Noah24 - Alte negative Gefühle (Angehörige)

  • Liebe Leute, ich bin Noah - und mittlerweile fast 57 Jahre alt. Meine Mutter hat in meinem Alter von 1 bis ca. 13 Jahre (mehr oder minder) durchgehend getrunken, anfänglich (laut meines Vaters) noch moderat, über die Jahre hinweg dann immer mehr verbunden mit erheblichen Problemen, natürlich auch in ihrer Ehe und in unserer Familie. Später hat sie ihren Alkoholismus (und weitere Themen) über eine Therapie bearbeitet und ist seit Jahrzehnten trocken (sie lebt bis heute). Auch waren meine Eltern (wie mein Bruder) einige Jahre lang in AA-Selbsthilfegruppen, Jahrestreffen usw. - an denen ich allerdings damals als Jugendlicher bewusst nicht teilgenommen habe.

    Mir ging es - ab 15 / 16 Jahren - zunächst ganz maßgeblich (als Entscheidung) darum, mein eigenes Leben verstärkt in Angriff zu nehmen - über Auszug, Distanzierung / Flucht, Ablenkung, neue Erfahrungen, wohl auch Verdrängung. An meine Kindheit habe ich bis heute nur recht wenig Erinnerung (und wenn dann sind diese nicht sonderlich erbaulich).

    Warum ich hier schreibe: immer wieder - bis zum heutigen Tag - scheint mich meine Vergangenheit auf eine gewisse Art und Weise "einzuholen". Denn da sind (ab und an) plötzlich auftretende "Löcher", die ich so seit meiner Kindheit kenne, gepaart mit dann auftretender Niedergeschlagenheit. Ganz früher hielten diese auch mal wochenweise an - heutzutage kommen sie meist nur ein, zwei Mal im Jahr vor (außer es ist etwas Größeres / etwas Schwerwiegendes wie z.B. eine Trennung vorgefallen).

    Nach ca. zwei, drei Tagen geht so ein Loch bei mir wieder weg (ich denke: durch meine Arbeit, Sport, soziale Kontakte ...allgemein: durch meine Aktivitäten). Gleichwohl bleibt eine solche Situation bis heute für mich schwierig, weil diese dann - nach wie vor "unerwartet" / plötzlich - mit großer psychischer Labilität, Rückzugsgedanken, nebeliges Gefühl der Verlorenheit usw. einhergeht ... ich kann dann in - so einer Phase - kaum einen klaren Gedanken fassen. Wie eine depressive Verstimmung, die mich kurze Zeit ummantelt.

    Meine (früh und später) erlernten Ressourcen helfen mir zwar recht schnell und auch zuverlässig - dieses Gefühl bleibt bislang - in so einem Moment - dennoch sehr negativ. Ich glaube: ein Trigger aus meiner Kindheit, heute vielleicht ausgelöst durch bestimmte Veränderungen oder einen (mal) schlechten Tag (dann keinen "Halt spüren"). Ein heute vielleicht "überzogenes" (?) Gefühl aus meiner Vergangenheit, könnte ich mir vorstellen - wie ein vernarbter Spreißel im Körper, der sich ab und zu bewegt.

    Nun, ich kenne bislang leider niemanden, der / die dieses Gefühl mit mir (als Erfahrung) teilt - kein Wunder, denn bislang habe ich es meist für mich behalten. Hier kommt nun mein konkretes Anliegen an Euch: kennt ihr - als erwachsene Alkoholiker-Kinder - solche Momente? Bzw. ähnliche? Mir geht es hier weniger um Bewältigung von schwierigen Situationen oder das Teilen von Ressourcen (habe ich für mich selbst recht gut entwickelt) - vielmehr würde ich gerne wissen, ob manche von Euch dieses Gefühl, wie von mir beschrieben, so in der Art kennen und es mit mir (als Erfahrung) teilen können. Denn dann würde ich vielleicht weniger alleine mit diesem Gefühl in der Welt stehen? Und natürlich fände ich es spannend, wie ihr mit so einem Gefühl - sobald es auftritt - umgeht, z.B. ob ihr es akzeptieren könnt, ob ihr bis heute dagegen ankämpft usw. ... vielen herzlichen Dank für Euren Imput!

    Einmal editiert, zuletzt von Linde66 (19. April 2024 um 18:51) aus folgendem Grund: Absätze eingefügt.

  • Hallo Noah,

    herzlich Willkommen hier im Forum und speziell bei den EKA.

    Damit wir dich freischalten können, folge bitte diesem Link, ein kurzer Satz genügt. Du hast dich ja hier schon ausführlich vorgestellt.

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Ich bin selber EKA und habe deinen Text mit großem Interesse gelesen. Ich lese ihn aber nochmal in Ruhe.

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Guten Abend Noah,

    willkommen bei uns in der Selbsthilfegruppe.

    Du bist jetzt für die offenen Bereiche freigeschaltet.

    Und Du kannst überall schreiben, jedoch bitte nicht die ersten 4 Wochen bei den
    neuen Teilnehmern im Vorstellungsbereich.

    Ich wünsche Dir einen guten und hilfreichen Austausch.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hallo Noah,

    diese Löcher/Tiefs kenne ich leider auch. Sie kamen in den letzten Jahren und Jahrzehnten alle paar Monate , meist "nur" für einen Tag, an dem ich dann halt besonders nachdenklich bzw. traurig war, aber am nächsten Tag ging es dann eigentlich wieder. Gerade vor kurzem war das Loch leider tiefer als sonst und es dauerte um einiges länger, bis ich mich (einigermaßen) daraus befreien konnte. An diesen Tagen denke ich dann besonders über meine Kindheit/Jugend nach und überlege, ob ich als Person bzw. mein Leben heute anders wäre, wenn meine Mutter keine Alkoholikerin gewesen wäre. Natürlich weiß ich, dass es darauf keine Antwort gibt und dass das alles Spekulationen sind, aber trotzdem ist dieser Gedanke in meinem Kopf. Und ich stelle bei mir fest, dass ich mir diese Frage mit steigendem Alter immer öfter stelle.

    Und natürlich fände ich es spannend, wie ihr mit so einem Gefühl - sobald es auftritt - umgeht, z.B. ob ihr es akzeptieren könnt, ob ihr bis heute dagegen ankämpft usw. ...

    Bisher habe ich es einfach akzeptiert und nichts weiter unternommen, denn am nächsten Tag war ja alles wieder vorbei. Bei meinem letzten Tief bin ich allerdings wirklich tief gefallen und wurde auch in Verhaltensmuster aus der Vergangenheit zurückgeworfen, die schon damals nicht besonders gut waren. Das hat mich wirklich besorgt und momentan überlege ich, ob ich meine Kindheit/Jugend vielleicht doch mit einem Therapeuten aufarbeiten sollte. Bisher hatte ich bei solchen Überlegungen immer beschlossen, die Vergangenheit einfach ruhen zu lassen. Aber, wer weiß, vielleicht ist/war das doch keine so gute Idee und irgendwann holt einen die Vergangenheit doch wieder ein - auch wenn es mit 48 Jahren ist.

    LG Sandra

  • kennt ihr - als erwachsene Alkoholiker-Kinder - solche Momente? Bzw. ähnliche?

    Ich kenne das super gut. Ich war gerade selbst wieder für ein paar Tage in einem dieser Löcher. Und wie Du, komm ich inzwischen schneller wieder raus. Aber dafür hab ich viel an mir gearbeitet und wenn ich drin stecke bin ich trotzdem oft nahezu panisch, weil ich mich dann so allein und unverstanden fühle. Du bist definitiv nicht allein - und nein, deine Reaktion ist aus meiner Sicht auch nicht „überzogen“. Ich sehe darin eine Traumafolge. Für Kinder ist es traumatisch in einer Suchtfamilie aufzuwachsen. Ich finde, Du beschreibst das gut mit dem „Speißel“, der (noch) feststeckt. Ich hoffe, wir bekommen ihn irgendwann raus.

  • Ich kenne das auch sehr gut. Mich ereilt diese Niedergeschlagenheit und ein Gefühl der Aussichtslosigkeit aber gerade nach Erfolgen oder schönen Begebenheiten, sei dies im beruflichen Bereich oder privat, über die ich mich eigentlich freuen und auf die ich stolz sein kann. Danach falle ich oft erstmal in ein bodenloses Loch.

    Es hat sich dadurch lange so angefühlt, als müsste ich in meinem Leben immer wieder bei Null anfangen, als gäbe es nichts, worauf ich aufbauen könnte. Ich spüre dann eine vollkommene Haltlosigkeit und fühle mich wie gelähmt.

    Mir ist der Zusammenhang mit den eigentlich schönen Erfahrungen bewusst geworden, als eine Kollegin sich einmal riesig für mich über meinen Erfolg gefreut hat. Das war so schön, denn ich selber konnte das nicht so richtig. Die Reaktion der Kollegin und die Diskrepanz zu meiner eigenen inneren Gefühlslage hat mir dabei geholfen, sich dieser Sache bewusst zu werden. Mittlerweile würdige ich die eigenen Erfolge, auch wenn sie noch so klein sind, und generell schöne Begebenheiten selber viel mehr. Ich halte dann einen Moment inne und feiere den Moment. Das hat sich zunächst völlig falsch angefühlt, aber es gelingt mir immer besser.

    Diese Löcher in meinem Leben und die damit verbundene Leere sind seitdem weniger geworden. All die guten Erfahrungen und auch meine Erfolge gehören nun zu mir und wenn ich wieder Mal in ein Loch falle, vielleicht weil es einmal nicht so gut läuft, dann halte ich mir all das Positive und meinen Weg vor Augen. Die Panik geht dann weg und ich empfinde Dankbarkeit und Liebe.

    Liebe Grüße Siri

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