Nachteil der Abstinenz und Chance daran zu wachsen

  • Hallo,

    neulich ist mir mal wieder ein Nachteil der Abstinenz aufgefallen: Man muss negative Gefühle aushalten und kann sie nicht mehr einfach wegsaufen.

    Konkreter Anlass bei mir war gerade eine enttäuschte Verliebtheit. Da saß ich denn zu Hause mit gebrochenem Herzen und konnte nicht zur Flasche greifen. (War übrigens mal wieder heil froh, dass es in meiner Wohnung keinen Alkohol gibt.)

    Aber irgendetwas musste ich tun, um mit diesen negativen Gefühlen umzugehen. Letztlich habe ich dann eine Email an eine gute Freundin geschrieben, und mich darin so richtig über die vermeindliche Schlechtigkeit der früher angebeteten ausgelassen. Das hat auch erstmal geholfen. Nur leider war meine Bekannte nicht so recht begeistert, solche Emails von mir zu bekommen.

    Am nächsten Tag habe ich mich dann erstmal für die Mail bei ihr entschuldingt und angefangen nochmal über die Situation nachzudenken.

    Ich denke, dass ich durch den jahrelangen Alkohlmissbrauch verlernt habe mit negativen Gefühlen umzugehen, und muss das jetzt erst wieder neu lernen. Aber letzlich ist das wohl eine Chance seine Fähigkeiten zu verbessern. Solche Situationen werden wiederkommen und jetzt habe ich schonmal die Erfahrung gemacht, dass man auch auf den Gesprächspartner Rücksicht nehmen muss, wenn man sich irgendwo auskotzen will.

    Mein Fazit: Abstinenz ist nicht immer ein Zuckerschlecken, aber mit viel Training werde ich hoffentlich mit der Zeit Fähigkeiten erlernen, die ich bisher noch nicht kannte.

    Liebe Grüße
    cduck

  • glück auf cduck

    Zitat von cduck

    neulich ist mir mal wieder ein Nachteil der Abstinenz aufgefallen: Man muss negative Gefühle aushalten und kann sie nicht mehr einfach wegsaufen.

    das seh ich eher als vorteil.
    gefühle, gute und schlechte gehören zu mir (zum menschen). deshalb find ichs gut gefühle (wieder) erleben zu dürfen.

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo cduck !

    Ich schliesse mich meinen Vorrednern an.
    Als ich noch nicht abstinent war gab es scheinbar nicht genug Alkohol auf dieser Welt , den wenn ich meinen Liebeskummer oder andere Probleme wegsoff, waren sie doch nächsten Tag immer wieder da oder noch gewachsen.

    ich sehe es als Chance , jetzt kann ich auch mal traurig sein, nicht nur besoffen und kann mich auch über schöne Dinge richtig freuen , nass waren sie auch wieder nur anlass zu trinken.

    Solche Erfahrungen sind sehr wichtig für mich , daran bin ich gewachsen, wünsche ich Dir auch.

    Schönen trockenen Sommertag
    wünscht Bernd G

    Trocken seit dem 06.12.1993 und das bleibt auch so !!!

  • Hallo cduck, Hallo zusammen,
    als ich noch getrunken habe, war ich der Meinung, wenn du es schaffst damit aufzuhören, dann wird alles gut.
    Wie du musste ich auch feststellen das dem nicht so ist (trotzdem ist es der richtige weg).

    Für mich waren buddistische Mönche immer Vorbilder, ich wollte auch immer diese innere Ruhe erreichen und war der Meinung das bei diesen Menschen auch immer "alles gut" ist.

    Bis ich ein Interview gesehn habe, wo selbst diese Leute über negative Gefühle gesprochen haben, die sie ebenfalls noch haben. Das war für mich dann der Punkt wo mir klar wurde, dauerhaftes Glück wirst wohl nicht geben.
    Ich glaube das ist auch nicht gesund, wenn man immer glücklich ist.
    Was dauerhaft da ist wird normal, d.h. wenn du immer glücklich bist empfindet man das nicht mehr als Glück sondern als Normalität. Wenn man aber ab und an mal unglücklich ist, dann kennt man auch die andere Seite und kann die glücklichen Moment dann auch als Solche empfinden.
    Viele Grüße
    Mario

  • Hi cduck!

    Ich darf Gefühle ertragen und muss sie nicht wegsaufen....

    Darin liegt für mich der wesentliche unterschied...

    Den Umgang mit (vor allem) negativen Emotionen neu zu erlernen ist anfänglich nicht einfach, aber möglich, nötig....

    Ich denke wird das nicht getan, bzw. vergessen kommt's irgendwann Knüppeldicke und dann wird's eng mit der Abstinenz, denn Emotionen wegsaufen sind wir ja gewohnt, das haben wir uns antrainiert....

    Grüße Sven....

  • Guten Morgen cduck,

    in den ersten Monaten (und es waren sicherlich nicht wenige)
    meiner Trockenheit hat mir auch immer wieder der Retter Alkohol gefehlt.
    Und es hat mich viel Überwindung gekostet, der Versuchung zu widerstehen.
    Auch bei mir war es sehr positiv, dass ich keinen Alkohol im Haus hatte.

    Die negativen Gefühle kommen ja oftmals ohne Ankündigung.
    Ich verwende dabei oft das Bild einer Achterbahnfahrt.
    Es geht nach unten und es geht nach oben.

    Derzeit fahre ich schon mehrere Wochen eher im oberen Bereich.
    Warum? Keine Ahnung. Aber ich genieße es.
    Mir ist dabei bewusst, dass es blitzschnell wieder nach unten gehen kann.
    So sind nun mal Achterbahnen konstruiert.

    Und dann gilt es, dass ich die negativen Gefühle einfach akzeptiere.
    Wenn ich mir jetzt die negativen Gefühle wegsaufe,
    verlängere ich die Fahrt im unteren Bereich meiner Achterbahn.

    Früher war ich wohl immer wieder viele Wochen betäubt unten.
    Heute erlebe ich das Spektrum negativer und positiver Gefühle
    mit einer Bewusstheit, die mir früher absolut gefehlt hat.
    Der Nachteil meiner Abstinenz ist,
    dass ich jetzt mein Leben mit allen Fassetten wahrnehme.
    Das ist spannend für mich. Und auch sehr beruhigend.
    Ich liebe diesen Nachteil meiner Abstinenz.

    Viele Grüße
    Correns

  • Hallo cduck,

    ich habe ne ganze Weile geglaubt, dass ich nass nur meine "negativen" Gefühle weggesoffen habe und nur sie nun trocken für mich spürbar sind und empfand das auch als Nachteil.
    Bei mir war es aber so, dass ich sehr wohl alle Gefühle letztlich "wegsoff", auch die positiven.
    Nass habe ich mit Alk an all meinen Gefühlen "rummanipuliert", damit sie entweder weg oder anders sind oder noch stärker werden.
    Negative Gefühle sind mir unangenehm. Das waren sie für mich nass genauso wie heute trocken.
    Die Illusion, dass es ein Leben ohne (negative) Gefühle geben könnte, habe ich zum Glück nicht mehr, denn das gab es für mich auch nass nicht.

    Es ist der andere Umgang mit meinen Gefühlen, das Weglassen irgendwelcher „Mittelchen“ für den Zweck, meine Gefühle anders haben zu wollen, der meine Trockenheit jetzt von Trinkpausen unterscheidet.
    Meine Gefühle werden nicht "schicker" oder angenehmer dadurch, dass ich sie verleugne, wie ich es lange mit Alk versuchte.
    Mein Umgang mit meinen Gefühlen, egal welchen, wird wohl immer wieder mal eine Herausforderung und mal eine Entlastung für mich bleiben. Dass ich dafür inzwischen keinen Alk mehr brauche, verschafft mir aber durchaus immer wieder ein positives Gefühl.

    Gruß Penta

  • Hallo cduck,

    die reale (nüchterne) Welt ist so, wie Du sie beschschreibst: Hoch und Tiefs, schlechte Gefühle und gute Gefühle. Es geht nicht stetig bergauf, es geht auch wieder mal bergab. Damit mußte ich auch erst einmal klar kommen und heute lebe ich sehr gut damit. Wenn es keine schlechten Gefühle gäbe, wie sollte man die guten dann erkennen?

    Seit dem ich nicht mehr trinke, sind aber die auch die schlechten Gefühle gar nicht mehr so intensiv, wie sie während meiner Trinkzeit waren. Kein Katzenjammer, keine Schuldverschiebungen, keine großen Enttäuschungen mehr. Ich durfte im Laufe der Jahre lernen, alles mit mehr Abstand zu sehen und auch die schlechten Gefühle zuzulassen und sie wieder loszulassen - denn sie gehören ja auch zu mir.

    Und gerade im Wechselspiel von enttäuschter Liebe ist mir eines klar geworden: nicht nur ich suche mir jemanden aus - auch der Andere hat das Recht, frei zu wählen. Nur weil der Andere etwas für mich empfindet, muß es ja nicht auf mich zutreffen - ich habe ja die Wahl und damit bin ich ja kein schlechter Mensch, ich treffe nur die Entscheidung für mich, nicht in Beziehung mit dem Anderen zu treten - egal aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht hilft Dir diese Sichtweise etwas, über Deinen Liebeskummer anders zu denken und ihn aus einer anderen Perspektive zu sehen.


    Grüßle

    BC

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!