Bleibe ich ewig co-abhängig? HILFE!!!!

  • Dieses Forum hat mir bei der Verarbeitung meiner Ehe und Scheidung von meinem alkoholkranken Mann sehr geholfen. Inzwischen ist er gestorben und ich habe eine zweijährige Psycho-Therapie abgeschlossen. Ich könnte glücklich und zufrieden mit meinem neuen Partner leben.... aber ich komme - obwohl er nicht alkoholkrank ist - einfach nicht von meinen alten Verhaltensweisen los. Er hat sich ein Multivitaminpräparat im Internet bestellt und ich habe die totale Panik bekommen, weil er mir nicht davon erzählt hat. Immer noch habe ich Angst vor "Mitteln" aller Art (mein Vater war auch tabletten- und alkoholabhängig) und habe Angst, es passiert etwas schlimmes und ich verliere die Kontrolle. Mein Partner fühlt sich eingeengt, bevormundet und kontrolliert, was ich nachvollziehen kann. Aber es fällt mir so schwer, ihn einfach machen zu lassen!!! Nun ist unser Streit so eskaliert, dass ich Angst habe, ich gefährde diese Beziehung, wenn ich nicht von meinem "Kontrollwahn" und meiner Angst weg komme. Ich bin so verzweifelt, weil ich das Gefühl habe, je mehr Angst ich habe, ihn zu verlieren, um so klammender und kontrollierender werde ich und desto mehr will er sich frei machen. Kann mir jemand helfen?

    Es gibt 1000 Gründe, alles so zu lassen, wie es ist - und nur einen, etwas zu verändern: Du hältst es einfach nicht mehr aus.

  • Hallo Thea66,
    kennt Dein neuer Partner Deine Vorgeschichte? Kannst Du mit ihm darüber reden? War denn Dein beschriebener Kontrollzwang ein Thema in der Psycho-Therapie?
    Viele Grüße
    Liebeskind

  • Hallo Thea66,

    mir hat folgender Gedanke geholfen:

    1. Ich habe keine Macht über andere Menschen,
    2. Ich bin nicht verantwortlich für andere
    3. Ich bin niemals allein (ich habe mich selbst)
    4. Ich kann gut für mich sorgen (besser als jeder andere)

    Klarheit

  • Hallo Thea66,

    ich denke nicht, dass du ewig Co-Abhängig bleiben mußt.

    Ich fand den Schritt raus aus der Co-Abhängigkeit gar nicht so schlimm, denn es bring nur Vorteile mit sich und erleichtert so. Ich muß nicht mehr überall meinen Senf dazu geben, keine Ratschläge mehr erteilen, nicht mehr für andere mitdenken, mir nicht mehr das Schlimmste ausmalen. Ich kann mich einfach zurücklehnen und jeden für sich selbst und sein Leben entscheiden lassen. Ich weiß auch, dass ich nichts verhindern kann, was ein Mensch beabsichtigt zu tun. Manchmal ist es aber auch nicht leicht zu unterscheiden, wann ich besser doch was sage und wann es nicht angebracht und unerwünscht ist. Dann denke ich immer daran, dass ich einen erwachsenen Menschen vor mir habe, der selber auch denken kann.

    Wenn du leichter leben möchtest, dann ist es wirklich sehr befreiend sich aus den Angelegenheiten andere raus zu halten. Du kannst es auch erstmal aus Respekt vor der Privatsphäre des anderen machen.

    Ich habe mir einen Satz aus einem Buch bildlich so verinnerlicht. Wenn du meinst du musst aufspringen und etwas tun, etwas sagen, dem anderen Helfen, ihn retten usw. Erst mal zurück lehnen und gar nichts tun. Es ist nicht deine Angelegenheit, geht dich nichts an. Wenn jemand eine Bitte äußert, oder dich um einen Rat frägt, ist das etwas anderes. Ansonsten hast du dich nur um deine Angelegenheiten zu kümmern.

    Hört sich evtl erst mal hart und komisch an. Doch etwas anderes funktioniert meiner Meinung nach bei einem Co-Abhängigen nicht. Ich weiß, es hört sich egoistisch und bequem an, doch das ist gesundes verhalten. Einem Menschen zu gestatten, sein Leben so zu leben, wie er es möchte. Und ihn auch das tun zu lassen, was er für richtig hält. Ob ich das für richtig halte, ist wieder eine andere Sache.

  • Vielen Dank für Eure Antworten.! Ja, mein Partner weiß von meiner "Vorgeschichte", aber trotzdem hat sein Verständnis natürlich Grenzen, obwohl er versucht, vieles zu verstehen. Das mit dem Zurücklehnen finde ich eine wunderbare Vorstellung. Manchmal klappt es auch schon. Aber manchmal - wenn ich aus irgendeinem Grund unsicher oder ängstlich bin - läuft wieder dieses Co-Programm ab. Mir hilft es so, dass Ihr mich versteht und nicht verurteilt. Manches können glaub ich nur Menschen verstehen, die auch lange mit Alkoholikern gelebt haben (mein Vater und mein Ehemann...).
    Liebe Mieni, danke auch für den Satz mit dem Aufspringen und zurücklehnen.... da muss ich an meinem Helfersyndrom echt noch arbeiten. Ihr habt recht, es fühlt sich besser an, dem anderen Menschen seine Verantwortung zu lassen. Ich hoffe, ich schaffe es.....

    Es gibt 1000 Gründe, alles so zu lassen, wie es ist - und nur einen, etwas zu verändern: Du hältst es einfach nicht mehr aus.

  • Hallo Thea66
    Was du beschreibst ist Angst und nicht co. meine ich jedenfalls.
    Bei mir gibt es auch Sachen die mir ein Unbehagen machen,die beruhen auf Erlebten von vor langer Zeit und wenn ich kann meide ich solche Orte und Situationen.
    Wenn das Urvertrauen erstmal Schaden genommen hat egal ob von Süchtigen in der Familie oder anderen Dingen und Begebenheiten,das steckt dann erstmal in einem drin.
    Angst ist ja zuerst einmal ein Warnsignal und das sollte funktionieren sonst würde man ja immer wieder diesselben Fehler machen.
    Das dein neuer Mann das nun abbekommt ,ich finde da müßte er schon Verständnis aufbringen können.
    Ich würde das von einem neuen Partner erwarten das er es in einem bestimmten (nicht übertriebenen) Maß auch für mich hat.
    Du machst das ja nicht um ihn zu ärgern ,sondern weil es dich ängstig,wenn er offen mit dir umgeht könntet ihr solche Situationen leicht vermeiden und dein Vertrauen würde wachsen können.Das sehe ich als seinen Anteil an dieser Sache.

    LG R...

  • Hallo Thea66,

    ich habe, wie auch Renate, spontan gedachte, dass es nicht unbedingt Co-Abhängigkeit ist. Du scheinst ihn sehr zu kontrollieren und ihm damit zu zeigen, dass du ihm doch nicht vertraust.
    Kontrollzwang gehört mitunter zur Co-Abhängigkeit, muss es aber nicht. Ich lege durchaus auch bei meiner Co-Verhalten an den Tag, obwohl ich mich in ihren Alkkonsum nicht mehr einmische und sie "machen lasse". Ändern kann ich es eh nicht.
    Aber auf der anderen Seite ist nicht jeder kontrollsüchtige Mensch co-abhängig.

    Mein Vater ist zum Beispiel der Co in Person. Er kontrolliert Mutter auf Schritt und Tritt. Ob sie getrunken hat, was sie eingekauft hat, wieviel Geld sie ausgibt, wen sie anruft. Wenn irgendwas runterfällt, sei es nur eine Gabel, steht er direkt in der Tür und muss nachschauen, was es war und warum.
    Ich finde es schon sehr bedenklich, wenn er sie so kontrolliert, auch wenn er meint, in ihrer Sucht einen Grund zu haben, der das legitimiert. Wäre ich an ihrer Stelle, würde ich es nicht ertragen und ihm klare Grenzen setzen.
    Jetzt ist es aber auch so, dass er meint, mich zu kontrollieren, wenn ich da bin. Ich könnte ja ebenso werden wie Mutter. Also wird jedes Glas Alkohol, was ich irgendwo in der Hand habe, kritisch beäugt. Auch wenn ich so gut wie nie etwas trinke. In der Pizzeria wird zum Schluss ein Glas Marsala gereicht- auch das muss ich ablehnen, wenn er dabei ist. Als ich einer Freundin, die ihr Studium beendet hat, eine Flasche Sekt kaufte, wurde ich gefragt, ob es denn sein müsse. Jetzt war er mal in der Wohnung meines Freundes, der hier den ein oder anderen Schnaps rumstehen hat- das meiste rührt er eh nicht an, es sind Geschenke von der Familie oder von Freunden- und ist dann den Rest des Tages mit großer Leidensmiene rumgelaufen. Wenn ich angerufen werde, will er auch wissen, wer dran war, wenn ein Paket kommt, was drin ist. Wenn mir irgendwas runterfällt, dann rennt er; wirklich, er rennt- innerhalb von Sekunden steht er hinter mir. Wenn es also nach ihm ginge, dann weiß er immer, was mein Partner oder ich machen, mit wem wir sprechen und am liebsten würde er uns verbieten, Alkohol zu trinken und uns sowieso vor uns selbst schützen und in Watte einpacken.

    Man kann jetzt sagen, dass er viel durchgemacht hat und sich deswegen Sorgen um mich macht. Aber das geht nicht! Er kann mir nicht ständig misstrauen, mir zeigen, dass er meint, ich könne nicht für mich selbst sorgen und mir meine Freiheit nehmen, indem er über mich bestimmt.
    Und so sehe ich das auch bei dir und deinem Partner.
    Wie soll er es für den Rest seines Lebens bei dir aushalten, wenn er über jeden Schritt oder jedes Getränk Rechenschaft ablegen muss? Sei es nur ein Multivitaminpräparat. Wo hört es dann auf? Wenn er es einmal zulässt und dich über alles informiert- wärest du dann damit zufrieden, wenn er sagt, dass du alles weißt, mitbekommen hast, dass alles in Ordnung ist und er dir nun nichts mehr mitteilt? Nein, das würde dich dann erst recht beunruhigen.

    Ich weiß jetzt nicht, was schlimmer ist- dass man mir ständig die Freiheit nehmen will, ich zu Hause keine Privatsphäre habe- oder dass er mir jedes Mal damit zeigt, dass er mir nicht vertraut und mir keine Eigenständigkeit zuspricht.

    Ich halte das Verhalten meines Vaters jedenfalls nicht mehr aus. Er ist nicht einsichtig; daher hab ich die Konsequenzen gezogen, bei aller Liebe den Kontakt einzuschränken und schließe es auch für die Zukunft aus, dass er zu mir zieht, sobald Mutter tot ist.
    Wenn du weiterhin mit deinem Partner zusammenbleiben möchtest, solltest du an dir arbeiten und dich ändern. Klar, kann er zu Beginn Rücksicht nehmen- aber es scheint mir, als wäret ihr schon länger zusammen. Wenn du sogar mitbekommst, wenn er Präparate online bestellt, wohnt ihr schon zusammen, oder? Und da hört es dann irgendwann auch auf.

    Alles Gute!
    Natalie

  • Für mich ist es erst einmal immer wieder - obwohl das ja eigentlich schon typisch für diese ganze Alkohol-Familiengeschichte ist - jedes Mal erschreckend, dass mich meine Verhaltensweisen einholen und ich im Zusammenhang mit einer anderen Person, die ich liebe, in einer bestimmten Weise reagiere. Ich denke aber schon, es ist so wie ein Schlüssel-Schloß-Prinzip, also nicht nur "mein Ding". Der Motor ist bei mir ganz klar Angst, dass es etwas aus dem Ruder gerät, dass es meinem Freund schlecht geht, dass unsere Beziehung auseinander geht.... Aber ausgelöst wird es immer wieder auch durch seine "Macke", nicht offen zu Dingen stehen zu können, die ihm Nahestehende kritisieren könnten. Das hat mit seiner Familiengeschichte zu tun.

    Wir müssten also beide lernen, zu vertrauen - ich müsste ihm vertrauen, dass er schon auf sich aufpasst und das Richtige tut und er müsste mir vertrauen, dass es nicht schlimm ist, wenn ich eine andere Meinung als er habe und dass ich sie ihm nicht ausreden will.

    Die Frage ist nur, wie wir zu diesem Vertrauen kommen. Wir können offen über das Problem dieses Teufelskreises reden, aber wir stellen dann auch zum wiederholten Mal fest, dass wir wieder in unseren alten Mustern drin sind: er macht irgend etwas heimlich (kaufen, Nahrungsergänzungsmittel nehmen...) , ich komme "dahinter", wir streiten, er sagt: mit dir kann ich ja nicht reden, weil du dagegen bist, ich sage: versuch es doch mal, mit mir vorher offen über Dinge zu reden.... dann geht das eine Weile hin und her ... Er hatte mir schon versprochen, nächstes Mal vorher mit mir über Dinge zu reden, die er macht (wenn sie uns beide betreffen), aber er hat immer wieder Heimlichkeiten. Einerseits möchte ich ihm Freiraum lassen, andererseits bedeutet für mich Freiraum nicht "Heimlichkeiten haben". Es fühlt sich für mich alles so krank an und ich weiß nicht, wie wir aus dieser Spirale raus kommen.

    Dein Beitrag, Natalie, hat mich sehr beeindruckt, weil du so deutlich machst, wie die andere Seite aussieht. Wir wohnen übrigens tatsächlich zusammen. Du beschreibst, dass es unweigerlich zu viel wird und das eintreten wird, was ich vermeiden möchte: dass es schlimmer wird zwischen uns und wir vielleicht sogar die Beziehung beenden.

    Ich weiß nicht, ob ich nicht an dieser Stelle so "beeinträchtigt" bin, dass ich zumindest bezüglich Medikamenten und Nahrung, Alkohol und Nahrungsergänzungsmitteln mich nicht mehr ändern kann. Sowohl mein Vater als auch mein verstorbener Ehemann waren Alkohol- und Tablettenabhängig, ich kann mir einen entspannten Umgang damit in diesem Leben nicht vorstellen, trotz Therapie. Als ich das Haus meines verstorbenen Mannes (er starb an einem Herzinfarkt infolge Alkohlmissbrauch) ausräumte, habe ich eine MÜlltonne voller Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel entsorgt, eine komplette Mülltonne!!!

    Für mich ist deshalb die bedrückende Frage weiterhin, ob ich meine Lebensgeschichte in diesem Punkt wie eine Narbe mit mir herumtrage und sie nicht weg retuschieren kann. Dann wäre ich wirklich auf das Entgegenkommen meines Freundes angewiesen, der seine Verletzungen auch in sich trägt. Ob das gelingt??? Und wenn ja, wie???

    Es gibt 1000 Gründe, alles so zu lassen, wie es ist - und nur einen, etwas zu verändern: Du hältst es einfach nicht mehr aus.

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