Eine eindringliche Erfahrung

  • Hallo liebe Forumsgemeinde,

    ich habe mich schon längere Zeit hier nicht mehr gemeldet, der eine oder andere wird sich vielleicht noch an mich erinnern.

    Ich führe seit mittlerweile mehr als 5 Jahren ein glückliches, abstinentes Leben und bin jeden Tag dankbar dafür, keinen Alkohol mehr trinken zu müssen. Viel positives hat sich seitdem getan, ich führe eine glückliche Ehe, stehe zufrieden im Berufsleben und habe überdies mittlerweile eine gesunde, 14 Monate alte Tochter. Das Leben ist schön!

    Warum ich mich heute melde, hat folgende Bewandnis: Ich habe zur Zeit einen Rückfall mit Nikotin. Wie schon bei den letzten Veranstaltungen dieser Art (EM 2008, WM 2010) habe ich mal wieder für die Zeit des Turniers mit dem Rauchen begonnen. Bislang habe ich es immer geschafft, damit auch wieder aufzuhören, denn eigentlich passt das Rauchen gar nicht in meinen Lebenstil und wirkt sich auf das Verfolgen - insbesondere meiner sportlichen - Ziele negativ aus. Was mir dieses Mal aber wieder deutlich bewusst geworden ist, ist hier die Fatalität des Suchtgedächtnisses.

    Am Anfang wollte ich eigentlich nur beim Public Viewing der Deutschland Spiele rauchen, dann waren es plötzlich die Stunden davor und danach, dann der ganze Spieltag und jetzt ertappe ich mich selbst wie ich nach dem Spiel gestern Abend auf meinem Balkon sitze und eine nach der anderen qualme.

    Die Zeit seit dem letzten Konsum, das lehrt mich diese Erfahrung wieder einmal sehr eindringlich, spielt letztlich ÜBERHAUPT KEINE ROLLE! Das Suchtgedächtnis schlägt sofort wieder gnadenlos zu. Das ist nun alles nichts Neues, aber es zeigt sich mir wieder mal wie unabhängig diese neurobiologische Komponente von Lebensumständen funktioniert. Alle die vielleicht denken, dass ihr Suchtverhalten "nur" mit ihren derzeitigen Lebensumständen zusammenhängt sollen gewarnt sein. Der Suchtprozess vollzieht sich insofern vollständig unabhängig davon, ob ich mein Leben im Griff habe oder nicht.

    Soweit in aller Kürze!

    Herzlichst,

    Blizzard

    Erst unter den Hammerschlägen des Schicksals, in der Weißglut des Leidens an ihm, gewinnt das Leben Form und Gestalt. (V.E. Frankl)

  • Hallo blizzard,

    ich rate jedem Suchtkranken ( Alkohol, Medikamente, Nikotin, THC, etc ... )
    NIEMALS und unter KEINEN Umständen wieder zu einem einmal abgelegten Suchtmittel zu greifen.
    Ich unterscheide da in keinster Weise zwischen den verschiedenen Suchtmitteln.
    Es gibt keine Sucht, die irgendeinen Menschen voranbringt.
    Dein Bericht bestätigt diese Einschätzung.

    LG Jürgen
    -----------------------------------------------
    Meine Meinung. Keine Suchtberatung.

  • Hallo Blizzard
    Ich kann Deinen Unmut nachvollziehen, jedoch ist mir der Hinweis auf das Suchtgedächtnis unverständlich. Auch die (unterschwellig endschuldigenden?) Verweise auf einen neurobiologischen/chemischen Zusammenhang Erklären mir nicht Dein Verhalten.
    Ich weiß von mir, dass mir Seiltanzen nicht gut tut. Ich habe es zweimal versucht und bin gehörig auf den Steiß gefallen. Ich habe also eine schmerzliche Erfahrung gemacht an die ich mich sehr gut erinnern kann. Es sind lediglich mein Verhaltensweisen aus missverstandenen Ehrgeiz (oder Eitelkeit) oder aber sehr spezielle Lebensumstände, die nun noch in der Lage dazu wären, mich wieder auf ein Drahtseil zu zwingen. Mein Gedächtnis sagt mir aber vorher, dass ich mir mit großer Wahrscheinlichkeit, wieder den Hintern prellen werde.
    Mein Wollen und Handeln, also mein Verhalten in bestimmten Lebensumständen kann durchaus von äußeren Einflüssen und/oder inneren Konflikten beeinflusst sein – enthebt mich aber nicht der Verantwortung für mein Tun. Mein Gedächtnis, meine Erinnerungen können mir Irrtümer aufzeigen, die mich frei machen für neue andere Wege, um von „A“ nach „B“ zu kommen. Das Gedächtnis ist aber nicht dafür verantwortlich, dass ich die Irrtümer immer wieder wiederhole.
    Schönen Sonntag - Uwe.

  • Hallo Uwe,

    ............ Es sind lediglich meine Verhaltensweisen aus missverstandenen Ehrgeiz (oder Eitelkeit).........

    Ich finde deinen Beitrag richtig wertvoll, auch die beiden anderen in diesem Faden, aber was meinst du mit dem obigen Satz ?

    LG

    MaryLou

  • Hi Blizzard!

    Zitat

    Das Leben ist schön!

    Wurd's durch die Raucherei schöner?

    Waren Dir die Zusammenhänge zwischen Suchtmittel und Suchtgedächniß nicht schon vor diesem Experiment klar?

    Nur 2 von unzähligen Fragen die ich zu diesem Dilemma fragen könnte....

    Grüße Sven.....

  • Mary Lou,
    wenn ich noch einmal ein Drahtseil betrete (was auch als Metapher herhalten kann), dann bestimmt aus dem irregeleiteten Ansporn heraus mir etwas beweisen zu wollen, was ich besser wissen sollte. Eine Verhaltensweise, die auch gerne als „mehr vom Gleichen“ bezeichnet wird und selten erfolgsversprechend ist.
    Aber auch Eitelkeit, der Glaube an die persönliche Besonderheit, kann mich zu einer derartigen „Unsinn“ verleiten. Eine hochmütige Laune oder Verhaltensweise, die auch selten Zufriedenheit hinterlässt (jedenfalls wenn Wunsch und Wirklichkeit weit voneinander entfernt sind).
    Beide Eigenschaften sind mir nicht fremd. Mein Umgang damit hat sich verändert.
    LG. - Uwe

  • Hi Blizzard,

    erst kürzlich bin ich beim Stöbern hier mal wieder auf Deinen alten Thread *Vier Jahre trocken* gestoßen.

    Meinen herzlichen Glückwunsch nun zu Deinen fünf Jahren und drei Monaten Trockenheit. Das freut mich.

    Herzlichen Glückwunsch auch zur Geburt Deiner Tochter.

    Auch habe ich mir mal einige Rezensionen Deines Buches durchgelesen, alle sehr positiv, vielleicht kaufe ich mir es.

    Du bist ein sehr agiler Mensch und hast so viel erreicht. Hut ab.


    Ja, Rauchen ist wirklich eine sehr aggressive Suchterkrankung. Sogenanntes Genuss-Rauchen war mir in meinen Rauchphasen nie möglich, ich war immer Spiegel-Raucher. Genau das, was ich bei Alkohol nie war. Beide Süchte hatten für mich gemeinsam, dass sie für mich nicht kontrollierbar waren und auch nie sein werden. Daher gibt es für mich nur eines: Das erste Glas stehenlassen. Die erste Kippe liegenlassen.

    Ich fände es gut, wenn Du hier öfter mal wieder schreiben würdest.

    Liebe Grüße, zerfreila, unterwegs im fünften Jahr :D

  • @Uwe,

    mir liegt es vollkommen fern, mein Handeln durch Verweis auf die Neurobiologie zu "entschuldigen". Im Gegenteil: Ich bin mir wohl bewusst, was ich tue, wenn ich eine Zigarette anzünde.

    Der Punkt ist einfach der: In Sachen Alkohol und andere berauschende Drogen habe ich für mich selber eine absolute, felsenfeste und unumstößliche Abstinenzentscheidung getroffen. Hier gibt es für mich eine rote Linie, wo ich mir nicht im geringsten irgendwelche Experimente erlauben würde. Niemals.

    Beim Rauchen, das gebe ich zu, ist das etwas anderes. Natürlich ist auch das eine Sucht. Mir gelingt es zum Glück relativ leicht, wieder davon wegzukommen, da das Rauchen einfach nicht mit meinem Lebensstil und Selbstverständnis kompatibel ist. Ich habe in den vergangenen Jahren das Rauchen immer auf ein paar Wochen eingeschränkt und das wird auch dieses Mal nicht anders sein. Beim Alkohol sowie bei anderen bewusstseinsverändernden Drogen würde ich sowas verrücktes natürlich nicht machen.

    Trotzdem lassen sich natürlich Analogien zwischen der Nikotinsucht und jeder anderen Sucht aufstellen. Und da finde ich es immer noch sehr faszinierend, zu sehen, wie man doch auch durch seine Leiblichkeit, d.h. auch durch seine neurobiologischen Grundlagen geprägt ist. Das man sich zu diesen Grundlagen verhalten kann, ist selbst meine tiefste Überzeugung;-)

    Erst unter den Hammerschlägen des Schicksals, in der Weißglut des Leidens an ihm, gewinnt das Leben Form und Gestalt. (V.E. Frankl)

  • Zitat von zerfreila

    Hi Blizzard,

    Liebe Grüße, zerfreila, unterwegs im fünften Jahr :D

    Hallo Zerfreila,

    ja danke für die Glückwünsche, die ich nur erwidern kann. Ich kann mich noch gut an dich erinnern und an deine ersten Schritte hier (waren ja relativ kurz nach meinen eigenen). Schön, dass du es auch bisher so gut geschafft hast.

    Die Abstinenz vom Alkohol, das habe ich auch nach 5 Jahren nicht vergessen oder verdrängt, muss immer an erster Stelle stehen, da sonst alles andere gefährdet wird. Es ist wunderbar zu sehen, wie auf dieser Grundlage Leben gelingen kann.

    Herzlichst,

    Blizzard

    Erst unter den Hammerschlägen des Schicksals, in der Weißglut des Leidens an ihm, gewinnt das Leben Form und Gestalt. (V.E. Frankl)

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