• Hallo Forum,

    ich hatte zunächst einen Text geschrieben und gemerkt, dass der viel zu lang wird, darum gelöscht. Dann versucht, knapper zu schreiben, war aber wohl nicht eingeloggt, beim Einloggen verschwand der Text.
    Darum jetzt nur ganz knapp: Ich bin seit 25 Jahren Trinker. Habe vor zwei Wochen Kontakt zur SOS-Station in Serrahn aufgenommen, bin seit Donnerstag letzter Woche aus der Entgiftung raus (wo auch ein Langzeittherapieantrag gestellt wurde) und habe nach der Entgiftung angefangen, wieder alles mir gegenüber relativieren zu wollen. So eine Therapie sei nichts für mich, ich kann jetzt nicht sofort in die SOS-Station, weil ...(beliebigen Grund einsetzen). Machte Pläne, die, wie ich irgendwann erschrocken feststellte, alle nur ein Ziel hatten: Mir ein Hintertürchen offenzuhalten und den Gedanken "Nie wieder!" nicht konsequent zu Ende denken zu müssen. Da hat es dann "Klick!" gemacht.
    Ich muss allerdings hier tatsächlich noch die Mietsituation regeln (meine Tochter wohnt noch bei mir und würde gern hier wohnen bleiben), bevor ich nach Serrahn kann. Bis dahin möchte ich mir zur Risikominimierung (der nächste Supermarkt ist nur fünf Minuten entfernt) Stützen schaffen. Eine davon besteht darin, dass ich meinen Eltern und Geschwistern jeden Tag eine E-Mail schreibe. Die zweite soll dieses Forum sein.

    Gruß Pancho

  • Hallo Pancho,

    herzlich Willkommen hier bei uns.
    Als ich vor 3,5 Jahren trocken wurde, war für mich das "nie wieder" wie eine Befreiung !

    Denn das "nie wieder" bedeutet ja nicht nur, nie wieder die betäubende Wirkung des Alkohols fühlen zu werden, sondern auch nie wieder den ganzen Mist erleben zu müssen, der damit zusammen hängt.

    Also für mich hat dieses Mantra getaugt ( und tut es immer noch ), ;) für andere ist es einfacher, nur an den jetzigen Tag zu denken und ihn als Ziel der Abstinenz zu betrachten.

    Auf jeden Fall wirst du es in der Gemeinschaft einfacher haben trocken zu werden und dann auch d´ran zu bleiben.

    Ja, genau, das d´ranbleiben an der Motivation trocken zu bleiben, ist wohl einer der wichtigsten Punkte überhaupt.

    Ich wünsche dir dabei viel Erfolg und bin gespannt mehr von dir zu lesen.

    Liebe Grüße

    Slowly

  • Hallo Slowly,

    seit Montag, seitdem ich diesen Gedanken für mich annehmen konnte, geht es mir deutlich besser. Mir hat auch das Stöbern in diesem Forum sehr geholfen bei der Erkenntnis: Es gibt keine Alternative. Und das war nicht die einzige Erkenntnis. Eine andere war, dass es zum Trockenbleiben dazugehört, sich permanent mit sich und seiner Krankheit auseinanderzusetzen. Das habe ich noch am Sonntag strikt abgelehnt. (Meine Überlegung war immer, dass man sich damit auf etwas reduziert, dass es kontraproduktiv wäre, weil man doch vom Thema Alkohol wegkommen möchte). Durch viel Lesen in diesem Forum und einer gnadenlosen Selbstanalyse ist mir klar geworden, dass das Teufelchen auf der Schulter natürlich um so leichteres Spiel hat, je mehr man sich "geheilt" glaubt.

    Der Entschluss, nichts mehr zu trinken, war vor allem körperlichen Beschwerden geschuldet. Mein Geist ist erst jetzt nachgezogen.

    Gruß Pancho

  • Hallo Pancho,

    herzlich Willkommen hier im Forum.
    Ich wünsche dir einen hilfreichen Austausch.

    Wie schon von Slowly geschrieben: das Wichtigste ist dran bleiben.
    Nicht in einen alten Trott verfallen.

    Es gibt eine ganze Menge zu entdecken auf dem trockenen Lebensweg.
    Das ist teilweise schwierig und erfordert Mut, sich dem Leben unbenebelt zu stellen.

    Dazu wünsche ich dir Kraft und Zuversicht.
    Ich freue mich, von dir zu lesen.

    Liebe Grüße
    Hans

  • Hallo Hans im Glück,

    danke auch dir für deine Zeilen. Dieses "nicht in den alten Trott verfallen" ist wohl das schwierigste daran, weshalb ich für mich auch die Entscheidung getroffen habe: Es geht nur radikal. Zumindest bei mir. Da ich sowieso an einem Tiefpunkt angelangt bin (sozial isoliert, keine Arbeit, das Gefühl, an nichts mehr Freude zu empfinden), ist dieser Schritt jetzt, da ich den Gedanken "Nie wieder!" für mich annehmen konnte, gar nicht so schwierig.
    Ich habe vor, nach der Langzeittherapie dort in der Gegend (Mecklenburg-Vorpommern) zu bleiben, wenn das irgendwie möglich ist. Sehr lange waren Ausflüge in die Natur das, was mir immer wieder Kraft gegeben hat, nur hat dann ganz zuletzt auch die Kraft für diese Ausflüge gefehlt.
    Und abgesehen von Lärm und Hektik, die in Berlin Tag und Nacht herrschen, ist hier natürlich auch die Verfügbarkeit von Alkohol ein immerwährender gefährlicher Stolperstein. Wie oft ich am Sonntag im Späti war, weil ich eigentlich eine Trinkpause einlegen und entsprechend nur für Sonnabend Alkohol eingekauft hatte, weiß ich nicht mehr. Aber es war fast jeder Sonntag.

    Gruß Pancho

  • Ach so, was ich noch fragen wollte: Gibt es hier jemanden, der eine Langzeittherapie gemacht hat? Vielleicht sogar in Serrahn?
    Falls ja, würde mich mal so ein ganz knapper Erfahrungsbericht freuen. Also prinzipiell zu einer Langzeittherapie, nicht nur Serrahn.

    Gruß Pancho

  • Hallo Pancho,

    herzlich willkommen auch von mir. Und Gratulation zum Beginn deines neuen Lebensabschnittes.

    Bei mir hat es vom Beginn meiner Abstinenz bis zur Erkenntnis, dass ich Alkoholikerin bin und nie wieder Alkohol trinken will, noch lange gedauert. Zum Glück bin ich lange genug trocken geblieben, um zu diesem heilsamen Schluss kommen zu können. Daran ist auch dieses Forum maßgeblich beteiligt. An meiner Erkenntnis und an meiner bis heute dauernden Trockenheit, die vor zwei Jahren begann.

    Ich habe vor mehr als zehn Jahren bereits einmal eine stationäre LZT gemacht in einer psychosomatischen Klinik mit Schwerpunkt Suchtproblematik. Da dies lange her ist und vermutlich auch alle Kliniken ganz verschieden sind, will ich hier nicht allzu viel beschreiben. Was mir aber besonders gut getan hat, war, mir für einige Monate einmal tatsächlich Zeit für mich nehmen zu können, für mein Seelenleben. Mich einmal wichtig zu nehmen. Meine Gesundheit in den Mittelpunkt meines Handelns zu stellen. Und dabei auch noch Unterstützung zu bekommen, idealerweise von Therapeuten, die was von Sucht (und vom Leben) verstehen. :)

    Insofern wünsche ich dir eine hilfreiche Zeit in der Therapie, die du ganz für dich nutzen kannst.

    Viele Grüsse
    Thalia

  • Hallo Pancho und herzlich Willkommen,

    unsere Krankheit ist nicht heilbar, wir können nicht kontrolliert trinken und werden es auch zukünftig nicht können!

    Am Anfang meiner Abstinenz hat mich das "nie wieder" erschreckt, mittlerweile gibt mir diese Erkenntnis Halt. Kein eventuell doch, kein vielleicht später mal, kein ein bisschen geht doch!
    Nein im Gegenteil; jeder Tropfen Alk, egal in welcher Form, bringt mich dahin, wo ich vor 1,5 Jahren aufgehört habe.
    Ich würde direkt wieder auf Los stehen. "Gehen Sie sofort auf Los, begeben Sie sich direkt dorthin."
    Dieses entsetzliche Gefühl der Abhängigkeit möchte ich nicht mehr erleben!

    Dir einen guten Austausch hier im Forum, auf dass du hier eine sichere Stütze findest.
    Gruß
    step

  • Hallo Thalia1913,

    heißt das, dass du dich während und nach der Langzeittherapie selbst noch nicht als Süchtiger und das ganze nur als Trinkpause gesehen hast?

    Für mich war heute ein guter Tag. Im Prinzip mit jeder neuen Stunde macht mir die Vorstellung von einem Leben ohne Alkohol weniger Angst. Im Gegenteil, ich begrüße die neuen Chancen.
    Außerdem schätze ich mich glücklich, eine solch tolle Familie zu haben. Meine Töchter, meine Eltern, meine Geschwister stehen nicht nur hinter mir, sondern helfen mir ganz bewusst und begleiten mich auf meinem neuen Weg.
    Sollte irgendwas schief gehen oder es mit der Aufnahme in der SOS-Station in Serrahn (das ist quasi eine Übergangseinrichtung, in der man die Zeit bis zur Therapie verbringen kann) nicht klappen sollte, kann ich bei meinem Vater Unterschlupf finden.
    Ich habe heute sehr viel telefoniert und geschrieben und es war gut, aber jetzt bin ich ein klein wenig erschöpft und freue mich aufs Bett.
    Lacht nicht, aber momentan gehe ich immer um 20 Uhr ins Bett und lese noch zwei Stunden, das tut mir gut.

    Gruß Pancho

  • Hallo Pancho,

    alles was du machst ist besser als saufen, auch um 20 Uhr ins Bett gehen :!:

    Ich habe keine Therapie gemacht, musste aber eine Reha machen, so fertig war ich.

    Dort habe ich gelernt nix auf die Meinung von anderen zu geben.

    Ich war mit der Einrichtung recht zufrieden, meine Mitpatienten hatten an allem etwas auszusetzen :roll:

    Schau dir im Internet mal diese Bewertungsportale an,

    da wird z.B. ein Fernseher mal mit 1 und mal mit 5 bewertet :shock:

    LG Martin

  • Hallo Pancho,

    ja, aus heutiger Sicht war das damals wohl eine Trinkpause, auch wenn sie nach der LZT etwa sechs Jahre gedauert hat.

    Es ist schon erstaunlich (und ich staune wirklich immer wieder neu darüber), wie hartnäckig ich mich lange an der Überzeugung festgeklammert habe, nicht abhängig zu sein. Und daran vermeintlich meinen Wert als Mensch festgemacht habe.

    Ich wünsch dir einen gemütlichen Abend lesend im Bett. Das ist nicht das Schlechteste :D

    Thalia

  • Guten Morgen, Forum!

    Noch vor vier Tagen hätte ich mit einem verächtlichen "Mir hilft sowas nicht!" Hilfsangebote wie dieses Forum beiseite gewischt. Es ist erstaunlich, wie viele Ansichten sich in so kurzer Zeit bei mir so radikal geändert haben.
    Mir tut es wahnsinnig gut, gerade jetzt in dieser Phase, in der zwar die Weichen gestellt wurden, aber "noch nichts passiert", hier in dieses Forum reinzuschreiben.
    Daher werde ich nachher mal meine Trinkerkarriere etwas ausführlicher schildern als im Eingangspost. Einfach, weil es mir vielleicht gut tut, mir noch mal selbst vor Augen zu halten, dass die positiven Aspekte des Trinkens, die mein Gehirn immer noch damit verknüpfen will, sich angesichts der negativen Folgen in Nichts auflösen.

    Gruß Pancho

  • Guten Morgen Pancho,

    Was du schreibst, schreibst du für dich.
    Ich lese öfter in meinem TB und staune über die Entwicklung in meinem Leben.
    Und freue mich.

    Dir einen schönen Tag.

    Hans

  • Hallo Pancho und ein herzliches Willkommen im Forum,

    Zitat

    Noch vor vier Tagen hätte ich mit einem verächtlichen "Mir hilft sowas nicht!" Hilfsangebote wie dieses Forum beiseite gewischt.


    als ich dieses Forum entdeckte war ich sehr skeptisch was so etwas bringen könnte. Noch nie hatte ich bis dahin im Netz etwas geschrieben.
    Trotzdem versuchte ich es. Die Möglichkeit sich hier, jeden Tag zu jeder Zeit, austauschen zu können fand ich interessant. Im Krankenhaus stellten sich auch einige Shg. vor. Leider hatten sie alle immer nur feste Trefftage zu bestimmten Tageszeiten. Das passte gar nicht zu meinen Arbeitszeiten.
    Also meldete ich mich hier an. Heute nach einigen Jahren weiß ich, das war das beste was ich für meine Trockenheit machen konnte. Die Hilfen durch die, meist festen, Forums Mitgliedern ist einfach genial. So schaffte ich mit ihrer Hilfe schon manche Hürden. Auch heute macht mir das „nie wider“ manchmal noch zu schaffen. Doch ich sehe es heute nicht mehr als Nachteil an. Erstens beschäftige ich mich dadurch immer mal wieder sehr intensiv mit meiner Alkoholsucht. Zweitens erkenne ich immer dabei wie gut es mir heute ohne Alkohol geht.

    Zitat

    Lacht nicht, aber momentan gehe ich immer um 20 Uhr ins Bett und lese noch zwei Stunden, das tut mir gut.


    Wer sollte dabei lachen. Wie Martin schon geschrieben hat, ist das alles besser, als saufen zu müssen. Für mich war es am Anfang sehr wichtig richtige Strategien fürs Nüchtern bleiben zu finden. Und ich habe einiges durch. Bei mir fing es z.B. damit an, strickt weg sehr lange keine Alkoholwerbung mehr zu schauen. Ein Zitat aus dem Forum hat mir immer sehr dabei geholfen.
    "Wer will findet Wege, wer nicht will Gründe"
    In diesem Sinn wünsche ich dir hier einen guten Aufenthalt.

    LG Nobby :wink:

  • Hallo,

    danke an alle Schreiber und Mitleser. Das war eine kurze Nacht heute, der Tag davor auch schon etwas komisch, irgendwie konnte ich keinen klaren Gedanken fassen und hatte zu nichts Lust. Zeitweilig zitterten meine Hände, nicht schlimm, aber deutlich merkbar. Ist das normal nach 14 Tagen Abstinenz? Aber das wichtigste: Kein Saufdruck!
    Also einen Tag später als geplant hier nun die Stationen meiner Trinkerkarriere, die keineswegs so linear verlief, wie das immer angenommen wird. (Die schlimmste Phase hatte ich nämlich mit 23 hinter mir, was mich auch immer dazu verleitete zu glauben, ich sei doch auf einem guten Weg)
    Mit 14 der erste Absturz bei einer Hochzeitsfeier einer Tante, bei der ich irgendwann allein am Tisch saß und eine Flasche Apfelkorn mich bat, mal zu kosten. Vom mir gestatteten Bier hatte ich genug, durstig war ich nicht mehr, die Erwachsenen tanzten und einfach nur rumsitzen war auch blöd. Also warum nicht? Irgendwann war die Flasche leer und ich hatte am Tag darauf den schlimmsten Kater meines Lebens. (Später hatte ich, vielleicht leider, nur noch ganz selten einen Kater, meist nur dann, wenn ich nach einem Entzug zu heftig wieder einstieg. Aber ich glaube, auch ein täglicher Kater hält einen Trinker nicht vom Trinken ab, oder? Insofern sollte ich vielleicht lieber froh sein)
    Da ich schwerhörig bin, kam ich dann auch mit 14 nach Berlin ins Internat, weil es dort die einzige Möglichkeit gab, an einer Schule für Schwerhörige das Abitur zu machen. Für mich war das toll, raus aus dem verhassten Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) in die große Hauptstadt!
    Wie das so ist im Internat: Man schmuggelt auch mal was rein, trifft sich auf dem Zimmer und trinkt zwei oder drei Bier, nichts schlimmes vorerst. Zu besonderen Anlässen ging es in die Kneipe, wo man uns anstandslos Bier und Schnaps servierte.
    In der zehnten Klasse dann zum ersten Mal Frustsaufen allein in der Kneipe, nachdem mein Klassenlehrer mich drängte, ich solle mir Alternativen zum Abitur einfallen lassen, er sehe an der Schule für mich keine Perspektive. Zensurentechnisch war alles okay, das hatte andere Gründe. Da es zwei, drei Lehrer gab, die sich stark für mich einsetzten, durfte ich weitermachen. Kneipenbesuche häuften sich, aber Abstürze blieben aus. Im November '89 dann die Wende, alles war plötzlich anders aber irgendwie auch nicht, man ging ja weiter zur Schule und schlief im Internat. Inzwischen (11. Klasse) schmuggelte ich bereits regelmäßig Bier ins Internat. (Ich bin mir grad nicht sicher, aber ich glaube, ich musste es gar nicht schmuggeln, weil es den Älteren, also über 16-jährigen, nicht verboten war)
    Mit meinem heute noch besten Freund nachts diverse heimliche Ausflüge durchs Fenster in die Kneipen Westberlins. Erste Filmrisse.
    Zum Halbjahr der 12. Klasse, also ein paar Monate vor den Abiturprüfungen, werde ich wegen diverser Verletzungen der Hausordnung des Internats verwiesen. Zum Glück studiert meine Schwester gerade in Berlin und gewährt mir in ihrer kleinen Wohnung Unterschlupf. Ich trinke nun regelmäßig fünf Bier am Abend und gebe mir am Wochenende die Kante.
    Das Abitur wird bestanden und durch die politischen Umwälzungen anderthalb Jahre zuvor liegt mir im Prinzip die Welt zu Füßen. Aber genau das ist wahrscheinlich zu viel für mich. Ich bin völlig orientierungslos und habe keine Ahnung, was ich will.
    Aufgrund fehlender alternativer Ideen schreibe ich mich an der Humboldt-Uni für das Fach Sonderschulpädagogik ein.

    Erst mal Pause, gleich geht's weiter.

  • Weiter geht's:

    Eine Clique hatte sich schon vorher gebildet, Freitag und Sonnabend wurde vorgeglüht mit Weinbrand und Cola, in der Disco ging es weiter.
    Nach drei Wochen Studium hatte ich keine Lust mehr auf die Uni und keinen Schimmer, wie es weitergehen sollte. Erstmal hatte ich viel Zeit. Ich fing an, schon am Morgen das erste Bier zu trinken und dann gab es kein Halten mehr. Ich gewöhnte mir an, wenn ich stockbesoffen morgens nach Hause kam, mir immer noch ein Sixpack am Imbiss zu holen. Meistens schlief ich über dem ersten Schluck dann ein, aber der Gedanke, nichts dazuhaben war unerträglich. Die Devise war fast jeden Tag: Ein typischer Tagesablauf sah so aus: Mittags aufwachen, das erste Bier. Nach ein paar weiteren Bier zu einem der Kumpels aus der Clique, weitere Bier, abends dann eine bis anderthalb Flaschen Weinbrand.
    Wochenlange Räusche waren die Folge, schlimme Stürze mit unter anderem einem Nasenbeinbruch, der aber für mich kein Anlass war, zum Arzt zu gehen, ganze Tage, die einfach aus dem Gedächtnis verschwanden, Kontrollverlust über Darm und Blase. Ich habe horrende Mietschulden und stehe bei fast jedem meiner Freunde in der Kreide.
    Mit 22 mein erster kalter Entzug, allein zuhause. Zittern, Schwitzen, in der Zimmerecke sitzt eine Katze, die es nicht gibt, im Flur reden Leute, die es nicht gibt. Ich kann mich nicht bewegen, weil ich bei der geringsten Bewegung das Gefühl habe, mein Herz explodiert, weil es so rast. Andererseits spüre ich meinen Herzschlag nicht, wenn ich ganz ruhig daliege. Todesangst die ganze Zeit. Vielleicht war es ein Delirium, vielleicht auch nicht, auf jeden Fall war es die grauenhafteste Nacht meines Lebens. Der Tag wird kaum besser, ich kann weder essen noch trinken, liege nur da. Die zweite Nacht ist weniger schlimm, ich sehe keine Katze mehr und die Stimmen im Flur melden sich auch nicht wieder, der Rest ist wie die vorige Nacht, nur etwas milder. Nach der vierten schlaflosen Nacht hab ich die Schnauze voll und hole mir was zu trinken. Das Trinken geht weiter, allerdings gemäßigter,da ich nun erst abends damit anfange.
    In einer guten Phase lerne ich die spätere Mutter meiner Töchter kennen. Ich sehe die Chance auf Struktur, Bindung, einen Neubeginn und ziehe wenige Wochen nach dem Kennenlernen bei ihr ein.

    Pause.

  • Hallo Pablo,

    da hast du ja schon einiges mitgemacht und nun das Bedürfnis, das alles mal aufzuschreiben.

    Dieses Gefühl kann ich gut verstehen und sicherlich hilft das Schreiben auch beim Sortieren der ganzen Gefühlen und Gedanken, die jetzt unbetäubt bewältigt werden wollen.

    Hier im offenen Teil des Forums ist das sicherlich auch möglich und für einige hier ( wie auch für mich ) ist es der Teil, in dem sie sich am liebsten austauschen.

    Viele jedoch sind auch in den etwas geschützteren Teil eingezogen ( kleiner monatlicher Beitrag ), wo sie sich etwas intimer austauschen, da nicht so ohne Weiteres von der ganzen Netzgemeinde mitgelesen werden kann.

    Wie du magst ;).

    Dieses "zu nichts Lust haben", kenne ich sehr gut vom Anfang meiner Trockenheit.
    Ich durfte erst mal lernen, was mir überhaupt Freude macht im Leben und nicht nur danach zu handeln, von dem ich glaubte, was die Anderen von mir erwarten.

    Inzwischen reicht meine Zeit nicht mehr um all das zu tun, was ich gerne würde.
    Aber das passt schon :) .

    In eigener Sache: Wenn du ein paar Absätze reinwurschtelst, dann lässt sich dein Text viel einfacher lesen.

    Danke :) .

    Liebe Grüße

    Slowly

  • Weiter geht's:

    Rückblickend betrachtet beginnen für mich die glücklichsten fünf, sechs Jahre meines Lebens. Ich trinke zwar regelmäßig jeden Abend 1,5 bis 2 Liter Wein, am Wochende auch mal mehr, aber das beeinträchtigt das Glück (noch) nicht. Recht schnell und mit kurzem Abstand kommen meine Töchter zur Welt, die das Glück noch mal potenzieren.
    Ich fasse Fuß in der Arbeitswelt und komme als Druckvorlagenhersteller in einer kleinen Druckerei unter. (Die Grundlagen dafür wurden vorher in einem Sozialhilfeprojekt geschaffen)
    Wir ziehen um in eine schöne große Wohnung. Erste größere Meinungsverschiedenheiten, vor allem, was die Erziehung der Kinder betrifft.
    Zum Glück neige ich weder nüchtern noch alkoholisiert zu Gewalt oder Aggression, so bleibt es bei allerdings immer häufigeren verbalen Auseinandersetzungen.
    Zunehmend Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt. Schmerzhafte Bauchkrämpfe, kaum noch fester Stuhlgang. Eine Darmspiegelung soll Aufklärung bringen. Im Vorfeld der Untersuchung wird mir Blut abgenommen, die Ärztin klärt mich über die schlechten Leberwerte auf und empfiehlt mir dringend, Hilfe zu suchen und nicht mehr weiterzutrinken. Die Darmspiegelung ergibt keine auffälligen Befunde, ein Reizdarmsyndrom wird diagnostiziert, das in Verbindung mit der Fettleber die Komplikationen verursacht. Vom Punkt, Hilfe anzunehmen, bin ich noch weit entfernt. Eine kurze Internetrecherche verspricht: bei absoluter Abstinenz bildet sich die Fettleber innerhalb eines halben Jahres zurück. Ich setze mir den Termin im Kalender und bleibe fast ein halbes Jahr konsequent abstinent, nur aus einem Grund: endlich wieder komplikationsfrei trinken zu können.
    Zwei Wochen vor Ablauf der Frist lasse ich Fünfe grade sein und hole mir vor einer Zugfahrt von Berlin nach Innsbruck 8 Bier, die ich im Zug sitzend trank. (Diese Erinnerung ist mit sehr positiven Emotionen verknüpft. Es war Winter, die Landschaft verschneit, ich sah die ganze Zeit nur aus dem Fenster, trank mein Bier und freute mich)
    Am nächsten Tag, der Rückfahrt, war es dann schon so, dass ich mir die Zugfahrt ohne ausreichend flüssigen Proviant gar nicht mehr vorstellen konnte und mir ging es auch nicht mehr so gut wie am Vortag und auch die Zugfahrt selbst kam nicht annähernd an die Hinfahrt ran. (Das angenehme, langsame Betäuben bei der Hinfahrt wich irgendwie einem stumpfen Befriedigen von Bedürfnissen)
    Es ging also weiter wie gehabt, ich trank meine 2 Liter Wein am Abend. Die schon lange überfällige Trennung folgte 2 Jahre später. Anfangs ging es mir ganz gut in meiner neuen Wohnung, ich genoss es, mich nicht streiten zu müssen. Am Wochenende besuchten mich die Kinder und ich hatte teilweise nüchterne Phasen von bis zu zwei Wochen.
    Und hier kürze ich jetzt mal ab: Die letzten Jahre waren ein ewiger Teufelskreis aus dem "normalen" Konsum meiner 2 Liter Wein, gefolgt von einer Woche des kompletten "Sich-raus-Nehmens" und des Trinkens von morgens bis abends, wiederum gefolgt von einem kalten Entzug.
    Im letzten Jahr dann sowohl geistig wie körperlich immer mehr Probleme.
    Den Rest kennt ihr ja schon.

    Problembewusstsein war bei mir immer vorhanden. Mir selbst war sehr früh klar (mit 20), dass ich ein Suchtproblem habe. Hab das auch durchaus so anderen gegenüber artikuliert, aber immer mit dem Hinweis darauf, dass ich es jetzt im Griff habe, bzw. ich ja dadurch, dass ich eben nicht abstreite, süchtig zu sein, besser damit umgehen könne und dass ich ja früher viel mehr getrunken und die Entwicklung doch eigentlich positiv ist.
    Genützt hat mir dieses Problembewußtsein nicht viel. Weitergetrunken habe ich trotzdem. Die letzten zehn Jahre in der Regel allein zuhause. Viele Einladungen von lieben, netten Menschen ausgeschlagen, um hier zuhause in Ruhe trinken zu können. Das war mir wichtiger. Ganz schön bescheuert.

    Gruß Pancho

  • Weiter geht's:

    Rückblickend betrachtet beginnen für mich die glücklichsten fünf, sechs Jahre meines Lebens. Ich trinke zwar regelmäßig jeden Abend 1,5 bis 2 Liter Wein, am Wochende auch mal mehr, aber das beeinträchtigt das Glück (noch) nicht. Recht schnell und mit kurzem Abstand kommen meine Töchter zur Welt, die das Glück noch mal potenzieren.
    Ich fasse Fuß in der Arbeitswelt und komme als Druckvorlagenhersteller in einer kleinen Druckerei unter. (Die Grundlagen dafür wurden vorher in einem Sozialhilfeprojekt geschaffen)
    Wir ziehen um in eine schöne große Wohnung. Erste größere Meinungsverschiedenheiten, vor allem, was die Erziehung der Kinder betrifft.
    Zum Glück neige ich weder nüchtern noch alkoholisiert zu Gewalt oder Aggression, so bleibt es bei allerdings immer häufigeren verbalen Auseinandersetzungen.
    Zunehmend Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt. Schmerzhafte Bauchkrämpfe, kaum noch fester Stuhlgang. Eine Darmspiegelung soll Aufklärung bringen. Im Vorfeld der Untersuchung wird mir Blut abgenommen, die Ärztin klärt mich über die schlechten Leberwerte auf und empfiehlt mir dringend, Hilfe zu suchen und nicht mehr weiterzutrinken. Die Darmspiegelung ergibt keine auffälligen Befunde, ein Reizdarmsyndrom wird diagnostiziert, das in Verbindung mit der Fettleber die Komplikationen verursacht. Vom Punkt, Hilfe anzunehmen, bin ich noch weit entfernt. Eine kurze Internetrecherche verspricht: bei absoluter Abstinenz bildet sich die Fettleber innerhalb eines halben Jahres zurück. Ich setze mir den Termin im Kalender und bleibe fast ein halbes Jahr konsequent abstinent, nur aus einem Grund: endlich wieder komplikationsfrei trinken zu können.
    Zwei Wochen vor Ablauf der Frist lasse ich Fünfe grade sein und hole mir vor einer Zugfahrt von Berlin nach Innsbruck 8 Bier, die ich im Zug sitzend trank. (Diese Erinnerung ist mit sehr positiven Emotionen verknüpft. Es war Winter, die Landschaft verschneit, ich sah die ganze Zeit nur aus dem Fenster, trank mein Bier und freute mich)
    Am nächsten Tag, der Rückfahrt, war es dann schon so, dass ich mir die Zugfahrt ohne ausreichend flüssigen Proviant gar nicht mehr vorstellen konnte und mir ging es auch nicht mehr so gut wie am Vortag und auch die Zugfahrt selbst kam nicht annähernd an die Hinfahrt ran. (Das angenehme, langsame Betäuben bei der Hinfahrt wich irgendwie einem stumpfen Befriedigen von Bedürfnissen)
    Es ging also weiter wie gehabt, ich trank meine 2 Liter Wein am Abend. Die schon lange überfällige Trennung folgte 2 Jahre später. Anfangs ging es mir ganz gut in meiner neuen Wohnung, ich genoss es, mich nicht streiten zu müssen. Am Wochenende besuchten mich die Kinder und ich hatte teilweise nüchterne Phasen von bis zu zwei Wochen.
    Und hier kürze ich jetzt mal ab: Die letzten Jahre waren ein ewiger Teufelskreis aus dem "normalen" Konsum meiner 2 Liter Wein, gefolgt von einer Woche des kompletten "Sich-raus-Nehmens" und des Trinkens von morgens bis abends, wiederum gefolgt von einem kalten Entzug.
    Im letzten Jahr dann sowohl geistig wie körperlich immer mehr Probleme.
    Den Rest kennt ihr ja schon.

    Problembewusstsein war bei mir immer vorhanden. Mir selbst war sehr früh klar (mit 20), dass ich ein Suchtproblem habe. Hab das auch durchaus so anderen gegenüber artikuliert, aber immer mit dem Hinweis darauf, dass ich es jetzt im Griff habe, bzw. ich ja dadurch, dass ich eben nicht abstreite, süchtig zu sein, besser damit umgehen könne und dass ich ja früher viel mehr getrunken und die Entwicklung doch eigentlich positiv ist.
    Genützt hat mir dieses Problembewußtsein nicht viel. Weitergetrunken habe ich trotzdem. Die letzten zehn Jahre in der Regel allein zuhause. Viele Einladungen von lieben, netten Menschen ausgeschlagen, um hier zuhause in Ruhe trinken zu können. Das war mir wichtiger. Ganz schön bescheuert.

    Gruß Pancho

  • Hallo Slowly,

    danke für den Hinweis. Finanziell ist momentan bei mir nicht mal der kleine Betrag für das geschützte Forum drin.
    Außerdem habe ich mir absolute Offenheit geschworen, egal wem gegenüber. Das gehört für mich auf meinem neuen Weg dazu, der alte war zu sehr von Verschlossenheit und Rückzug geprägt.
    Und mit den Absätzen hast du recht :wink:

    Gruß Pancho

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