Co-abhängigkeit auch in Freundschaften

  • Ich habe mir in letzter Zeit viele Gedanken darüber gemacht, ob ich nicht generell ein co-abhängiges Verhalten habe.
    Meine Freundinnen habe alle irgendwie ein Suchtproblem und ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich sie retten möchte.
    Oft sehe ich mich dann nicht mehr und meine Bedürfnisse und erscheine ihnen vielleicht auch als besserwisserisch, wenn ich sie retten möchte.

    Ich bin traurig, weil ich merke, dass ich wenn ich beim anderen bin und bei seinen "Fehlern" weg von mir bin, urteile und bewerte und damit auch mich von den anderen entferne.

    Sind wir Co`s so kritiksüchtig?

    Mir hat sogar eine Freundin neulich gesagt, dass sie mich lange Zeit gemieden hat, weil sie mich so anstrengend findet.
    Mein Ex-Freund findet mich auch anstrengend.

    Und widerum habe ich auch eine liebe Seite, die aber auch meine Freunde und mein Ex mögen.

    Doch diese Kontrollseite, die die anderen beobachtet und ständig in Kritikbereitschaft ist, macht mich doch sehr traurig.

    Ich möchte nicht Jemand sein, vor dem die Menschen weglaufen. Vielleicht vordergründig sind sie nett und hinten denken sie ganz anders über mich. Ich weiß ja selber nicht, wie ich wirke.......

    Heute bin ich sehr traurig, weil diese Co Seite an mir mir unglaublich viel Leichtigkeit und Lebendigkeit nimmt.

    Kennt ihr das auch?

    LG

    M.

  • Hallo Wildflower,

    haha, mich findet meine Familie auch manchmal anstrengend. :)

    Da bin ich mir auch oft nicht sicher, ob es normales Verhalten ist, diese Kontrolle oder schon irgendwie "daneben".

    Bei anderen Menschen halte ich mich inzwischen raus.

    Das ist besser für mich und wahrscheinlich auch für die Anderen.

    Andere zu bewerten liegt wohl in der menschlichen Natur.

    Ob wir nach der Bewertung weiter denken und unsere Bewertung noch einmal auf den Prüfstand stellen und zwar mit der Frage, in wie weit es mit UNS SELBST zu tun hat, was wir über einen anderen Menschen denken, das steht uns ja frei und sollte meiner Meinung nach erfolgen.

    Liebe Grüße

    Slowly

  • Hallo Slowly,

    vielen Dank für deine Antwort.

    Gut, dass du dich bei anderen Menschen inzwischen raushalten kannst.
    Ich bin dabei, es zu lernen. Alleine schon, dass ich mich hier oute, ist für mich ein großer Schritt in die richtige Richtung.

    Schade, dass hier in diesem Bereich so wenig Austausch ist. Der ist mir einfach zu wenig. Ich versuche mal in den geschützten Bereich zu wechseln, wo ich mehrere erreichen kann.

    Lieber Gruß

    Wildblume

  • Liebe Wildblume,

    du schreibst ja

    Zitat

    Meine Freundinnen habe alle irgendwie ein Suchtproblem

    .

    Das ist doch schon auch interessant, du erkennst das ja auch. Du hast bestimmt durch die Mutter, die ja abhängig war, eine Menge Muster gelernt. Einfach, weil es für dich damals notwendig war, um irgendwie für dich da einen Lebensweg zu finden, um dich in deiner Lebenslage orientieren zu können. All so was. Und du hast Verantwortungen und Aufgaben übernommen, die nicht deine sondern Erwachsenendinge gewesen wären.

    Diese erlernten Dinge wendest du nun immer wieder an, es sind Dinge, die dir vertraut sind. Das erkennst du ja daran, dass deine Freundinnen anscheinend alle irgendwie "bedürftig" sind, also süchtige Verhaltensweisen haben, an denen du diese Muster auch immer wieder abspielen kannst. Du suchst dir Menschen aus, die eben so sind, wie es dir vertraut ist.

    Und natürlich finden sie dich dann besserwisserisch oder so. Dass du ihnen im Prinzip nur helfen möchtest können und wollen sie nicht sehen. Es ist ja auch ihre eigene Verantwortung, wie sie leben und was sie machen. Andererseits gibst du diesen Menschen ja auch ein bestimmtes Gefühl, ein Verhalten, das sie wiederum auch brauchen, weil es irgend welche Muster in ihnen bedient.

    Ihr braucht euch gegenseitig, gewissermaßen.

    Wie andere Menschen über dich denken kannst du nicht beeinflussen.

    Ja, deine Traurigkeit kann ich ganz gut verstehen. Ich war auch damals sehr traurig als mir klar wurde, was meine Coabhängigkeit für mich bedeutet hatte. Wie viel Leichtigkeit mir dadurch genommen wurde. Wie Menschen mich ausgenutzt hatten, weil ich es einfach zugelassen hatte. Wie sie mit mir umgegangen waren und wie wenig sie mich ernst genommen hatten. Wie wenig ich mir selbst wert gewesen war all die Jahre, dass ich so leben konnte, das zulassen konnte.

    Aber es ist ja jetzt doch so, dass du diese Dinge erkennen kannst. Und das gerne verändern möchtest. Das wirst du auch! Indem du dich nun aktiv damit auseinander setzt, wird viel in dir selbst passieren. Das ist toll!

    Ich würd mich freuen, dich auch im geschlossenen Bereich begrüßen zu können!

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Wildflower,

    ich hatte keinen alkoholabhängigen Partner; ich bin selbst alkoholabhängig.

    Dennoch habe ich schon viele Merkmale an mir feststellen können, die hier im Forum auch von Co-abhängigen beschrieben werden. Ich glaube, dass sich diese Muster bei mir in den verschiedensten Zusammenhängen zeigen können.

    (Zum Beispiel auch, wenn ich dir jetzt hier schreibe, weil es mir "leid tut", dass du weniger Feedback erhältst, als du dir wünschen würdest. Mich dafür irgendwie "verantwortlich" zu fühlen, das ist ganz typisch für mich. Und dann fühle ich mich besser, wenn ich dir antworte; das gibt mir dann ein gutes Gefühl. Ich könnte das noch weiter spinnen.)

    Ich tausche mich auch hauptsächlich im erweiterten Bereich aus, weil mir das weniger www, sondern etwas geschützter und dadurch persönlicher ist.

    Viele Grüße und alles Gute dir!
    Thalia

  • Liebe Aurora,

    ich fand deine Antwort sehr wichtig, denn ein Satz ist mir heute mehrmals im Kopf geschwirrt und hat eine Blockade von mir aufgedeckt.

    Du schreibst:

    Zitat

    Wie andere Menschen über dich denken kannst du nicht beeinflussen.

    Das ist so wohltuend, denn das nimmt so viel Last von mir ab. Ich habe oft versucht, lieb zu sein, weil ich ja verdammt wenig Aufmerksamkeit als Kind bekam und als ich mit 12 in eine blöde Pflegefamilie reingesteckt wurde in der der Sohn alles auf dem silbernen Tablett bekam und ich mir alles erkämpfen musste und als ich noch sah, wie man meinen Bruder behandelte, der entmündigt wurde (ist eine zu lange Geschichte, würde hier den Rahmen sprengen), da ist mein bißchen Selbstwertgefühl auch nocht verpufft und ich wurde mir selbst fremd.

    Als Kind war es überlebenswichtig für mich, lieb zu sein und dass andere gut über mich denken. Heute kann ich im schlimmsten Falle von Hartz IV leben und mit wenig Dingen. Habe ich sogar auch einige Zeit lang wegen Depressionen gemacht und da war auch kein Freund zur Hilfe, wobei ich auch nie um etwas gebeten habe.

    Also es ist gut, die Menschen zu akzeptieren. Der eine mag mich, der andere nicht und ich kann das nicht beeinflussen, zumindest nicht die echte Akzeptanz aus dem Herzen.........

    Leider kann ich vorerst nicht ins geschlossene Forum, da ich gesehen habe, dass es etwas kostet.
    Ich habe nach langer Arbeitslosigkeit einen Job angefangen Anfang November und muss jetzt noch ein Monat Hartz IV zurückzahlen.
    Anfang des Jahres dürfte es mir wieder besser gehen.

    Lieber Gruß

    Wildblume

  • Liebe Thalia 1913,

    vielen dank für deine Wünsche!
    Auch wenn du mir geschrieben hast auch aus einem Verantwortungsgefühl, weil ich mir mehr Feedback erhofft habe, hat es mir ja gut getan.
    Doch ich verstehe auch deine Bedenken hinsichtlich dieses Verhaltens. Denn es ist ein schmaler Grat zwischen zu viel für andere zu tun und sich dabei zu vergessen und ein gesundes Maß an Empathie für andere.
    Auch ich kenne das sehr gut...........
    Uch, dieses eingeprägte.........ich suche ja eine Therapie, aber diese gestaltet sich sehr schwierig........
    Hast du auch Therapieerfahrung? oder wie gehst du mit deinen Mustern um? wie kommst du ihnen auf die Schliche? und gelingt es dir, die Qüalgeister ab und an mal im Schach zu halten?

    Lieber Gruß

    Wildblume

  • Liebe Wildblume,

    ich mag zu deiner Frage an Thalia auch was schreiben :wink: . Denn ich finde das sehr interessant!

    Ich habe Therapieerfahrung, sage ich gleich mal. Ich habe eine gemacht, als ich mich von meinem Exmann getrennt hatte. Da ging es hauptsächlich darum, mich aus dieser Ehe raus zu arbeiten, meine Schuldgefühle zu bewältigen und so. Dabei sind schon Muster aufgedeckt worden.

    Dann bin ich jetzt noch in Therapie, nach dem Tod meiner Tochter und meines kleinen Enkels und dem Verlust meines Arbeitsplatzes, der sehr wichtig für mich war, bin ich kaum noch richtig auf die Beine gekommen. Ich habe Depressionen. Auch hier werden jetzt Muster, Prägungen sichtbar.

    Also sag ich mal, eine Therapie ist schon auch sehr hilfreich, um Prägungen zu entdecken, zu erkennen. Andererseits habe ich aber auch alleine viele Dinge an mir entdeckt. Zum Beispiel durch den Austausch hier im Forum. In Gesprächen mit Menschen, die mich ernst nehmen, zuhören und auch von eigenen Dingen berichten. Und ich bin ehrlich zu mir selbst gewesen, habe nichts mehr beschönigt an mir oder so. Im Nachdenken über mich.

    Bewusst sind mir bestimmte Muster geworden, werden mir Muster, wenn es eine Situation gibt in der ich mich plötzlich sehr unwohl fühle. Getriggert, gewissermaßen. Da denke ich drüber nach, warum das so ist. Ich gehe nicht mehr drüber weg. Dieses Unwohlsein habe ich irgendwann an mir wahr genommen, im Jahr nach der Trennung. Und es ist dann immer ein wenig weiter ausgebaut worden, gewissermaßen. Manchmal reagiere ich so oder so und ups, schon sehe ich so: :shock: aus... Und kann dann sagen, "Sche..e, schon wieder so 'n Olles Ding. " :? . Das geht also immer schneller und besser, alte Muster aufzudecken.

    Klappt aber auch nicht immer überall. Aber immer öfter.

    Indem ich nun Muster erkenne, auch wenn es erst hinterher ist, kann ich dann was dagegen tun. Aber das ist schwer. Mein Therapeut meinte, man kann solche Prägungen auch messen. Im Gehirn flitzen dann Ströme hin und her, auf alten Bahnen. Ein Reiz kommt und die Prägung läuft eben ab, sie ist gut eingeübt und geht fast von alleine, weil die Datenautobahnen im Kopf eben gut eingefahren sind.

    Das kann man aber umleiten. Sozusagen neue Datenautobahnen bauen. Das dauert aber leider, bis die Reize dann diese sofort benutzen. Zuerst ist eben immer das Alte im Vordergrund. Und das Neue muss sich bewusst gemacht werden.

    Hm, das ist mir erst mal so dazu eingefallen.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Aurora,

    das mit den Datenautobahnen fand ich gut. Ich habe auch darüber gelesen, dass man neue Spuren im Gehirn legen kann und das es dauert, aber machbar ist. Da habe ich auch Vorträge von Prof. Gerald Hüther gesehen.
    Man benutzt halt oft lieber die breiten, gut ausgebauten Bahnen, auch wenn die mittlerweile keine guten Wege mehr sind.

    Therapie ist für mich ein Thema für sich. Ich habe viele kleine Therapien gemacht, aber wirklich immer nur Stunden, das längst war mal eine Verhaltenstherapie, die über 25 Std. ging und die mir damals nichts gebracht hat, was aber auch daran lag, dass ich zu dem Zeitpunkt noch sehr blockiert war. Da war ich mit einem Mann zusammen, der Stimmen hörte und viel Alkohol trank, um diese zu bekämpfen. Das war meine hefigste Beziehung. Ab da war es nie mehr so schlimm.
    Ich habe auch in dem Jahr unseres Kennenlernens meinen Vater verloren und bin dann so richtig in dei Depression gerutscht, aus der ich jetzt erst so peu a peu rauskomme.

    Du schreibst:

    Zitat

    Dann bin ich jetzt noch in Therapie, nach dem Tod meiner Tochter und meines kleinen Enkels und dem Verlust meines Arbeitsplatzes, der sehr wichtig für mich war, bin ich kaum noch richtig auf die Beine gekommen. Ich habe Depressionen. Auch hier werden jetzt Muster, Prägungen sichtbar.

    Das tut mir sehr leid, dass deine Tochter und dein Enkel gestorben sind. Ich kann es zwar nicht ganz nachvollziehen, weil ich leider nie Mutter geworden bin, aber ich höre immer wieder von Müttern, dass dieser Abschied wohl der Schlimmste sei. Ich habe meine Mutter verloren als ich 12 war und meine geliebte Omi starb dann 2 Jahre später. Mein Vater wollte nichts mit mir zu tun haben, so dass ich mit 14 Jahren Waise war mit einem Bruder, der durch den Alkohol meiner Mutter, sehr angeschlagen war (sie hat während der Schwangerschaft getrunken). Ich denke, ich weiß, was Verlust bedeutet.
    Auch Depressionen kenne ich sehr gut. Ich war immer eine Kämpferin und dann ging nichts mehr. Ich, die voller Energie war, lag oft nur im Bett, teilnahmslos. Es war schrecklich und es hat lange gedauert, bis ich das akzeptieren konnte. Und irgendwann kamen meine Lebensgeister wieder. Heute versuche ich, es nicht mehr jedem recht zu machen und mir meine Kräfte einzuteilen. Gerade verantwortungsbewusste Menschen sind von Depressionen betroffen. Das Gute ist, man kann auch wieder genesen. Ich habe es ohne Tabletten geschafft. Manche brauchen aber welche, gerade wenn es ganz schlimm wird. Das muss wohl jeder für sich entscheiden,

    Ich suche aber noch einen Therapeutin oder auch eine Trauerbegleiterin. Ich habe die letzten Jahren Unmengen an psychologischen Büchern verschlungen, über Traumata, Sucht, Co-abhängigkeit, Mustern u.s.w....
    Ich war auch vor Jahren in den 12-Schritte Gruppen und ich habe viele Menschen mit meiner Geschichte verrückt gemacht, aber ich wollte halt verstehen, was los ist.

    Heute befinde ich mich langsam auf dem Weg der Besserung. Ich blicke zurück auf ein Scherbenhaufen und doch möchte ich wieder leben, zum ersten Mal ohne Mann, also ohne mein bevorzugtes Suchtmittel. Irgendwann auch wieder mit Partner, doch im Moment und das merke ich ganz klar, wäre das noch viel zu früh. Ich merke jetzt schon, dass ich immer klarer werde, je länger ich getrennt bin und Pläne für mich schmiede und lerne, mich wieder zu spüren.

    Für mich ist das Trauern momentan sehr wichtig. Ich bin dabei, mich meinem inneren Mädchen zu nähern und meiner Mutter, die schon so lange tot ist. Ich habe meine Mutterlinie ja so früh verloren und habe mit 14 einen richtigen innerlichen Bruch erlebt, das war wie eine Seite, die in mir geplatzt ist, ganz laut und ganz schmerzhaft. Das war sehr grausam, weil ich wusste, ich bin alleine, ohne Mutterlinie. Aber vielleicht habe ich sie ja auch sterben lassen aus lauter Schmerz und vielleicht können sie ja trotzdem in mir weiter leben. Leider nicht in meinen Kindern, denn ich habe schon früh beschlossen, dass ich keine Kinder haben werde. Heute würde ich gerne Kinder haben, weil ich denke, ich könnte eine gute Mutter werden. Lange dachte ich das nicht von mir, dachte, ich würde all das Dunkle weiter geben.

    Das ist jetzt doch sehr persönlich geworden. Aber ich schicke es trotzdem ab.
    Dir einen lieben Gruß und danke für deine Antwort.

  • Noch vergessen: heute bin ich aber schon zu alt mit fast 50 noch Mutter zu werden und der liebevolle Partner ist ja noch nicht mal in Sicht.
    Ich denke, man kann auch anderen Kinden/Menschen etwas von sich geben.
    Da bin ich auch dabei, mich zu engagieren. Es gibt ja zig Möglichkeiten dazu.

    Lieber Gruß

    M.

  • Liebe Wildblume,

    mit dem Gerald Hüther habe ich neulich ein sehr interessantes Interview gesehen. Ich finde auch, dass er die Mechanismen des (meines) Gehirns und Denkens/Fühlens sehr verständlich und anschaulich verdeutlicht. Da entsteht so manches Aha-Erlebnis. :)

    Überhaupt geht bei mir viel über das "Verstehen" von Zusammenhängen und Mustern. Dann kann ich sie zwar noch nicht ändern, einfach so, aber indem ich sie (mich) erkenne und verstehe, kann ich mich irgendwie ein Stück weit von "oben" betrachten, und dieser innere Abstand ermöglicht mir erst, hin und wieder auszubrechen aus den eingefahrenen Wegen.

    Aurora hat das auch für mich sehr treffend beschrieben.

    Ich bin da oft sehr ungeduldig mit mir und denke, dass ich mich, einfach, weil ich etwas verstanden habe (eben mit dem Verstand!), sofort anders verhalten bzw. anders fühlen kann. Ich lerne nach und nach, dass es dazu einfach Zeit braucht. Jemand hier im Forum schrieb mir mal (wahrscheinlich auch schon mal öfter :D) "Es ist ein Prozess."

    Momentan kann ich den Prozess sogar richtig genießen. Ich habe das Gefühl, auf dem Weg zu sein, in Bewegung in mir und zu mir. Das löst Glück aus. :)

    Viele herzliche Grüße
    Thalia

  • Liebe Thalia,

    wie wunderbar, dass du auf deinem Weg und dem Prozess des ihn Gehens Glück empfindest.
    Das macht Mut und den brauchen wir hier doch alle.
    Mich haben deine Worte sehr angesprochen :)

    Ich finde auch, dass für mich manches verständlicher geworden ist seitdem ich so vieles weiß über Süchte, Verhalten, Muster, neuronale Bahnen, transgenerationaler Weitergabe von Traumata (hiermit beziehe ich mich vor allem auf die beiden Weltkriege), Bindungsverhalten, Ödipuskomplex u.s.w.....

    Ich glaube, das Lesen darüber hat mir geholfen nicht durchzudrehen und es hilft mir jetzt auch, da ich eine neue Arbeit angefangen habe.

    Dennoch sind in meinem Umfeld so wenige Menschen bereit, sich so wie ich, in der Tiefe mit ihren Mustern auseinanderzusetzen. Das tut mir dann weh, weil ich mich so einsam fühle und weil ich sehe, wie Menschen durch ihr Verhalten andere mit in den Sog ziehen (in meinem direktem Umfeld gerade sehe ich wie 2 Menschen ihr Kind instrumentalisieren und aus dem einst fröhlichem Kind wird ein stilles, hilfloses).

    Ich selber habe ja bis vor kurzem die Liebesbeziehung zu einem lieben, doch sehr unbewussten Menschen beendet, weil er trank und sich seine Welt passend redete und ich ihm als der Buhman erschien.

    Ich wünsche mir so sehr in meinem Umfeld Menschen mit denen ich reden kann, Verständnis, Empathie, Vertrauen, Innigkeit, aber auch gerechtfertigte Kritik, aneinander Wachsen, Zugehörigkeit und dennoch Freiheit.

    Ich muss wohl bei mir anfangen und meinem inneren Kind das geben, was es so viele Jahre entbehrte. Gleichzeitig möchte ich auch lernen, die erwachsene Frau zu sein, auch das ist ein Prozess. Ich habe mich ja in der Co-abhängigkeit jahrzehntelang an andere Menschen geklammert, weil ich dachte, ich sei nicht viel wert und die anderen so viel mehr. Ich habe meiner Wahrnehmung nicht vertraut.

    Das endete in einer Depression in die ich langsam reinrutschte. Diese Phase hielt sich über ein paar Jahre. der Zusammenbruch war unausweichlich, weil ich keine Hilfe bekam, weil ich aber auch nicht mich der Hilfe würdig befand. So entstand ein Kreislauf und ein Sog, der mich mehr und mehr in die Tiefe zog.

    Und dann in der Tiefe geschah aber auch etwas Gutes, denn ich, die immer so verantwortungsbewusst war, wurde auf einmal schlampig und bockig und verweigerte die Arbeit. Ja, ich wurde zur Hartz IV Empfängerin und lange Zeit juckte es mich auch nicht, denn ich dachte: "das System ist sowieso scheisse und die können mich alle mal".
    Da ich aber noch im materiellem verhaftet war, habe ich einige Versicherungen geplündert. Also befand ich mich ständig zwischen den Polen. Gesellschaft oder Einsiedlertum, Auto oder Fahrrad, Konsum oder Verzicht u.s.w...........

    Das waren schlimme Jahre, aber auch lehrreiche...

    Und dann kam das Tief, als die Frau vom Arbeitsamt mir sagte: "ne ne, bewerben Sie sich mal gar nicht, sie sind momentan nicht arbeitsfähig und warten Sie auf den Termin beim Psychiater"....

    Ne, das war dann doch zuviel. Da bin ich wach geworden, denn ich dachte: "wer bestimmt hier eigentlich über deinen Gesundheitszustand?".
    Solange ich rebellierte, war es für mich okay, aber jetzt wurde ich auf einmal abgestempelt und für unmündig erklärt und das hat mir geholfen. Da erwachten wieder meine Lebensgeister und ich besann mich auf meine Stärken und da wurde mir auch klar, dass ein Leben am Rande des Existensminimums nicht die Lösung für mich ist. Und jetzt, wo ich wieder im System drin bin, merke ich, dass es dir auch ein Stück Sicherheit und Selbständigkeit gibt. Ich hatte während meiner Zeit der "Freiheit" ja auch keine Lobby, habe das aleine durchgestanden und auch nicht gejammert, denn ich hatte mich ja dafür entschieden.

    Ich wünsche mir einfach mehr Menschen, die so offen sind wie ich und bei denen ich mich fallen lassen kann. Dieses ewige alleine Kämpfen, das ist schon sehr anstrengend.

    Aber ich bin auf dem Weg, merke, dass ich auch viel Kraft in mir habe und das diese Jahre der Entbehrung auch ihr Gutes hatten. In dieser Zeit habe ich meine Familienverhältnisse in Frage gestellt, habe zig Bücher gelesen, war viel mit dem Fahrrad unterwegs.

    Nur, wie gesagt, ich würde meinen Schatz gerne mit anderen teilen. Noch fühle ich mich recht einsam, aber ich hoffe, dass sich Türen für mich öffnen.

    Jetzt ist es doch recht lang geworden, aber es tut mir auch gut und dafür ist dieses Forum ja auch da, nicht? Denn genau das ist doch wichtig, dass ich bei mir bleibe und bei meinen Gefühlen, damit ich halt nicht wieder in die Versuchung gerate, meine Leere und Traurigkeit damit aufzufüllen, an einem anderen "du" anzudocken.

    Ich bin so froh, dass es auch Menschen gibt, die sich auf ihrem Weg befinden und diesen hier teilen.

    Liebe Grüße an dich Thalia...

    die Wildblume

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