nicht vom Alkohol weg. Klingt vielleicht hart, aber ich kann ihm nicht dabei zusehen, wie er trinkt und so tut als ob alles gut ist.

    Meine Mutter hat ja auch erst was unternommen, als ich den Kontakt minimieren wollte. Und ich war damals nicht stolz, dass sie es gemacht hat. Ich war wütend. Und mir ist immer wieder die Frage durch den Kopf gegangen: Warum erst jetzt?

    Ich versuche nicht mehr ihr Verhalten zu beurteilen, weil ich dann etwas von ihr erwarte. Und wenn sie dann Dinge anders macht, als ich es mir denke, bin ich enttäuscht. Wobei ich sie vermutlich gerade auch öfters enttäusche, weil ich nicht so handel, wie sie es erwartet...

    Ich versuche gerade viel Abstand zu anderen zu lassen. Ich glaube einfach, dass ich da noch viel Zeit brauche. Ich will erstmal einen gesunden Egoismus entwickeln, damit ich mich nicht mehr von anderen abhängig mache.

    Liebe Grüße, Laura

  • Gesunder Egoismus! Das ist das richtige.

    Für mich war es bis vor kurzem auch sehr komisch, wenn ich "nur an mich gedacht" habe. Fühlte mich gleich so eigennützig, egoistisch und fies anderen gegenüber.

    Aber genau das ist es was jeder von uns braucht: eine ordentliche Portion "gesunden Egoismus" zum mitnehmen bitte! :)

    Fällt nur sehr schwer, wenn man sein Leben lang immerschon das Wohl der anderen in der Familie oder im Freundeskreis im Blick hatte. Nur bei einem selbst gelang es einem nie, Dinge die falsch laufen zu benennen und zu ändern, anzupacken. Alle anderen haben immer herrlich profitiert von den klugen Ratschlägen, die ich mir stundenlang im Kopf überlegt hatte, um "HELFEN" zu können.

    Das ist schon richtig - helfen kann man sowieso nur sich selbst - und da sollte wir jetzt endlich mal anfangen. Ich bin schon auf dem Weg... aber Rückschläge gibt es natürlich und ganz sollte man dieses Mitfühlen ja auch nicht abstellen, dann hat man bald auch niemanden mehr um sich rum.

    Obwohl ich selbst einen guten Freund habe, der suuuuper egoistisch ist und wirklich bei fast allen Handlungen nur auf seinen Vorteil daraus bedacht ist. Dieser Freund hat aber selbst viele gute Freunde, und keiner nimmt ihm diese Art überhaupt nur im Ansatz übel!? Da er sonst so charmant und hilfsbereit ist - ist seine Art von Egoismus sogar irgendwie toll und bezeichnet ihn als Menschen. Der aber eine sehr gute und treue Seele hat.

    Davon würde ich mir manchmal gerne eine dicke Scheibe abschneiden.

    Erkannt - Verstanden - Geändert

  • Zwei Gedanken:
    - Du sagst, du hättest sehr lange an der Vorbereitung des Geburtstages deines Alko-Vaters gearbeitet. Welche Motive hast du dafür?

    - Nach der Beschreibung des Verhaltens deines Freundes finde ich Ähnlichkeiten mit meinem Lebenslauf. Paß auf dich auf!

  • Zitat von oldie

    Zwei Gedanken:
    - Du sagst, du hättest sehr lange an der Vorbereitung des Geburtstages deines Alko-Vaters gearbeitet. Welche Motive hast du dafür?

    - Nach der Beschreibung des Verhaltens deines Freundes finde ich Ähnlichkeiten mit meinem Lebenslauf. Paß auf dich auf!

    Hallo Oldie,

    zum Thema "Geburtstagsvorbereitung für meine Alko-Vater":
    - Hier war es das alt erlernte Verhalten aus meiner Kindheit, das ich alles super machen wollte
    1. um endlich mal die gebührende Anerkennung zu bekommen. Und wenn diese dann mal kam, konnte ich damit eigentlich auch garnichts anfangen oder mich gar freuen
    2. um durch immer aufwendigere Aktionen, Geschenke oder lang geplante Ausflüge meine Mitmenschen - gerade meine Eltern - zu begeistern und mitzureißen

    Beides klappt bei meiner Mutti immer super ... bei meinem Vater... naja... man kann es sich vorstellen, wie die Begeisterungsfähigkeit und Dankbarkeit eines Alkoholikers gegenüber seiner Familie so aussieht...

    Zum Glück, habe ich die Feier ja für mich persönlich abgesagt und war nicht dort! Das hat mir nochmal einen letzten Kick gegeben, für mich selbst zu sorgen und mich selbst zu pflegen und mit guter Laune zu versorgen!


    Zum Thema "bester Freund ist ein Egoist"... tja... solche Freunde hatte ich eigentlich auch schon immer, bis ich mich automatisch immer mehr von solchen Leuten distanziert habe, weil ich merkte, das die mir nicht gut tun. Bei besagtem guten Freund ist es nun so, das auch jahrelang Funkstille herschte und wir nunmehr sporadisch Kontakt haben und mal zusammen kochen oder weggehen. Das ist super und macht Spaß. Sobald Probleme auftauchen, ist es bei ihm aber so, das er davon bloß nichts hören will und regelrecht aussiebt, mit wem kann er Spaß haben und wer "jammert" nur rum. Allerdings kenne ich ihn schon sehr lange, und er hat auch sehr viele "weiche" Momente, die sehr überraschend sind. Auch verhalte ich mich ihm gegenüber eigentlich automatisch etwas "anders"... bin weniger wehleidig und jammere auch nicht ständig über irgendwelche Zipperlein. Was ich persönlich auch mal sehr gut finde, er hat dafür sowieso kein Ohr und für mich ist es durchaus positiv auch mal eins selbst nur egoistisch zu sein.. denn das färbt ganz gut von ihm auf mich ab, wenn wir zusammen sind.

    Es ist wohl wie alles im Leben. Man kann alles machen und alles essen, man darf es nur mit keinem übertreiben.

    Erkannt - Verstanden - Geändert

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