Co-Abhaengigkeit / Selbsterkennung / Wachstum

  • Hallo alle zusammen,

    ich moechte mich gerne hier in diesem Bereich vorstellen. Mein Name ist Jenny, ich wohne in England und bin Kind einer co-abhaengigen Mutter und eines verstorbenen Alkoholikers. Ich selbst bin co-abhaengig und habe frueher auch eine Partnerschaft miterlebt in der ich hautnah erleben durfte, was eine Co-Abhaengigkeit bedeutet und wie schwer es sein kann sich von einem alkoholabhaengigen Partern zu loesen, wenn man tief in seiner Co-Abhaengigkeit haengt. Ich war vor einigen Jahren schonmal hier und hatte mich abgemeldet gehabt, da ich erkannt habe, dass ich mit mir selbst noch Sachen bearbeiten musste, ich hatte damals auf "Opferhaltungen" sehr "allergisch" zum Teil reagiert und gemerkt, dass ich hier fuer mich etwas tun muss. Ich durfte in der Zeit lernen, dass ich mir selbst fuer meine vergangene aktive Co-Abhaengigkeit verzeihen musste und durfte erkennen, dass jeder seinen Weg selbst gehen darf, so schnell und mit sovielen Rueckfaellen wie es noetig war um zu erkennen, dass man etwas fuer sich tun muss. Ich selbst habe meine Co-Abhaengigkeit aus der Vergangenheit reflektiert und erkannt wie sehr ich mich geschaemt habe, wie schwach ich damals war und wie weh es mir getan hat, wenn Menschen meine Schwaeche abgewertet haben und durch "tough Love" also harte Worte versucht haben mich wachzuruetteln. Ich hatte dann leider erkennen muessen, dass nachdem ich meine Co-Abhaengigkeit erkannt hatte, viele Menschen selbst verurteilt hatte, meine Co-Abhaengigkeit hat sich verlagert von Alkoholikern zu anderen Co-Abhaengigen und seitdem weiss ich, dass ich zusehen muss, dass ich mich taeglich daran erinnere, dass jeder selbst entscheiden darf, wie lange er leidet, was er mit sich macht und wie lange der Weg raus aus der Co-Abhaengigkeit dauern kann. Trotzdem Holzauge sei wachsam, muss ich taeglich auch an mir arbeiten, bewusster zu leben, mich als Mensch wertzuschaetzen.

    Ich freue mich wieder hiersein zu duerfen.

    Liebe Gruesse,

    JJE

  • Hallo Jenny,

    dann sag ich dir mal Hallo hier im Forum!
    Ich wünsch dir einen guten Ausstausch. Ja, sich seiner Sache bewusst sein, achtsam leben, damit die Co-Muster nicht wieder zuschlagen, das ist wichtig. Das erkenne ich auch für mich immer wieder.

    Grüße von
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Aurora,

    Danke fuer Deine Begruessung.

    Co-Abhaengigkeit war fuer mich immer ein schlimmes Wort, eine Bezeichnung, die ich nicht haben wollte. Erst als ich es fuer mich akzeptieren konnte, kam das Wachstum, das Erkennen und die Moeglichkeit an mir zu arbeiten.

    Es hat mich erkennen lassen, was wirklich wichtig ist im Leben und hat mir gezeigt, was es bedeutet sich selbst anerkennen zu koennen und Schwaechen zuzugeben. Es hat mich auch erkennen lassen, wo meine persoenlichen Grenzen liegen und meine Grenzen zu verteidigen und klar aufzuweisen.

    Ich freue mich auf den Austausch.

    Alles Liebe,

    JJE

  • Hallo JJE!

    Willkommen hier im Forum.

    Zitat

    Co-Abhaengigkeit war fuer mich immer ein schlimmes Wort, eine Bezeichnung, die ich nicht haben wollte.

    Das ging mir nicht anders denn Co-Abhängige sind ja von ihrer Art her oft lieb und nett, opfern sich auf, kümmern sich um ihre Mitmenschen, ackern und rackern.

    Ich habe immer gedacht ich tue doch alles dass meine Beziehung funktioniert wieso macht ER alles kaputt? Wieso hört er nicht auf mich, ich meine es doch nur gut.

    Der Denkfehler liegt darin dass Co-Abhängige für alles und jeden die Verantwortung übernehmen wollen. Sie sind sehr ausdauernd wenn sie Veränderungen möchten - so ausdauernd dass sie selber oft auf der Strecke bleiben.

    Sie machen ihr eigenes Glück von anderen Personen abhängig - sind förmlich darauf fixiert.

    So war es bei mir zumindest - mir einzugestehen dass ICH einen gravierenden Fehler mache fiel mir sehr schwer - wollte ich doch für alles und jeden nur das Beste. :roll:

    Mich selber wieder wahrzunehmen war mir anfangs recht ungewohnt aber ich merkte dass ich mich dadurch besser fühle.

    Mir bewusst zu machen dass es durchaus legitim ist eigene Bedürnisse anzumelden war mein erster und wichtigster Schritt aus der Co-Abhängigkeit heraus.

    Liebe Grüsse
    Speranza

    Wer nichts ändern will für den ist die Opferrolle die beste Strategie!

  • Hi Speranza,

    ja, da stimme ich Dir voll und ganz zu. In meinen aktiven co-abhaengigen Zeiten, habe ich meine eigenen Beduerfnisse nicht wahrgenommen, ich habe sie einfach ignoriert. Wie auch meine eigenen Grenzen. Ich fuehlte mich damals ausgepowert, entmachtet, verwirrt und verletzt. Es hatte eine Weile gedauert bis ich erkannt habe, dass ich den Schluessel selbst in der Hand gehalten habe, die ganze Zeit. Grenzen setzen und einhalten ist keine Staerke, die ein Co-Abhaengiger hat, wir lassen unsere Grenzen immer wieder ueberschreiten, nehmen Verantwortung fuer Sachen, die nicht in unserer Macht stehen. Wie hier auch beim Alkoholiker muessen wir Co-Abhaengigen einen Tiefpunkt erreichen, der uns dann zum Umdenken bringt. Erst dann koennen wir unsere alten Denkstrukturen aufloesen und erkennen, dass wir etwas an uns selbst veraendern muessen. Allerdings hoert das lernen und erkennen was eine Co-Abhaengigkeit ist, nicht nur damit auf, dass wir raeumlich und emotional unseren alkoholkranken Partner verlassen. Fuer mich habe ich die Erfahrung gemacht, dass Co-Abhaengigkeit und deren Strukturen sich auch verlagern koennen, auf Kollegen, auf Leute hier im Forum, auf Freunde, Bekannte, Familienmitglieder. Derjenige muss nicht mal ein Suchtproblem haben.

    Alles Liebe,

    JJE

  • Hallo JJE!

    Zitat

    Allerdings hoert das lernen und erkennen was eine Co-Abhaengigkeit ist, nicht nur damit auf, dass wir raeumlich und emotional unseren alkoholkranken Partner verlassen.

    Natürlich hört Co-Abhängigkeit nicht in diesem Moment auf es handelt sich um eine Verhaltungsstörung dessen muss man sich erstmal bewusst werden.

    Meine Co-Abhängigkeit hat auch nicht damit begonnen dass ich an einen alkoholkranken Mann geraten bin sondern liegt in meiner Kindheit.

    Dieses Gefühl der Wertlosigkeit wurde mir schon früh übermittelt obwohl Alkohol überhaupt keine Rolle spielte. Es hat sich in meiner Beziehung fortgesetzt bis ich vor ca. 10 Jahren anfing auszubrechen und vieles zu meinen Gunsten verändert habe.

    Die Trennung von meinem Mann ist die letzte Mauer die ich niederreisse. Wachsam muss ich weiterhin sein und auch auf mein Bauchgefühl hören.


    Zitat

    Wie hier auch beim Alkoholiker muessen wir Co-Abhaengigen einen Tiefpunkt erreichen, der uns dann zum Umdenken bringt.

    So ist es bloss denke ich muss ich in Zukunft viel früher einschreiten nicht erst dann wenn ich ausgepowert oder sogar krank geworden bin. Ich muss mir auch immer vor Augen halten dass ich ein wertvoller Mensch bin und es nicht nötig habe mich so behandeln zu lassen.

    Ich glaube ein Co-Abhängiger wird nie zu einem krassen Egoisten werden er muss aber lernen dass ein gesunder Egoismus unbedingt zum Leben gehört.

    Liebe Grüsse
    Speranza

    Wer nichts ändern will für den ist die Opferrolle die beste Strategie!

  • Hallo Speranza,

    ich freue mich sehr auf den Austausch mit Dir. Ja, meine Verhaltensweisen liegen auch in meiner Kindheit. Meine Mutter hat es mir vorgelebt. Ich hatte es bereits in einem anderen Thread geschrieben, Kinder von Alkoholikern oder Co-Abhaengigen, die noch mit denjenigen leben, sind um weiten mehr anfaellig entweder die Alkoholiker oder Co-Abhaengigenrolle zu uebernehmen.

    Heute ist es fuer mich eine Erfahrung, die ich machen musste, damit ich wachsen darf, damit ich sehen kann wo ich an mir arbeiten darf. Die Bezeichnung Co-Abhaengiger ist nicht mehr schlimm fuer mich.

    Langsam und allmaehlich fuehle ich mich mit mir wohl, was ich in meinen aktiven co-abhaengigen Zeiten nicht sagen konnte, da brauchte ich das Gefuehl gebraucht zu werden und hab gedacht es waere Liebe.

    Liebe Gruesse,

    JJE

  • Hallo JJE!

    Zitat

    Kinder von Alkoholikern oder Co-Abhaengigen, die noch mit denjenigen leben, sind um weiten mehr anfaellig entweder die Alkoholiker oder Co-Abhaengigenrolle zu uebernehmen.

    Natürlich ist es so solche Kinder bekommen es vorgelebt und werden oft früh in die Pflicht genommen. Sie bekommen vorgelebt dass sich alles um den Alkoholkranken dreht und neigen dazu diese Rolle auf einen späteren Partner zu übertragen.

    Ich wurde sehr früh geprägt dass nur ein braves Kind ein gutes Kind ist. Eigene Meinung war nicht gefragt stattdessen gab es nur Kritik. Ich konnte mich noch so anstrengen es war nie gut genug. Ich habe mich als Person nicht wahrgenommen und mich wahnsinnig angestrengt um gelobt zu werden.

    Gleichwohl war ich innerlich ein kleiner Rebell und bin sehr früh ausgebrochen. Meine Verhaltensstörung habe ich natürlich mitgenommen und viele Jahre auch ausgelebt.

    Zum Glück besitze ich aber auch einen recht gesunden Menschenverstand und habe mich nach und nach in die richtige Richtung entwickelt. Mein Gedanke war: "Wer mich so nicht mag wie ich bin kann es auch sein lassen".

    In Bezug auf meinen Partner dachte ich mir es kann wohl nicht sein dass er mir die Schuld in die Schuhe schieben will weil er ein Suchtproblem hat.

    Ich erinnere mich noch genau als ich zu ihm gesagt habe wenn er soviel an mir auszusetzen hätte könne er ja gehen. Ganz langsam ist der Rebell in mir erwacht und ich habe mich immer weiter weg von ihm entwickelt.

    Ich war zwar mittlerweilen depressiv und voller Selbstmitleid aber bis ich den Mut hatte ihm zu sagen "Der Alkohol oder ich" dauerte es doch noch.

    Er hat sich für den Alkohol entschieden aber so von meinem Gefühl her ist die Partnerschaft so oder so beendet.

    Meine Aufgabe ist es gut für mich zu sorgen und an mir zu arbeiten und gut auf mich aufzupassen.

    Liebe Grüsse
    Speranza

    Wer nichts ändern will für den ist die Opferrolle die beste Strategie!

  • Hi Speranza,

    das mit dem braven Kind sein, kenne ich auch. Heute kann ich sagen, dass es wichtig ist generell als Co zu sehen woher dieses Verhalten kommt und haeufig liegt es weiter zurueck, also in unserer Kindheit, als wir persoenlich vermuten wollen. Fuer mich war es immer eine Art "geliebt werden". Irgendwo unterbewusst dachte ich immer, dass ich wohl nicht liebenswert sei, wenn ich mir einen nassen Alkoholiker anlache und das ganze Drama mitmache. Das alles ist nun schon ueber 10 Jahre her. Nach dieser Erfahrung habe ich mir persoenlich geschworen, keine Kompromisse einzugehen, ich habe mir persoenlich versprochen mich nicht mehr zu verbiegen um geliebt zu werden. Heute bin ich gluecklich verheiratet, mein Mann ist kein Alkoholiker und ich bin gluecklich, dass es meine erste gesunde Beziehung ist und ich sehen kann, dass dadurch, dass ich auch auf meine Beduerfnisse achte, ich viel freier leben kann.

    Liebe Gruesse,

    JJE

  • Hallo JJE,

    ich verfolge Deinen Thread schon seit Anfang an und heute möchte ich auch mal was dazu schreiben.

    Es ist toll, dass Du Dich aus Deiner Co-Abhängigkeit befreit hast und Du Dir heute nichts mehr gefallen lässt. Heute weißt Du, dass Du es gar nicht nötig hast, Dich für andere aufzuopfern, nur damit sie Dich lieben.

    Ich freue mich sehr für Dich, dass Du heute in einer glücklichen Beziehunng lebst. Das ist das, was Du verdient hast.

    Alles Liebe,
    Julia

  • Hi Julia,

    Dank Dir, dass ist sehr nett von Dir. Wir alle haben das verdient, auch Du.

    Ich kann natuerlich verstehen, dass es mit Kind zum Teil schwieriger sein kann. Liebe Julia, ich wuensche Dir alle Kraft der Welt, auch Du hast es verdient gluecklich zu sein und in einer respektvollen und liebevollen Partnerschaft auf gleicher "Augenebene" zu leben.

    Liebe Gruesse,

    JJE

    P.S. Glaub mir, dass Lernen hoert nie auf, Co-Strukturen sind nicht nur in unseren Beziehungen zu unserem Partner, die koennen sich ueberall erstrecken.

  • Mein Stiefvater haette letzte Woche Geburtstag gehabt, er waere 61 Jahre alt geworden. Er ist 2007 verstorben. Er hatte Krebs der Mundschleimhautdruesen, dass kam vom Rauchen und Alkohol hat sicherlich auch viel dazuzugetragen. Selbst waehrend seiner Chemo und Bestrahlung hat er nicht auf Alkohol und Zigaretten verzichtet, es ging immer froehlich weiter. Er ist von fast 100kg auf 60kg abgemagert, Essen war schlimm da sein Mund wie rohes Fleisch gewesen ist, aber trinken und rauchen, dass ging immer. Seit laengerer Zeit hat er damals bemerkt, dass sein Bein dick war, seine eine Physiotherapeutin meinte, er sollte dringend einen Termin beim Arzt machen, dass koennte eine verschlossene Vene sein, hatte sie damals vermutet. Er hatte einen Termin gemacht beim Arzt, aber zwei Tage vor dem Termin ist er im Badezimmer zusammengebrochen, keiner hat es gehoert, es muss in den fruehen Morgenstunden gewesen sein, am Abend zuvor war er noch einen Trinken. Meine Schwester, die zu diesem Zeitpunkt daheim gelebt hatte, hat ihn gefunden, Gottseidank hat sie die Tuer nicht richtig aufmachen koennen, denn der Koerper meine Stiefvaters hat davorgelegen, sie hatte nur eine richtig grosse Blutlache gesehen und sofort den Krankenwagen gerufen. Leider konnte man nichts mehr machen, er war tot, von heute auf morgen.

    Meine Mutter sollte diesen Tag allerdings auch ins Krankenhaus. Sie hatte in letzter Zeit sehr abgenommen, ich hatte meine Mutti bereits ueber ein Jahr nicht mehr gesehen, da ich nach England gezogen war. Es hiess nur, sie will ins Krankenhaus. Mein Stiefvater wollte sie an dem Tag an dem er verstorben ist, ins Krankenhaus fahren, das ganze hat sich dann einen weiteren Tag verschoben, mein Onkel hat sie dann am darauffolgenden Tag hingebracht. Ich hatte in der zwischenzeit ein Flugticket gebucht und war schon auf dem Weg nach Deutschland. Was meine anderen drei Geschwister und ich am naechsten Tag aber zu hoeren bekommen hatten vom Arzt im Krankenhaus, hat uns wirklich den Boden unter den Fussen weggezogen. Es wurde gesagt, dass unsere Mutter Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium hatte, man wuesste nicht wie lange sie noch leben wird, er haette aber schon gestreut und war offen. Nach und nach in den darauffolgenden Tagen hatten wir rausbekommen, dass meine Mutter 10 Jahre zuvor einen Knoten in der Bruste gefuehlt hatte. Sie hatte sich aber nicht getraut zum Arzt zu gehen, damals waren meine zwei juengsten Geschwister erst 12 und 11 Jahre alt. Sie hatte Angst, dass wenn es Brustkrebs waere und sie ins Krankenhaus muesste, dass mein alkoholkranker Stiefvater haette Verantwortung uebernehmen muessen. Sie hat das nicht gewollt, sie war so in Ihrer Co-Abhaengigkeit verhangen, dass sie ihre Gesundheit und ihr Leben riskiert hat. Nur durch eine gute antroposophische Klinik in Berlin, die sie palliativ behandelt, ist es noch moeglich, dass sie nach wie vor lebt, sie ist ein kleines Wunder, sie sieht sehr alt aus, ist auf dem einen Auge blind und kann ihren einen Arm nicht mehr richtig fuehlen, weil der Krebs dort schon Nerven angefressen hat.

    Co-Abhaengigkeit kann uns auch toeten, dass musste ich mir an diesem Tag sehr deutlich bewusst machen.

    Das war mein reflektieren, diesen Vorfall in meinem Leben werde ich niemals vergessen koennen, aber ich kann daraus lernen, ihn mit anderen teilen und sagen, ja ich bin ein erwachsenens Kind eines Alkoholikers und einer co-abhaengigen Mutter und ich selbst weiss was es heisst Co zu sein.

    Liebe Gruesse,

    JJE

  • Guten Morgen JJE,

    über die Geschehnisse, die sich bei Deinen Eltern ereignet haben, bin ich sehr geschockt. Dass der Brustkrebs Deiner Mutter höchstwahrscheinlich hätte geheilt werden können, wenn sie damals gleich zum Arzt gegangen wäre, ist eine Tatsache, an die man am liebsten gar nicht denken würde. All das zeigt, wie tief Deine Mutter in der Co-Abhängigkeit dringesteckt hat. Sie war trotz des Verdachtes, sie könnte ernsthaft erkrankt sein, nicht in der Lage, im Sinne ihrer Gesundheit zu handeln. Damit setzte sie - vielleicht unbewusst - ihr Lebens aufs Spiel.

    Es freut mich sehr, dass Deine Mutter heute noch lebt und in guter klinischer Behandlung ist. Ich wünsche ihr sehr, dass sie heute trotz ihrer körperlichen Beschwerden noch ein bisschen Lebensqualität hat und nicht so oft an die (nasse) Zeit mit Deinem Stiefvater zurückdenken muss .

    Du wirst zwar die Ereignisse von damals nie vergessen können, ich wünsche Dir aber von ganzem Herzen, dass Du sie verarbeiten und in Zukunft besser damit leben kannst. Der Austausch hier im Forum wird Dir sicherlich dabei helfen.

    Alles Liebe
    Julia

  • Hi Julia,

    Co-Abhaengigkeit wird in meinen Augen immer wieder sehr unterschaetzt, ich muss dazu auch sagen, dass Alkoholiker viel mehr Hilfe bekommen, als ein Co-Abhaengiger, weil es einfach erstmal nicht offensichtler zu sein scheint.

    Ich komme mit dem was in meiner Familie passiert ist ziemlich gut klar und hab den noetigen Abstand dazu gefunden, ich hatte bevor das alles passiert ist meine Co-Abhaenigigkeit schon gut in den Griff bekommen und somit in diesem Fall erkennen duerfen, dass die Entscheidung ganz allein bei meiner Mutter und bei meinem Stiefvater gelegen haben. Das einzige ueber was ich mich geaergert hatte, war, dass wir Kinder damals viele Rennereien deswegen hatte, es musste die alte Wohnung aufgeloest werden, da meine Mutter Hauswart war und diese Taetigkeit durch den Tod meines Stiefvaters und durch die Krebserkrankung meiner Mutter, daher musste die Wohnung aufgeloest werden. Ich war sehr sauer, dass meine Mutter einfach gedacht hatte, dass sie einfach so sterben darf und uns mit dem ganzen Mist alleine laesst. Ich war froh, dass ich selbst nicht den ganzen Kram uebernommen hatte, sondern damals auch meinen Geschwister gesagt hatte, dass sie helfen muessen und organisieren muessen.

    Es gibt keinen Menschen auf diesem Planeten, der niemals Probleme zu bewaeltigen haette, ich sehe meine damalige Co-Abhaengigkeit als Wachstumspotential, natuerlich, wenn man sie "besiegt" hat und nicht, wenn man aktiv noch darin haengt. Das meiste was ich daraus gelernt habe, war um Hilfe zu bitten, wenn ich Hilfe brauche, Nein zu sagen, wenn ich etwas nicht moechte, meine Moral und Grenzen zu verteidigen und das ich an meinem Selbstwert arbeiten muss.

    Liebe Gruesse,

    JJE

  • Hallo JJE,

    ja, das ist man sich einfach schuldig, auf sich zu achten und anderen gegenüber aufzuzeigen, wo die eigenen Grenzen sind. Insoweit scheinst Du schon viel erreicht zu haben.

    Vielleicht hat auch die räumliche Distanz zu Deinem Elternhaus (Du lebst schon einige Jahre in England) dazu beigetragen, dass Du Dich aus Deiner Co-Abhängigkeit (in Bezug auf Deinen Stiefvater) befreist. Das könnte ich mir sehr gut vorstellen.

    LG
    Julia

  • Hallo Julia,

    der raeumliche Abstand hat schon sehr geholfen, da hast Du Recht. Ich hatte damals in Deutschland aber auch schon Abstand geschaffen. Hatte auch fuer lange Zeit keinen Kontakt zu meiner Familie gehabt, einfach weil viel zu viel vorgefallen ist, meine Mutter hatte mich immer um Geld angepumpt, weil mein dann arbeitsloser Stiefvater das Arbeitslosengeld versoffen hatte. Nachdem er seinen Job verloren hatte, gab es kein Halten mehr, da wurde schon in der Frueh gesoffen. Letztendlich habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich kein Geld mehr geben werden, sie muss handeln, denn ich wuerde indirekt damit den Alkoholkonsum meines Stiefvaters unterstuetzen. Meine Mutter fing dann an, dass aber meine damals sehr jungen Geschwister doch Klamotten und neue Schuhe brauchten und ich sie nicht alleine lassen kann, schweren Herzens habe ich das dann aber abgelehnt. Heute weiss ich, es war richtig. Damals war ich 19 Jahre alt, mit meiner Ausbildung gerade fertig und hatte eine eigene Wohnung. Bei einigen Leuten in meinem familaeren Umkreis gelte ich heute als hartherzig, damit kann ich aber leben, denn die wissen nicht, was in meiner Familie wirklich los war. Julia, es ist sicherlich nicht leicht sich mit seiner Co-Abhaengigkeit auseinanderzusetzen, aber es ist es alles wert gewesen fuer mich da durchzugehen und zu erkennen, dass ich mich jetzt selbst wirklich mag, ja ich bin auch stolz auf mich. Hartherzig bin ich ganz bestimmt nicht und mein jetziger Freundeskreis und der Familienkreis von meinem Mann wuerden das auch bestaetigen. Ich wuensche Dir all die Kraft fuer Deinen Weg.

    Liebe Gruesse,

    JJE

  • Hallo JJE,

    dass Dir er sehr schwer gefallen ist, den Wunsch Deiner Mutter nach Geld abzulehnen, kann ich gut nachvollziehen. Es ist immer einfacher "ja" zu sagen als dass man etwas ablehnt. Aber es war in Deinem Falle richtig so.

    Wenn Leute aus Deinem Umfeld denken, dass Du hartherzig bist, dann sollen sie eben so denken. Hauptsache ist doch, dass Du mit Dir zufrieden bist zumal es ja auch genügend Leute gibt, die Dich nicht als hartherzig empfinden.

    Du hast schon viel erreicht und bist mir Dir selbst im Reinen - Du kannst mit Grund stolz auf Dich sein.

    LG
    Julia

  • Hi Julia,

    Dank Dir. Ich habe erkennen duerfen, dass ich allerdings auch immer aufpassen muss, dass ich mein Co-Verhalten nicht verlagerere. Wie z.B. unendlich viele Ueberstunden auf Arbeit zu machen weil ich "gebraucht" werde oder mir Sachen von Freund aufschwaetzen zu lassen, weil ich ja so toll organisieren kann. Ich hab erkannt, dass meine Schwaeche immer gewesen ist nicht "Nein" zu sagen, aber was hat denn dann ein "Ja" von mir fuer einen Wert, wenn ich niemals "Nein" sage? Mir ist nach all dem Theater mit meinen Eltern und mit meinem damaligen alkoholkranken Ex-Partner erst nach einiger Zeit wirklich bewusst geworden, dass ich mein GESAMTES Denken ueberpruefen muss und ich nicht nur in Partnerschaften oder Familienangelegenheiten mein Co-Verhalten auslebe. Ich sag es Dir man lernt immer mehr dazu :roll: hoffenlich :wink:, aber all das was ich lernen durfte hat mir eines gebracht, eine Art von inneren Frieden, daher waren all die Strapazen nicht umsonst.

    Ich wuensche Dir und allen anderen einen wunderschoenen zweiten Advent. Und viel Kraft fuer alle den Weg, der vor euch ist mit viel Eigenliebe und Selbstachtung zu gehen.

    Liebe Gruesse,

    JJE

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