Ich grüße alle Mitforisten/Innen!
Ich möchte mich zunächst kurz vorstellen:
Ich nenne mich hier FatFreddy, Freddy reicht (FatFreddy war ein Comic-Kater), ich bin 54, getrennt lebend, habe eine erwachsene Tochter.
Ich habe bereits 2009/2010 hier im Forum geschrieben, ich weiß allerdings nicht mehr, unter welchem Account. Ist eigentlich auch egal, denn ich war damals nass. In den knapp 7 Jahren seit damals ist viel geschehen.
Ich fange mit der guten Nachricht an: ich bin nun 3 Jahre 3 Monate und ein paar Tage komplett abstinent, ich trinke nicht mehr und ich rauche nicht mehr. Ich habe in den letzten 3 Jahren mein leben und meinen Freundeskreis, meine Ernährung und viele andere Dinge grundlegend geändert. Ich sehe hierin wesentliche Säulen, die mir das trockene Leben garantieren, es mir leicht machen.Ich kann sagen, dass ich trotz allem Leid, welches ich euch schildern werde, heute glücklich bin. Glücklich, frei ja befreit vom Alkohol zu sein (wohl wissend, dass einen jederzeit ein Rückfall erwischen könnte).
Ich habe wirklich großes Glück, dass ich noch lebe, denn im November 2013 war ich bereits tot.
MEINE VORGESCHICHTE
Ich habe praktisch seit meinem 17. Lebensjahr jeden Abend getrunken. Es gab nur wenige Ausnahmen, wenn ich mal 3 Wochen Grippe hatte oder mal eine 8-wöchige Diät für die Leber nach einer Vitamin-A Vergiftung. Wenn ich heute mit klarem Kopf zurück blicke, dann habe ich von Anfang an niemals aus Genuss getrunken, sondern ausschließlich wegen der Wirkung, als Medizin gegen Depression, Ängste, mangelndes Selbstwertgefühl und Unsicherheit.
Die knapp 30-jährige Trinkerei hat mir in den Jahren 2009 und 2010 zahlreiche Entgiftungen beschert. 2009 schaffte ich es sogar, nach einer Entgiftung eine ambulante Langzeittherapie zu beginnen, welche mich so stabilisierte, dass ich körperlich fast 8 Monate trocken war. Leider war ich noch so von der Sucht gefangen, dass ich vieles nicht erkannte und die Sucht völlig unterschätzte. Ich war bzw. ich bin, denn es ist eine chronische Krankheit, der Typus des Spiegeltrinkers. Es ist dabei völlig unerheblich, wie groß die Menge ist, die man zu sich nimmt. Ich habe zwanghaft abends getrunken, im Urlaub auch tagsüber. Die letzten Jahre vor dem Zusammenbruch war es dann in erster Linie ein Antrinken gegen die Entzugsymptome. Die Tatsache, dass ich meistens "nur" eine bestimmte Menge getrunken habe, zu festen Zeiten und am nächsten Tag mehr oder weniger fit auf Arbeit stand gaukelte mir jahrelang vor, dass ich kein Problem hatte. Ich dachte damals, Alkoholiker ist der, der ab dem ersten Tropfen völlig unkontrolliert trinkt bis er umfällt oder bis es nichts mehr zu trinken gibt. Ich dachte: ich bin doch nicht abhängig, ich höre nach ein paar Bier und ein paar Wodka auf
Ich dachte oft, verdammt, schon wieder einen Schnupfen. Heute weiß ich, dass ich tagsüber schon viele Jahre Entzugserscheinungen hatte, ich konnte oder wollte das nicht erkennen. Ebenso habe ich es nicht begriffen, dass ich zwar "nur" einen bestimmten Spiegel getrunken habe, dafür aber völlig unfähig war, auch nur einen Tag abstinent zu leben. Ich schob die Erkenntnis jeweils auf den nächsten Tag.
So kam es, dass ich abends oft für meine Tochter nur physisch anwesend war, dass ich mich von meiner Frau entfremdete, dass meine Gesundheit zunehmend ernsthaft beschädigt wurde. Irgendwann zog meine Frau mit der Tochter aus, ich verlor meinen Job, zum Schluss drohte der Verlust der Wohnung.
Als ich 2009 das erste Mal zwar freiwillig, aber wenig einsichtig in die Entgiftungsstation einer Psychiatrie ging, da merkte ich gleich am ersten Abend, wie sehr ich bereits abhängig war. Nach nur ein paar Stunden ohne Alkohol ging gar nichts mehr. Die Entzugserscheinungen waren extrem heftig und endeten nach 3 Tagen im Delirium.
Ich habe daraus nicht gelernt, war nach zwei Wochen kaum daheim, da verfiel ich wieder in Depressionen und anstatt irgendetwas zu unternehmen, was mir helfen könnte, wurde ich am gleichen Tag rückfällig. Auf weitere Details, wie es dann von 2009-2013 weiterging, möchte ich derzeit verzichten. Fakt ist, ich manövrierte Tag für Tag zwischen Trunkenheit und tagsüber Entzug. Die Liste der Psychopharmaka wurde immer länger, die mir mein Hausarzt verordnete, damit ich keine schwerwiegenden Probleme bekam. Wenn ich nämlich zum Jobcenter , zur Krankenkasse oder zur Institutsambulanz musste, wollte ich dort immer nüchtern hin.
Ich kürze das alles erstmal hier ab, denn eigentlich wollte ich mich ja erstmal nur vorstellen.
Ich habe dann bis November 2013 immer wieder Krankenhausaufenthalte gehabt, weil die Bauchspeicheldrüse und die Galle immer wieder entzündet waren. Es waren unvorstellbare Schmerzen, ich wusste nicht, dass man derartig bestialische Schmerzen haben kann. Ich lief immer wieder komplett gelb an, es wurde zudem ein Umbau der Leber zur Zirrhose festgestellt zahlreiche andere Erkrankungen wie COPD (ich hatte bis 2013 zum Teil bis 80 Zigaretten am Tag geraucht). Man versuchte immer wieder, mich mit Nulldiat bzw. völlig fettfreier Nahrung und zig Infusionen wieder klar zu bekommen. Ich hatte leider das Pech (muss ich sagen), dass ich mich immer sehr schnell erholte. Während ich dann jedesmal im. Krankenhaus aufblühte, aus meiner Einsamkeit herauskam, unter Leute kam, voller guter Absichten war, fiel ich daheim, wo durch den Auszug meiner Frau und meiner Tochter die Hälfte an allem fehlte, in schwerste Depressionen. Zwei Zimmer habe ich so belassen, wie meine Frau sie zurück gelassen hat, habe sie nicht mehr betreten. Oft kam ich aus dem Krankenhaus, saß dann dort und hielt die Einsamkeit nicht stand. Bei jedem neuen Rückfall war ich innerhalb von zwei Tagen wieder im alten Rhythmus mit der alten Menge Alkohol.
Zu dieser Zeit habe ich wie ein Sklave des Alkohols vegetiert. Es ging nur noch darum, dass mir die ausreichende Menge Alkohol täglich zur Verfügung steht und eine Reserve für den nächsten morgen da ist. Richtig gegessen habe ich nur abends, mit der Trinkerei kam der Hunger. Das Essen war auf den Alkohol ausgerichtet, alles fettig und extrem scharf. und natürlich extra Knoblauch, damit man die Fahne am nächsten Tag überdecken kann.
Im November 2013 ging es mir zunehmend schlechter. 14. und 15. November war ich irgendwie völlig apathisch und habe auch tagsüber immer wieder geschlafen, dann folgten 2 Tage, in denen ich vor Schmerzen nur noch zusammengekrümmt liegen konnte, habe wie in Trance vor mich hin vegetiert. Ich konnte weder essen noch ausreichend Flüssigkeit zu mir nehmen. Am 3. Tag habe ich dann früh morgens vor Schmerzen nicht mehr gekonnt und habe einen RTW gerufen. Zunächst wurde ich wie ein Bittsteller belehrt und schlecht behandelt, dann aber zeigten Blutdruck und EKG wohl Auffälligkeiten. Jedenfalls brachte man mich plötzlich mit Blaulicht in die Klinik. Das war der 18. November 2013, der Tag, an dem sich mein Leben grundlegend änderte.
Wie, das verrate ich euch quasi in der Fortsetzung. Wenn es manchmal dauert, bis ich antworte oder weiter schreibe wundert euch bitte nicht. Ich bin durch das, was folgte so geschädigt, dass ich immer wieder tageweise nichts machen kann, entweder wegen Depressionen, die chronisch sind, oder wegen der ganzen körperlichen Einschränkungen.
So, dann hoffentlich bis bald,
Euer Freddy.